European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00114.23F.0713.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Der Kläger wirft dem Beklagten vor, dieser habe bei einer an der Universität Wien gehaltenen Vorlesung Inhalte seiner Vortragsunterlage und einer von ihm erstellten Studie verwendet, ohne ihn als Urheber zu nennen. Der Kläger habe daher einen – ua auf das UrhG und das UWG gestützten – Anspruch auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung sowie auf Zahlung von 7.000 EUR; außerdem sei der Beklagte „zur Rechnungslegung“ sowie allenfalls zur Zahlung eines 7.000 EUR übersteigenden Betrags zu verpflichten.
[2] Das Erstgericht wies die Klage mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück und erklärte das bisher geführte Verfahren für nichtig.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
[4] Gemäß § 49 Abs 2 UG 2002 („UG“) hafte der Bund nach dem AHG für von Organen, Arbeitnehmern oder anderen im Auftrag der Universität in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben schuldhaft zugefügte Schäden. Den Schädiger selbst treffe unabhängig davon keine Haftung, ob er in einem öffentlich‑ oder privatrechtlichen Vertragsverhältnis zur Universität stehe. Da der Beklagte mit seiner Lehrtätigkeit eine hoheitliche Aufgabe erfüllt habe und die ihm vorgeworfene rechtswidrige Verwendung seiner Vortragsunterlage damit in einem engen Zusammenhang gestanden sei, stehe der Rechtsweg für die daraus abgeleiteten Ansprüche nicht offen.
[5] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung dazu bestehe, ob Lehrbeauftragte, die mit einer Universität in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen, wegen eines Verstoßes gegen Urheber‑ und Wettbewerbsrecht bei der Erstellung und Verbreitung von Unterrichtsmaterial in Anspruch genommen werden könnten.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig:
[7] 1. Gemäß § 49 Abs 2 UG haftet der Bund nach den Bestimmungen des AHG für von Organen, Arbeitnehmern der Universität oder anderen Personen in deren Auftrag in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben schuldhaft zugefügte Schäden. Dem Geschädigten haften dann weder die Universität noch derjenige, der den Schaden zugefügt hat. Daraus folgt, dass der Rechtsweg für Klagen gegen ein hoheitlich handelndes Organ unzulässig ist (1 Ob 18/06p).
[8] 2. Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Erteilung des Unterrichts von der Volksschule bis zur Universität (als gemäß § 1 UG öffentlich-rechtliche Bildungseinrichtung) hoheitlich (1 Ob 183/15s mwN; RS0049933 [Schulunterricht]; 1 Ob 29/02z, 1 Ob 136/20m [pädagogische Akademie; pädagogische Hochschule]). Auch die Gesetzesmaterialien zu § 49 UG (1134 dB 21. GP S 89) nennen die Lehre als Beispiel hoheitlicher Aufgaben der Universität. Dies entspricht auch der herrschenden Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur (etwa Kerschner, Haftung und Schadenersatz im Bereich der öffentlichen Universitäten – Systeme und Einzelfragen, in Funk, Öffentliche Universitäten im wirtschaftlichen Wettbewerb [2010] 21 ff mwN in FN 23). Nach 1 Ob 186/07w kann eine Tätigkeit im Rahmen der akademischen Lehre eine Amtshaftung begründen, was voraussetzt, dass sie dem Hoheitsbereich zuzuordnen ist (vgl auch 1 Ob 12/12i zur „Organisation des Lehrbetriebs“). Dass die Vorinstanzen die Abhaltung der Lehrveranstaltung des Beklagten als hoheitliche Tätigkeit qualifizierten, begegnet somit keinen Bedenken.
[9] 3. Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind dies auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Handlungen, wenn sie im Dienst der Erreichung der hoheitlichen Zielsetzung stehen (RS0049897) und einen hinreichenden engen inneren und äußeren Zusammenhang mit dieser Aufgabe aufweisen (RS0049948). Der Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat, ist dann einheitlich als hoheitlich anzusehen (RS0049948 [insb T3, T4, T8, T26]). Private handeln auch hoheitlich, wenn sie selbst keine Hoheitsakte setzen, aber bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen unterstützend mitwirken und in diese eingebunden sind (RS0104351). Demnach wurde etwa zu 1 Ob 34/90 die Verbreitung eines Filmwerks im Unterricht (obiter) als hoheitliche Tätigkeit angesehen (idS auch 1 Ob 294/02w; soweit der Kläger daraus Gegenteiliges ableiten will, missversteht er diese Entscheidung). Die dem Beklagten vorgeworfene Verwendung einer bestimmten Vortragsunterlage steht somit in einem inneren und äußern Zusammenhang mit seiner hoheitlichen Lehrtätigkeit.
[10] 4. Der gegenteilige Standpunkt des Klägers überzeugt nicht. Soweit er argumentiert, dass der Lehrbetrieb „rechtstechnisch“ nicht in Form von Verwaltungsakten erfolge, übergeht er, dass bestimmte Entscheidungen, die dem Lehrbereich zuzuordnen sind, in Bescheidform getroffen werden müssen (etwa § 73 Abs 1 und § 79 Abs 1 UG). Außerdem ist es für die Zuordnung der Lehrtätigkeit des Beklagten zum Hoheitsbereich der Universität – wie dargelegt – nicht erforderlich, dass er mit der Setzung von Hoheitsakten betraut wurde. Was der Kläger aus § 49 Abs 1 UG für die Abgrenzung zwischen Hoheits‑ und Privatwirtschaftsverwaltung ableiten möchte, erschließt sich ebensowenig, wie die Relevanz seiner Ausführungen zu Art 10 EMRK (Meinungsäußerungsfreiheit) und Art 17 StGG (Freiheit der Wissenschaft). Der Lehrtätigkeit an einer privaten Bildungseinrichtung kann die universitäre Lehre nicht gleichgehalten werden.
[11] 5. Auf welcher (öffentlich‑ oder privatrechtlichen) Grundlage das Dienstverhältnis des Beklagten zur Universität beruht, spielt für die Einordnung seiner Lehrtätigkeit zum Hoheitsbereich keine Rolle (RS0087679 [T1]; RS0022978). Soweit der Kläger den Rechtsweg insoweit als gegeben ansieht, als er seine Ansprüche aus behaupteten Schutzpflichten aus dem zwischen dem Beklagten und der Universität abgeschlossenen Dienstvertrag ableitet, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nach den Wertungen des § 9 Abs 5 AHG (1 Ob 18/06p) nicht darauf ankommt, ob ein Anspruch ausdrücklich auf das AHG oder auch auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt wird, sondern nur darauf, ob der Beklagte in Wahrheit als Organ wegen eines hoheitlichen Handelns belangt wird (1 Ob 15/11d mwN). Die Rechtswegzulässigkeit lässt sich also nicht durch Vorschieben eines auf dem allgemeinen bürgerlichen Recht beruhenden Anspruchsgrundes begründen (RS0087676 [T1]; nach 1 Ob 296/03s begründen behauptete Schutzpflichten aus einem Vertrag des Rechtsträgers mit dem Organ keine Rechtswegszulässigkeit gegenüber diesem; vgl idS auch 1 Ob 87/19d).
[12] 6. Ansprüche des Klägers gegen den Bund sind nicht zu beurteilen. Es muss daher auch nicht auf die in diesem Zusammenhang behauptete Verfassungswidrigkeit des § 49 Abs 2 UG (dem der Kläger den Ausschluss bestimmter Ansprüche gegen den Bund unterstellt) eingegangen werden.
[13] 7. Zusammengefasst bedarf es keiner Korrektur, dass die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtswegs für die gegen den Beklagten erhobenen Ansprüche verneinten. Da sich die wesentliche Begründung dafür schon aus dem Gesetz und den in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Leitlinien ergibt, ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen (RS0042656 [insb T48]).
[14] 8. Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung stehen dem Beklagten nicht zu, weil er nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hinwies (RS0035979 [T7, T14]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)