OGH 4Ob111/05k

OGH4Ob111/05k4.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Anton Egon C*****, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Antoinette C*****, diese vertreten durch Kaufmann & Pratl Rechtsanwälte OEG in Graz, gegen die beklagte Partei A***** Baugesellschaft mbH, *****, vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, und der auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. DI Dr. Hermann K*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, 2. C. *****, vertreten durch Dr. Gerhard Rothner, Rechtsanwalt in Linz, wegen 4.800 EUR und Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 2. Februar 2005, GZ 4 R 210/04s-37, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei und der Erstnebenintervenientin das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 29. Juli 2004, GZ 33 Cg 13/03m-31, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - unter Einschluss des rechtskräftigen Ausspruchs über das Zahlungsbegehren und des rechtskräftig abgewiesenen Feststellungsmehrbegehrens - nunmehr insgesamt zu lauten hat:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 4.800 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 2. 2003 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei für sämtliche künftig noch hervorkommende Mängel und Schäden haftet, die die klagende Partei zufolge mangelhafter Errichtung der Kraftwerksdruckleitung des Kleinkraftwerks G***** erleidet.

3. Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei für alle über Punkt 1. des Urteilsbegehrens hinausgehenden weiteren Kosten für die Sanierung der undichten Rohrstellen im Bereiche der Rohre 153 und 154 gemäß dem Übersichtslageplan des Sachverständigen Baumeister Ing. Josef H***** vom November 2002 hafte, wird abgewiesen.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.933,07 EUR (darin 2.203,98 EUR USt und 2.564,75 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.300 EUR (darin 680,02 EUR USt und 1.220,20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte errichtete im Auftrag des mittlerweile verstorbenen Anton C***** (in der Folge: Auftraggeber) ein Kleinkraftwerk, das 1988 den Betrieb aufnahm. Eine erste Undichtheit an der Druckrohrleitung des Kraftwerks trat 1998 zwischen den Rohren 115 und 116 auf, eine weitere 2001 zwischen den Rohren 153 und 154. Beide Schadensfälle sind auf unsachgemäß verlegte Rollringdichtungen zurückzuführen: Beim Verlegen der Stahlbetonrohre durch die Beklagte wurde die entsprechende Sorgfalt beim Auflegen der Rollringe an der Verbindungsstelle und beim Zusammenziehen der Rohre nicht eingehalten. Wird nämlich das eine Rohr nicht gleichmäßig in das bereits verlegte zweite Rohr gezogen, kommt es zu Zwängungen des Rollrings, der dann mit unterschiedlicher Belastung in die Rohrmuffe abgerollt wird; dies führt zu Quetschungen und Verschiebungen des Rollrings. Bei ordnungsgemäßer Verlegung der Rollringdichtungen sind die Rohre dicht. Aus sachverständiger Sicht kann derzeit nicht beantwortet werden, ob - abgesehen von den 1998 und 2001 aufgetretenen Schäden - mit weiteren Undichtheiten der Rohrleitung zu rechnen ist.

Mit beim Erstgericht am 24. 1. 2003 eingelangter Klage begehrte der Auftraggeber (nach dessen Tod die Bezeichnung der klagenden Partei auf die Verlassenschaft nach dem Auftraggeber richtiggestellt wurde) neben einer im Revisionsverfahren nicht weiter strittigen Zahlung die aus Punkt 2. und 3. des Spruchs ersichtliche Feststellung. Die Beklagte habe die vorgeschriebenen Einbaurichtlinien und einschlägigen Ö-Normen im Zuge des Einbaus der Druckrohrleitungen nicht eingehalten und hafte für die bereits entstandenen und zukünftigen Schäden, weil sie schuldhaft ihre gesetzlich und vertraglich obliegenden Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Planung und der Bauausführung sowie die einschlägigen Normen und anerkannten Regeln der Technik verletzt habe. Das Feststellungsinteresse sei darin begründet, dass sich nicht abschätzen lasse, welche Schäden im Zusammenhang mit der mangelhaften Errichtung des Kleinkraftwerks, insbesondere dessen Kraftwerksdruckleitungen, zukünftig noch zu erwarten seien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ansprüche aus Gewährleistung und Schadenersatz seien verjährt. Das Kraftwerk sei 1988 übergeben und in Betrieb genommen worden; die Verjährungsfrist habe im Zeitpunkt der Übergabe zu laufen begonnen. Weitere Schäden seien nicht zu erwarten.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 4.800 EUR sA und stellte fest, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin für sämtliche künftig noch hervorkommende Mängel und Schäden haftet, die diese zufolge der von der Beklagten zu vertretenden mangelhaften Errichtung der Kraftwerksdruckleitung erleidet; das Mehrbegehren, es werde festgestellt, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin für alle über Punkt 1. des Urteilsbegehrens hinausgehenden weiteren Kosten für die Sanierung der undichten Rohrstellen im Bereich der Rohre 153 und 154 gemäß dem Übersichtslageplan des Sachverständigen Ing. Josef H***** vom November 2002, welcher einen integrierenden Bestandteil dieses Urteilsbegehrens darstelle, hafte, wies es - insoweit unbekämpft - ab. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die Mitarbeiter der Beklagten bei der Verlegung der Druckrohrleitung und der Rollringdichtungen über die beiden bisher aufgetretenen Fehler hinausgehende weitere Fehler bei der Verlegung der Rohre gemacht haben und dass der Klägerin durch die Undichtheit der Rohrleitung weitere - über den bisherigen Sanierungsaufwand hinausgehende - Aufwendungen oder Schäden entstehen werden, deren Höhe derzeit nicht abgeschätzt werden kann. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Umstand, dass bei der Druckrohrleitung schon 1998 eine Undichtheit - allerdings an einer anderen Stelle - aufgetreten sei, die ebenfalls auf eine unsachgemäße Verlegung der Rollringdichtungen zurückzuführen sei, könne nicht zur Verjährung des nunmehr geltend gemachten Anspruchs führen, weil nicht von einer allgemein unsachgemäßen Verlegung durch die Mitarbeiter der Beklagten auszugehen sei und insofern für jeden einzelnen Rohrstoß die Verjährungsfrist des Schadenersatzanspruchs dann neu zu laufen beginne, wenn dort eine Undichtheit auftrete. Die Sanierungskosten stünden der Klägerin auf Grund der vertraglichen Schadenersatzhaftung der Beklagten zu. Das Verschulden der Beklagten ergebe sich daraus, dass deren Mitarbeiter die Rohre bzw Rollrohrdichtungen nicht fachgemäß verlegt hätten. Jener Teil des Feststellungsbegehrens, das sich auf weitere Schäden im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Undichtheit zwischen dem Rohrstoß 153 und 154 beziehe, sei unbegründet, weil weitere Schäden, die über den Sanierungsaufwand hinausgingen, nicht festgestellt hätten werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil infolge Berufung der Beklagten und des Erstnebenintervenienten in seinem Ausspruch über das Zahlungsbegehren und wies das Feststellungsbegehren zur Gänze ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands, 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels Abweichens von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig sei. Es bestehe kein Feststellungsinteresse; es liege nämlich nicht ein einziges schädigendes Verhalten mit fortlaufend gleichartigen schädlichen Folgen, also kein einheitlicher Schaden oder Primärschaden mit später entstandenen Teilschäden vor. Der Schaden bei der Rohrverbindung 153/154 sei kein Teil[folge]Schaden des bei der Rohrverbindung 115/116 aufgetretenen Schadens. Weil es sich beim zweiten Schaden um nicht vorhersehbare neue Wirkungen eines früheren Schadensfalls handle, beginne mit dessen Kenntnis die Verjährungsfrist neu zu laufen. Für die bisher sanierten Stellen seien Dauerfolgen auszuschließen, denn der Dichtungsring sei ordentlich gesetzt worden und Setzungsschäden an den sanierten Stellen seien nicht zu erwarten. Für die von der Sanierung nicht betroffenen Stellen der Druckleitung sei es gänzlich ungewiss, ob dort - infolge unsachgemäß eingesetzter Rohrdichtungen - künftig Schäden eintreten würden. Dass solche Schäden bloß denkbar seien, reiche nicht aus, ein Feststellungsbegehren zu bejahen; weitere Undichtheiten seien nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, nach den beiden bisherigen Schadensfällen sei es vorhersehbar, dass auch bei weiteren Rohrverbindungen künftig Undichtheiten auftreten würden, die von der Beklagten zu verantworten seien; das Feststellungsinteresse sei daher gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Feststellungsinteresse dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursacht (2 Ob 602/94 = SZ 68/5). Es genügt, dass sich ein Vorfall, durch den ein konkreter Schaden hätte eintreten können, bereits ereignet hat oder in Zukunft ein Schaden ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann, weil die Feststellungsklage nicht nur dem Ausschluss der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient (RIS-Justiz RS0038976). Es ist dabei auf die objektive Vorhersehbarkeit für den Geschädigten abzustellen (2 Ob 93/95; 9 Ob 411/97z; RIS-Justiz RS0039018 [T16], RS0034527 [T12]).

Für die Annahme eines rechtlichen Interesses ist es nicht erforderlich, dass ein Schaden bis zum Schluss der Verhandlung bereits eingetreten ist, sofern sich das schädigende Ereignis, das einen konkreten Schaden hätte auslösen können, bereits ereignet hat und der Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers in der Zukunft eintreten kann (vgl RIS-Justiz RS0038909). Ein Feststellungsbegehren ist unbegründet, wenn mit Bestimmtheit weitere Schäden aus dem schädigenden Ereignis nicht zu erwarten oder Spätfolgen mit absoluter Sicherheit auszuschließen sind (RIS-Justiz RS0039018).

Nach dem festgestellten Sachverhalt war in beiden Schadensfällen die Druckrohrleitung im unmittelbaren Bereich der Rohrstöße undicht, weil die Beklagte die entsprechende Sorgfalt beim Auflegen der Rollringe und beim Zusammenziehen der Rohre nicht beachtet hat. Die Schadensursache war damit in beiden Fällen gleich; die Schäden sind darauf zurückzuführen, dass beim Verlegen der Druckrohrleitung schlampig gearbeitet wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft es daher nicht zu, dass es kein schädigendes Ereignis gegeben habe. Das schädigende Ereignis, das bisher zweimal zu Undichtheiten und damit zu Schäden geführt wird, ist die unsachgemäße Verlegung der Rohrleitungen. Sie könnte ebenso wie der Verkehrsunfall im Fall der von der Beklagten zitierten Entscheidung 2 Ob 119/04w nur dann kein Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung des Schädigers rechtfertigen, wenn weitere Schäden ausgeschlossen wären (stRsp 2 Ob 187/00i = JBl 2001, 107 mwN).

Davon kann bei der hier gegebenen Sachlage keine Rede sein. Da die Rohrleitungen bereits an zwei Stellen undicht geworden sind, weil sie nicht mit der notwendigen Sorgfalt verlegt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Undichtheiten auftreten. Bereits das genügt, um das Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung der Beklagten zu bejahen. Dem Feststellungsinteresse steht daher nicht entgegen, dass derzeit nicht feststellbar ist, ob weitere Verbindungsstellen Mängel aufweisen, und auch der Sachverständige nicht sagen konnte, ob mit weiteren Schäden zu rechnen ist. Das Feststellungsinteresse ist wie oben dargelegt bereits deshalb zu bejahen, weil weitere Schäden nicht auszuschließen sind.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Verfahren erster Instanz auf § 43 Abs 2 erster Fall ZPO (auf die zutreffende Begründung im Ersturteil wird verwiesen), im Rechtsmittelverfahren auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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