OGH 4Ob152/22i

OGH4Ob152/22i25.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat MMag. Matzka und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch die Wallner Jorthan Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Aufhebung eines Kaufvertrags und 21.433,66 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2021, GZ 2 R 41/20v‑39, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 13. März 2020, GZ 11 Cg 36/17m‑32, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00152.22I.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I.1. Das mit Beschluss vom 28. September 2021 bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den vom Obersten Gerichtshof am 17. März 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

I.2. Die Schriftsätze der Parteien vom 6. September 2022 und vom 21. April 2023 werden zurückgewiesen.

II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache vorbehalten.

 

Begründung:

Zu I.:

[1] 1. Der Senat hat das vorliegende Rekursverfahren mit Beschluss vom 28. 12 .2021, GZ 4 Ob 112/21f‑44, bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den vom Obersten Gerichtshof zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag nach Art 267 AEUV unterbrochen und angeordnet, dass das Verfahren nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt wird.

[2] Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. 7. 2022, C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen,liegt vor. Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen.

[3] 2. Im Revisionsverfahren erstattete zusätzliche Schriftsätze der Parteiensind unzulässig und daher zurückzuweisen (RS0041666).

Zu II.:

[4] Der Kläger kaufte am 5. 6. 2014 von der beklagten Fahrzeughändlerin um 29.900 EUR einen fabrikneuen VW Tiguan Sport TDI BMT mit der Fahrzeugidentifikationsnummer *.

[5] Das Fahrzeug ist mit einem 2,0 l‑Dieselmotor des Typs EA189 der Abgasklasse Euro 5 ausgestattet. Es fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO 715/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007).

[6] Der Dieselmotor war mit einer Software („Umschaltlogik“) ausgestattet, die bewirkte, dass dieses Fahrzeug am Prüfstand (NEFZ) die Stickoxid‑(NOx‑)Werte der Euro 5‑Abgasnorm einhielt, während es im normalen Fahrbetrieb auf Straßen einen deutlich höheren NOx-Ausstoß aufwies, weil im normalen Straßenverkehr (Modus 0 oder Standardmodus 0) weniger Abgase rückgeführt wurden als im Prüfstand (Modus 1 oder NEFZ‑Modus 1).

[7] Für den gegenständlichen Fahrzeugtyp wurde vom zuständigen deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die EG-Typengenehmigung erteilt. Die „Umschaltlogik“ (Standardmodus 0 und NEFZ‑Modus 1) war der Typengenehmigungsbehörde gegenüber nicht offengelegt worden.

[8] Der Kläger hatte sich vorab über das Fahrzeug informiert, wobei der NOx‑Ausstoß „für ihn nicht weiter von Relevanz war“ und während des Verkaufsgesprächs umwelt- oder kraftstoffverbrauchsbezogene Themen nicht erwähnt wurden. Weder der Kläger noch die Beklagte wussten bei Kaufvertragsabschluss von der „Umschaltlogik“.

[9] Am 15. 10. 2015 verhängte das KBA der Fahrzeugherstellerin gegenüber eine „Nachträgliche Anordnung einer Nebenbestimmung zur EG‑Typengenehmigung“ gemäß § 25 Abs 2 (deutsche) EG‑FGV (Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge, EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung), mit der es (unter anderem) anordnete, zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der genehmigten Aggregate des Typs EA189 Euro 5 die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen.

[10] Um den vom KBA geforderten Zustand herzustellen, hat der Fahrzeughersteller ein Software-Update entwickelt. Dieses bewirkt, dass die „Umschaltlogik“ eliminiert wird, wodurch das Fahrzeug durchgehend im Modus 1 betrieben wird, jedoch weiterhin über ein sogenanntes „Thermofenster“ verfügt, wonach „eine uneingeschränkte Abgasrückführung nur in einem festgelegten Temperaturbereich“ und „bei einer Temperatur außerhalb des vorgegebenen Bereiches ein sukzessives Zurücknehmen der Abgasrückführung erfolgt“.

[11] Der Kläger ließ dieses Software-Update an seinem Fahrzeug durchführen.

[12] Der Kläger macht Gewährleistung, Irrtum und Arglist geltend und begehrt die Aufhebung des Kaufvertrags sowie die Zahlung von 21.443,66 EUR sA Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. Die „Umschaltlogik“ sei eine unzulässige Abschalteinrichtung, das Fahrzeug stimme nicht mit der EG‑Typengenehmigung überein, die vom Hersteller ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung sei unrichtig und ungültig. Das Fahrzeug weise einen erheblichen und unbehebbaren Sachmangel auf; der Kläger begehre die Rückzahlung des Kaufpreises von 29.900 EUR zuzüglich Anmeldungs- und Behördenkosten von 210 EUR, abzüglich eines Benützungsentgelts von 8.666,34 EUR. Der Kläger sei durch Unterlassung der Aufklärung über die Manipulationen darüber in Irrtum geführt worden, dass er ein manipulationsfreies Fahrzeug erwerben würde, dass es frei von einer unzulässigen Abschaltvorrichtung wäre, dass der Motor die Abgasnorm Euro 5 einhalten würde, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zulassungsfähig wäre, dass es die in öffentlichen Äußerungen gemachten Abgaswerte (im Alltagsbetrieb) einhalten würde, dass durch die Manipulationen eine Nachrüstung erforderlich würde, und dass das von den Manipulationen betroffene Fahrzeug einen Wertverlust erleiden und einen geringeren Wiederverkaufswert erzielen würde. Wären dem Kläger diese Umstände bei Vertragsabschluss offengelegt worden, hätte er den Kaufvertrag niemals abgeschlossen. Möglicherweise liege ein gemeinsamer Irrtum vor. Sollte die Beklagte von den Manipulationen gewusst haben, werde der Vertrag wegen Arglist angefochten. Das Software‑Update bewirke höheren Verschleiß und geringere Lebensdauer, geringere Leistung sowie höheren Kraftstoffverbrauch. Es sei davon auszugehen, dass das Fahrzeug im üblichen Fahrbetrieb im Modus 0 auch nach dem Update die vorgeschriebenen Schadstoff-(NOx-)Grenzwerte nicht einhalte.

[13] Die Beklagtebrachte zusammengefasst vor, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, es weise keine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Ein beachtlicher Irrtum liege nicht vor; sie hätte einen solchen auch nicht veranlasst. Der Kläger sei klaglos gestellt. Die „Umschaltlogik“ sei durch das beim Fahrzeug des Klägers am 3. 10. 2016 durchgeführte Update behoben worden. Sie wandte 19.200 EUR an Benützungsentgelt compensando ein.

[14] Das Erstgericht wies die Klage ab und behielt sich die Kostenentscheidung nach Rechtskraft der Sachentscheidung vor. Es war der Ansicht, das Fahrzeug sei nunmehr nach dem Update mängelfrei, weil keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei, sodass das Wandlungsbegehren unberechtigt wäre.

[15] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf. Es sei unstrittig, dass die ursprüngliche „Umschaltlogik“ eine unzulässige Abschalteinrichtung gewesen sei; fraglich sei, ob das Software-Update eine Mängelbehebung bzw Klaglosstellung bewirkt habe. Über die gewährleistungsrechtliche Anspruchsgrundlage könne im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen zu 10 Ob 44/19x noch nicht abgesprochen werden, sehr wohl jedoch über den geltend gemachten Irrtum, bei dem eine „Klaglosstellung“ nicht vorgesehen sei; die Ungewissheit über die „Thermofenster“-Lösung würde eine solche Klaglosstellung zudem verhindern. Es könnte ein Irrtum über die Rechtsbeständigkeit der EG-Typengenehmigung bestehen, was hier aber mangels ausreichender Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden könne.

[16] Es ließ den Rekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage zu.

[17] Der Rekurs der Beklagten strebt die Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils an.

[18] Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu aus dessen Anlass in der Sache im klagsstattgebenden Sinne zu entscheiden, „allenfalls auch“ dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[19] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

[20] 1.1. Nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Eine Abschalteinrichtung ist nach der Legaldefinition des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

[21] 1.2. Art 5 Abs 2 Satz 2 VO 715/2007/EG normiert nur drei Ausnahmetatbestände von diesem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtungen. Gemäß Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen dann nicht unzulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Kraftfahrzeugs zu gewährleisten. Die weitere Ausnahme des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit b VO 715/2007/EG (dass die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist) ist hier nicht einschlägig. Nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit c VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, (ausnahmsweise) nicht unzulässig, wenn „die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind“.

[22] 1.3. Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RS0106638; RS0037797). Soweit sich die Beklagte auf eine Ausnahme vom Verbot des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG stützen will, läge es daher an ihr, die für die Verbotsausnahme erforderlichen Voraussetzungen zu behaupten und zu beweisen (6 Ob 155/22w Rz 66; 1 Ob 149/22a Rz 46; 10 Ob 31/23s Rz 25).

[23] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. 7. 2022, C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen,bereits ausgesprochen, dass die auch beim gegenständlichen Fahrzeug zum Übergabezeitpunkt vorhandene „Umschaltlogik“ als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist (10 Ob 2/23a [Teilurteil vom 21. 2. 2023]  Rz 47; 9 Ob 68/22y Rz 26; vgl schon 10 Ob 44/19x Pkt E.2.1).

[24] 2.2. Ebenfalls bereits geklärt ist, dass eine Abschalteinrichtung nur dann „notwendig“ im Sinn von Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG ist, wenn zum Zeitpunkt der EG‑Typengenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (EuGH C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 73; C‑128/20 , GSMB Invest, Rn 62; C‑134/20 , IR gegen Volkswagen, Rn 74; C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe, Rn 94 f; ÖJZ 2023/16 [Brenn]; 10 Ob 31/23s Rz 28; 2 Ob 5/23h Rz 26; 6 Ob 155/22w Rz 38 f; 10 Ob 2/23a [Teilurteil vom 21. 2. 2023] Rz 59 f).

[25] Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fällt eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, überdies – ungeachtet des Vorliegens der in Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG normierten Voraussetzungen – nicht unter die Verbotsausnahme des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG (EuGH C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 74, 81; C‑128/20 , GSMB Invest, Rn 65, 70; C‑134/20 , IR gegen Volkswagen, Rn 77, 82; C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe, Rn 90 f; 10 Ob 2/23a [Teilurteil vom 21. 2. 2023] Rz 61 f; 10 Ob 31/23s Rz 31 mwN).

[26] 2.3. Zur Frage der Ausnahme nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit c VO 715/2007/EG hat der Oberste Gerichtshof zusammengefasst dahin Stellung genommen (10 Ob 31/23s Rz 36 ff mwN), dass die VO 715/2007/EG dem Risiko, dass Emissionsgrenzwerte unter Prüfbedingungen eingehalten werden, die Wirkung des Emissionskontrollsystems jedoch ansonsten (unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind) verringert wird, durch das grundsätzliche Verbot von Abschalteinrichtungen begegnet. Das bedeutet, dass bei einer Abschalteinrichtung, deren Wirkung unter Prüfbedingungen auf die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte geprüft werden konnte, keine Umgehung der Messverfahren anzunehmen ist; eine solche Abschalteinrichtung könnte nach Art 5 Abs 2 Satz 2 lit c VO 715/2007/EG zulässig sein. Eine Abschalteinrichtung, die unter den genormten Prüfbedingungen nicht aktiv ist – etwa weil sie bei anderen Temperaturen aktiviert wird, als sie während des Prüfstandstests herrschen oder die Bedingungen der Abschalteinrichtung in den sonstigen Prüfverfahren (etwa zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen) nicht abgebildet werden –, wäre daher nicht nach dieser Verbotsausnahme zulässig, weil diesfalls ihre „Bedingungen“ im Prüfverfahren nicht „im Wesentlichen enthalten“ sind.

[27] 3. Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage der gewährleistungsrechtlichen Ansprüche eines Käufers gegen einen ihm ein Fahrzeug verkaufenden Fahrzeughändler bereits ausgesprochen, dass ein auch nach Durchführung des Software-Updates verbleibendes „Thermofenster“, das dazu dient, dass die volle Abgasrückführung nur in einem Temperaturbereich zwischen 15 Grad Celsius und 33 Grad Celsius erfolgt und nur zwischen vier und fünf Monaten des Jahres voll aktiv ist (wodurch im übrigen, überwiegenden Teil des Jahres die Abgasrückführung hingegen durch die programmierte Abschalteinrichtung reduziert wäre), selbst dann nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig wäre, wenn sie erforderlich wäre, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Da eine solche Abschalteinrichtung – das hier zu beurteilende „Thermofenster“ – unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres aktiv wäre, wäre ein damit ausgestattetes Fahrzeug nach der – auch hier anzuwendenden – Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rz 73, 81; C‑128/20 , GSMB Invest, Rn 65, 70; C‑134/20 , IR gegen Volkswagen, Rn 77, 82; C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe, Rn 90 f) weiterhin mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB (10 Ob 2/23a [Teilurteil vom 21. 2. 2023]  Rz 53 ff [insb Rz 71 ff]).

[28] 4. Zur Frage, ob der Mangel durch das Software-Update behoben wurde, also das Fahrzeug des Klägers nach Durchführung der Verbesserung nicht (mehr) mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre, fehlen aber – wie der Kläger selbst in seiner Berufung erkannt hatte – ausreichende und hinreichend konkrete Feststellungen im Lichte der oben dargelegten Voraussetzungen von Ausnahmetatbeständen, die nach Erörterung mit den Parteien nachzutragen sein werden.

[29] 5. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die vom Berufungsgericht angesprochene Frage des Rechtsmangels in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt ist: Eine im für das Vorliegen eines solchen Rechtsmangels maßgebenden Zeitpunkt der Übergabe bloß befürchtete mangelnde Rechtsbeständigkeit der EG‑Typengenehmigung bzw die bloß befürchtete, also nicht konkret drohende Aufhebung der Zulassung ist kein Rechtsmangel (vgl etwa 3 Ob 40/23p Rz 23 ff; 2 Ob 122/23i Rz 19 ff; 8 Ob 70/23m Rz 14).

[30] 6.1. Bei der Berechnung von aufgrund der allfälligen Rückabwicklung des Fahrzeugs zu leistenden Zahlungen hätte das Erstgericht in Übereinstimmung mit der bisher ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (10 Ob 2/23a [Teilurteil vom 21. 2. 2023] Rz 92 ff [insb Rz 116]; 9 Ob 68/22y Rz 31), der sich der Senat anschließt, den Gebrauchsnutzen des Käufers eines Fahrzeugs, der die Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, grundsätzlich in Abhängigkeit von den gefahrenen Kilometern (linear) zu berechnen (RS0134263). Das Erstgericht würde in diesem Fall hierfür grundlegende Feststellungen insbesondere zur Lauf- und Restlaufleistung des Fahrzeugs nachzutragen haben.

[31] 6.2. Bei der Berechnung wäre zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst vom Klagebegehren ein Benützungsentgelt abgezogen hat, was die Beklagte bei ihrer Compensandoeinwendung aber nicht berücksichtigte; eine Gegenforderung könnte daher nur dann und nur insoweit berechtigt sein, als das vom Kläger zu leistende Benützungsentgelt den von ihm bereits abgezogenen Betrag von 8.666,34 EUR übersteigen würde.

[32] 6.3. Zum Zinsenbegehren hätte das Erstgericht weiters die sich aus 10 Ob 2/23a (Teilurteil vom 21. 2. 2023) Rz 123 ff ergebenden Überlegungen zur vom Kläger selbst erklärten Aufrechnung mit seiner Forderung gegen das Benützungsentgelt zu beachten und wird das in diesem Lichte unschlüssige (mit ON 3 modifizierte) Klagebegehren mit dem Kläger zu erörtern haben.

[33] 7. Das Erstgericht hat sich mit den übrigen Rechtsgründen, auf die der Kläger seinen Anspruch gegen die Beklagte stützte (Irrtumsanfechtung; Anfechtung wegen arglistiger Irreführung unter Zurechnung von Täuschungshandlungen der Herstellerin zur Beklagten), nicht auseinandergesetzt. Es hat dazu bislang bloß festgestellt, dass beide Parteien zum Vertragsabschlusszeitpunkt von der „Umschaltlogik“ nichts wussten; ob die Parteien vom Vertragsabschluss abgesehen hätten oder nicht, steht hingegen nicht fest.

[34] 7.1. Mit demThemenkreis Irrtum und „Klaglosstellung“ im Zusammenhang mit der Diesel-Abgasreinigungs-Problematik hat sich der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 91/22y Rz 23 ff bereits auseinandergesetzt; er hat auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen (Rz 26 mwN), dass ein die Unverbindlichkeit des Vertrags unabhängig von den Voraussetzungen des § 871 ABGB bewirkender gemeinsamer Irrtum (RS0016230 [T3]; vgl auch 4 Ob 29/17v mwN), der Motor erfülle die emissionsrechtlichen Vorgaben, zusammen mit dem Umstand, dass die Parteien bei konkret festgestellter Kenntnis über die – damals in der Motorsteuerung enthaltene – „Umschaltlogik“ jeweils den Vertrag nicht geschlossen hätten, die Unverbindlichkeit des Vertrags unabhängig von den Voraussetzungen des § 871 ABGB bewirken könnte.

[35] Auch diesbezüglich bedürfte es hier somit weiterer konkreter Feststellungen zu den Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung sowie weiters ausreichende Feststellungen, aufgrund welcher insbesondere beurteilt werden kann, ob das Software-Update tatsächlich eine – (wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat) von der Beklagten zu behauptende und beweisende – irrtumsrechtliche „Klaglosstellung“ im Sinne einer das anerkennenswürdige Interesse an einer Anfechtung nachträglich beseitigenden „Sanierung“ wäre.

[36] 7.2. Auf die Frage der Arglist muss im vorliegenden Verfahrensstadium nicht eingegangen werden.

[37] 8. Zum anscheinend auf Schadenersatz gestützten Begehrensteil von 210 EUR fehlen konkrete und substanziierte Behauptungen und jedwede Feststellungen; sollte dieser Begehrensteil aufrecht bleiben, werden nach Erörterung entsprechende Feststellungen nachzutragen sein.

[38] 9.1. Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils war insgesamt unvermeidlich; der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt.

[39] 9.2. Dass das in erster Instanz noch erhobene Eventual‑Feststellungsbegehren zufolge unangefochten gebliebener Nichterledigung nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und aus diesem ausgeschieden ist, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt.

[40] 10. Das Erstgericht hat sich nach § 51 Abs 1 und Abs 2 ZPO die Kostenentscheidung nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache vorbehalten, was im weiteren Verfahren auch den Obersten Gerichtshof bindet (§ 52 Abs 3 ZPO).

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