OGH 1Ob294/02w

OGH1Ob294/02w28.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Klaus ***** S*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Jantscher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Alois T*****, vertreten durch Dr. Gerald Ruhri, Rechtsanwalt in Graz, wegen Zahlung, Widerrufs und Unterlassung (Streitwert EUR 6.355,16 sA) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. September 2002, GZ 17 R 125/02f-22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 26. April 2002, GZ 2 C 1807/01a-13, aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte vom Beklagten unter Berufung auf § 1330 Abs 2 ABGB die Unterlassung bestimmter Behauptungen sowie deren Widerruf sowie Schadenersatz. Der Beklagte habe als Fachinspektor in der Landesbildstelle Steiermark, in der er im Bereich "Technischer Fachdienst/Videotechnik" tätig sei, gegenüber Vorgesetzten, der Personalvertretung und Politikern nachweislich unwahre Tatsachen über den Kläger und dessen Unternehmen "Steindl-Werbung" verbreitet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Der Beklagte habe seine Äußerungen im Rahmen seiner Tätigkeit in der Landesbildstelle, somit als Organ eines Hoheitsträgers, gemacht. Die Tätigkeit bei der Vergabe von Aufträgen der Landesbildstelle sei der Hoheitsverwaltung zuzuordnen, was allein schon durch die Überprüfung deren Gebarung durch den Rechnungshof bestätigt werde. Handle jemand als Organ im Sinne des § 1 AHG, so könne ein privatrechtlicher Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf gegen das Organ nicht durchgesetzt werden; derartige Ansprüche unterfielen den Bestimmungen der §§ 1 Abs 1 bzw 9 Abs 5 AHG. Für derartige Ansprüche gegen ein hoheitlich handelndes Organ sei der Rechtsweg somit unzulässig.

Das Rekursgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung auf und trug diesem die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000, übersteige, und erklärte den ordentlichen "Revisionsrekurs" (richtig Rekurs) für zulässig. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1 Abs 1 bzw zu § 9 Abs 4 AHG seien gegen das Organ aus dem hoheitlichen Handeln gerichtete Klagen zurückzuweisen. Dabei sei jeweils zu untersuchen, ob die beklagte Partei inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch genommen wird. Sei eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so seien es nach ständiger Rechtsprechung auch alle mit deren Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen, seien sie auch bloß vorbereitender oder sonst hoheitlichen Zielsetzungen dienender Art, sofern nur ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe bestehe. Die Erteilung des Unterrichts an öffentlichen Schulen gelte zwar als hoheitliche Tätigkeit, hingegen gehöre ganz allgemein die bloße Schaffung der materiellen Voraussetzungen, die Amtsorganen die Besorgung ihrer Amtsgeschäfte ermöglichen (wie Amts- und Kanzleierfordernisse), zur Privatwirtschaftsverwaltung. Auch die Verpflichtung des Schulerhalters zur Bereitstellung und Erhaltung von Sacherfordernissen sei grundsätzlich mit den Mitteln der Privatwirtschaftsverwaltung zu erfüllen. Zu diesen Sacherfordernissen gehörten auch die geeigneten Unterrichtsmittel. Im Bereich des Schulwesens seien grundsätzlich Schäden, die im Zusammenhang mit der Sachmittelverwaltung auftreten, nicht nach dem AHG zu ersetzen. Gemäß § 54 Abs 1 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970 sei im Rahmen des Amtes der Landesregierung ua eine Landesbildstelle zur Unterstützung der gesetzlichen Schulerhalter von allgemein bildenden Pflichtschulen bei der Erfüllung deren Verpflichtung zur Bereitstellung und Instandhaltung der audiovisuellen Lehrmittel und zur Schulung der Lehrer in der Wartung und pfleglichen Verwendung der audiovisuellen Lehrmittel einzurichten. Die Landesbildstelle habe somit den gesetzlichen Schulerhalter zu unterstützen, woraus ersichtlich sei, dass sie im Wesentlichen mit den Mitteln der Privatwirtschaftsverwaltung arbeite. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit einem Hoheitsakt sei darin nicht zu erkennen. Die Landesbildstelle stehe nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erteilung des Unterrichts an öffentlichen Schulen, was als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren wäre. Dass für die Landesbildstelle das Steiermärkische Vergabegesetz zur Anwendung komme, sei kein wesentliches Merkmal zur Unterscheidung der Hoheitsverwaltung von der Privatwirtschaftsverwaltung. Da die Aufgaben der Landesbildstelle ihrem Wesen nach nicht hoheitlicher Natur seien, stünden die Äußerungen des Beklagten in keinem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit einer hoheitlichen Aufgabe. Der ordentliche Rekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung dazu fehle, ob die Tätigkeit einer Landesbildstelle der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig, weil der erkennende Senat bereits in der dem rekursgerichtlichen Beschluss zu Grunde gelegten Entscheidung zu 1 Ob 34/90 (= MR 1992, 154 = ÖBl 1993, 133) ausführlich zur Abgrenzung zwischen hoheitlicher Tätigkeit und Privatwirtschaftsverwaltung im Bereich des Schulwesens Stellung genommen hat. Die Rekursausführungen geben keinen Anlass, von dieser Rechtsauffassung abzugehen.

Wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, gehört im Allgemeinen die bloße Schaffung der materiellen Voraussetzungen, die Amtsorganen die Besorgung ihrer Amtsgeschäfte ermöglichen, zur Privatwirtschaftsverwaltung, weshalb auch die Verpflichtung des Schulerhalters zur Bereitstellung und Erhaltung von Sacherfordernissen grundsätzlich mit den Mitteln der Privatwirtschaftsverwaltung zu erfüllen ist (SZ 61/62, SZ 51/2, EvBl 1965/156 ua). Sowohl der Erwerb als auch die Verwaltung der audio-visuellen Unterrichtsmittel einschließlich der erforderlichen Werknutzungsrechte oder Werknutzungsbewilligungen erfolgt durch Rechtsgeschäft, somit mit den gleichen Mitteln, welche die Rechtsordnung jedermann, also auch Privaten, zur Verfügung stellt, nicht aber durch Hoheitsakt. Im Bereich des Schulwesens sind Schäden, die im Zusammenhang mit der Sachmittelverwaltung auftreten, somit grundsätzlich nicht nach dem AHG zu ersetzen.

Eine Ausnahme gilt nur dort, wo eine schädigende Handlung in unmittelbarem Zusammenhang mit einem konkret gesetzten Hoheitsakt erfolgt (MR 1992, 154 = ÖBl 1993, 133). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang mit einem konkreten Hoheitsakt ist jedoch im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, ging es doch bei den inkriminierten Äußerungen des Beklagten nicht um die konkrete Überlassung von Filmmaterial an Schulen zu Zwecken des Unterrichts - jener wäre der Hoheitsverwaltung zuzuordnen (vgl JBl 1992, 532) -, ja nicht einmal um deren Vorbereitung. Vielmehr gab der Beklagte im Zuge seiner dienstlichen Tätigkeiten ganz allgemein seiner Besorgnis darüber Ausdruck, dass es bei Auftragserteilungen zu einer allenfalls ungerechtfertigten Bevorzugung des Klägers kommen könnte. Das Aufzeigen vermeintlicher Unzukömmlichkeiten bei der Anschaffung von Filmwerken bzw der Erteilung von Aufträgen zur Produktion derartiger Werke steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Unterrichtstätigkeit, sondern ist vielmehr ausschließlich der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen, der im Bereich des Schulwesens unter anderem der Erwerb audio-visueller Unterrichtsmittel und deren Verwaltung unterfällt. Auch die inkriminierten (kritischen) Äußerungen des Beklagten in diesem Zusammenhang gehen über diesen Bereich in keiner Weise hinaus. Sie sind damit auch nicht anders zu beurteilen als ähnliche Mitteilungen eines Dienstnehmers gegenüber seinem privaten Dienstgeber - allenfalls auch gegenüber Dritten -, sofern der (vielleicht auch unbegründete) Verdacht bedenklicher Beschaffungsvorgänge entstanden ist. Der Rekurswerber übersieht vor allem, dass seine Auffassung, "sämtliche Hilfstätigkeiten" teilten die Rechtsnatur der im Vordergrund stehenden Amtstätigkeit, die Konsequenz hätte, dass die absolute Mehrzahl der nach allgemeinem Verständnis der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnenden Tätigkeiten von Körperschaften des öffentlichen Rechts im Beschaffungswesen als hoheitlich zu betrachten wären. Da der Erwerb von Unterrichtsmitteln und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten nach der dargelegten Judikatur zweifellos durch Rechtsgeschäfte, somit mit den gleichen Mitteln, die die Rechtsordnung auch Privaten zur Verfügung stellt, erfolgt, kann das in diesem Verfahren zu beurteilende Verhalten des Beklagten entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht nicht der Hoheitsverwaltung zugeordnet werden. § 9 Abs 5 AHG steht daher der Klageführung nicht entgegen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Zwischenstreits über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu ersetzen. Dieser hat in seiner - damit zweckentsprechenden - Rekursbeantwortung auch auf die Unzulässigkeit des Rekurses wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen.

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