OGH 2Ob93/22y

OGH2Ob93/22y6.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, und Dr. Kikinger in der Unterhaltssache der mj 1. B* 2005 und 2. M* 2006, beide wohnhaft bei und vertreten durch die Mutter G*, diese vertreten durch Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner (OG) in Linz, über den Revisionsrekurs der Kinder (Revisionsrekursinteresse B*: 1.066 EUR; M*: 6.660 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Jänner 2022, GZ 15 R 379/21t‑51, mit dem einem Rekurs des Vaters und der Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr vom 6. September 2021, GZ 21 Pu 39/19s‑42, nicht bzw teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00093.22Y.0906.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Die Revisionsrekursbeantwortung vom 5. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der monatliche Unterhaltsbeitrag für die mj M* für den Zeitraum 1. 2. 2021 bis 31. 3. 2021 (anstatt: 30. 6. 2021) mit 1.080 EUR festgesetzt wird.

 

Begründung:

Zu 1.:

[1] Da der Vater bereits vor Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht eine Revisionsrekursbeantwortung einbrachte, war eine Freistellung nicht nötig (RS0104882). Da einer Partei nur eine Rechtsmittelgegenschrift zusteht, war die nach Freistellung wiederholte Revisionsrekursbeantwortung als unzulässig zurückzuweisen (RS0041666).

Zu 2.:

[2] Der Vater ist aufgrund einer anlässlich der Ehescheidung in Ungarn abgeschlossenen, dort gerichtlich genehmigten Vereinbarung der Eltern ab August 2018 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 400.000 HUF pro Kind verpflichtet.

[3] Einen Antrag des Vaters vom 1. 11. 2019, den Unterhalt auf 832 EUR herabzusetzen, wiesen die Vorinstanzen mit Beschlüssen vom 21. 1. 2020 (Erstgericht) und 7. 4. 2020 (Rekursgericht) ebenso wie einen mit aufgrund des Wohnsitzwechsels von Ungarn nach Österreich gesteigerten Lebenserhaltungskosten begründeten Unterhaltserhöhungsantrag der Kinder auf 1.650 EUR rechtskräftig ab.

[4] Mit ihrem Antrag vom 29. 1. 2021 begehren dieKindernun eine „Unterhaltsanpassung“. Sie seien nach der Scheidung nach Österreich übersiedelt. Dennoch zahle der Vater trotz Ersuchens der Mutter den Unterhalt nach wie vor in HUF. Er arbeite in Belgien und beziehe sein Gehalt in EUR. Die Kinder hätten Anspruch auf Unterhaltszahlung in der Währung ihres Wohnsitzstaates, daher (entsprechend dem Wechselkurs zum Vergleichsabschlusszeitpunkt) in Höhe von 1.217 EUR. Überdies habe B* am * 2020 das 15. Lebensjahr vollendet, sodass der vereinbarte Unterhalt ab 1. 7. 2020 um 2 % auf 1.350 EUR zu erhöhen sei. Die Relation des Unterhalts zum Einkommen sei zu wahren, sodass eine Limitierung auf die österreichische Luxusgrenze nicht angezeigt sei. Die geänderten Verhältnisse würden es nicht rechtfertigen, den Unterhalt in Österreich niedriger zu bemessen als den damals in Forint festgesetzten. Es ergebe sich daher eine Nachzahlung für die Zeit von September 2018 bis Ende März 2021 für B* von 4.677,20 EUR und für M* von 3.382,20 EUR.

[5] Der Vatergesteht zu, mittlerweile in Belgien zu wohnen und sein Gehalt – jedoch erst seit September 2020 – in EUR zu erhalten. Bis dahin habe er sein Einkommen in PLN lukriert. Er sei aufgrund der von ihm eingehaltenen, bisher gerichtlich nicht abgeänderten Vereinbarung zu einer Unterhaltsleistung in HUF verpflichtet. Eine rückwirkende Umwandlung sei ebenso wenig gerechtfertigt wie eine Erhöhung. Er sei am 12. 3. 2021 zum dritten Mal Vater geworden und werde die Mutter seines dritten Kindes heiraten. Ihn träfen daher in unmittelbarer Zukunft zwei weitere Unterhaltsverpflichtungen. Die Vergleichsrelation finde daher keine Anwendung mehr. Ab 1. 3. 2021 sei der Unterhalt daher mit dem zweieinhalbfachen Regelbedarfzu begrenzen.

[6] Das Erstgericht setzte mit Beschluss vom 6. 9. 2021 den monatlichen Unterhaltsbeitrag für B* von 1. 4. 2021 bis 30. 6. 2021 mit 1.185 EUR und ab 1. 7. 2021 mit 1.220 EUR sowie für M* von 1. 4. 2021 bis 30. 6. 2021 mit 1.005 EUR und ab 1. 7. 2021 mit 1.035 EUR fest (1.), verpflichtete den Vater die angeführten Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Voraus, die bereits fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen (2.) und wies das darüber hinausgehende Herabsetzungsbegehren des Vaters (3.) sowie die Nachzahlungsbegehren für die Zeit vom 1. 9. 2018 bis 31. 3. 2021 für B* über 4.677,20 EUR und für M* über 3.382,20 EUR, und das Begehren auf Erhöhung des laufenden Unterhalts für B* ab 1. 7. 2020 auf 1.350 EUR ab (4.). Die Änderung des Wechselkurses stelle keine ausreichende Umstandsänderung dar. Der Vater habe den vereinbarten Unterhalt beglichen. Eine Nachzahlung komme daher nicht in Betracht. Seit 12. 3. 2021 (Kind) und 27. 8. 2021 (Ehefrau) habe der Vater aber weitere Sorgepflichten, die nun zu berücksichtigen seien. Der Unterhalt sei ohne Bedachtnahme auf die Vergleichsrelation nach dem Gesetz neu auszumessen. Entsprechend der Prozentsatzmethode ergebe sich unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten für B* ein Unterhaltsanspruch von 19 % ab 1. 4. 2021 und von 16 % ab 1. 9. 2021 sowie für M* von 17 % ab 1. 4. 2021 und 14 % ab 1. 9. 2021. Allerdings sei der Unterhalt mit dem zweieinhalbfachen Regelbedarf zu begrenzen.

[7] Das Rekursgericht gab einem Rekurs des Vaters nicht, einem Rekurs der Kinder hingegen teilweise Folge und setzte den monatlichen Unterhaltsbeitrag für B* von 1. 2. 2021 bis 31. 3. 2021 mit 1.080 EUR, von 1. 4. 2021 bis 30. 6. 2021 mit 1.185 EUR und ab 1. 7. 2021 mit 1.220 EUR, für M* von 1. 2. 2021 bis 30. 6. 2021 (richtig: 31. 3. 2021) mit 1.080 EUR, von 1. 4. 2021 bis 30. 6. 2021 mit 1.005 EUR und ab 1. 7. 2021 mit 1.035 EUR fest (1.), wies den Antrag des Vaters auf Unterhaltsfestsetzung in Höhe von 1.005 EUR für M* und 1.185 EUR für B* ab 1. 7. 2021 ab (2.), verpflichtete den Vater zu einer Nachzahlung betreffend B* für den Zeitraum 1. 2. 2021 bis 30. 9. 2021 in Höhe von 615 EUR (3.), wies die Anträge auf Leistung weiteren rückständigen Unterhalts für B* über 3.892,20 EUR und für M* über 3.382,20 EUR ab bzw betreffend den Zeitraum 1. 10. 2019 bis 31. 1. 2020 zurück und den Antrag, den laufenden Unterhalt für B* auf 1.350 EUR zu erhöhen ab (4.) und verpflichtete den Vater, die ab 1. 10. 2021 laufenden Unterhaltsbeiträge jeweils am Ersten eines Monats im Voraus und die bis zur Rechtskraft fällig gewordenen Beiträge binnen 14 Tagen zu zahlen (5.). Grundsätzlich sei Unterhalt in der Währung des Landes zuzusprechen, in dem der Unterhaltsberechtigte lebe. Der Wechsel des Währungsstatuts rechtfertige aber keine Nachzahlung. Eine rückwirkende Titelumwandlung komme nicht in Betracht. Hinsichtlich des Rückstandszeitraums Oktober 2019 bis Jänner 2020 liege in Anbetracht des gleichen, bereits im Vorverfahren geltend gemachten anspruchsbegründenden Sachverhalts entschiedene Rechtssache vor.Das Nachzahlungsbegehren sei aber als Antrag auf Neubemessung in EUR zu verstehen. Mangels relevanter Umstandsänderung schon im Zeitraum Februar und März 2021 sei der Unterhalt nicht neu zu bemessen, sondern in der vereinbarten Höhe gemäß dem Umrechnungskurs in diesem Zeitraum mit 1.080 EUR zuzusprechen. Ab 1. 4. 2021 sei unter Berücksichtigung des (hohen) Einkommens des Vaters der zweieinhalbfache Regelbedarf wie vom Erstgericht angenommen zu leisten. Ein Unterhaltsrückstand bestehe bei M* nicht, weil der Vater im Zeitraum April bis September 2021 ohnehin mehr als geschuldet geleistet habe. Hingegen ergebe sich bei B* für diesen Zeitraum ein Rückstand in Höhe von insgesamt 615 EUR. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Antrag der Kinder zu, weil noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dazu vorliege, ob im Unterhaltsverfahren rückwirkend eine Erhöhung aufgrund „Währungsumwandlung“ begehrt werden könne. Weiters bedürfe es einer höchstgerichtlichen Klärung, ob eine gerichtliche Entscheidung, die eine Unterhaltserhöhung ablehne, einem Vergleich die Rechtswirkung nach § 190 Abs 3 ABGB nehme, auch wenn im weiteren Verlauf ein anderer Erhöhungsgrund (hier: „Währungsumwandlung“) geltend gemacht werde.

[8] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Kinder mit dem Abänderungsantrag, den Unterhaltsbeitrag für B* für den Zeitraum 1. 2. 2021 bis 31. 3. 2021 mit insgesamt 1.185 EUR sowie für M* ab 1. 10. 2021 mit 1.220 EUR festzusetzen und den Vater zu einer Nachzahlung betreffend den Zeitraum April 2020 bis Jänner 2021 in Höhe von jeweils 856 EUR zu verpflichten.

[9] Der Vater beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisonsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig,aber nicht berechtigt.

[11] Der Revisionsrekurs argumentiert, § 190 Abs 3 ABGB sehe nur eine Bindung des unterhaltspflichtigen Vaters an die Unterhaltsvereinbarung vor. Sofern die Bindungswirkung nach ungarischem Recht zu beurteilen wäre, sei das Richterprivileg nach § 16 Abs 2 Z 6 RPflG verletzt. Die eine Unterhaltserhöhung im Vorverfahren letztlich ablehnende Entscheidung des Rekursgerichts vom 7. 4. 2020 nehme dem Vergleich nicht die Rechtswirkung nach § 190 Abs 3 ABGB. Die bei der Vorentscheidung nicht geltend gemachte Währungsumwandlung könne daher nun auch rückwirkend geltend gemacht werden, sodass sich unter Berücksichtigung der in den jeweiligen Monaten geltenden Wechselkurse eine Nachzahlung von 856 EUR pro Kind ergebe. Überdies wäre bei B* aufgrund des Alterssprungs der Unterhalt bereits für den Zeitraum Februar und März 2021 mit 1.185 EUR und bei M* ab 1. 10. 2021 mit 1.220 EUR festzusetzen gewesen.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

1. Richtervorbehalt – anzuwendendes Recht

[12] 1.1 Die Generalklausel des § 19 Abs 1 RPflG weist die Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten dem Rechtspfleger zu. Das Verfahren über den gesetzlichen Unterhalt ist in § 19 Abs 2 RPflG nicht als eine dem Richter vorbehaltene Angelegenheit genannt; dies unabhängig davon, ob es sich bei den Kindern um Österreicher, Ausländer oder Staatenlose handelt, ob sie in Österreich oder im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder ob sie überhaupt der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterworfen sind. Voraussetzung für die Zuständigkeit des Rechtspflegers ist im Hinblick auf den generellen Richtervorbehalt des § 16 Abs 2 Z 6 RPflG nur, dass nicht ausländisches Recht anzuwenden ist. Dabei ist das Recht der Europäischen Union nicht als ausländisches Recht anzusehen. Gleiches gilt für das Haager Unterhaltsprotokoll – HUP (6 Ob 142/18b Pkt 1. mwN).

[13] 1.2 Auf alle nach dem 18. 6. 2011 eingeleiteten Verfahren ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die VO (EG) 2009/4 des Rates vom 18. 12. 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) anzuwenden (Art 75, 76 EuUVO). Den Normen der EuUVO kommt dabei der Anwendungsvorrang vor autonomen einfachgesetzlichen Bestimmungen zu (Art 76 Satz 3 EuUVO).

[14] Gemäß Art 15 EuUVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht für die Mitgliedstaaten des HUP nach diesem Protokoll. Gemäß Art 3 Abs 1 des für die nach dem 18. 6. 2011 fällig gewordenen Ansprüche maßgeblichen HUP folgen Unterhaltsansprüche dem Recht des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (RS0128723).

[15] Der Unterhaltsanspruch der Kinder ist daher grundsätzlich nach österreichischem Recht als dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts der Kinder zu beurteilen.

2. Ungarischer Unterhaltstitel – § 190 Abs 3 ABGB

[16] 2.1 Die vorliegende Unterhaltsvereinbarung wurde von den Eltern anlässlich ihrer Scheidung in Ungarn vor einem Gericht in Budapest abgeschlossen und auch gerichtlich genehmigt.

[17] Ob es sich dabei um eine gerichtliche Unterhaltsentscheidung, die gemäß Art 17 Abs 1 EuUVO anzuerkennen und deren auch auf Österreich zu erstreckenden Rechtswirkungen nach ungarischem Recht zu beurteilen wären (vgl 5 Ob 123/19b Pkt 5.3.; Kaller-Pröll in Gitschthaler, Internationales Familienrecht, EuUVO Art 17 Rz 6) oder um einen gemäß Art 48 Abs 1 EuUVO ebenfalls anzuerkennenden gerichtlichen Vergleich handelt, kann dahinstehen.

[18] Allgemein wohnt Unterhaltstiteln nämlich die Umstandsklausel inne, sodass bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse jedenfalls ein (neuer) Unterhaltsfestsetzungsantrag gestellt werden kann (Weber in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht Art 21 EuUVO Rz 9; Wallner-Friedl in Gitschthaler, Internationales Familienrecht Art 48 EuUVO Rz 12). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.

[19] 2.2 Bereits der aufgrund des Umzugs der Kinder von Ungarn nach Österreich bedingte Wechsel des anzuwendenden materiellen Unterhaltsrechts stellt regelmäßig eine bedeutsame Sachverhaltsänderung dar (9 Ob 121/06v).

[20] Welche anzuerkennenden Rechtswirkungen dem gerichtlich genehmigten Unterhaltsvergleich nach ungarischem Recht zukommen, bedarf daher im vorliegenden Fall keiner Klärung. Der Richtervorbehalt ist daher nicht verletzt.

[21] Auch auf die Bestimmung des § 190 Abs 3 ABGB, wonach vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung bedürfen und für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich sind, und deren Anwendbarkeit auf ausländische Unterhaltsvergleiche kommt es aufgrund der ohnehin eingetretenen wesentlichen Umstandsänderung, die jedenfalls eine – auch rückwirkende (RS0053297) – Neufestsetzung rechtfertigt, nicht an.

[22] 3. Einer solchen stehen auch die Unterhaltsentscheidungen im Vorverfahren nicht entgegen. Die rechtskräftige Ablehnung der Erhöhungs‑ und Herabsetzungsanträge im Vorverfahren bedeutet, dass die ungarische Unterhaltsvereinbarung mit ihren Rechtswirkungen zwar bestehen blieb. Diese werden aber aufgrund der eingetretenen Umstandsänderung ohnehin nicht mehr schlagend.

[23] Zwar sind auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Unterhaltsbeschlüsse der materiellen Rechtskraft zugänglich und können nur bei geänderten Verhältnissen abgeändert werden (RS0007171; RS0107666). Die materielle Rechtskraft erfasst aber nur die vor der Beschlussfassung liegenden Zeiträume, wobei Stichtag der Bindungswirkung der Tag der erstinstanzlichen Beschlussfassung (hier im Vorverfahren: 21. 1. 2020) bzw bei Beachtung zulässiger Neuerungen im Rekursverfahren der Tag der Rekursentscheidung ist (Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 101 Rz 66 mwN). Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist aber ohnehin nur (mehr) der Rückstandszeitraum April 2020 bis Jänner 2021.

[24] Im Ergebnis kommt daher auch eine rückwirkende Neufestsetzung für den im Revisionsrekursverfahren noch strittig verbliebenen Zeitraum in Betracht.

[25] 4. Es verbleibt daher zu prüfen, ob im Rahmen der Neufestsetzung die von den Kindern angestrebte, bloße „Währungsumwandlung“ stattzufinden hat. Dies ist aus folgenden Erwägungen zu verneinen.

[26] 4.1 Die Unterhaltsverpflichtung ist in ihrem Ursprung nicht auf die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags gerichtet, sondern gehört zu den Geldwertschulden. Die geschuldeten Geldbeträge sollen den Naturalunterhalt sicherstellen (RS0017634; Aichberger-Beig/Stabentheiner in Klang³ § 907b ABGB Rz 44). Im Vordergrund stehen also der Zweck des Unterhalts und seine tatsächliche Befriedigung. Dem Unterhaltsberechtigten soll die seinem Bedarf nach zukommende Kaufkraftmenge zufließen (2 Ob 72/99y). Da der Geldunterhalt den Naturalunterhalt am Aufenthaltsort abdecken soll, ist der Geldunterhalt für in Österreich lebende Kinder grundsätzlich auch in EUR zu bemessen und zuzusprechen (vgl RS0045409; Aichberger-Beig/ Stabentheiner aaO). Dies muss naturgemäß auch für eine rückwirkende Neubemessung gelten.

[27] 4.2 Die vereinbarten Unterhaltsbeiträge sind aber entgegen der Intention der Rekurswerber nicht einfach entsprechend dem zum Vergleichsabschlusszeitpunkt maßgeblichen Wechselkurs in die Währung des Aufenthaltsorts umzurechnen. Vielmehr ist der Unterhalt – dies zieht der Revisionsrekurs in Bezug auf die laufenden Unterhaltsleistungen auch nicht (mehr) in Zweifel – entsprechend dem nun geltenden Unterhaltsstatut in EUR neu zu bemessen. Die bloße Umrechnung des vereinbarten Betrags in die Währung des Aufenthaltsorts würde aber dem Umstand nicht gerecht, dass der Unterhaltstitel aufgrund wesentlicher Umstandsänderung nicht (mehr) verbindlich und der Unterhalt neu zu bemessen ist.

[28] 4.3 Die von den Rekurswerbern noch begehrte Nachzahlung betreffend den Zeitraum April 2020 bis Jänner 2021 käme daher nur dann in Betracht, wenn die vom Unterhaltsschuldner ohnehin monatlich geleisteten Zahlungen (400.000 HUF pro Kind) hinter dem (in EUR ausgedrückten) Unterhaltsbedarf der Kinder zurückgeblieben wären, also noch eine offene Unterhaltsschuld bestünde.

[29] 4.3.1 Bei einem (hier vorliegenden) überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist nach ständiger Rechtsprechung die Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen. Den Kindern sind (nur) Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung ihrer – an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten – Lebensbedürfnisse erforderlich sind (vgl RS0007138 [T3, T20]), wobei in der Regel der Unterhaltsanspruch mit dem Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs begrenzt ist (RS0007138 [T12, T15, T18]).

[30] 4.3.2 Auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens außer Streitsachen sind subjektive Behauptungs‑ undBeweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist. Die Rechtsprechung hat für das Unterhaltsverfahren den Grundsatz entwickelt, dass jeder Beteiligte die für seinen Standpunkt maßgeblichen Umstände zu behaupten und unter Beweis zu stellen hat (6 Ob 20/15g Pkt 2.2. mwN). Wird daher Unterhalt für die Vergangenheit begehrt, hat der Unterhaltspflichtige die Behauptung aufzustellen, der Anspruch sei etwa durch Bezahlung erloschen (RS0006261).

[31] 4.3.3 Berücksichtigt man, dass den Kindern ohnehin Unterhaltsbeiträge im Bereich der Luxusgrenze zugeflossen sind, wäre es an ihnen gelegen, jene Umstände darzutun, die (ausnahmsweise) eine (Neu‑)Festsetzung (genau) in Höhe des vereinbarten Unterhaltsbeitrags entsprechend dem Umrechnungskurs zum Vergleichsabschlusszeitpunkt rechtfertigen. Weshalb ihnen durch die erheblichen, im Bereich der Luxusgrenze liegenden Unterhaltszahlungen, die in den jeweiligen Monaten den (noch) begehrten Unterhaltsbeitrag nur geringfügig unterschreiten, dennoch nicht die ihrem Unterhaltsbedarf entsprechende Kaufkraftmenge zugeflossen sein soll, legen sie aber in keiner Weise dar.

[32] Im Ergebnis hat sich der Vater daher zu Recht darauf berufen, dass der Unterhaltsanspruch durch Bezahlung erloschen ist. Eine Nachzahlung betreffend den Zeitraum April 2020 bis Jänner 2021 kommt daher nicht in Betracht.

[33] 5. Soweit der Revisionsrekurs argumentiert, bei B* wäre aufgrund des bereits im Juli 2020 eingetretenen Alterssprungs der Unterhalt bereits in den Monaten Februar und März 2021 mit dem zweieinhalbfachen Regelbedarf dieser Altersgruppe (1.185 EUR) (neu‑)festzusetzen gewesen, übersieht er, dass der Wechsel der Altersgruppe für sich allein für den Regelbedarf keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bedeutet (RS0106742).

[34] 6. Für M* kommt eine Berücksichtigung der Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres im Oktober 2021 bei der Unterhaltsfestsetzung schon deshalb nicht in Betracht, weil sie diese Altersgrenze zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses (vgl RS0006810) noch nicht erreicht hatte.

[35] 7. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

[36] 8. Die – wie schon aus dem Spruch der rekursgerichtlichen Entscheidung ersichtlich – irrtümliche Unterhaltsfestsetzung für M* in Höhe von 1.080 EUR auch über den 31. 3. 2021 hinaus, war gemäß § 41 AußStrG iVm § 419 Abs 1 ZPO entsprechend zu berichtigen (vgl RS0041527).

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