OGH 6Ob142/18b

OGH6Ob142/18b20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen I***** P*****, geboren am *****, vertreten durch die Mutter K***** P*****, diese verteten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Mai 2018, GZ 42 R 107/18y‑67, mit dem über Rekurs des Kindes der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 14. Februar 2018, GZ 4 Pu 236/16d‑57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00142.18B.1220.000

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts dahin abgeändert, dass der vom Rechtspfleger des Erstgerichts erlassene Beschluss und das diesem vorangegangene Verfahren, soweit es nicht das Provisorialverfahren betrifft, aufgehoben werden und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung durch den Richter aufgetragen wird.

 

Begründung:

Der Minderjährige ist in der Ukraine geboren. Am 6. 3. 2014 anerkannte K***** P***** (der Antragsgegner) vor einer ukrainischen Behörde die Vaterschaft. Der Minderjährige, seine Mutter und der Antragsgegner haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Der Minderjährige beantragte, den Antragsgegner für den Zeitraum ab Dezember 2015, sowie für die Zukunft, zu Unterhaltsleistungen zu verpflichten. Er brachte vor, er selbst und der Antragsgegner seien polnische, seine Mutter sei ukrainische Staatsangehörige. Seit November 2015 bestehe mit dem Antragsgegner kein gemeinsamer Haushalt mehr; dieser leiste seither keinen Unterhalt.

Mit Schriftsatz vom 13. 2. 2017 wandte der Antragsgegner ein, keinen Unterhalt zu schulden, weil er nicht der Vater des Minderjährigen sei. Er habe dessen Mutter erst nach der Geburt kennengelernt und in der Ukraine ein Dokument unterschrieben, von dem er mangels Kenntnis der ukrainischen Sprache nicht erkannt habe, dass es sich um ein Vaterschaftsanerkenntnis gehandelt habe. Er habe in der Ukraine bereits Schritte eingeleitet, um das Vaterschaftsanerkenntnis rückgängig zu machen. Dazu legte er einen Beschluss des Bezirksgerichts I***** vom 14. 12. 2016 (in Übersetzung) vor, wonach er zur Aktenzahl Nr *****, eine verwaltungsrechtliche Klage gegen das Standesamt I***** auf „die Einbringung von Änderungen in die standesamtliche Eintragung einer Geburt“ eingebracht habe, die zur Untersuchung zugelassen werde.

Mit Beschluss vom 31. 7. 2017 verpflichtete das Erstgericht den Antragsgegner zur Zahlung eines vorläufigen Unterhalts gemäß § 382a EO ab 1. 7. 2017 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens.

Mit Schriftsatz vom 31. 8. 2017 übermittelte der Antragsgegner den (übersetzten) Beschluss des Bezirksgerichts I***** vom 21. 3. 2017 und brachte vor, das Gericht habe seiner Klage stattgegeben und der zuständigen Standesbehörde die Änderungen der Eintragung über die Geburt des Kindes aufgetragen. Er werde deshalb auch die Aberkennung der polnischen Staatsbürgerschaft des Kindes veranlassen.

Mit Schriftsatz vom 12. 2. 2018 legte er schließlich zwei in kyrillischer Schrift verfasste, nicht übersetzte Urkunden mit dem Vorbringen vor, es handle sich um die mit Apostille versehene Entscheidung des Apellationsgerichts vom 21. 11. 2017 und um Verfügungen des Magistrats I*****, aus denen sich ergebe, dass die Eintragung des Antragsgegners in der Geburtsurkunde des Kindes gelöscht worden sei, der Antragsgegner nicht der leibliche Vater des Kindes sei und das Kind nicht mehr die polnische Staatsbürgerschaft besitze.

Der Minderjährige hielt dem entgegen, die ukrainischen Gerichtsverfahren seien unbeachtlich, weil er in der Ukraine keinen Gerichtsstand und im dortigen Verfahren keine Parteistellung genossen habe.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht durch einen Diplomrechtspfleger den Antrag des Minderjährigen in der Hauptsache ab und hob die einstweilige Verfügung rückwirkend mit dem Tag ihrer Erlassung auf.

Das Rekursgericht gab dem gegen beide Spruchpunkte der Entscheidung erhobenen Rekurs des Minderjährigen nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die durch die Verletzung von Formvorschriften bewirkte allfällige Unwirksamkeit eines im Ausland abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses als Vorfrage beurteilt werden könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Das Vaterschaftsanerkenntnis sei aufgrund der Beschlüsse des Bezirksgerichts I***** vom 21. 3. 2017 und des Verwaltungsberufungsgerichts V***** vom 21. 11. 2017 (künftig: die ukrainischen Gerichts-entscheidungen) nicht mehr wirksam und gehöre dem Rechtsbestand der Ukrainischen Republik nicht mehr an. Die Frage, ob überhaupt ein Vaterschaftsanerkenntnis oder ein bloßes „Nichtanerkenntnis“ vorliege, sei als Vorfrage zu prüfen. Nach dem gemäß § 25 Abs 1 IPRG anzuwendenden ukrainischen Recht habe aufgrund der Verletzung einer fundamentalen Verfahrensvorschrift – der Nichtbeiziehung eines Dolmetschers für den Antragsgegner bei Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses – nie ein wirksames Anerkenntnis bestanden. Daher gehe das Rekursvorbringen zur Versagung der Anerkennung der ukrainischen Gerichtsentscheidungen gemäß §§ 91a ff AußStrG ins Leere. Das weitere Rekursvorbringen, wonach ein in der Ukraine anhängiges Verfahren zur Bestreitung des Vaterschaftsanerkenntnisses vor dem Bezirksgericht I***** auf Antrag der dortigen Vertreterin des Antragsgegners „ohne Behandlung belassen“ worden sei, betreffe ein anderes Verfahren und stehe damit im Zusammenhang, dass das rechtliche Interesse des Antragsgegners im Hinblick auf seinen Erfolg im Verfahren gegen das Standesamt I***** weggefallen sei.

Mit seinem Revisionsrekurs strebt der Minderjährige in der Hauptsache die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im antragsstattgebenden Sinn, sowie zusätzlich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung von Unterhalt auch für die Monate Jänner bis November 2015 an. Weiters begehrt er den Entfall der Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses ist ein schwerwiegender Verfahrensmangel als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG wahrzunehmen (§ 66 Abs 1 Z 1, § 58 Abs 4 Z 2 AußStrG), weil die Vorinstanzen den Richtervorbehalt des § 16 Abs 2 Z 6 RPflG nicht beachtet haben.

1. Die Generalklausel des § 19 Abs 1 RPflG weist die Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten dem Rechtspfleger zu. Das Verfahren über den gesetzlichen Unterhalt ist in § 19 Abs 2 RPflG nicht als eine dem Richter vorbehaltene Angelegenheit genannt; dies unabhängig davon, ob es sich bei den Kindern um Österreicher, Ausländer oder Staatenlose handelt, ob sie in Österreich oder im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder ob sie überhaupt der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterworfen sind. Voraussetzung für die Zuständigkeit des Rechtspflegers ist im Hinblick auf den generellen Richtervorbehalt des § 16 Abs 2 Z 16 RPflG nur, dass nicht „ausländisches Recht anzuwenden ist“ (10 Ob 2/14p mwN). Dabei ist das Recht der Europäischen Union nicht als ausländisches Recht anzusehen (RIS‑Justiz RS0125906 [T2]; so bereits 10 Ob 2/14p; 6 Ob 152/12i mwN). Gleiches gilt für das HUP (vgl Fucik in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 50 Rz 8).

Für das Wirksamwerden des Richtervorbehalts gemäß § 16 Abs 2 Z 6 RPflG reicht es aus, dass die Notwendigkeit der Berücksichtigung einer ausländischen Rechtsvorschrift zumindest in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0125906).

2.1. Gemäß Art 15 EuUVO (VO [EG] 2009/4 des Rates vom 18. 12. 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen) bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht für die Mitgliedstaaten des Haager Unterhaltsprotokolls nach diesem Protokoll. Gemäß Art 3 Abs 1 des – für die nach dem 18. 6. 2011 fällig gewordenen Ansprüche maßgeblichen (RIS‑Justiz RS0128723) – Haager Unterhaltsprotokolls folgen Unterhaltsansprüche dem Recht des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der hier zu beurteilende Unterhaltsanspruch ist daher nach österreichischem Recht als dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Kindes zu beurteilen.

2.2. Gemäß § 231 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Der hier zu beurteilende Unterhaltsanspruch setzt sohin die Abstammung des Kindes vom Antragsgegner voraus.

3.1. § 25 Abs 1 IPRG regelt die Voraussetzungen der Feststellung und Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind in Fällen mit Auslandsbezug, enthält aber keine Regelung der Anerkennung eines ausländischen Vaterschaftsanerkenntnisses oder einer sonstigen ausländischen Abstammungsentscheidung. Diese Frage ist hier aber vorrangig zu beurteilen, weil das in der Ukraine abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis ebenso wie die ukrainischen Gerichtsentscheidungen Bindungswirkung entfalten, wenn sie für den österreichischen Rechtsbereich anzuerkennen sind (vgl RIS‑Justiz RS0110172 [T6] = 1 Ob 21/04a). Nur dann, wenn ein ausländischer Rechtsakt nicht als Entscheidung zu qualifizieren wäre, wäre seine Wirksamkeit kollisionsrechtlich zu beurteilen (Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht² Rz 01.69, Rz 06.36; vgl 6 Ob 170/04z).

Im vorliegenden Fall ist daher vorrangig die Anerkennung des in der Ukraine abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses sowie der ukrainischen Gerichtsentscheidungen zu prüfen.

3.2. Das AußStrG enthält keine gesonderten Regeln über die Anerkennung ausländischer Abstammungsentscheidungen. Die mit dem FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) eingefügten, mit 1. 1. 2010 in Kraft getretenen §§ 91a ff AußStrG regeln die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Annahme an Kindes statt. Sie orientieren sich an den §§ 97 ff (Anerkennung ausländischer Entscheidungen über den Bestand einer Ehe) und den §§ 112 ff AußStrG (Anerkennung ausländischer Obsorgeentscheidungen; vgl 2 Ob 238/13h mwN).

Der Begriff der Entscheidung über die Annahme an Kindes statt umfasst nicht nur die Bewilligung, sondern auch Entscheidungen über die Auflösung oder Rückgängigmachung einer Adoption ( Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 91a Rz 3; IA 673/A 24. GP  29 f).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits geklärt, dass die für die Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen geltenden Regeln der §§ 91a ff AußStrG aufgrund ihrer besonderen Sachnähe als geeignete Analogiegrundlage zur Anerkennung von ausländischen Abstammungsentscheidungen heranzuziehen sind (2 Ob 238/13h EF‑Z 2015, 234 [ Nademleinsky ]; 8 Ob 28/15y EF‑Z 2015, 236 [ Nademleinsky ]; vgl RIS‑Justiz RS0129863).

Im vorliegenden Fall ist die Anerkennungsfähigkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses sowie der ukrainischen Gerichtsentscheidungen daher gemäß §§ 91a ff AußStrG zu beurteilen.

3.3. Gemäß § 91d AußStrG kommen die §§ 91a bis 91c AußStrG nicht zur Anwendung, soweit nach Völkerrecht Anderes bestimmt ist.

Zwischenstaatliche Vereinbarungen mit der Ukraine über die Anerkennung von Abstammungs-entscheidungen bestehen jedoch nicht.

3.4. Nach § 91a Abs 1 Satz 2 AußStrG kann die Anerkennung der ausländischen Entscheidung als Vorfrage selbständig beurteilt werden, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Der damit für rechtskräftige ausländische Adoptionsentscheidungen gesetzlich verankerte Grundsatz der Inzident-Anerkennung gilt analog ebenso für rechtskräftige ausländische Entscheidungen über die Abstammung des Kindes (8 Ob 28/15y).

3.5. Voraussetzung für die Anerkennung ist das Vorliegen einer ausländischen „Entscheidung“. Der Gesetzgeber der §§ 91a ff AußStrG geht von einer weiten Auslegung des Begriffs der „Entscheidung“ aus und versteht darunter nicht nur konstitutive Entscheidungen einer ausländischen Behörde. Umfasst ist vielmehr jedes gerichtliche oder behördliche Verhalten, das die Annahme an Kindes statt (hier: die Abstammung) betrifft, wenn es eine amtliche Mitwirkung gegeben hat. Dafür genügt auch eine bloße Protokollierung oder Beglaubigung, selbst wenn dabei keine gerichtliche Kontrolle stattgefunden hat (2 Ob 238/13h; IA 673/A 24. GP  29; Deixler‑Hübner in Rechberger, AußStrG² § 91a Rz 2; Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 91a Rz 2). Daher kann auch die behördliche Mitwirkung an der Erklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses zu einer anerkennungsfähigen ausländischen „Entscheidung“ über die Abstammung führen (2 Ob 238/13h).

3.6. Die ausländische Entscheidung muss „rechtskräftig“ sein. Dies erfordert die Unanfechtbarkeit der Entscheidung (vgl 296 BlgNR 21. GP  108 zum mit dem KindRÄG 2001, BGBl I 2000/135, eingeführten § 228b AußStrG [nunmehr § 98 AußStrG] zum Verfahren zur Anerkennung ausländischer eheauflösender Entscheidungen). Allein der Umstand, dass – wie die vom Antragsgegner vorgelegten Urkunden nahelegen – die Möglichkeit der Beseitigung eines Vaterschaftsanerkenntnisses in einem gesonderten Verfahren besteht, schließt die Annahme einer „rechtskräftigen“ ausländischen Entscheidung iSd § 91a AußStrG nicht notwendig aus.

3.7. Liegt eine rechtskräftige Entscheidung iSd § 91a AußStrG vor, ist zu prüfen, ob der Anerkennung einer der Versagungsgründe des § 91a Abs 2 und 3 AußStrG entgegen steht.

Nach § 91a Abs 2 AußStrG ist die Anerkennung der Entscheidung zu verweigern, wenn 1. sie dem Kindeswohl oder anderen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) offensichtlich widerspricht; 2. das rechtliche Gehör einer der Parteien nicht gewahrt wurde, es sei denn, sie ist mit der Entscheidung offenkundig einverstanden; 3. die Entscheidung mit einer österreichischen oder einer früheren, die Voraussetzungen für eine Anerkennung in Österreich erfüllenden Entscheidung unvereinbar ist; 4. die erkennende Behörde bei Anwendung österreichischen Rechts international nicht zuständig gewesen wäre.

Gemäß § 91a Abs 3 AußStrG ist die Anerkennung weiters jederzeit auf Antrag jeder Person zu verweigern, deren Zustimmungsrechte nach dem anzuwendenden Recht nicht gewahrt wurden, insbesondere weil sie keine Möglichkeit hatte, sich am Verfahren des Ursprungsstaats zu beteiligen.

Im Hinblick auf die vom Minderjährigen behauptete Verletzung seines rechtlichen Gehörs in den ukrainischen Gerichtsverfahren ist bereits jetzt klarzustellen, dass in einem Abstammungsverfahren jedenfalls auch das Kind Partei ist (§ 82 Abs 2 AußStrG; vgl Hopf in KBB5 § 154 ABGB Rz 3; 2 Ob 238/13h), wobei im Fall einer Beteiligung der Mutter am Verfahren Klarheit darüber herzustellen ist, ob sie als gesetzliche Vertreterin des Kindes fungierte (2 Ob 238/13h).

3.8. Schließlich sind die Rechtswirkungen der ausländischen Entscheidung nach dem ausländischen Recht zu beurteilen, das der Entscheidung zugrunde liegt (Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 91a Rz 5; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht² Rz 01.66).

4.1. Die dargestellten Grundsätze lassen erkennen, dass für die hier als Vorfrage zu prüfende Anerkennung des in der Ukraine abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses und der ukrainischen Gerichtsentscheidungen eine Auseinandersetzung mit dem ukrainischen Recht erforderlich ist.

Dass die Notwendigkeit der Berücksichtigung ukrainischer Rechtsvorschriften im vorliegenden Verfahren in Betracht kommt, war bereits aufgrund der ersten Äußerung des Antragsgegners erkennbar, in der er vorbrachte, das Vaterschaftsanerkenntnis in der Ukraine in Unkenntnis des Inhalts seiner Erklärung abgegeben und Schritte zur Bekämpfung des Vaterschaftsanerkenntnisses in der Ukraine eingeleitet zu haben. Dies ist für das Wirksamwerden des Richtervorbehalts gemäß § 16 Abs 2 Z 6 RPflG ausreichend.

4.2. Gemäß § 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG hat das Gericht in Fällen, in denen anstelle eines Richters ein Rechtspfleger entschieden hat, den angefochtenen Beschluss und das vorangegangene Verfahren aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung oder -wiederholung, an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Dieser Verfahrensmangel ist, auch wenn er im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0007465 [T2, T8, T10]).

Die Entscheidung des Rekursgerichts war daher im Sinn der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des vorangegangenen Verfahrens abzuändern.

4.3. Allerdings erwächst auch ein vom Rechtspfleger in Überschreitung seiner Kompetenz erlassener Beschluss, wenn er nicht angefochten wird, in Rechtskraft. Von diesem Zeitpunkt an kann sich niemand mehr auf die Nichtigkeit des Beschlusses berufen (RIS‑Justiz RS0007465 [insb T7]).

Die vom Erstgericht durch den Rechtspfleger erlassene einstweilige Verfügung vom 31. 7. 2017 wurde von den Parteien nicht bekämpft, sodass sie in Rechtskraft erwachsen ist. Die Aufhebung hat daher die einstweilige Verfügung und das (auch) dem Provisorialverfahren zuzuordnende Verfahren nicht zu umfassen.

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