OGH 1Ob12/12i

OGH1Ob12/12i23.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Y***** A*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die (bisher) beklagte Partei Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Innrain 52, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Dr. Markus Orgler und Mag. Norbert Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 3.600 EUR und Feststellung (Gesamtstreitwert 33.600 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der bisher beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. September 2011, GZ 4 R 176/11f-13, in der Fassung des Beschlusses vom 5. Jänner 2012, GZ 4 R 176/11f-19, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 8. Juli 2011, GZ 14 Cg 67/11i-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der bisher beklagten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.468,24 EUR (darin 578,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit der Begründung, er sei durch das Verhalten der beklagten Universität mehrfach daran gehindert worden, sein Studium zügig fortzusetzen, begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung monatlicher Mietkosten in Höhe von 300 EUR ab September 2012 für insgesamt zwölf Monate und stellte ein Feststellungsbegehren. Dazu brachte er vor, dass ihm Praktika eines „Erasmusaufenthalts“ im Ausland nicht rechtzeitig angerechnet worden seien, er bei der Einteilung der Praktika deshalb nicht berücksichtigt worden sei, weil er die SIP („Summative integrative Prüfung“) 3A nicht schon im Februar 2010, sondern erst im Juli 2010 bestanden habe, und ihm das parallele Absolvieren von Praktika unter unrichtiger Auslegung des Studienplans verweigert worden sei. Durch das rechtswidrige Vorgehen der Universität werde sich seine Studiendauer zumindest um ein Jahr verlängern.

Die Beklagte wendete insbesondere unter Bezugnahme auf § 49 Abs 2 UG 2002 ihre fehlende Passivlegitimation ein. Nach dieser Bestimmung wäre die Amtshaftungsklage gegen den Bund zu erheben gewesen, weil Studiensachen an öffentlichen Universitäten hoheitlicher Vollzug öffentlichen Rechts und damit Vollziehung des Gesetzes im Sinn des § 1 AHG seien.

Daraufhin beantragte der Kläger „für den Fall, dass das Erstgericht die Rechtsmeinung der Beklagten teile“, die Berichtigung deren Parteibezeichnung auf „Republik Österreich“. Er stütze seinen Anspruch auf das Verhalten der Universitätsorgane im Zusammenhang mit der Zulassung zu Prüfungen und Lehrveranstaltungen, wobei es sich um die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben handle. In diesem Bereich habe die beklagte Universität keine „eigene Rechtspersönlichkeit“. Es sei daher „klar“, dass nach der Bestimmung des § 49 Abs 2 UG 2002 die Republik Österreich Beklagte sein müsse.

Die Beklagte sprach sich gegen den Antrag auf Richtigstellung der Parteibezeichnung aus, weil es sich dabei um eine Parteiänderung handle, die unzulässig sei. In der Klage werde eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Universität geklagt werden sollte.

Das Erstgericht wies den Antrag des Klägers auf Berichtigung der Parteibezeichnung ab. Eine zulässige Berichtigung der Parteibezeichnung liege vor, wenn nicht an die Stelle eines bestimmten Rechtssubjekts ein anderes treten solle. Der Mangel der Sachlegitimation einer Partei dürfe nicht durch die Berichtigung der Parteibezeichnung beseitigt werden. Die Existenz zweier Rechtssubjekte - nämlich der beklagten Universität und der Republik Österreich - spreche gewöhnlich für einen Parteiwechsel. Hier habe der Kläger ohne jeden Zweifel im Wissen der „Teilrechtsfähigkeit“ der beklagten Universität in seinem Klagsvorbringen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund des Verhaltens im Zusammenhang mit der Zulassung zu Prüfungen und Lehrveranstaltungen genau die Beklagte als diejenige Institution, die das in der Klagserzählung angeführte Verhalten gesetzt habe, geklagt werden solle. Würde man dem Begehren auf Richtigstellung der Parteibezeichnung auf Republik Österreich entsprechen, würde an die Stelle eines bestimmten Rechtssubjekts - der Beklagten - ein anderes treten.

Das (richtig:) Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und stellte die Bezeichnung der Beklagten auf Republik Österreich richtig. Rechtlich führte es aus, dass in Studienangelegenheiten gemäß § 51 Abs 1 UG 2002 die Universitäten im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig seien. Eine Nichtzulassung zu Lehrveranstaltungen eines Studienabschnitts erfolge im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Eine von Universitätsorganen allenfalls schuldhaft verursachte Verzögerung des Studienabschlusses könne gemäß § 49 Abs 2 UG 2002 zu keiner Schadenersatzhaftung der Universität führen. Auch wenn sich der Begriff „Amtshaftung“ in der Klagserzählung nicht finde, ergebe sich aus dem dortigen Vorbringen doch eindeutig, dass der Kläger nicht Ansprüche aus einer zivilrechtlich mit der beklagten Universität abgeschlossenen Vereinbarung, sondern Ansprüche mit der Behauptung der rechtswidrigen Nichtzulassung zu Lehrveranstaltungen - und damit Ansprüche, die eindeutig den Bereich der Hoheitsverwaltung betreffen - geltend mache. In Ansehung dieser Ansprüche komme aber aufgrund § 49 Abs 2 UG 2002 nur die Republik Österreich als Haftende in Betracht. Da die Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts (Parteiwechsel) dann nicht schade, wenn die Parteibezeichnung nur auf diejenige Person richtiggestellt werde, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise das Klagebegehren erhoben worden sei, sei die Richtigstellung der Parteibezeichnung zuzulassen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige (Ergänzungsbeschluss vom 5. 1. 2012) und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der (bisher) Beklagten ist aus den nachstehenden Gründen zulässig und berechtigt. Die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers ist verspätet.

1. Derjenige, dem im Verfahren die Parteistellung abgesprochen wurde, ist grundsätzlich berechtigt, die Überprüfung dieser Rechtsansicht zu verlangen. Der gegenteiligen Auffassung, die dem bisher in Anspruch Genommenen die Rechtsmittellegitimation verweigert (RIS-Justiz RS0039313), ist nicht zu folgen (8 Ob 51/10y mwN; RIS-Justiz RS0035319 [T2]; RS0107893 [T1]). Die beklagte Universität ist daher rechtsmittellegitimiert.

2. Durch § 4 UG 2002 wurden die Universitäten als „juristische Personen öffentlichen Rechts“ definiert und mit voller Rechtsfähigkeit ausgestattet (VfGH B 2007/06 = VfSlg 18.221 unter Verweis auf die ErlRV zu diesem Gesetz). Dementsprechend kann die Universität für sich Rechte und Pflichten begründen. Für Verbindlichkeiten, die daraus entstehen, trifft den Bund keine Haftung (§ 49 Abs 1 erster und zweiter Satz UG 2002).

Gemäß § 49 Abs 2 erster Satz UG 2002 haftet (nur) der Bund nach den Bestimmungen des AHG für den von Organen oder Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern der Universität oder von anderen Personen im Auftrag der Universität aufgrund dieses Bundesgesetzes in Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben wem immer schuldhaft zugefügten Schaden. Dem Geschädigten haften weder die Universität noch diejenige oder derjenige, die oder der den Schaden zugefügt hat (§ 49 Abs 2 letzter Satz UG 2002). Diese Bestimmung stellt somit ausdrücklich klar, dass im Fall der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben weder die Universität selbst noch ihre Organwalter dem Geschädigten haften. Die Universität trifft im Bereich der ihr übertragenen Hoheitsverwaltung für Fehlleistungen ihrer Organwalter nicht selbst die Amtshaftung, sondern an ihrer Stelle den Bund. Zufolge des in § 49 Abs 2 UG 2002 normierten Haftungsausschlusses ist die Universität kein Rechtsträger im Sinn des § 1 Abs 1 AHG (1 Ob 18/06p; Krejci, Haftungsfragen zum Universitätsgesetz 2002 [2004] 37).

Gemäß § 51 Abs 1 UG 2002 werden die Universitäten in Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig. Jedenfalls die Organisation des Lehr- und Prüfungsbetriebs, die Erstellung der Studienpläne und die Regelung der Zulassung zu einzelnen Lehrveranstaltungen gehören zu den „Studienvorschriften“ und damit zur Hoheitsverwaltung. In diesem Umfang schließt § 51 Abs 1 UG 2002 zweifellos das (parallele) Bestehen eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen der Universität und dem Studierenden aus. Eine von Universitätsorganen allenfalls schuldhaft verursachte Verzögerung des Studienabschlusses kann daher zu keiner Schadenersatzhaftung der Universität führen (1 Ob 142/07z = RIS-Justiz RS0122418 = SZ 2007/127 = EvBl 2008/25 [zust Standeker/Streit]; zust Lukas, JBl 2010, 657 f [Anm zu 1 Ob 93/10y], Kucsko-Stadlmayer in Mayer, UG 2.00 § 49 II.1., III.3., Kopetzki in Mayer aaO § 29 IV.4. und Perthold-Stoitzner, UG2 [2009] § 49 Anm 5; dazu auch Standeker/Streit/Pressinger-Buchsbaum, Schadenersatzan-spruch Studierender gegen die Universität wegen unzureichenden Lehrveranstaltungsangebots? zfhr 2008, 21 ff).

3. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist es weder eine Änderung der Klage noch eine Änderung der Partei, wenn die Parteibezeichnung auf diejenige Person richtiggestellt wird, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, etwa durch die Anführung der Bezeichnung ihres Unternehmens, das Klagebegehren erhoben worden ist. Es muss sich aber ergeben, dass die nur aufgrund der Angaben im Kopf der Klage als Beklagte behandelte Partei nicht die nach dem gesamten Inhalt der Klage richtig als Beklagte bezeichnete Partei war (RIS-Justiz RS0039337; RS0039378). Die Existenz zweier Rechtssubjekte spricht in der Regel für einen Parteiwechsel, die Existenz nur eines aber für eine bloße Berichtigung der Parteibezeichnung (RIS-Justiz RS0039297). Bei der Prüfung der Frage, ob eine unzulässige Parteiänderung oder eine zulässige Berichtigung der Parteibezeichnung vorliegt, ist dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn ein Rechtssubjekt mit der vom Kläger gewählten (unrichtigen) Parteibezeichnung tatsächlich existiert (RIS-Justiz RS0039731). Die Richtigstellung der Parteibezeichnung findet dort ihre Grenze, wo es sich um den Mangel der Sachlegitimation handelt. Dieser kann nicht im Wege der Berichtigung beseitigt werden (RIS-Justiz RS0035266).

In der Klage stützte der Kläger seine Ansprüche gegenüber der beklagten Universität auf die Behauptung der rechtswidrigen Nichtzulassung zu bestimmten Lehrveranstaltungen, nicht aber ausdrücklich auf Amtshaftung oder das AHG. Die Beklagte habe in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig gehandelt und ihn durch ihr Verhalten (Verweigerung der Teilnahme an bestimmten Praktika) an der zügigen Fortsetzung seines Studiums gehindert, wofür sie verantwortlich sei und für die dadurch eingetretenen Schäden hafte. Obwohl der Kläger in der Klagserzählung die Entscheidung 1 Ob 93/10y zitiert, welche die Haftung der „Republik Österreich“ für ein unzureichendes Lehrveranstaltungsangebot betrifft, legte er sich darauf fest, die beklagte Universität als nach seiner Ansicht schuldhaft rechtswidrig Handelnde und Haftende in Anspruch nehmen zu wollen. Es mag sein, dass der Kläger dabei einem Rechtsirrtum hinsichtlich der Haftung für eine rechtswidrige und schuldhafte Nichtzulassung zu Lehrveranstaltungen - die den Bereich der Hoheitsverwaltung betrifft und für die aufgrund der Bestimmung des § 49 Abs 2 UG 2002 nur der Bund als Haftender in Betracht kommt - unterlag. Da sich der Kläger aber auf die Medizinische Universität Innsbruck als Beklagte festlegte, widerspricht eine Richtigstellung der Parteibezeichnung Sinn und Zweck des § 235 Abs 5 ZPO. Denn es würde entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts nicht etwa nur die Parteibezeichnung auf diejenige Person richtiggestellt, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise das Klagebegehren erhoben worden ist. Der Berichtigungsantrag des Klägers, dem der Einwand der Beklagten auf ihre fehlende Passivlegitimation voranging und der „für den Fall, dass das Erstgericht die Rechtsmeinung der Beklagten teile“, gestellt wurde, erweist sich als Versuch, einen unzulässigen Parteiwechsel herbeizuführen, um die aus § 49 Abs 2 UG 2002 abzuleitenden Rechtsfolgen zu vermeiden.

4. Es ist daher dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Universität Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen.

Die Frage der Zulässigkeit einer Parteiberichtigung ist ein Zwischenstreit, mit dem diese bestimmte Streitfrage unabhängig vom Ausgang der Hauptsache endgültig erledigt wird (RIS-Justiz RS0035924). Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (die Prozesshandlungen in diesem bezogen sich auf den Zwischenstreit) gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

5. Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beträgt gemäß § 521a Abs 1 und 2 ZPO 14 Tage; einer der Ausnahmefälle des § 521a Abs 1 zweiter Satz iVm § 521 Abs 1 zweiter Satz ZPO - Endbeschluss (im Besitzstörungsverfahren) oder Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO - liegt hier nicht vor. Der Freistellungsbeschluss (§ 508a Abs 2, § 528 Abs 3 letzter SatzZPO) wurde dem Vertreter des Klägers am 1. 2. 2012 zugestellt. Die Revisionsrekursbeantwortung brachte er erst nach Ablauf der vierzehntätigen Frist am 28. 2. 2012 im elektronischen Rechtsverkehr beim Obersten Gerichtshof ein. Sie ist daher als verspätet zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte