OGH 15Os126/23b

OGH15Os126/23b14.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Sekljic in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 6. Juli 2023, GZ 39 Hv 5/23s‑130.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00126.23B.1214.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3, Abs 3 zweiter Fall SMG (I./), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 siebter Fall SMG (II./), des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (III./1./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III./2./), des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (IV./1./ und V./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung –

I./ in B* und anderen Orten in N* und W* in wiederholten Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar

1./ * R* von 2019 bis Sommer 202139,52 Gramm Heroin und von April 2022 bis Oktober 2022 12,8 Gramm Cocain jeweils in Reinsubstanz;

2./ * M* von März 2021 bis Mitte August 2021 7,41 Gramm Heroin in Reinsubstanz;

...

wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;

...

III./ am 15. August 2021 in W* dadurch, dass er M*, die ihn zur Rückzahlung von Schulden in Höhe von 130 Euro – nach Übergabe von 160 Euro und zuvor erfolgter Wegnahme von einem Gramm Heroin im Wert von 30 Euro ohne hiefür zu bezahlen (US 7 f) – aufforderte, einen Faustschlag gegen den Kopf versetzte, am Hals packte, würgte und hochhob, die Genannte

1./ mit Gewalt zu einer Unterlassung, die sie am Vermögen schädigte, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Maßnahmen der Geldeintreibung und zum Verzicht auf ihre Forderung genötigt, wobei er mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelte.

...

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Indem die Mängelrüge (Z 5) zu I./1./ und I./2./ unter Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers eigene Erwägungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin R* anstellt und dabei ihr Aussageverhalten sowie die Angaben des Zeugen B* dazu ins Kalkül zieht, beschränkt sie sich auf einen Angriff gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[5] Dem der Sache nach erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der überlassenen Suchtgiftquanten zu I./1./ aus den polizeilichen Angaben der Abnehmerin, die mit jenen des Zeugen Mo* im Wesentlichen in Einklang stünden (US 10 f), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0099413).

[6] Das Beschwerdevorbringen, wonach „auf die Widersprüche dieser Aussagen [gemeint: des Zeugen Mo*] zu den Depositionen des Angeklagten selbst wie auch zu den Depositionen der Zeugin J* (Ehefrau des Angeklagten) nicht näher eingegangen werde[n]“, ist einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

[7] Die Deponate der Zeugen B*, Mo* und insbesondere der Ehefrau des Angeklagten hat das Erstgericht – der weiteren Kritik der Mängelrüge zuwider (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) – nicht übergangen (US 11 f).

[8] Die undifferenzierte Geltendmachung von „Unvollständigkeit, Undeutlichkeit sowie unzureichender Begründung der Urteilsfeststellungen zur Ziff 5a“ nimmt nicht am Bestimmtheitsgebot der §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO Maß und ist einer sachbezogenen Erörterung damit unzugänglich (RIS-Justiz RS0099563 [T10]).

[9] Soweit die Mängelrüge (Z 5) zu III./1./ die Urteilskonstatierungen zur Wegnahme von einem anstatt fünf Gramm Heroin durch das Opfer kritisiert, spricht sie keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0106268), weil – wie der Beschwerdeführer selbst einräumt – sich seine Forderung auch unter Zugrundelegung der begehrten Feststellung auf eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Vermögensposition des Opfers (vgl dazu Eder-Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 23 mwN) bezogen hätte. Das Beschwerdevorbringen, wonach die Nichtrückzahlung von 160 Euro, somit 10 Euro mehr als der Wert des nach Ansicht des Beschwerdeführers weggenommenen Suchtgifts, einen Bereicherungsvorsatz nicht begründen könne, bleibt unverständlich.

[10] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (der Sache nach: Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die Höhe des vom Opfer dem Angeklagten übergebenen Geldbetrags, die den Wert des zuvor von diesem ohne Bezahlung weggenommenen Suchtgifts überstieg, logisch und empirisch einwandfrei auf die polizeilichen Angaben der Zeugin M* gestützt und zur Frage des in Abzug zu bringenden Werts und der Quantität des weggenommenen Suchtgifts auch die abweichenden Deponate der Zeugin D* ins Kalkül gezogen (US 16, 18).

[11] Die eigenständigen Erwägungen des Nichtigkeitswerbers zur Höhe des übergebenen Geldbetrags und zum Nichtvorliegen eines Bereicherungsvorsatzes stellen neuerlich bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik dar.

[12] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite zu III./1./ als fehlend reklamiert, übergeht sie – prozessordnungswidrig (neuerlich RIS‑Justiz RS0099810) – die bezughabenden Urteilskonstatierungen (US 7 f). Dass darüber hinausgehende Konstatierungen in Ansehung der subjektiven Tatseite zur Menge des weggenommenen Heroins, zu dessen Wert, zum Differenzbetrag zwischen diesem und dem übergebenen Bargeldbetrag und zum Bereicherungsvorsatz für eine rechtsrichtige Subsumtion nach § 144 Abs 1 StGB zu treffen gewesen wären, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569).

[13] Indem die – zu I./ eine rechtliche Beurteilung nach § 28a Abs 1 und 3 SMG anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) die Urteilskonstatierungen zum durchschnittlichen, gerichtsnotorischen Reinheitsgehalt von Heroin und Kokain (US 6) als „rechtlich unrichtig“ bekämpft, um eigenständige Überlegungen dazu anzustellen und solcherart einen niedrigeren Reinheitsgehalt plausibel zu machen, orientiert sie sich nicht am gesetzlich vorgegebenen, im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810).

[14] Der Vorwurf, zum durchschnittlichen Reinheitsgehalt gebe es keinerlei Beweisergebnisse (der Sache nach Z 5 vierter Fall), übergeht, dass dieser auf Gerichtsnotorietät gestützt wurde (US 15) und notorische Tatsachen weder eines Beweises noch einer Begründung bedürfen (RIS-Justiz RS0098570 [T8]). Die Thematisierung dieses Umstands in der Hauptverhandlung wird vom Rechtsmittelwerber zu Recht nicht bestritten (vgl bereits die – in der Hauptverhandlung vorgetragene [ON 77.2, 3] – Anklageschrift [ON 54, 1]).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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