European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129747
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Antragsgegner ist Vermieter einer Wohnung in Wien. Die Antragsteller waren aufgrund eines am 9. 10. 2009 abgeschlossenen, auf 3 Jahre befristeten Mietvertrags von 1. 10. 2009 bis 30. 9. 2012 Mieter dieser Wohnung. In diesem Mietvertrag wurden ein monatlicher Hauptmietzins von 370,63 EUR netto und eine monatliche Möbelmiete von 108,33 EUR netto vereinbart. Diese Beträge wurden den Antragstellern in diesem Zeitraum auch vorgeschrieben.
Am 24. 9. 2012 schloss der Erstantragsteller einen weiteren auf 3 Jahre befristeten Mietvertrag (von 1. 10. 2012 bis 30. 9. 2015) ab. Der vereinbarte monatliche Hauptmietzins betrug unverändert 370,63 EUR netto und die monatliche Möbelmiete 108,33 EUR netto. Diese Beträge wurden dem Erstantragsteller während der Mietdauer auch vorgeschrieben. Das Mietverhältnis wurde mit 31. 7. 2015 beendet.
Gegenstand dieses Verfahrens ist die Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses und der vereinbarten Inventarmiete sowie die Überschreitung des jeweils gesetzlich zulässigen Höchstbetrags durch Vorschreibung zu bestimmten Zinsterminen.
Das Erstgericht stellte die Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses zu den relevanten Stichtagen (Punkt 1.), für den Zeitraum Oktober 2009 bis September 2012 gegenüber allen drei Antragstellern die Tatsache und Höhe der Überschreitung dieses gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes und der gesetzlich zulässigen Inventarmiete (Punkt 2.–5.), für den Zeitraum Oktober 2012 bis September 2015 (nur) gegenüber dem Erstantragsteller die Tatsache der Nichtüberschreitung dieses gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes sowie die Tatsache und Höhe der Überschreitung der gesetzlich zulässigen Inventarmiete (Punkte 7. und 8.) fest. Die – im Revisionsrekursverfahren allein strittige – Präklusion der Geltendmachung der Unwirksamkeit der „ersten“ Mietzinsvereinbarung verneinte das Erstgericht. Hintergrund der Regelung des § 16 Abs 8 MRG sei, dass sich der Mieter, solange nur ein befristetes Mietverhältnis bestehe, in einer Art Zwangslage befinde. Bekämpfe er während laufendem Vertrag die Mietzinshöhe schmälere er seine Aussichten auf eine Verlängerung und damit auf Aufrechterhaltung seines Zuhauses. Diese Überlegungen ließen sich auch auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen. Auch der Erstantragsteller hätte seine Aussichten auf eine weitere Verlängerung geschmälert, wenn er innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung des vorangehenden Mitmietverhältnisses die Höhe des Mietzinses im ersten Vertrag bekämpft hätte. Die Mitmieter hätten nur mit seiner Zustimmung die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung geltend machen können. Daher sei auch die vorliegende Konstellation vom Schutzzweck des § 16 Abs 8 MRG umfasst und eine Überprüfung beider Mietzinsvereinbarungen zum Zeitpunkt der Antragstellung an die Schlichtungsstelle am 19. 1. 2016 noch möglich gewesen.
Das Rekursgericht gab dem gegen diePunkte 2.–5. des Sachbeschlusses des Erstgerichts gerichteten Rekurs teilweise Folge und änderte die Höhe eines Überschreitungsbetrags und die Dauer eines Überschreitungszeitraums ab. Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass die Anfechtung des ersten Mietvertrags nicht präkludiert sei. Der Gesetzgeber habe mit der bis nach dem Ende des befristeten Mietverhältnisses (oder dessen Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis) hinausgeschobenen Anfechtungsmöglichkeit den Mieter davor schützen wollen, die Wohnung zu verlieren, wenn er den allenfalls überhöht vereinbarten Mietzins überprüfen lasse. Dieses Schutzbedürfnis bestehe so lange, als das befristete Mietverhältnis aufrecht sei, auch wenn es nur noch mit einem der seinerzeitigen Mitmieter bestehe. Bei der Wiedergabe der unstrittigen Höhe des vereinbarten und vorgeschriebenen Netto-Hauptmietzinses im ersten Mietvertrag und der Dauer des zweiten Mietverhältnisses unterlaufene Fehler und die darauf basierende unrichtige Berechnung der Mietzinsüberschreitung habe das Rekursgericht richtig zu stellen gehabt.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zum Beginn der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG bei Fortsetzung des befristeten Mietverhältnisses mit nur einem der früheren Mitmieter oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners. Er beantragt den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts abzuändern und den Antrag für den Zeitraum 1. 10. 2009 bis 30. 9. 2012 zufolge Präklusion zurück- oder abzuweisen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Antragsteller beantragten in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs abzuweisen und die angefochtenen Teile des Sachbeschlusses des Rekursgerichts zu bestätigen.
Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts – nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 16 Abs 8 Satz 1 MRG sind Mietzinsvereinbarungen unwirksam, soweit sie den nach den Absätzen 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreiten. Diese Unwirksamkeit muss nach § 16 Abs 8 Satz 2 MRG bei unbefristeten Mietverträgen binnen einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden. Bei befristeten Hauptmietverhältnissen endet diese Präklusivfrist nach § 16 Abs 8 Satz 3 MRG frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis. Die Verlängerung der Präklusivfrist bei befristeten Mietverhältnissen soll dem Mieter die Möglichkeit bieten, noch nach Mietende einen allfälligen Rückforderungsanspruch wegen Mietzinsüberschreitung gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG geltend machen zu können: Zu diesem Zeitpunkt steht er nicht mehr unter dem Druck, bei Geltendmachung seiner im MRG normierten Rechte eine Verlängerung des Bestandverhältnisses zu gefährden (5 Ob 152/17i mwN).
2. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist – entgegen der missverständlichen Formulierung im Zulassungsausspruch des Rekursgerichts – nicht die Frage, ab wann die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG zu laufen beginnt, wenn ein befristetes Mietverhältnis mit nur einem der früheren Mitmieter fortgesetzt wird. Der Lauf der Präklusivfrist beginnt nach der eindeutigen Rechtslage schließlich in jedem Fall mit dem Abschluss der Vereinbarung (RIS-Justiz RS0112326). Zu beurteilen ist hier vielmehr die Frage, ob es auch in dieser Konstellation zu einer Verlängerung der Präklusivfrist iSd § 16 Abs 8 Satz 3 MRG kommt.
3. Diese Rechtsfrage hat der Fachsenat schon in der – erst nach der Entscheidung des Rekursgerichts ergangenen – Entscheidung 5 Ob 4/20d als nicht durch Sachentscheidung klärungsbedürftig angesehen. § 16 Abs 8 MRG gilt demnach dem Schutz jedes Mieters und damit jedes einzelnen Mitmieters. Die Drucksituation des in der Wohnung verbleibenden Mitmieters wird nicht dadurch beseitigt, dass der andere das befristete Mietverhältnis nicht fortsetzt. Auch bei Vermietung an Mitmieter, von denen nur einer – allenfalls auch mit einem anderen Mitmieter – das Mietverhältnis verlängert/fortsetzt, läuft die Präklusionsfrist des § 16 Abs 8 MRG daher solange nicht ab, als nicht sechs Monate nach der zusammengerechnet vereinbarten Befristungszeit abgelaufen sind oder aber ein unbefristetes Mietverhältnis abgeschlossen wird (5 Ob 4/20d = RS0119647 [T1]). Das gilt im Verhältnis zu allen ursprünglichen Mitmietern. Ein mit mehr als einem Hauptmieter geschlossener Mietvertrag begründet schließlich ein einheitliches Mietverhältnis mit allen Mitmietern (RS0101118) und die Rechtsprechung lässt deshalb die Feststellung des zulässigen Mietzinses auch nur gegenüber allen Mitmietern zu (RS0013161 [T1]; RS0110736; RS0101118 [T9]).
4. Ist – wie hier – die vom Rechtsmittelwerber angesprochene Rechtsfrage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt, ist der Revisionsrekurs unzulässig (RS0112921, RS0112769).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsteller haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen. Sie haben daher die Kosten für ihre – in diesem Sinn nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienende – Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen (vgl RS0112296; RS0035962; RS0035979).
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