OGH 1Ob72/24f

OGH1Ob72/24f25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers * F*, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin K*, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 13. März 2024, GZ 23 R 76/24k‑67, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 29. Jänner 2024, GZ 2 Fam 24/22s‑63, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00072.24F.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Verpflichtung des Antragstellers zu einer Ausgleichszahlung im Umfang von 345.582 EUR ersatzlos behoben wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die im Juni 1993 zwischen den Streitteilen geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 31. 8. 2021 unter Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Mannes geschieden.

[2] Außer Streit steht der Aufteilungsstichtag mit 1. 1. 2020.

[3] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Aufteilung einer je im Hälfteeigentum der Parteien stehenden Liegenschaft, die nicht die Ehewohnung war.

[4] Diese Liegenschaft wurde dem Mann im Dezember 1993 von seiner Mutter geschenkt. Einen Hälfteanteil daran schenkte und übergab er mit Notariatsakt vom 3. 7. 1996 seiner Frau.

[5] Im Schenkungsvertrag zwischen den Eheleuten wurde unter dem Punkt „Achtens Ehescheidung“ vereinbart:

„Für den Fall der Scheidung der Ehe der Vertragsparteien aus überwiegendem Verschulden der Geschenknehmerin treffen die Vertragsparteien die Vereinbarung, dass der genannte Geschenkgeber den nunmehrigen Hälfteanteil seiner Ehegattin am obigen Liegenschaftsvermögen in sein Eigentum übernimmt, und Letztere erteilt ihre Einwilligung, dass unter Vorlage einer Ausfertigung diese Vertrages und eines entsprechenden Urteiles beziehungsweise Beschlusses über die Scheidung ihrer Ehe ob ihrem vorgenannten Anteil an obiger Liegenschaft das Eigentumsrecht zu Gunsten des Erstgenannten grundbücherlich einverleibt werde.

Eine Hinauszahlung an die Zweitgenannte hat nicht zu erfolgen, wobei die Vertragsparteien allerdings zur Kenntnis nehmen, dass sollte das Vertragsvermögen zum Zeitpunkt der Scheidung der Ehe eheliches Gebrauchsvermögen sein, der Richter aus billigem Ermessen eine Hinauszahlungsverpflichtung festsetzen kann.“

 

[6] Der Verkehrswert des Hälfteanteils an der Liegenschaft beträgt – ohne Berücksichtigung von Geldlasten – zum 1. 1. 2020 gerundet 427.000 EUR und per April 2023 gerundet 691.000 EUR.

[7] Der Mann beantragte insbesondere, die Liegenschaft in sein Alleineigentum rückzuübertragen, ohne ihm dafür eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen.

[8] Die Frau beantragte, die Liegenschaft im Hälfteeigentum der Parteien zu belassen, in eventu dem Mann ihren Hälfteanteil gegen eine angemessene Ausgleichszahlung zu übertragen, in eventu Realteilung. Die auflösende Bedingung im Schenkungsvertrag (überwiegendes/Alleinverschulden der Frau an der Zerrüttung der Ehe) sei nicht eingetreten.

[9] Soweit für das Revisionsrekursverfahren von Interesse, übertrug das Erstgericht dem Mann den der Frau gehörenden Hälfteanteil an der Liegenschaft und verpflichtete ihn zu einer Ausgleichszahlung von insgesamt 562.300 EUR. Dabei veranschlagte es – neben anderen Vermögenswerten – für die Liegenschaftshälfte einen Betrag von 691.000 EUR zugunsten der Frau.

[10] Das Rekursgericht gab dem nur gegen die Höhe der ihm auferlegten Ausgleichszahlung erhobenen Rekurs des Mannes teilweise Folge, bestätigte die Ausgleichszahlung im Umfang von 490.000 EUR und hob den darüber hinausgehenden Zuspruch (von 144.764 EUR) zur Verfahrensergänzung auf.

[11] Im Schenkungsvertrag betreffend die Liegenschaftshälfte hätten die Parteien vorgesehen, dass bei einer Scheidung der Ehe aus (alleinigem oder überwiegendem) Verschulden der Geschenknehmerin der Schenkungsgegenstand an den Geschenkgeber ohne Wertausgleich rückübertragen werde, die Schenkung somit rückabgewickelt werde, ohne dass dies mit einer „Hinauszahlung“ verbunden wäre. Klar sei damit, dass die Folge einer Rückabwicklung ohne Wertausgleich ein Verschulden der Frau an der Zerrüttung der Ehe voraussetze, und somit für den (gegenständlichen) Fall nicht gelte, dass ihr kein (alleiniges oder überwiegendes) Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei.

[12] So wie die „Zweifelsregel“ bei Schenkungen durch Dritte nicht zur Anwendung komme, wo es eine klare vertragliche Regelung gebe, sei dies auch bei Schenkungen zwischen Ehegatten der Fall, wenn Regelungen für den Fall der Scheidung getroffen worden seien. Die individuelle vertragliche Regelung verdränge allgemeine Rechtssätze, soweit es sich um dispositives Recht handle. Darauf, ob die vertragliche Regelung vor oder nach einer allfälligen Rechtsprechungsänderung getroffen worden sei, komme es dabei nicht an.

[13] Im Ergebnis beruhe daher sowohl die Einbeziehung der geschenkten Liegenschaftshälfte in das Aufteilungsverfahren durch Übertragung des geschenkten Hälfteanteils an den Mann als auch die Verpflichtung zu einem Wertausgleich auf einer richtigen rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts.

[14] Zu den sonstigen Vermögenswerten des Mannes (im Umfang von 144.764 EUR) sei das Verfahren zwar zu ergänzen, weil die Frage noch zu erörtern sei, ob die zur Besicherung von Unternehmenskrediten vinkulierten Lebensversicherungen bzw Bausparguthaben des Mannes zur Rückführung dieser Kredite tatsächlich benötigt würden. Jedenfalls habe der Mann allerdings eine (der Teilrechtskraft fähige) Ausgleichszahlung von gerundet 490.000 EUR zu leisten.

[15] Der ordentliche Revisionsrekurs sei hinsichtlich des bestätigenden Teils der Rekursentscheidung zulässig, weil die Frage, ob die der Frau geschenkte Liegenschaftshälfte aufteilungsgegenständlich sei und dem Mann insoweit ein Wertausgleich auferlegt werden könne, nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Aufteilungsverfahren zumindest nicht eindeutig zu beantworten sei.

[16] Der ordentliche Revisionsrekurs des Mannes richtet sich gegen die ihm auferlegte Ausgleichszahlung, soweit sie den Betrag von 144.418 EUR, den er schon im Rekursverfahren zugestanden hat, übersteigt, also gegen einen Betrag von 345.582 EUR.

[17] Die Frau beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil dem Rekursgericht – wie das Rechtsmittel zutreffend aufzeigt – eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung bei der Auslegung des Schenkungsvertrags unterlaufen ist (RS0044358 [T11]). Er ist auch berechtigt.

[19] 1. Gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG sind von einem Ehegatten eingebrachte, geerbte und ihm von einem Dritten geschenkte Sachen kein Teil der Aufteilungsmasse.

[20] Anderes gilt, wie bereits die Vorinstanzen unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 208/19y richtig ausgeführt haben, wenn eine solche Sache (oder ihr Surrogat) dem anderen Ehegatten (weiter‑)geschenkt wird:

[21] Ein dem Ehegatten während der aufrechten Ehe vom anderen geschenktes Vermögensgut (oder der daran geschenkte Anteil) ist auch dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn es der (schenkende) Ehepartner in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder seinerseits (von einem Dritten) geschenkt erhalten hat (RS0133075), soweit der beschenkte Ehegatte nicht behauptet und bewiesen hat, dass ausnahmsweise eine Schenkung aus vom Bestand der Ehe unabhängiger Freigebigkeit vorliegt.

[22] Bei Aufteilung solcher Geschenke wird es in ständiger Rechtsprechung als billig angesehen, den Anteil oder die Sache auf den Schenkenden (dem sie nach den Bestimmungen des EheG zugrunde liegenden Wertungen ja „bleiben“ soll) rückzuübertragen (RS0113358) und dem Umstand, dass das Vermögensgut allein von der Seite des Geschenkgebers stammt, dadurch Rechnung zu tragen, dass bei der Ermittlung eines dem Geschenkgeber (ansonsten) aufzuerlegenden Ausgleichsbetrags der Wert des Geschenks außer Ansatz zu bleiben hat (RS0115775). Dies führt in der Regel dazu, dass dem seinerzeit beschenkten Ehegatten für die Rückübertragung des geschenkten Anteils kein wertmäßiger Ausgleich zugebilligt wird. Nur eine auf Arbeitsleistungen oder Investitionen der Ehegatten beruhende Wertsteigerung wäre angemessen zu berücksichtigen (RS0113358 [T4]). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass derartige Schenkungen in der Regel in der Annahme erfolgen, die Ehe werde Bestand haben (vgl RS0033063 [T1]).

[23] 2. Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist der der Frau vom Mann geschenkte Hälfteanteil an der Liegenschaft – als eheliches Ersparnis – in die Aufteilung einzubeziehen, und zwar derart, dass ihr Anteil ohne Wertausgleich an den Mann rückübertragen wird. Für eine „eheunabhängige“ und aus reiner Freigebigkeit erfolgten Schenkung bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Frau selbst eingeräumt, die Liegenschaftshälfte sei ihr „ausschließlich aufgrund der bestehenden Ehe geschenkt“ worden.

[24] 3. Nach Ansicht der Vorinstanzen sind die Parteien mit der Regelung im Schenkungsvertrag über den Hälfteanteil im Scheidungsfall von dieser Rechtslage abgegangen. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.

[25] 3.1. Vorausvereinbarungen iSd § 97 Abs 1 EheG bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatakts und unterliegen als schuldrechtliche Verträge (7 Ob 47/99h; 7 Ob 26/04f) den allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB (RS0113791; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 97 EheG Rz 4 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]).

[26] Zu beachten ist, dass bis zum Inkrafttreten des FamRÄG 2009 nach § 97 Abs 1 EheG aF nur Vorausvereinbarungen betreffend eheliche Ersparnisse (in Notariatsaktsform) zulässig waren; solche betreffend eheliches Gebrauchsvermögen einschließlich der Ehewohnung waren dagegen überhaupt unwirksam (Gitschthaler, Die neuen Vorwegvereinbarungen nach dem FamRÄG 2009, EF‑Z 2010/5, 9).

[27] Maßgebliche Auslegungskriterien des § 914 ABGB sind der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die Absicht der Parteien (RS0017915 [T34]). Für die Beurteilung der „Absicht der Parteien“ iSd § 914 ABGB kommt es maßgebend auf den Zweck der Regelung an, den beide Teile redlicherweise unterstellen mussten (RS0017915 [T23]). Der Wortlaut der Vereinbarung ist allein maßgeblich, wenn keine abweichende Absicht festgestellt werden kann (RS0017915 [T35]). Erst wenn feststeht, dass der schriftliche Vertragsinhalt die Absicht der Parteien nicht richtig wiedergibt, ist der Parteiwille zu erforschen und der Vertrag zu ergänzen (RS0017791).

[28] Wenn ein gesetzliches Schriftformgebot besteht, ist eine ergänzende Auslegung von Urkunden durch den Formzweck beschränkt (RS0117165). Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt infolge des Schriftlichkeitsgebots nicht in Betracht, wenn sie nicht eindeutig aus anderen Vertragsbestimmungen abgeleitet werden kann (vgl 5 Ob 134/22z).

[29] 3.2. Die Eheleute haben im Notariatsakt vom 3. 7. 1996 eine (nach § 97 Abs 1 Satz 2 EheG idF vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009) grundsätzlich gültige Vorausvereinbarung über den – als „Vermögen“ eine eheliche Ersparnis bildenden – Hälfteanteil der Frau an der Liegenschaft getroffen. Die Voraussetzungen für eine Vereinbarungskontrolle nach § 97 Abs 2 bis 4 EheG nF, der auch „alte“ Vorausvereinbarungen unterliegen, werden hier nicht geltend gemacht (siehe 1 Ob 144/12a). Fraglich ist aber die Reichweite der Vereinbarung.

[30] Die Vereinbarung regelt ausschließlich den Fall der Scheidung der Ehe der Vertragsparteien aus dem überwiegenden Verschulden der Frau („Für den Falltreffen die Vertragsparteien die Vereinbarung“). Was gelten soll, wenn die Ehe aus dem gleichteiligen, alleinigen oder überwiegenden Verschulden des Mannes geschieden wird, sagt die Regelung nicht. Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Parteien für diese Fälle, insbesondere – wie hier – die Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes, überhaupt eine Regelung treffen wollten, geschweige denndiejenige, dass der Mann den Hälfteanteil der Frau in sein Eigentum übernimmt, ihr dafür aber eine Ausgleichszahlung („Hinauszahlung“) leisten muss.

Dies aus folgenden Gründen:

[31] Im Jahr 1996 konnten die Parteien, wie bereits das Rekursgericht angemerkt hat, die aktuelle – zu Punkt 1. dargestellte – Rechtsprechung zur Behandlung von Schenkungen zwischen Ehegatten im Aufteilungsverfahren nicht kennen, die mittlerweile gefestigt ist, damals aber in dieser Form noch nicht vorlag (vielmehr wurde auf Schenkungen zwischen Ehegatten am häufigsten § 1266 ABGB analog angewandt; vgl RS0022300; Deixler‑Hübner, Auswirkung der Scheidung auf Schenkungen zwischen Ehegatten, EF‑Z 2008/131). Daher kann nicht davon ausgegangen werden, die Parteien hätten diese Judikatur bei Vertragsschluss bedacht oder bewusst davon abweichen wollen. Darauf zielt allerdings der Einwand der Frau ab, die Regelung wäre obsolet gewesen, wenn die Liegenschaftshälfte „so oder so“ ohne Wertausgleich an den Mann zurückgefallen wäre.

[32] Indes könnte die Änderung oder auch Klarstellung der Rechtsprechung nach Abschluss der Vereinbarung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen zu berücksichtigen sein (siehe auch RS0080963). Darauf wird sogleich zurückzukommen sein.

[33] Soweit die Frau in ihrer Revisionsrekursbeantwortung erstmals meint, die Parteien hätten mit der Formulierung im Schenkungsvertrag dem Umstand Rechnung getragen, dass mit von ihr eingebrachten und während der Ehe mitangeschafften Vermögenswerten (Depots) – zum Teil dem Unternehmen des Mannes zuzuordnende – Kredite rückgeführt worden seien, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot (RS0119918). Darüber hinaus übergeht sie, dass die Erlöse aus den Verkäufen der Wertpapiere, die zur Rückzahlung der Unternehmenskredite gedient haben, vom Erstgericht (im Zweifel) ohnehin zur Gänze zu ihren Gunsten bei Ermittlung der Ausgleichszahlung berücksichtigt wurden, ohne dass der Mann dem entgegentrat.

[34] Noch einmal ist festzuhalten, dass der Vereinbarung nach ihrem Wortlaut nicht mehr entnommen werden kann, als dass die Parteien die entschädigungslose Rückabwicklung der Schenkung ohne ihr weiteres Zutun für den Fall sicherstellen wollten, dass die Ehe aus (zumindest) überwiegendem Verschulden der Frau geschieden wird, in dem der Verbleib des Geschenks bei der Frau wohl als auffallend unbillig empfunden wurde. Dadurch sollte dem Mann als Geschenkgeber bei Eintritt dieses besonderen Falls offenkundig ein Verlangen auf Rückübertragung der Schenkung, also eine rechtsgestaltende Willenserklärung erspart werden, die die herrschende Meinung früher für eine analoge Anwendung des § 1266 ABGB forderte (vgl Deixler‑Hübner, Auswirkung der Scheidung auf Schenkungen zwischen Ehegatten, EF-Z 2008/131 mwN unter B.d.).

[35] Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass die Parteien eine Schenkungsanfechtung außerhalb des geregelten Falls ausschließen oder irgendwelchen Bedingungen unterwerfen wollten.

[36] Nach der damaligen Rechtsprechung wäre dem Mann etwa auch bei einer Scheidung aus gleichteiligem Verschulden eine Anfechtung der Schenkung analog § 1266 ABGB offengestanden (RS0022300 [T1]). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Mann nach dem Vertrag diese Möglichkeit nicht mehr hätte haben sollen. Allerdings wäre diese Möglichkeit dem Mann nur zur Disposition gestanden, die Rückabwicklung wäre aber – anders als im Fall des überwiegenden Verschuldens der Frau an der Ehescheidung – nicht ohne Anfechtungserklärung eingetreten.

[37] Im Fall der Scheidung aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes wäre es nach der damals überwiegenden Rechtsprechung wohl bei der durch die Schenkung bewirkten Zuordnung geblieben und die Liegenschaftshälfte nicht der Aufteilung unterlegen, weil diese nicht als Gebrauchsvermögen zu qualifizieren war (4 Ob 565/94).

[38] Ausgehend von den engen Grenzen, die der ergänzenden Auslegung im Fall der Notariatsaktspflicht gesetzt sind, kann der getroffenen Vereinbarung nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Absicht der Parteien unterstellt werden, im Fall der Scheidung aus dem überwiegenden oder alleinigen Verschulden des Mannes eine Rückabwicklung gegen Wertausgleich – und nicht den Eintritt der nach der aktuellen Rechtslage und Rechtsprechung jeweils geltenden Rechtsfolgen – zu wollen. Es kann gerade nicht angenommen werden, die Parteien hätten die Vorteile einer künftigen Rechtsprechungsänderung für den Geschenkgeber ausschließen wollen, soweit ein im Vertrag ungeregelter Fall vorliegt.

[39] In dem Zusammenhang ist übrigens schon die (nicht näher begründete) Annahme der Vorinstanzen, dass es (im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung) diesfalls zu einer Rückabwicklung zu kommen habe, nicht nachvollziehbar. Die Regelung, dass für den Fall der Scheidung der Ehe aus überwiegendem Verschulden der Frau die Schenkung wieder ins Eigentum des Mannes zurückfällt (erster Absatz), und zwar ohne „Hinauszahlung“ (zweiter Absatz), ließe bestenfalls die (ergänzende) Auslegung zu, dass die Schenkung in allen anderen Fällen von der Scheidung unberührt bleiben und die Liegenschaft damit im Hälfteeigentum der Parteien belassen werden sollte. Für einen – über den Wortlaut der Vereinbarung hinausgehenden – eindeutigen Parteienwillen in diese Richtung fehlt freilich – wie dargelegt – jegliches Substrat.

[40] Die Vertragsauslegung der Vorinstanzen erweist sich daher als korrekturbedürftig.

[41] Richtigerweise liegt eine umfassende – den konkreten Fall regelnde – Vorausvereinbarung nicht vor.

[42] 3.3. Mangels einer Vorausvereinbarung iSd § 97 Abs 1 EheG über die Liegenschaftshälfte der Frau für den hier eingetretenen Fall der Scheidung der Ehe aus überwiegendem Verschulden des Mannes, die einer Aufteilung nach §§ 81 ff EheG vorgehen könnte, greift die (zu Punkt 1. dargestellte) dispositive Rechtslage.

[43] 4. Im Ergebnis hat die Frau damit dem Mann die Liegenschaftshälfte rückzuübertragen, ohne dass ihr hierfür ein wertmäßiger Ausgleich zuzubilligen ist. Die Vorinstanzen haben den Mann aus diesem Grund im Umfang von 345.582 EUR zu Unrecht zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet. Da die Höhe der Ausgleichszahlung (über den unangefochten gebliebenen Teil von 144.418 EUR hinaus) wegen der vom Rekursgericht aus anderen Gründen aufgetragenen Verfahrensergänzung noch nicht abschließend beurteilt werden kann, war der jedenfalls verfehlte Zuspruch von 345.582 EUR ersatzlos zu beheben.

[44] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 letzter Satz AußStrG.

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