OGH 6Ob194/22f

OGH6Ob194/22f25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. H*, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei R*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Pacher & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 4 C 474/20f des Bezirksgerichts Bruck an der Mur, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 14. September 2022, GZ 1 R 167/22h‑8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 23. Juni 2022, GZ 2 C 348/22i‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00194.22F.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Der Wiederaufnahmskläger (im weiteren nur mehr: Kläger) wurde im wiederaufzunehmenden Verfahren mit vollstreckbarem Zahlungsbefehl vom 16. 6. 2020 zur Zahlung von Maklerprovision in Höhe von 12.960 EUR sA an eine Immobilienmaklergesellschaft (als damalige Klägerin und nunmehrige Wiederaufnahmsbeklagte; im Weiteren nur mehr: Beklagte) verpflichtet.

[2] Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit dem Ziel der Aufhebung des Zahlungsbefehls und der Abweisung des Klagebegehrens.

[3] Dazu trug er vor, er habe (gemeinsam mit seiner Ehefrau) über Vermittlung der (allein von ihm beauftragten) Beklagten eine bestimmte Liegenschaft gekauft. Da er den Kaufpreis für diese Liegenschaft nicht habe finanzieren können, sei der Verkäufer in der Folge vom Kaufvertrag zurückgetreten und habe die Liegenschaft an andere Personen verkauft. Aus seiner damaligen Sicht sei der Rücktritt des Verkäufers berechtigt gewesen, womit der Provisionsanspruch der Beklagten nicht gemäß § 7 Abs 2 MaklerG nachträglich weggefallen sei, habe doch die (fehlende) Finanzierung ausschließlich seine Sphäre betroffen. Es habe für ihn daher auch keine Veranlassung bestanden, einen Einspruch gegen den (später von ihm auch erfüllten) Zahlungsbefehl zu erheben.

[4] Auf der gekauften Liegenschaft habe sich ein laut den Angaben der Beklagten im Jahr 2001 gemäß der erteilten Baubewilligung errichtetes, allerdings noch fertigzustellendes Wohnhaus befunden. Bezüglich der Liegenschaft habe eine Vielzahl von tatsächlichen und angeblichen Wegerechten bestanden. Am 18. 5. 2022 sei ein Liegenschaftsnachbar im Zusammenhang mit Unstimmigkeiten hinsichtlich dieser Wegerechte an ihn herangetreten und habe Näheres zu seinem Wissensstand zu diesen Wegerechten in Erfahrung bringen wollen. Um diesem Nachbarn behilflich zu sein, habe er – zur besseren Erkennbarkeit von Wegen – ein Orthofoto vergrößern lassen. Dabei sei ihm aufgefallen, dass sich das Haus gemäß Katasterplan – dies soll in Übereinstimmung mit der Baubewilligung stehen – zur Gänze auf einem bestimmten Grundstück befinde, während es sich gemäß dem vergrößerten Orthofoto tatsächlich nur zum Teil auf diesem und teilweise auf zwei weiteren Grundstücken befinde. Das Haus sei somit nicht gemäß der Baubewilligung errichtet worden, sodass ein Beseitigungsauftrag zu erlassen wäre. Bei Kenntnis dieses Sachverhalts hätte er „selbst vom Kaufvertrag zurücktreten können (aus den Gründen der Gewährleistung, Irrtumsanfechtung, des Schadenersatzes und der Verkürzung über die Hälfte)“. Dies gelte unabhängig davon, ob eine baubehördliche Sanierung (etwa durch eine neue Baubewilligung) möglich sei. Kein Liegenschaftskäufer sei bei einer derartigen Sachverhaltskonstellation bereit, das Risiko eines Bauverfahrens auf sich zu nehmen. Wäre ihm dieser Sachverhalt bereits bei der Zustellung des Zahlungsbefehls im Vorverfahren bekannt gewesen, hätte er gegen den Zahlungsbefehl Einspruch erhoben und den Provisionsanspruch der Beklagten abwehren können, weil „die Ausführung des von ihr vermittelten Geschäfts aus nicht vom Kläger zu vertretenden Gründen unterblieben wäre“.

[5] Dass das Haus nicht gemäß Baubewilligung errichtet worden sei, stelle eine neue Tatsache gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dar. Außerdem handle es sich beim Vergleich zwischen dem Katasterplan und dem vergrößerten Orthofoto um ein neues Beweismittel im Sinne dieser Bestimmung. Ihn treffe kein Verschulden an der Unkenntnis des dargestellten Sachverhalts.

[6] Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage a limine zurück. Es erachtete die Klage zwar als rechtzeitig eingebracht; sie sei aber unschlüssig. Die neu vorgebrachte Tatsache (drohende baurechtliche Konsequenzen aufgrund fehlender Übereinstimmung der Lage des im Kaufvertrag genannten Gebäudes mit der Baubewilligung) sei nicht geeignet, eine für den Kläger günstigere Entscheidung im wiederaufzunehmenden Prozess über die Maklerprovision herbeizuführen. Der Vertrag mit dem Verkäufer der Liegenschaft sei weder einseitig vom Kläger noch einvernehmlich von den Vertragsparteien aufgelöst worden. Die bloße Anfechtungslage, ohne dass bereits eine Vertragsanfechtung vorgenommen worden sei, berühre den Provisionsanspruch nicht.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es habe grundsätzlich keinen Einfluss auf den Provisionsanspruch, wenn bloß theoretisch die Möglichkeit einer Vertragsanfechtung bestehe, diese aber (aus welchen Gründen auch immer) unterbleibe. Der zur Provisionszahlung Verpflichtete könne seine Zahlungspflicht nicht ablehnen, solange das Geschäft in seinen Rechtswirkungen nicht durch die Anfechtung erfolgreich beseitigt worden ist.

[8] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist, weil es zu klären gelte, ob einem Vertragspartner gegenüber dem anderen Teil, der nach der im damaligen Zeitpunkt anzunehmenden Tatsachengrundlage zu Recht den Rücktritt vom Vertrag erklärt habe, die Möglichkeit offen stehe, nachträglich geltend zu machen, er hätte selbst Gründe gehabt, die Vertragsaufhebung zu fordern.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionrekurs des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und berechtigt.

[10] 1. Vorangestellt sei, dass der angefochtene Beschluss im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO nicht jedenfalls unanfechtbar ist (RS0125126). Das Revisionsrekursverfahren ist, weil die Wiederaufnahmsklage schon vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen wurde, einseitig.

[11] 2. Die im Fall eines Versäumungsurteils angestellten Erwägungen, dass die Wiederaufnahme nur dann bewilligt werden kann, wenn der Kläger behauptet und beweist, dass die seinerzeitige prozessuale Untätigkeit dadurch bestimmt war, dass er nach der damaligen Lage eine Einlassung in den Rechtsstreit mit Sicherheit als aussichtslos ansehen musste und sich diese Lage eben durch das Auffinden neuer Beweismittel zu seinen Gunsten geändert hat (RS0041113), treffen auch auf einen – mangels Erhebung des Einspruchs – in Rechtskraft erwachsenen Zahlungsbefehl zu.

[12] Im vorliegenden Fall ist damit im Vorprüfungsverfahren abstrakt zu prüfen, ob der Kläger eine Einlassung in den Rechtsstreit damals mit Sicherheit als aussichtslos ansehen musste und ob sich diese Lage durch das Auffinden neuer Beweismittel zu seinen Gunsten geändert hat (10 Ob 67/07m). Trifft dies nicht zu, weil die nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände – ihre Richtigkeit unterstellt (RS0044631 [T2]) – ersichtlich von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können (vgl RS0044504; RS0117780), ist die Wiederaufnahmsklage unschlüssig (RS0044504 [T7, T8]). Dies haben die Vorinstanzen hier angenommen.

[13] 3. Eingangs ist festzuhalten, dass sich der Kläger mit der (sehr weitgehenden) Interpretation seines Vorbringens durch das Erstgericht im Sinne des Vorwurfs auch einer (vom Erstgericht dann aber ohnehin verneinten) Verletzung der Aufklärungspflicht des Maklers und einem daraus resultierenden Recht auf Mäßigung der Provision gemäß § 30b KSchG iVm § 3 Abs 4 MaklerG weder im Rekurs noch im Revisionsrekurs befasst. Dieser Aspekt kann damit im weiteren Verfahren nicht mehr aufgegriffen werden (vgl RS0043573 [insb T29, T31, T33, T50]). Gegenstand kann vielmehr nur die mit der Wiederaufnahmsklage relevierte Frage sein, ob der Provisionsanspruch deshalb wegfällt, weil der Vertrag – in Kenntnis aller Umstände – vom Kläger, dem Auftraggeber des Maklers, angefochten hätte werden können.

[14] 4. Der Revisionsrekurs thematisiert, dass – nach der Entscheidung des Rekursgerichts – vom Kläger zu Unrecht gefordert werde, dass er nachträglich seinerseits den „Rücktritt“ vom Vertrag erklärt und „dies gerichtlich gegen [den Verkäufer] durchsetzen müsste, der noch dazu die Liegenschaft bereits verkauft“ habe.

[15] 5. Zur hier entscheidungsrelevanten Frage, ob für den Entfall der Provisionspflicht gegenüber dem Makler auch eine zugunsten des Auftraggebers bestehende „bloße Anfechtungslage“ (in Bezug auf das vermittelte Geschäft, den „Hauptvertrag“) genügen kann, ist wie folgt Stellung zu nehmen:

[16] 5.1. Das MaklerG gründet den Provisionsanspruch des Maklers auf das Erfolgsprinzip, wie dies aus § 6 Abs 1, 7 Abs 1 und (im Umkehrschluss) aus § 15 MaklerG hervorgeht (vgl auch: „festgeschriebenes Erfolgsprinzip“ [ErläutRV 2 BlgNR 20. GP  19 zu § 6]). Auf das Ausmaß der Tätigkeit des Vermittlers im Einzelfall kommt es dagegen nicht an (so schon 1 Ob 208/75; 8 Ob 502/93; 8 Ob 46/10p [ErwGr 1.]; s auch RS0062676).

[17] Voraussetzung für den Provisionsanspruch ist neben dem Vorliegen eines Maklervertrags und der (kausalen, adäquaten) Verdienstlichkeit des Maklers vor allem, dass „das nach dem Vermittlungsvertrag zu vermittelnde Geschäft tatsächlich zustande gekommen ist ('Vermittlungserfolg')“ und es entweder wirklich ausgeführt oder deshalb nicht ausgeführt worden ist, weil auf Seiten des vermittelnden Dritten wichtige Gründe vorliegen (ErläutRV aaO S 19).

[18] Die Maklerprovision ist also vom Grundgeschäft abhängig (9 Ob 308/99f; 3 Ob 271/00z; RS0029700; RS0128478). Sie (ent‑)steht und (ent‑)fällt mit (dem Bestand) der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts (darauf und nicht auf den [im Weiteren immer als mangelfrei und aufrecht unterstellten] Maklervertrag beziehen sich die weiteren Ausführungen).

[19] Beispielsweise entsteht die Provisionspflicht beim aufschiebend bedingt abgeschlossenen Geschäft erst mit Eintritt der Bedingung (8 Ob 3/16y [ErwGr 1.]). Ist dagegen ein absolut nichtiges Geschäft gemäß § 879 ABGB von Anfang an unwirksam (weswegen es gar keiner Anfechtung bedarf; vgl RS0016432), kann es von vorneherein keine Provisionspflicht auslösen. Auch wenn das Geschäft wegen eines dem Rechtsgeschäft anhaftenden Wurzelmangels (Irrtum, Zwang, List) erfolgreich angefochten und aufgehoben oder aus diesem Grund einvernehmlich aufgelöst wird, steht dem Vermittler keine Provision zu (vgl RS0029675; 2 Ob 202/11m [ErwGr. 6.1.]; vgl zum gemeinsamen wesentlichen Geschäftsirrtum 7 Ob 596/88). Bereits bezahlte Provision kann dann zurückgefordert werden, weil dem Vermittler für einen ungültigen Vertrag grundsätzlich keine Provision gebührt (s RS0029675; 1 Ob 75/14g).

[20] 5.2. In erster Linie ist also danach zu fragen, ob ein rechtswirksamer Vertrag vorliegt. Bei Verneinung dieser Frage besteht keine Provisionspflicht. Nur bei Bejahung dieser Frage – und damit erst in „zweiter Linie“ – ist beachtlich, ob der Vertrag aufgrund einer Leistungsstörung nicht zur Ausführung gelangt. Dann ist – weil in solchen Fällen der Vertrag nicht wegen eines „Wurzelmangels“, sondern wegen einer Leistungsstörung, also wegen einer Störung in der Abwicklung eines rechtswirksam zustandegekommenen Vertrags, aufgelöst wird – der Provisionsanspruch nämlich (grundsätzlich) bereits entstanden (vgl etwa zur [schuldrechtlich] ex tunc wirkenden Wandlung RS0029675 [T8]).

[21] In Fällen der Leistungsstörung entfällt der Anspruch auf Provision des Maklers demnach auch nicht generell, sondern nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, und zwar wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird und der Auftraggeber bei Leistungsverzug des Dritten nachweist, dass er alle zumutbaren Schritte unternommen hat, um den Dritten zur Leistung zu veranlassen (§ 7 Abs 2 MaklerG).

[22] 5.3. Ausgehend vom an das Bestehen eines rechtswirksamen Vertrags geknüpften Erfolgsprinzip des Maklergesetzes kann es nicht überraschen, dass die bloße Anfechtungslage für den Entfall der Provision bisher als nicht ausreichend angesehen wurde:

[23] Das Vorliegen eines (zur Anfechtung berechtigenden) Wurzelmangels (etwa eines vom anderen veranlassten Irrtums des Auftragsgebers) beseitigt ja den Vertrag nicht. Dieser bleibt bis zu seiner Aufhebung (vorerst) rechtswirksam und damit der Erfolg aufrecht. Dem Makler steht dementsprechend die Provision ungeachtet des (an sich) gegebenen Wurzelmangels zu, wenn der Vertrag trotz dieses Mangels nicht beseitigt wird (vgl RS0029675). Ob und aus welchen Gründen das Geschäft (tatsächlich) nicht rechtswirksam wäre, bildet ohne dessen (erfolgreiche) Anfechtung keinen Provisionsausschlussgrund (9 Ob 308/99f; 7 Ob 272/97v).

[24] Behauptet der Käufer etwa bloß, er sei in Irrtum geführt worden, erklärt aber nicht „ehestens“ den Vertrag anzufechten, bleibt die Provisionspflicht bestehen (1 Ob 509/89 auch unter Verweis auf die nicht veröffentlichte Entscheidung 1 Ob 194/54). Dies gilt nach der Entscheidung 7 Ob 272/97y nicht nur dann, wenn – trotz gegebener „Anfechtungslage“ – diese deshalb nicht wahrgenommen werden kann, weil es dem Auftragsgeber aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des vermittelten Geschäfts (also etwa wegen eines zulässig vereinbarten Ausschlusses der Geltendmachung von Irrtum) nicht möglich ist, sondern auch solange der Verkäufer, für den die Rückabwicklung des Vertrags kostenaufwändig wäre und diese ihm nicht den vollen Kaufpreis zurückbrächte, den Vertrag nicht (erfolgreich) anficht.

[25] Für die Konstellation, in der ein Wurzelmangel im Rahmen der Anfechtung nicht zum Wegfall des Vertrags führt, sondern nur zu dessen Anpassung, wurde (in Konsequenz des Erfolgsprinzips) auch bereits ausgesprochen, dass die Provisionspflicht bestehen bleibt. Sie ist dann eben auf Basis der sich letztlich als beständig herausstellenden Vertragslage (mit dem geminderten Kaufpreis als Bemessungsgrundlage) zu berechnen (s 2 Ob 176/10m [ErwGr IV.2.]).

[26] 5.4. Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass für die Versagung des Provisionsanspruchs bei (bloß zur Anfechtung berechtigenden) Wurzelmängeln die Beseitigung der Rechtswirksamkeit des Vertrags aus diesem Grund entscheidend ist. Dies manifestiert sich auch in der Rechtsprechung insofern, als nicht wesentlich ist, ob die Auflösung des Geschäfts wegen eines Wurzelmangels durch gerichtliche Anfechtung herbeigeführt wurde; vielmehr beseitigt auch die außergerichtliche einvernehmliche Auflösung des Vertrags wegen eines dem Rechtsgeschäft anhaftenden Wurzelmangels den Provisionsanspruch (vgl RS0029675 [T4]; 7 Ob 170/01b). Dagegen kann die bloße Anfechtungslage in der Regel (bei aufrecht gebliebenem Geschäft[‑serfolg]) dem Zahlungsanspruch des Maklers nicht erfolgreich entgegengehalten werden.

[27] 5.5. Inwiefern es dem Kläger helfen könnte, wenn § 7 Abs 2 MaklerG „analog“ auf Wurzelmängel anzuwenden wäre, erschließt sich nicht.

[28] In Teilen der Lehre wird – unter Berufung auf einen Wertungswiderspruch im Vergleich zwischen der Behandlung der Wurzelmängel gegenüber der Handhabe bei Leistungsstörungen (bei denen ja die Provisionspflicht jenes Auftraggebers, der die Leistungsstörung zu vertreten hat, aufrecht bleibt) – für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung plädiert, also (auch) für den Fall, dass der Auftraggeber den (grundsätzlich zu Recht als „gravierender“ eingestuften) Wurzelmangel „verschuldet“ bzw zu vertreten hat (vgl dazu Fromherz, Kommentar zum MaklerG [1997] § 7 Rz 85 ff; Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 7 MaklerG Rz 8, 12; Eberhardt, Die Verdienstlichkeit des Maklers, ecolex 2011, 284 [286]). Danach wäre die Provisionspflicht des Auftraggebers auch im Fall eines „verschuldeten“ Wurzelmangels gegeben. Dieser Standpunkt wurde in der Rechtsprechung aber bereits zu 6 Ob 570/95 und mit ausführlicher Begründung zuletzt mit der Entscheidung 1 Ob 75/14g (EvBl 2014, 1090 [zust Paulsen] = immolex 2015, 160 [Stadlmann]: Rückzahlungspflicht des Maklers auch bei von seinem Auftragsgeber herbeigeführtem Irrtum) abgelehnt.

[29] Dass Leistungsstörungen und Wurzelmängel nicht gleich, sondern verschieden zu behandeln sind, hat seine Ursache (wiederum) im gesetzlich verankerten Erfolgsprinzip. Gerade im Hinblick auf das Erfolgsprinzip sind Wurzelmängel und Leistungsstörungen von anderer Art und Konsequenz. Die Folgen des „richtigen“ (fehlerfreien) Verhaltens sind einander diametral entgegengesetzt. Verhält sich der Auftraggeber im Rahmen der Abwicklung „richtig“ (und lässt sich keine Leistungsstörung zuschulden kommen), wird der (rechtswirksame) Vertrag durchgeführt – es bleibt beim Geschäftserfolg und bei der (vom Ausmaß der Tätigkeit und des tatsächlichen Aufwands des Maklers unabhängigen) Provision. Verhält sich dagegen der Auftraggeber bei Abschluss des Geschäfts „richtig“ (klärt den Tatsachen entsprechend oder einen zuvor etwa veranlassten Irrtum noch rechtzeitig auf), dann unterbleibt ein Vertragsschluss – es kommt also erst gar nicht zur Grundlage des Erfolgs des Maklers (und seiner Provision), nämlich zu einem rechtswirksamen Vertrag.

[30] Tatsächlich liegt auch die zu zwei Entscheidungen ohne weitere Ausführungen vom Kläger in den Raum gestellte angebliche Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung in dieser Frage nicht vor. Die Entscheidungen 7 Ob 157/09b und 9 Ob 12/12y tragen die ihnen offenbar unterstellte Anwendung des § 7 Abs 2 MaklerG auf Fälle des Wegfalls des Vertrags wegen eines vom Auftraggeber im Verhältnis zum anderen Vertragspartner zu vertretenden Wurzelmangels nicht (darauf, ob der Makler bei seinem Auftraggeber eine Fehlvorstellung in Bezug auf das abzuschließende Geschäft herbeigeführt hat, käme es im Verhältnis zum Geschäftspartner [dem das Verhalten des Maklers nicht zugerechnet werden kann] nicht an).

[31] Auch eine (vom Kläger offenbar intendierte) Gleichstellung von Wurzelmängeln mit Leistungsstörungen in dem Sinne, dass bei Zusammentreffen einer Leistungsstörung mit einem Wurzelmangel beide einander auf der selben „Ebene begegneten“ und solche Konstellationen nach § 7 Abs 2 MaklerG zu lösen wären, wäre abzulehnen. Der Wurzelmangel betrifft den Vertrag an sich, die Leistungsstörung dagegen („bloß“) dessen Abwicklung. In ersterem Fall hat der Makler keinen (beständig) rechtswirksamen Vertrag erwirkt, in letzterem wird ein rechtswirksamer (also mangelfreier) Vertrag wegen einer Leistungsstörung nicht abgewickelt und der Vertrag deswegen (nicht aber wegen einer fehlerhaften Willenseinigung) nicht ausgeführt oder rückgängig gemacht.

[32] Der Kläger übersieht bei seinen Überlegungen schon grundlegend, dass § 7 Abs 2 MaklerG das Verhältnis zwischen dem Makler und seinem Auftraggeber behandelt. Ihre Erstreckung auf Wurzelmängel wäre für den Kläger nicht günstiger, weil der behauptete Wurzelmangel ohnehin aus der Sphäre des Dritten stammt. Immer noch bliebe die Frage, ob die Provisionspflicht des Klägers entfallen soll, wenn doch der Vertrag tatsächlich aus einem von ihm zu vertretenden Grund nicht ausgeführt wurde (fehlende Finanzierung) und eine (hypothetisch bleibende) Anfechtung wegen eines Wurzelmangels (sei es auch aufgrund eines fehlenden Wissensstands) real nicht erfolgte. Dass (oder warum) der hier zu beurteilende Sachverhalt einer (immer vom konkreten Willen der Vertragsparteien des Hauptvertrags abhängigen) einvernehmlichen Vertragsauflösung gleichzusetzen sein sollte, „sodass § 7 Abs 2 MaklerG analog dazu anzuwenden“ wäre, ist nicht nachvollziehbar.

[33] 5.6. Damit bleibt die Kernfrage des Revisionsrekursverfahrens zu klären, ob hier wegen des bereits erfolgten Vertragsrücktritts des Geschäftspartners des Auftragsgebers ein Sonderfall vorliegt, der im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Makler einer tatsächlichen und erfolgreichen Anfechtung wertungsmäßig gleichzuhalten ist, sodass ausnahmsweise – und entgegen der in ErwGr 5.4. festgehaltenen Grundregel – dem Makler die Provision bei Bestehen bloß der Anfechtungslage und ohne gerichtliche Aufhebung des Vertrags aufgrund eines Wurzelmangels nicht gebührt.

[34] All den in ErwGr 5.3. genannten Entscheidungen, in denen der Entfall der Provisionspflicht abgelehnt wurde, wenn der Vertrag nicht wegen eines Wurzelmangels beseitigt worden ist, die Zahlungspflicht des Auftraggebers also bei (allfälligem) Bestehen bloß der Anfechtungslage bejaht wurde, ist gemeinsam, dass der zwischen den Hauptparteien vermittelte Vertrag (zumindest teilweise) aufrecht geblieben war und damit der Vermittlungserfolg Bestand hatte. Das ist hier aber nicht der Fall.

[35] Ob und unter welchen Voraussetzungen Irrtum anlässlich des Kaufs einer Liegenschaft wegen der mit einem Wurzelmangel im Vergleich zu Auflösungen des Vertrags mit bloß schuldrechtlicher ex nunc oder ex tunc Wirkung (wie hier aufgrund des Rücktritts nach Verzug) im Rahmen einer Klage geltend gemacht werden könnte, muss hier nicht näher untersucht werden (zur Zulässigkeit der Einrede der laesio enormis auch nach bereits erfolgtem Rücktritt vgl 10 Ob 3/21w unter Verweis auf 1 Ob 498/35), wiewohl hervorgehoben sei, dass (mit Ausnahme der Parteieneinigung) Irrtum der gerichtlichen Geltendmachung (etwa auch in Form der Einrede) bedarf (vgl RS0016253; RS0108542).

[36] Wenngleich das Bestehen eines rechtlichen Interesses an einer Klagsführung von der Rechtsprechung selbst im Fall bereits beendeter Rechtsbeziehung schon anerkannt worden ist, bleibt dies auf Fälle beschränkt, in denen das Urteil für die gegenwärtige Rechtslage der Parteien noch von Bedeutung scheint (9 ObA 32/22d; vgl auch 2 Ob 2286/96g; 3 Ob 150/13z).

[37] Inwiefern im vorliegenden Fall die gegenwärtige Rechtslage zwischen den Parteien des vermittelten Geschäfts oder deren „weitere“ Rechtsbeziehungen untereinander zu klären wären, erschließt sich nach bisherigem Vorbringen nicht, haben doch danach Leistungsaustausch und Eigentumsübertragung nicht stattgefunden (vielmehr wurde die Liegenschaft bereits an andere verkauft). Klärungsbedürftige wechselseitige Ansprüche zwischen den Parteien des Hauptgeschäfts sind nicht ersichtlich.

[38] Selbst dann, wenn das Bestehen eines rechtlichen Interesses in Ausnahmefällen zu bejahen wäre (beispielsweise im Hinblick auf einen von der vermittelten Partei zu verantwortenden Vertrauensschaden [Vertragserrichtungs-kosten] des Auftraggebers des Maklers), stellte sich die Frage der (Un‑)Zumutbarkeit einer solchen Klagsführung, wenn der Vertrauensschaden der Höhe nach geringfügig und das wirtschaftliche Schwergewicht ohnehin nur in den Auswirkungen auf die Maklerprovision einer Partei lägen. Der Auftraggeber des Maklers wäre dann gehalten, zwei Prozesse gleichzeitig zu führen (das Verfahren gegen die Hauptpartei des Vertrags als Kläger und das Verfahren über die Provision als Beklagter), wiewohl schon feststeht, dass der Erfolg des Geschäfts tatsächlich ausbleibt (die Liegenschaft nach Vertragsrücktritt bereits wieder verkauft wurde) und der Prozess gegen die Hauptpartei in Wahrheit nur den Zweck verfolgt, die Rechtsposition des Auftraggebers im Verhältnis zum Makler zu verbessern bzw zu wahren. Auch in derartigen Konstellationen wird vom Auftraggeber die Einbringung der Klage gegen den Geschäftspartner schwerlich zu verlangen sein.

[39] Dem Kläger kann im vorliegenden Fall auch nicht entgegengehalten werden, dass der Vertrag schon aufgrund des durch seinen Zahlungsverzug herbeigeführten Rücktritts nicht mehr aufrecht ist. Wie schon zu ErwGr 5.5. gezeigt, stehen Wurzelmängel und Leistungsstörungen nicht auf einer Ebene und sind nicht „gleichwertig“. Laesio enormis oder (etwa auch arglistig herbeigeführter) Irrtum berühren den Vertrag an seiner Wurzel. Dagegen betrifft der Zahlungsverzug „bloß“ die Ausführung eines Vertrags, der – bei Kenntnis von der Anfechtungslage – entweder durch gerichtliche Anfechtung oder durch darauf gestützte einvernehmliche Auflösung mit dem Verkäufer „an der Wurzel“ beseitigt worden wäre.

[40] 5.7. Der erkennende Senat kommt damit zu folgendem Ergebnis:

[41] Wurde der Vertrag über das vermittelte Geschäft wegen einer (in die Sphäre des Auftragsgebers fallenden) Leistungsstörung nicht durchgeführt (und dieser aus diesem Grund mit schuldrechtlicher ex tunc oder ex nunc Wirkung aufgelöst) und ist dem Auftraggeber des Maklers die (nachträgliche) Anfechtung des Vertrags nicht möglich oder zumutbar, entfällt der Provisionsanspruch des Maklers, wenn der Auftraggeber die Anfechtungslage und den Umstand nachweist, dass er den Vertrag – bei hypothetischem Wegfall der Leistungsstörung (und Aufrechtbleiben des Vertrags) – erfolgreich gegenüber seinem Vertragspartner angefochten hätte.

[42] 6. Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung erweist sich die vom Kläger geltend gemachte neue Tatsache nicht als unerheblich und die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO als nicht rechtsrichtig. Vielmehr ist dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufzutragen.

[43] 7. Angemerkt sei zuletzt, dass soweit sich der Kläger im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte neue Tatsache auf Gewährleistung stützt, diese als Leistungsstörung nicht geeignet wäre, seine Lage zu seinen Gunsten zu verändern:

[44] Der Anspruch auf Provision entfällt nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nur, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird. Der Auftraggeber hat für den Entfall seiner Provisionsverpflichtung nach ständiger Rechtsprechung nachzuweisen, dass die Ausführung des vermittelten Geschäfts ohne sein Verschulden unmöglich oder unzumutbar wurde (7 Ob 157/09b; s auch RS0062829). Hier stünde aber – auch unter der (schon wegen der Verwendung des Wortes „feststeht“ fraglichen) Einbeziehung eines – real nicht zur Vertragsauflösung geführt habenden – Mangels fest, dass die Durchführung des Vertrags jedenfalls (auch) aus einem Grund, den der Auftraggeber zu verantworten hat, scheiterte, womit die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 MaklerG nicht erfüllt sind (vgl auch Knittl/Holzapfel [Maklerrecht Österreich² {2015} 100] zum Provisionsanspruch des Doppelmaklers gegenüber beiden Teilen bei Verschulden beider Vertragsteile an Leistungsstörungen).

[45] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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