OGH 1Ob196/21m

OGH1Ob196/21m16.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** K*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 21.295,42 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 8. September 2021, GZ 5 R 116/21z‑10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 15. Juni 2021, GZ 8 Cg 9/21s‑5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00196.21M.1116.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger – ein Rechtsanwalt – macht vor dem Landesgericht Leoben Schadenersatzansprüche aus dem Titel der Amtshaftung geltend und erhebt mehrere Begehren, denen unterschiedliche anspruchsbegründende Sachverhalte zugrunde liegen. Ausgangspunkt seiner Amtshaftungs-ansprüche ist ein in erster Instanz vor dem Bezirksgericht Leoben und im Rechtsmittelverfahren vor dem Landesgericht Leoben geführter Honorarprozess, den der Kläger verlor. Aus dem Vorwurf, im nachfolgend von ihm vor dem Bezirksgericht Josefstadt geführten Oppositionsprozess und dessen Rechtsmittelverfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sei verkannt worden, dass die geltend gemachten „Irrtumsgründe und Bereicherung sehr wohl valide Oppositionsgründe“ seien, leitet er ein Zahlungsbegehren von insgesamt 6.142,73 EUR sA sowie sein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Folgen aus den Fehlentscheidungen im Oppositionsprozess ab. Er begehrt auch die Feststellung, dass die Beklagte die Kosten des gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens der Rechtsanwaltskammer Wien zu tragen habe, sei doch die Einleitung dieses Verfahrens Folge des unrichtig entschiedenen Oppositionsprozesses.

[2] Das Erstgericht erklärte sich zur Behandlung der Amtshaftungsklage, soweit der Kläger seine Ansprüche auf das vor dem Bezirksgericht Josefstadt geführte Oppositionsverfahren samt dem daran anschließenden Rechtsmittelverfahren stützt und dafür insgesamt die Zahlung von 6.142,73 EUR und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber für die Folgen der Fehlentscheidungen aus dem Oppositionsverfahren hafte sowie die Kosten des Disziplinarverfahrens der Rechtsanwaltskammer Wien gegen den Kläger zu tragen habe, soweit dieses wegen Fehlentscheidungen im Oppositionsverfahren nicht zur Einstellung gekommen sei, für örtlich unzuständig und wies die Klage in diesem Umfang zurück.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil – soweit überschaubar – in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht hinreichend geklärt sei, ob einem Amtshaftungskläger bei Rechtsverletzungen in mehreren Landesgerichtssprengeln die Wahl unter mehreren örtlich zuständigen Landesgerichten nach § 102 JN nur im Fall eines hieraus abgeleiteten einheitlichen Schadens zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der – mangels Streitanhängigkeit einseitige (§ 521a Abs 2 iVm Abs 1 ZPO) – Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem (den Obersten Gerichtshof nicht bindenden) Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig, weil er keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzeigt.

[5] 1. Unabhängig davon, ob der Anspruch, den der Kläger aufgrund des Disziplinarverfahrens der Rechtsanwaltskammer Wien geltend macht, gegenüber dem Bund inhaltlich berechtigt sein könnte, leitet er diesen aus dem behauptungsgemäß unrichtig entschiedenen Oppositionsverfahren ab, sodass die Beurteilung des Rekursgerichts, das für diesen Teil des Feststellungsbegehrens keinen eigenen Bewertungsausspruch vornahm, im konkreten Zusammenhang nicht zu beanstanden ist.

[6] 2. Der Kläger macht keinen einheitlichen Schaden geltend, sondern leitet unterschiedliche Schäden aus unterschiedlichen rechtserzeugenden Tatsachen ab. Liegt kein einheitlicher Schaden vor und werden die Klageansprüche auch auf ein außerhalb des Sprengels des angerufenen Erstgerichts gesetztes Organverhalten gestützt (behauptete Fehler von Richtern des Bezirksgerichts Josefstadt und des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien im Oppositionsprozess), liegen – mangels örtlicher Zuständigkeit des Landesgerichts Leoben – die Voraussetzungen für eine objektive Klagenhäufung nach § 227 Abs 1 ZPO nicht vor (1 Nc 32/19z; vgl 1 Nc 24/19y). Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass für die Amtshaftungsansprüche aufZahlungvon Schadenersatz aus dem Oppositionsverfahren samt dem sich darauf beziehenden Feststellungsbegehren und dem damit – nach den Klagebehauptungen – im Zusammenhang stehenden Disziplinarverfahren vor der Rechtsanwaltskammer Wien gemäß § 9 Abs 1 AHG nicht das Erstgericht zuständig sei, weil das diesem Einzelanspruch zugrundeliegende Verhalten nicht im Sprengel des Landesgerichts Leoben gesetzt worden ist, ist nicht zu beanstanden.

[7] Mit seinem Argument, dass sämtliche Schäden nur „Folgeschäden“ aus den Fehlentscheidungen im Erkenntnisverfahren vor dem Bezirksgericht Leoben und dem Landesgericht Leoben als Rechtsmittelgericht seien, sodass ein „einheitlicher Lebenssachverhalt“ vorliege, weil das erste Verfahren alle anderen Folgeverfahren ausgelöst habe, zeigt er keine unrichtige Beurteilung der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts auf. Er behauptet keinen einheitlichen Schaden in dem Sinn, dass jeder seiner Klagegründe für sich einem Urteilsbegehren insgesamt zum Erfolg verhelfen soll (vgl zur sogenannten kumulierten Klagenhäufung RIS‑Justiz RS0037814). Auch wurde nach den Klagebehauptungen das für weitere Schäden kausale Fehlverhalten im Oppositionsprozess nicht im Sprengel des Landesgerichts Leoben gesetzt. Der Kläger vermag nicht aufzuzeigen, dass das Erstgericht für Ansprüche aus (nach seinen Behauptungen) im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien begangenen Gerichtsfehlern entsprechend § 9 Abs 1 AHG örtlich zuständig wäre.

[8] 3. § 9 Abs 1 AHG begründet einen ausschließlichen Gerichtsstand (1 Ob 105/13t mwN). Bei Vorliegen eines ausschließlichen Gerichtsstands ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN zwar grundsätzlich zulässig (vgl RS0119169). Eine solche muss aber bereits in der Klage behauptet werden (RS0046204 [T9]). Auf eine Gerichtsstandsvereinbarung berief sich der Kläger jedoch nie.

[9] Welchen Rechtsstandpunkt die Beklagte (hypothetisch) zur Gerichtsstandsfrage eingenommen hätte, wäre sie am Verfahren bereits beteiligt, ist im hier vorliegenden Stadium der amtswegigen Prüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen anhand der Klage nicht relevant (8 Ob 10/14z).

[10] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO). Der Überweisungsantrag ist nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung; über ihn wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

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