OGH 1Ob242/22b

OGH1Ob242/22b27.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin W* AG *, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Antragsgegner 1. S* GmbH, *, und 2. Dr. H*, vertreten durch Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Erlags eines Geldbetrags, über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Dr. N*, Rechtsanwalt, *, sowie des E*, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. August 2022, GZ 43 R 141/22m‑68, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Februar 2022, GZ 59 Nc 31/21d‑21, bestätigt und der Rekurs des E* zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00242.22B.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Dem Revisionsrekurs des Dr. N* wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben.

Die Erlegerin ist schuldig, Dr. N* die mit 99,01 EUR (darin 16,50 EUR USt) bestimmten Kosten seines Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs des E* wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin (Erlegerin) beantragte die gerichtliche Hinterlegung einer bestimmten Geldsumme bei Gericht zugunsten zweier von ihr bezeichneter Antragsgegner (Erlagsgegner). Der Ersterlagsgegnerin stehe ein Realisat aus zwei – bei der Erlegerin abgeschlossenen – Lebensversicherungen zu. Der Zweiterlagsgegner habe die Erlegerin aufgefordert, ihm sämtliche Leistungen aus den Versicherungsverträgen „als Pfandgläubiger“ zu überweisen. Das Erstgericht nahm den Geldbetrag mit Beschluss vom 28. 7. 2021 zur Hinterlegung an.

[2] Das Erstgericht bestellte Rechtsanwalt Dr. N* zum Vertreter der Ersterlagsgegnerin im Erlagsverfahren „gemäß § 5 Abs 1 und 2 AußStrG“, weil sämtliche Zustellversuche an diese ergebnislos geblieben seien und sie im Firmenbuch gelöscht sei.

[3] Gegen diesen Beschluss erhoben sowohl der Kurator, der Zweiterlagsgegner als auch E*, der in erster Instanz die Ausfolgung eines Teils des erlegten Betrags beantragt hatte („Ausfolgungswerber“), einen Rekurs.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kurators nicht Folge und wies die Rekurse des Zweiterlagsgegners sowie des Ausfolgungswerbers als unzulässig zurück.

[5] Es ging davon aus, dass das hinterlegte Realisat aus den Lebensversicherungsverträgen ein Aktivvermögen der Gesellschaft darstelle, sodass der Ersterlagsgegnerin Parteifähigkeit zukomme. Durch ihre Löschung im Firmenbuch sei jedoch die Vertretungsbefugnis ihrer vormaligen Organe weggefallen, weshalb sie nicht verfahrensfähig sei und daher die Voraussetzungen für die Bestellung eines (Verfahrens-)Kurators nach § 5 AußStrG vorgelegen wären. Die Auswahl der Person des Kurators obliege dem Gericht.

[6] Dem Zweiterlagsgegner stehe gegen die Kuratorbestellung kein Rechtsmittel zu, weil er durch diese nicht beschwert sei.

[7] Dem Ausfolgungswerber komme im Erlagsverfahren keine Parteistellung zu, weshalb sein Rekurs schon aus diesem Grund unzulässig sei.

[8] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage iSd § 61 Abs 1 AußStrG zu beurteilen sei.

[9] Dagegen erhoben sowohl der Kurator als auch der Ausfolgungswerber einen Revisionsrekurs.

[10] Der Revisionsrekurs des Kurators ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist auch berechtigt.

[11] Der Revisionsrekurs des Ausfolgungswerbers ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Rechtsmittel des Kurators:

1. Grundsätzliches zur Zulässigkeit:

[12] Der gemäß § 5 bestellte (Verfahrens‑)Kurator kann gegen seine Bestellung auch im eigenen Namen ein Rechtsmittel ergreifen (RS0049230 [insb T3 = 1 Ob 109/17m]).

2. Standpunkt des Kurators:

[13] Der Kurator steht auch in dritter Instanz auf dem Standpunkt, dass die Voraussetzungen für seine Bestellung nach § 5 Abs 2 Z 1 und Z 2 AußStrG nicht vorgelegen wären. Das Erstgericht hätte vielmehr für die Bestellung eines Nachtragsliquidators „zu sorgen“ gehabt. Er argumentiert außerdem, dass die Auswahl der Person des Kurator nicht dem Gesetz entsprochen habe, weil diese willkürlich und nicht nach der Reihenfolge einer vom Gericht zu führenden Liste, in die alle für das Amt eines Kurator geeigneten Personen einzutragen gewesen wären, erfolgt sei.

3. Ausgangslage:

[14] 3.1. Die Ersterlagsgegnerin wurde nach Beendigung des über ihr Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens im Firmenbuch gelöscht. Die Löschung im Firmenbuch hat jedoch nur deklarative Wirkung. Solange noch ein Aktivvermögen vorhanden ist, besteht die Rechtspersönlichkeit fort (RS0059984; RS0050186). Im vorliegenden Fall behauptet die Erlegerin, dass der Ersterlagsgegnerin das Realisat aus einer bei ihr abgeschlossenen Lebensversicherung zustehe. Das Rekursgericht ging daher zutreffend davon aus, dass ihr nach wie vor Rechtspersönlichkeit zukomme. Sie ist daher im vorliegenden Verfahren parteifähig.

[15] 3.2. Nach der Rechtsprechung ist mit der – nur deklarativ wirkenden – Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren konstitutiv verbunden (RS0050186 [T5]). Der Ersterlagsgegnerin fehlt es somit – da sie als Kapitalgesellschaft nur durch ihre gesetzlich und satzungsmäßig bestimmten Organe handeln kann (RS0120690) – an der notwendigen Verfahrensfähigkeit.

[16] 3.3. Für die Bestellung fehlender organschaftlicher Vertreter juristischer Personen bestehen Sondervorschriften im Gesellschaftsrecht (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 5 AußStrG Rz 41). So ermöglicht § 15a GmbHG unter bestimmten Voraussetzungen die Bestellung eines Notgeschäftsführers. Für die aufgelöste und im Firmenbuch gelöschte Ersterlagsgegnerin kann – bei Vorliegen der gesetzlichen Erfordernisse – ein Nachtragsliquidator nach § 93 Abs 5 GmbHG bzw § 40 Abs 4 FBG bestellt werden. Fraglich ist, ob ein solches Vorgehen – wie der Kurator in seinem Rechtsmittel argumentiert – für deren wirksame Vertretung im vorliegenden Verfahren zwingend erforderlich gewesen wäre, oder ob – wovon die Vorinstanzen ausgingen – die mangelnde Verfahrensfähigkeit auch durch Bestellung eines Verfahrenskurators nach § 5 AußStrG behoben werden konnte.

4. Zur Kuratel nach dem AußStrG:

[17] 4.1. Gemäß § 5 Abs 1 AußStrG ist der Mangel der Verfahrensfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. Zur dessen Beseitigung hat das Gericht „das Erforderliche anzuordnen“ und Vorsorge zu treffen, dass der Partei daraus keine Nachteile erwachsen. Nach den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP  25) sollen Mängel der Verfahrensfähigkeit ebenso wie im Zivilprozess von Amts wegen wahrgenommen und – sofern möglich – deren Behebung versucht werden. Dazu habe das Gericht die erforderlichen Schritte zu setzen.

[18] 4.2. Gemäß § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG hat das Gericht in einem bei ihm anhängigen Verfahren von Amts wegen einen gesetzlichen Vertreter (Kurator) zu bestellen, wenn an eine Partei nur durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden könnte und sie infolge der Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Verfahrenshandlung vorzunehmen hätte. Diese Bestimmung entspricht § 116 ZPO, weshalb die dazu ergangene Rechtsprechung auch auf den (Zustell‑)Kurator nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG übertragen werden kann (10 Ob 9/15v; 10 Ob 32/21k; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 5 AußStrG Rz 21). Für die Bestellung eines Vertreters nach dieser Bestimmung ist demnach erforderlich, dass die Partei unbekannten Aufenthalts ist und erfolglos versucht wurde, ihren Aufenthalt zu ermitteln (RS0036476 [T7]).

[19] 4.3. Gemäß § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG hat das Gericht für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters „zu sorgen“, wenn die Person oder der Aufenthalt einer Partei unbekannt ist und die Partei oder ein Dritter ohne einen solchen Vertreter in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt werden könnten. Nach der „Generalklausel“ (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG I² § 5 AußStrG Rz 40) des § 5 Abs 2 Z 2 lit d AußStrG hat das Gericht auch dann für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters „zu sorgen“, wenn eine Partei aus anderen Gründen eines solchen für das Verfahren bedarf.

[20] 4.4. Nur die Bestellung eines Kollisions‑ oder Zustellkurators nach § 5 Abs 2 Z 1 lit a und lit b AußStrG hat im konkreten Verfahren zu erfolgen. Alle übrigen in Abs 2 Z 2 leg cit genannten Kuratoren sind gemäß § 5 Abs 3 AußStrG in dem dafür vorgesehenen eigenständigen (vor allem Pflegschafts‑)Verfahren zu bestellen. Das Verfahrensgericht hat bloß für eine solche Bestellung eines Kurators „zu sorgen“.

5. Vertretung nach materiellem Recht:

[21] 5.1. Der Oberste Gerichtshof wandte in seiner früheren Rechtsprechung bei Fehlen vertretungsbefugter Organe einer juristischen Person auch die Bestimmungen des ABGB über den Abwesenheitskurator (nunmehr § 277 ABGB; zuvor § 270 ABGB bzw § 276 ABGB) an; dies in Konkurrenz zu den Bestimmungen der Prozessordnung über die Bestellung eines Prozesskurators (etwa 6 Ob 323/61; 4 Ob 531/78; 1 Ob 207/09m; offenlassend 8 Ob 41/05w). In seiner jüngst zu 4 Ob 85/22m ergangenen Entscheidung stellte der Oberste Gerichtshof jedoch klar, dass die Bestellung eines Abwesenheitskurators nach (nunmehr) § 277 ABGB bei Fehlen vertretungsbefugter Organe einer Gesellschaft nicht in Betracht komme, sondern in diesem Fall mit der Bestellung eines Notgeschäftsführers vorzugehen sei.

[22] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht jedoch ein Wahlrecht zwischen der Bestellung eines Notgeschäftsführers – bzw bei einer bereits aufgelösten Gesellschaft eines Liquidators – einerseits und eines Prozesskurators nach § 8 ZPO andererseits, soweit einem Vertretungsmangel in einem konkreten Verfahren auch durch die Bestellung eines solchen Kurators abgeholfen werden kann (RS0049150; zu einer bereits aufgelösten Gesellschaft RS0049011). Zu 6 Ob 125/99x und 6 Ob 129/00i wurde die Frage, ob es im Belieben des Gläubigers stehe, im Fall eines gegen die Gesellschaft geführten Rechtsstreits entweder die Bestellung eines Prozesskurators oder eines Notgeschäftsführers zu beantragen, zwar offen gelassen. In seiner jüngst zu 4 Ob 85/22m ergangenen Entscheidung (dort zu Rz 43) nahm der Oberste Gerichtshof aber wieder auf die Rechtsprechung zur alternativen Bestellung eines Prozesskurators für eine vertretungslose Gesellschaft Bezug, ohne diese in Frage zu stellen. Vielmehr wurde hervorgehoben, dass die Bestellung eines Notgeschäftsführer subsidiär zur jener eines Prozesskurators nach § 8 ZPO sei.

[23] 5.2. Nach überwiegender Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur besteht bei einer vertretungslosen Gesellschaft ein weitgehendes Wahlrecht zwischen der Bestellung eines Prozesskurators gemäß § 8 ZPO, eines Zustellkurators nach § 116 ZPO bzw § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG oder eines Abwesenheitskurators nach dem ABGB einerseits und der Bestellung eines Notgeschäftsführers nach § 15a GmbHG bzw eines (Not‑)Liquidators andererseits (etwa Rohregger/Kudrna in Foglar/Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher‑Summer, GmbHG [2017] § 15a Rz 57; N. Arnold/Pampel in Gruber/Harrer, GmbHG² [2018] §15a Rz 10; Ratka in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum GmbH‑Gesetz [2020] § 15a Rz 2; Mondel , Das Recht der Kuratoren 3 [2021] insb Rz 2.24; Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung7 [2021] Rz 4.21; Jarec, Die Vertretung einer Gesellschaft bei einem nicht vermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf, ecolex 2021/675, 1023).

6. Beurteilung des vorliegenden Falls:

[24] 6.1. Das Erstgericht stützte seinen Beschluss über die Bestellung des Kurators auf § 5 Abs 1 und 2 AußStrG. Für die Beurteilung der Zulässigkeit dieses Beschlusses ist daher zu prüfen, ob diese Bestimmungen eine hinreichende Grundlage für die Bestellung eines Verfahrensvertreters durch das Verfahrensgericht für eine – mangels vertretungsbefugter Organe – verfahrensunfähige Gesellschaft bilden.

[25] 6.2. Der Revisionsrekurswerber weist zutreffend darauf hin, dass § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG (ebenso wie § 116 ZPO) die Abwesenheit einer Partei voraussetzt. Von einer solchen kann bei Fehlen gesellschaftsrechtlicher Vertretungsorgane nicht gesprochen werden. Denn die „Abwesenheit“ eines Organs (als Gegenbegriff zu dessen „Anwesenheit“) setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch dessen Existenz voraus. Insoweit deckt diese Bestimmung die Bestellung eines Kurators für eine Gesellschaft ohne vertretungsbefugte Organe jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht. Gleiches ergibt sich aus systematischen Erwägungen: Erfasste § 116 ZPO (und damit auch § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG) auch das Fehlen eines im konkreten Fall erforderlichen (gesetzlichen oder organschaftlichen) Vertreters, hätte § 8 ZPO keinen eigenständigen Anwendungsbereich.

[26] 6.3. § 5 AußStrG fehlt es an einer – § 8 ZPO vergleichbaren – „Notkompetenz“ des Verfahrensgerichts, für eine verfahrensunfähige Partei (selbst) einen Verfahrenskurator zu bestellen, um dem Gegner der verfahrensfähigen Partei eine Durchsetzung seiner Rechte zu ermöglichen. Daraus folgt, dass der hier erfolgten Kuratorbestellung eine Rechtsgrundlage fehlt.

6.4. Damit ist keine Rechtsschutzlücke verbunden:

(a) Nach der Generalklausel des § 5 Abs 2 Z 2 lit d AußStrG hat das Gericht für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters zu sorgen, wenn eine Partei aus anderen als den in Abs 2 leg cit genannten Fällen eines gesetzlichen Vertreters für das Verfahren bedarf. Dies umfasst zweifellos auch den hier zu beurteilenden Fall einer vertretungslosen juristischen Person. § 5 Abs 2 Z 2 lit d ermöglicht aber keine Kuratorbestellung durch das Verfahrensgericht selbst (wie sie das Erstgericht vornahm), sondern normiert nur, dass dieses für eine Bestellung im „dafür vorgesehenen besonderen Verfahren“ iSd § 5 Abs 3 AußStrG „zu sorgen“ hat.

(b) Die Unterscheidung des § 5 Abs 2 AußStrG zwischen der Bestellung eines Kurators im konkreten Verfahren (Z 1) und der amtswegigen (bloßen) Veranlassung der Bestellung eines solchen in einem gesonderten Verfahren (Z 2) ist an sich auf natürliche Personen zugeschnitten und nimmt auf vertretungslose juristische Personen nicht Bedacht (Zib in U. Torggler, GmbHG § 15a Rz 2). Sie beruht erkennbar darauf, dass für die Bestellung der in Z 2 leg cit genannten Kuratoren iSd § 5 Abs 3 AußStrG besondere (insbesondere Pflegschafts‑)Verfahren zur Verfügung stehen und daher keine Notwendigkeit einer Bestellung durch das Verfahrensgericht selbst besteht. In Fällen, in denen kein solches „besonderes Verfahren“ besteht, das es dem Verfahrensgericht ermöglichte, für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters einer Partei „zu sorgen“, bestünde daher ein Rechtsschutzdefizit (vgl auch Traar, Die Zuständigkeit des außerstreitigen Prozessgerichts für die Bestellung und Entlohnung von Kuratoren nach dem allgemeinen Teil, RZ 2006, 168).

(c) Im vorliegenden Fall lässt sich ein solches Rechtsschutzdefizit indes dadurch vermeiden, dass für die vertretungslose Ersterlagsgegnerin ein Nachtragsliquidator bestellt wird. Dies kann gemäß § 93 Abs 5 GmbHG über Antrag eines „Beteiligten“ erfolgen (vgl auch § 40 Abs 4 FBG). Zu solchen werden nach herrschender Ansicht etwa Gesellschafter, frühere Gesellschaftsorgane oder Dritte gezählt, die ein rechtliches Interesse an der Nachtragsliquidation glaubhaft machen (Wasserer in U. Torggler, GmbHG [2014] § 93 Rz 4 mwN; RS0114803 [T1]; vgl auch RS0060143 [T1]). Zur Antragstellung ist jede Person berechtigt, die ein Interesse an der Verwertung, Befriedigung oder Verteilung von vorhandenem Gesellschaftsvermögen hat (RS0114803) oder die ganz allgemein ein Interesse daran hat, dass die Gesellschaft wieder, wenngleich nur vorübergehend, handlungsfähig wird und in das Stadium der Liquidation zurücktritt (Umfahrer, GmbH7 [2021] Rz 16.53).

(d) Dem Erleger eines Gegenstands zugunsten einer gelöschten Gesellschaft wurde vom Obersten Gerichtshof zu 6 Ob 105/08x die Antragslegitimation zur Bestellung eines Nachtragsliquidators zuerkannt. Dieser Entscheidung lag ein Antrag der Republik Österreich (des Landesgerichts für Strafsachen Wien) auf Hinterlegung eines beschlagnahmten Gegenstands nach § 1425 ABGB zugrunde. Als Erlagsgegner wurde – wie hier – eine bereits gelöschte GmbH bezeichnet, als Erlagsgrund Handlungsunfähigkeit (Vertretungslosigkeit) der gelöschten Gesellschaft behauptet. Der 6. Senat erachtete dies als unzureichenden Erlagsgrund, weil durch die Bestellung eines Nachtragsliquidators leicht Abhilfe geschaffen werden könne. Dem komme gegenüber einer Hinterlegung (Verwahrung) – aus dem Grund der fehlenden Handlungsfähigkeit der Gesellschaft – Vorrang zu. Könne der Schuldner durch einen Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators für die Vertretung der Gesellschaft sorgen (ohne dass ihm dadurch selbst Kosten erwachsen), liege daher kein tauglicher Hinterlegungsgrund vor. Der Schuldner habe in diesem Fall zunächst die Bestellung eines Nachtragsliquidators in die Wege zu leiten.

[27] Dass vor Hinterlegung einer Sache nach § 1425 ABGB für eine vertretungslose (gelöschte) Gesellschaft erst (durch den Erleger) die Bestellung eines Nachtragsliquidators versucht werden muss, wurde unter Hinweis auf die genannte Entscheidung 6 Ob 105/08x auch in der zu 8 Ob 145/17g ergangenen Entscheidung referiert, ohne dass dagegen– insbesondere gegen eine Antragsbefugnis des Erlegers nach § 93 Abs 5 GmbHG – Bedenken geäußert worden wären.

(e) Die zu 6 Ob 105/08x angestellten Erwägungen können auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Zwar machte die Bestellung eines Nachtragsliquidators die Hinterlegung hier nicht überflüssig, weil der Erlag nach dem Vorbringen des Erlegers auf der Existenz mehrerer Forderungsprätendenten beruhte. Auch hier kommt dem Erleger aber ein rechtliches Interesse an der Bestellung eines vertretungsbefugten Organs für die zwar gelöschte, aber mangels Vermögenslosigkeit nach wie vor bestehende Gesellschaft zu, weil ihr der Annahmebeschluss sonst nicht zugestellt werden und keine schuldbefreiende Wirkung durch Hinterlegung eintreten könnte. Somit ist der Erleger als „Beteiligter“ iSd § 93 Abs 5 GmbHG anzusehen und kann als solcher die Bestellung eines Nachtragsliquidators beantragen. Das Verfahrensgericht hätte ihm daher auftragen müssen, beim Firmenbuchgericht einen solchen Antrag zu stellen. Damit hätte es seiner Pflicht nach § 5 Abs 2 Z 2 lit d AußStrG entsprochen, für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters der Zweiterlagsgegnerin „im dafür vorgesehenen Verfahren zu sorgen“.

(f) Dass das Verfahrensgericht (die Republik Österreich) einen solchen Antrag beim Firmenbuchgericht nicht selbst zu stellen gehabt hätte, ergibt sich daraus, dass eine wirksame (also schuldbefreiende) Hinterlegung im Interesse des Erlegers liegt und dem Verfahrensgericht – anders als dem Erleger – keine Möglichkeit zur Bescheinigung eines verwertbaren Vermögens als Voraussetzung für die Nachtragsliquidation (RS0060128) zukommt. Zu Om 11/10 ging der Oberste Gerichtshof als Oberster Patent- und Markensenat in einem Fall, in dem eine Zustellung an eine zwar gelöschte, aufgrund bestehenden Vermögens jedoch parteifähige, allerdings vertretungslose GmbH vorzunehmen war, zwar davon aus, dass die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts „für die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu sorgen habe“. Eine konkrete Auseinandersetzung mit und eine nähere Begründung der Antragsbefugnis dieser Behörde enthält diese Entscheidung jedoch nicht.

7. Ergebnis:

[28] Als Ergebnis ergibt sich somit, dass die Bestellung eines Verfahrenskurators durch das Erstgericht zu Unrecht erfolgt ist, weil dafür keine gesetzliche Grundlage bestand. Es hätte vielmehr dadurch für die Bestellung eines Nachtragsliquidators „zu sorgen“ gehabt, dass es dem Erleger den Auftrag erteilt, die Bestellung eines solchen beim Firmenbuchgericht zu beantragen. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher ersatzlos zu beheben.

[29] Die diese Entscheidungen tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

[30] § 5 AußStrG bietet keine Grundlage dafür, dass das Verfahrensgericht für eine im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft, die aufgrund bestehenden Aktivvermögens rechts‑ und parteifähig ist und zu deren Gunsten – aufgrund eines Prätendentenstreits – eine Hinterlegung nach § 1425 ABGB erfolgen soll, selbst einen Verfahrenskurator bestellt. Vielmehr hat das Gericht gemäß § 5 Abs 2 Z 2 lit d AußStrG dadurch für die Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter zu sorgen, dass es dem Erleger aufträgt, die Bestellung eines Nachtragsliquidators beim Firmenbuch zu beantragen.

8. Kostenentscheidung:

[31] Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Eine Pauschalgebühr war für den im Zwischenverfahren über die Bestellung eines Verfahrenskurators erhobenen Revisionsrekurs nicht zu entrichten (Anm 1 zu TP 12a GGG).

II. Zum Rechtsmittel des Ausfolgungswerbers:

[32] 1. Der mit dem Antrag nach § 63 AußStrG (Zulassungsvorstellung) verbundene ordentliche Revisionsrekurs ist in einen außerordentlichen Revisionsrekurs umzudeuten (RS0110049 [T13 zum AußStrG]).Dieser erfordert – auch wenn er sich gegen einen Beschluss des Rekursgerichts richtet, mit dem ein Rekurs zurückgewiesen wurde – das Vorliegen (und die Darlegung) einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0007130 [T2, T3]).

[33] 2. Die Prüfung der Parteistellung hat beim Parteibegriff des AußStrG anzusetzen. Gemäß § 2 Abs 1 AußStrG sind Parteien der Antragsteller (Z 1), der von diesem als Antragsgegner oder sonst als Partei Bezeichnete (Z 2) sowie jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde (Z 3). Z 3 leg cit ist dabei eng auszulegen (RS0123029). Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich aus dem materiellen Recht (RS0123027).

[34] 3. Einer nicht als Erlagsgegner genannten Person käme im Erlagsverfahren nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann eine Parteistellung im Ausfolgungsverfahren zu, wenn sie am Erlagsgegenstand bereits rechtlich geschützte Interessen besäße (RS0006720). Darunter sind nur solche Rechte zu verstehen, die dem Gericht bereits nachgewiesen wurden, weil die noch strittige materielle Anspruchsberechtigung betreffend den hinterlegten Betrag im Ausfolgungsverfahren nicht zu prüfen ist (3 Ob 156/13g mwN).

[35] 4. Der Ausfolgungswerber behauptete einerseits (bloß) vertragliche Ansprüche auf einen Teil der Versicherungssumme aufgrund einer Versicherung für fremde Rechnung, andererseits brachte er vor, dass ein Teil der Versicherungsleistung zu seinen Gunsten verpfändet worden sei. Er wies aber auch darauf hin, dass seine Rechte (als versicherte Person) vom Zweiterlagsgegner wahrgenommen würden. Im Revisionsrekurs spricht er auch von einer Verpfändung an diesen Treuhänder. Damit zeigt er kein rechtlich geschütztes (bereits nachgewiesenes) Interesse am Erlagsgegenstand auf. Eine – bloß behauptete – wirtschaftliche Gefährdung vermittelt dem Ausfolgungswerber keine Parteistellung (3 Ob 156/13g).

[36] 5. Da der Revisionsrekurs auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 AußStrG aufzeigt, ist dieser zurückzuweisen.

[37] 6. Soweit der Revisionsrekurswerber die zweitinstanzliche Kostenentscheidung anficht, ist sein Rechtsmittel gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG jedenfalls unzulässig (RS0008673).

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