OGH 1Ob42/20p

OGH1Ob42/20p26.3.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** S*****, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** Verband, *****, vertreten durch Mag. Gernot Schaar, Rechtsanwalt in Wien, wegen 29.760,31 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. Jänner 2020, GZ 6 R 172/19k‑20, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 22. November 2019, GZ 1 Cg 39/19d‑16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00042.20P.0326.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger ist „Kaderathlet“ des beklagten Vereins ([Dach‑]Verbands; § 1 Abs 5 Satz 2 VerG 2002), nicht aber dessen Mitglied. Die Parteien schlossen 2013 eine „Athletenvereinbarung“ ab, die in Punkt 4.5 vorsieht, dass für den „Kaderathleten“ eine Jahreslizenz beim beklagten Verband verpflichtend ist. Eine solche Jahreslizenz kann nur von einem Mitgliedsverein des Beklagten über die Online‑Datenbank beantragt werden.

Mit der am 2. 4. 2019 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Rückerstattung von Kosten, die er im Jahr 2017 und 2018 für die Teilnahme an Wettkämpfen vorfinanziert habe. Entgegen der „Athletenvereinbarung“ habe der Beklagte lediglich einen Betrag von 1.284,35 EUR überwiesen.

Der Beklagte wendete zunächst die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ein. Es sei das in der „Athletenvereinbarung“ genannte „Tribunal Arbitral du Sport“ (CAS) in Lausanne anzurufen. Im Übrigen schulde er dem Kläger nichts.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage wegen „Unzulässigkeit des Rechtswegs und sohin wegen sachlicher Unzuständigkeit“ zurück. Auf das Schiedsverfahren vor dem CAS in Lausanne sei nicht verzichtet worden. Das Rekursgericht gab dem vom Kläger erhobenen Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die vom Beklagten erhobene Einrede des Fehlens der sachlichen Zuständigkeit verwarf. Dem Erstgericht wurde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund, insbesondere zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs, aufgetragen. Das Rekursgericht ging in seiner Begründung davon aus, dass das Erstgericht aufgrund des einvernehmlichen Abgehens von der getroffenen Schiedsklausel für die vom Kläger erhobenen privatrechtlichen Ansprüche zuständig sei. Allerdings sei vor Eingehen in die Hauptsache noch die Frage der in § 8 Abs 1 VerG 2002 normierten Unzulässigkeit des Rechtswegs zu prüfen; die dafür (allein) maßgeblichen Klagsangaben seien unvollständig und ergänzungsbedürftig. Es liege ein starkes Indiz dafür vor, dass es sich beim beklagten Verband um einen Verein nach dem österreichischen Vereinsgesetz handle. Die Nichteinhaltung des gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 vorzusehenden vereinsinternen Instanzenzugs bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis begründe Unzulässigkeit des Rechtswegs. Der Begriff der Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis sei auf alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander auszudehnen, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stünden. Dabei sei allein maßgeblich, ob eine vermögensrechtliche Streitigkeit in der Vereinsmitgliedschaft wurzle. Beruhe der Anspruch jedoch auf einem selbständigen vertraglichen Schuldverhältnis, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit nicht denknotwendige Voraussetzung sei, liege seine Grundlage nicht im Vereinsverhältnis, sondern in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag. Bei Streitigkeiten mit bloß vertraglich an das Verbandsregelwerk gebundenen Personen bestehe also weiterhin keine gesetzliche Pflicht zur Anrufung der Schlichtungsstelle. Es sei jedoch wenig sachgerecht, wenn die Schlichtungseinrichtung bloß deshalb nicht anzurufen und der Rechtsweg im Ergebnis sofort zulässig wäre, weil die Vereinsstruktur allenfalls mehrstufig organisiert sei. Da der Kläger einen Anspruch gegen den beklagten Verband behaupte, sei es auch unproblematisch, dass dafür die Schlichtungseinrichtung beim Beklagten zuständig sei. Von der temporären Unzulässigkeit des Rechtswegs werde lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle für die betroffene Partei nicht zumutbar sei. Die abgeschlossene „Athletenvereinbarung“ sehe vor, dass für den „Kaderathleten“ eine Jahreslizenz beim beklagten Verband verpflichtend sei. Aus dem aktuellen Informationsblatt zur Lizenzausstellung ergebe sich, dass eine solche Jahreslizenz nur von einem „Ö*****‑Mitgliedsverein“ über die Online‑Datenbank beantragt werden könne. Habe die Jahreslizenz nur von einem Mitgliedsverein des beklagten Verbands beantragt werden können, liege es nahe anzunehmen, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei einem solchen (Basis‑)Verein Voraussetzung für die Erlangung der Jahreslizenz sei. Insofern läge bei einer allfälligen Mitgliedschaft des Klägers bei einem „Ö*****‑Mitgliedsverein“ eine in der Vereinsmitgliedschaft wurzelnde vermögensrechtliche Streitigkeit in einer mehrstufig organisierten Vereinsstruktur vor. Dem Kläger sei mittels Verbesserungsverfahren Gelegenheit zu geben, in Entsprechung der ihn treffenden Wahrheits‑ und Vollständigkeitspflicht jene Umstände anzugeben, aus denen sich ergeben solle, dass für den erhobenen Anspruch eine Vereinszugehörigkeit (zu einem Mitgliedsverein des Beklagten) nicht denknotwendig Voraussetzung sei. Nur dann, wenn er seinen Anspruch vom Vereinsverhältnis unabhängig geltend machen könne, dieser also in gleicher Weise auch von einem Nichtmitglied erhoben werden könne, liege keine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vor.

In der darauf erstatteten Äußerung brachte der Kläger vor, dass gemäß § 4 der Statuten des Beklagten dieser aus den Landesverbänden, den fördernden Mitgliedern sowie den Ehrenmitgliedern und dem Ehrenpräsidenten als unmittelbaren Mitgliedern bestehe. Bei unzureichender Umsetzung des Prinzips der mehrfachen (Satzung‑)Verankerung oder bei Sportlern, die keinem Verein als Mitglied angehören, könne die Bindung an das Fachverbandsregelwerk nicht aus der satzungsrechtlichen Konstruktion abgeleitet werden. Eine Anerkennung der entsprechenden Bestimmungen sei einzelvertraglich in der Ausformung eines Teilnahmevertrags, eines Lizenzvertrags oder eines individuell ausgehandelten Einzelvertrags möglich. Mit Abschluss eines Lizenzvertrags entstehe eine gesteigerte rechtliche Nahebeziehung des Sportler zum Fachverband. Er werde zwar in gewisser Weise in dessen Organisation eingebunden, doch kämen ihm im Unterschied zu den unmittelbaren Mitgliedern keine „Organschaftsrechte“ zu. Gegenüber dem Beklagten könnten einzelnen Sportlern über Teilnahmeverträge, Lizenzverträge oder einen individuell ausgehandelten Einzelvertrag Rechte wie die klagsgegenständliche Forderung erwachsen. Eine Vereinszugehörigkeit zu einem Mitgliedsverein des Beklagten sei dafür keine zwingende Voraussetzung. Beruhe der Anspruch auf einem selbständigen vertraglichen Schuldverhältnis, wie hier der „Athletenvereinbarung“, liege seine Grundlage nicht im Vereinsverhältnis, sondern in dieser Vereinbarung. Es liege keine Vereinsstreitigkeit vor. Damit bestehe keine gesetzliche Pflicht zur Anrufung der Schlichtungsstelle im Sinn des § 8 VerG 2002.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. In seiner Begründung verwies es auf die Ausführungen des Rekursgerichts im ersten Rechtsgang. Es liege nahe, dass der Kläger Vereinsmitglied sein müsse, um die Jahreslizenz zu erlangen. Dass dies nicht der Fall sei, lege er nicht dar und behaupte Derartiges trotz aufgetragener Verbesserung nicht. Eine Vereinsmitgliedschaft zur Erlangung einer Jahreslizenz sei wohl unstrittig; der naheliegenden Vermutung des Rekursgerichts werde seitens des Klägers nicht entgegengetreten. Daher sei als zugestanden anzusehen, dass er ein Vereinsmitglied sein müsse, um diese Jahreslizenz zu erlangen. Für die Gültigkeit der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung sei eine Jahreslizenz erforderlich, die Jahreslizenz bekomme aber nur ein Vereinsmitglied. Daraus folge, dass die Vereinsmitgliedschaft für den geltend gemachten Anspruch, der auf die „Athletenvereinbarung“ gestützt werde, zwingende Voraussetzung sei. Ein Nichtmitglied könne gestützt auf eine solche Vereinbarung nicht die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche begehren. Es liege daher eine Streitigkeit vor, die ihre Wurzeln in der Vereinszugehörigkeit habe. Dass der Kläger kein Vereinsmitglied sei, werde ohnehin nicht behauptet. Die Nichteinhaltung des vereinsinternen Instanzenzugs, dessen Einhaltung auch gar nicht behauptet werde, begründe bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis die Unzulässigkeit des Rechtswegs. Das Verbesserungsverfahren sei auf einen einmaligen Verbesserungsversuch beschränkt. Die allgemeinen Ausführungen des Klägers, die nicht auf den konkreten Fall eingingen, vermögen keine Zulässigkeit des Rechtswegs zu begründen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Rechtlich führte es aus, der Kläger sei die von der Rechtsprechung geforderten konkreten Angaben, etwa aufgrund welcher vereinsinternen Regelungen jemand unter welchen Voraussetzungen eine Jahreslizenz erlangen könne, schuldig geblieben. Dass er seine Ansprüche in einer vom Vereinsverhältnis losgelösten „Athletenvereinbarung“ begründet sehe, sei bereits Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses im ersten Rechtsgang gewesen. Dazu, dass diese Vereinbarung eine Jahreslizenz voraussetze, die wiederum nur von einem „Basisverein“ beantragt werden könne und daher die Jahreslizenz die Mitgliedschaft bei einem „Basisverein“ nahelege, sowie zur Entkräftung dieser Annahme habe der Kläger keine konkreten Tatsachen vorgebracht. Es sei daher nach wie vor unklar, ob überhaupt der Rechtsweg zulässig sei. In der vorliegend zu beurteilenden Konstellation gehe es um drei Stufen einer mehrstufig organisierten Vereinsstruktur. Der Annahme, die Streitigkeit wurzle in einem Vereinsverhältnis, stehe der Umstand, dass einander ein Dachverband und ein ausübender Sportler gegenüberstehen und die dazwischenliegenden Stufen des Mitgliedsvereins und des Landesverbands fehlten, nicht entgegen. Für die hier zu beurteilenden Forderungen sei es noch nicht zu einem Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungseinrichtung des Beklagten gekommen. Nicht nachvollziehbar sei, warum es ihm im Zusammenhang mit der von ihm kritisierten Organisation der Schlichtungsstelle nicht zumutbar sein solle, diese anzurufen.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage, inwieweit die von der Rechtsprechung geforderte Behauptung konkreter Tatsachen zur Zulässigkeit des Rechtswegs mit der abstrakt vorgenommenen Prüfung einer denknotwendigen Vereinszugehörigkeit im Einklang stehe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorgefunden habe werden können. Zudem fehle es an Rechtsprechung zur vorliegenden Konstellation einer komplexeren Vereinsstruktur.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kläger erhobene – vom Beklagten beantwortete – Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Mit der mangels Anfechtung (der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN ist im Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten nicht anzuwenden: RIS‑Justiz RS0046345) in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des Rekursgerichts im ersten Rechtsgang, das die vom Beklagten erhobene Einrede des Fehlens der sachlichen Zuständigkeit verwarf, wurde über die Einrede des Hindernisses einer Schiedsgerichtsvereinbarung bindend abgesprochen.

2.1. Gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 haben die Statuten eines Vereins vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten erst nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Wird dieses Verfahren nicht eingehalten, so steht einer dennoch eingebrachten Klage die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (RS0114603 [T3, T10]), die von Amts wegen wahrzunehmen ist (RS0120837 [T1]; RS0122426). Die Beurteilung, ob das Schlichtungsverfahren eingehalten wurde, richtet sich nach dem Vorbringen in der Klage (RS0045718 [T28]). Der Kläger hat daher konkrete Tatsachen zu behaupten, aus denen sich ergibt, dass der Rechtsweg bereits offen steht (RS0124983).

2.2. Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis im Sinn des § 8 Abs 1 VerG 2002 sind zunächst jedenfalls solche, die ihre Wurzel in einer Vereinsmitgliedschaft haben, gleichviel, ob das Mitgliedsverhältnis bei Entstehen des Streitfalls noch besteht oder bereits beendet wurde (RS0122425 [T3]). Erfasst werden somit alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder zwischen Vereinsmitgliedern untereinander, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen (RS0119982 [T15]; RS0122425 [T6]).

Zu prüfen ist daher, ob sich der geltend gemachte Anspruch auf die Verletzung von Pflichten aus dem Vereinsverhältnis stützt, die Mitgliedschaft daher notwendige Voraussetzung für das Bestehen des Anspruchs ist, oder ob ein vom Vereinsverhältnis unabhängiger Anspruch geltend gemacht wird, der in gleicher Weise auch von einem Nichtmitglied erhoben werden könnte (RS0119982 [T20]; RS0122425 [T11]).

3.1. Der Kläger stützt die mit der Klage begehrte Rückerstattung von Kosten auf die mit dem beklagten Verband abgeschlossene „Athletenvereinbarung“. Er ist nicht Mitglied dieses Vereins und argumentiert, dass er sich nicht konkludent durch den Beitritt zu einem „Basisverein“ der Schlichtungseinrichtung des an der Spitze der Pyramide stehenden Vereins unterwerfen habe wollen.

3.2. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 125/16z (= RS0122425 [T22]), die einen Streit zwischen einem Dachverband und einem Mitglied eines Landesverbands betraf, das nicht auch Mitglied des Dachverbands war, seien „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ im Sinn des § 8 Abs 1 VerG 2002 weiter zu verstehen als „Streitigkeiten aus der Vereinsmitgliedschaft“. Es sei wenig sachgerecht, die (sofortige) Zulässigkeit des Rechtswegs zu bejahen, nur weil die Vereinsstruktur „dreistufig“ organisiert sei. Eine „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis“ liege auch dann vor, wenn in einer dreistufigen Vereinsstruktur der den Dachverband klagende Verein nicht dessen Mitglied, sondern Mitglied eines Landesverbands sei, der wiederum Mitglied des Dachverbands sei.

Höhne („Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis“ bei dreistufiger Vereinsorganisation, RdW 2017/74, 80) und Kornfehl (Die Schlichtungseinrichtung und andere vereinsrechtliche Probleme im Spiegel der Rechtsprechung von 2002–2017, GES 2017, 417 [420 ff]) stimmen dieser Entscheidung zu. Nach Kornfehl (aaO 421) ist der Begriff „Vereinsverhältnis“ jedenfalls weiter als der Begriff „Vereinsmitgliedschaft“, sodass nach dem Wortlaut die unmittelbare Mitgliedschaft keine Voraussetzung für eine Pflicht zur Anrufung der Schlichtungseinrichtung sei, vielmehr reiche das Vereinsverhältnis im Sinn einer vereinsmäßigen Verbundenheit für das Entstehen der Schlichtungspflicht aus.

Die Entscheidung 6 Ob 125/16z wird hingegen von H. Keinert/E. Keinert (Abgrenzung der Schlichtungsobliegenheit nach § 8 VerG 2002, GesRZ 2017, 42), Druml (in SpuRt 4/2017, 149 f), Höhne/Jöchl/Lummersdorfer (Das Recht der Vereine6 [2019], 513) und Pondorfer (in Schopper/Weilinger, VereinsG § 8 Rz 17) kritisiert. H. Keinert/E. Keinert gehen davon aus, dass ein schlichtungspflichtiger Anspruch grundsätzlich unmittelbar aus dem Vereinsverhältnis abzuleiten sein müsse. Die Schlichtungsobliegenheit beschränke sich (abgesehen von Konflikten zwischen Mitgliedern) strikt auf Streitigkeiten zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern. Druml führt unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien aus, dass der Gesetzgeber nur Streitigkeiten mit unmittelbaren Vereinsmitgliedern von der Schlichtungsobliegenheit umfasst sehen wollte. Die „denknotwendige“ Voraussetzung für die in Rede stehende Turniervereinbarung sei nicht die Mitgliedschaft des beklagten Vereins zum Landesverband, sondern die vom Dachverband geschaffene Möglichkeit, dass der beklagte Verein als vereinsfremder Dritter überhaupt als „Veranstalter“ von Turnieren auftreten habe können, sodass keine „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis“ vorliege. Höhne/Jöchl/Lummersdorfer kritisieren – allerdings ohne die zustimmende Glosse und damit die gegenteilige Ansicht von Höhne (in RdW 2017/74, 80) zu erwähnen – dass dann, wenn im Fall einer dreistufigen Organisation die erste mit der dritten Stufe streite, kein Vereinsverhältnis, also Mitgliedschaftsverhältnis, „geortet“ werden könne, wenn der untergeordnete Verein nicht Verbandsmitglied ist. Eine derart extensive Annahme einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis gehe zu weit. Auf der Strecke bleibe nicht zuletzt die „Vereinsautonomie“. Nach Pondorfer liege ein Unterschied „in vereinsübergreifenden Streitigkeiten“ und Streitigkeiten zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern oder unter Mitgliedern – sohin „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“. Vereinsübergreifende Streitigkeiten fänden keine Deckung in § 8 VerG 2002. Auch wenn die Vereinsmitgliedschaft zum Verband statutenmäßige Voraussetzung für das Schuldverhältnis zwischen einem Vereinsmitglied des Verbands und dem Dachverband sei, seien daraus resultierende Streitigkeiten nicht vom Gesetzeswortlaut gedeckt, und widerspreche die Ausdehnung auf vereinsübergreifende Streitigkeiten doch auch der rechtlichen Unabhängigkeit „der (Dach‑)Verbandsmitglieder vom (Dach‑)Verband“.

3.3. Anders als nach dem Sachverhalt zu 6 Ob 125/16z ist im vorliegenden Fall keine Streitigkeit zwischen zwei Vereinen zu beurteilen. Die Kritik an dieser Entscheidung ist durchaus beachtlich, liegt doch bei der Streitigkeit zwischen dem Kläger als allfälliges Mitglied eines „Basisvereins“ und dem Beklagten als Dachverband kein so enger Zusammenhang zu dessen „Vereinsverhältnis“ (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 VerG 2002) vor, der in Bezug auf die Dichte der Vereinsbeziehung mit einer Vereinsmitgliedschaft zum Beklagten vergleichbar wäre. Zwar setzt die zwischen den Parteien abgeschlossene „Athletenvereinbarung“ eine „Jahreslizenz“ voraus, die wiederum nur von einem „Mitgliedsverein“ beantragt werden kann. Der Kläger kann jedenfalls eine solche Jahreslizenz nicht beantragen. Vielmehr muss er Mitglied eines „Mitgliedsvereins“ sein, der wiederum eine solche Lizenz beantragen kann; aus einer vom Beklagten erteilten Lizenz wird allerdings der Anspruch des Klägers nicht abgeleitet. Für die Beurteilung der Frage, ob der konkret geltend gemachte Anspruch aus dem Vereinsverhältnis resultiert, ist maßgebend, ob eine vermögensrechtliche Streitigkeit in der Vereinsmitgliedschaft wurzelt (RS0122425 [T7]) oder diese ohne vereinsmäßige Verbundenheit der Parteien typischerweise nicht denkbar wäre (4 Ob 240/18z mwN). Eine derartige vereinsmäßige Verbundenheit des Klägers mit dem Beklagten wird von ihm aber nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt. Er macht aus einer eigenen vertraglichen Vereinbarung mit dem beklagten Dachverband – einem Verein – resultierende Ansprüche geltend, ohne dass seine allfällige Mitgliedschaft zu einem „Basisverein“ dafür unmittelbare Grundlage wäre.

Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber auch darauf hin, dass die Obliegenheit zum Abwarten eines vereinsinternen Schlichtungsverfahrens grundsätzlich nur dort sachlich gerechtfertigt ist, wo sich der Rechtssuchende einer solchen Fremdbestimmung unterworfen hat. Das trifft auf Mitglieder des betreffenden Vereins regelmäßig zu, haben sie doch nicht nur dessen Satzung bei ihrem Beitritt akzeptiert, sondern im Rahmen ihrer Mitgliedschaftsrechte – zumindest abstrakt – auch die Möglichkeit, auf deren Änderung hinzuwirken. Zudem können sie sich typischerweise auch an der Willensbildung zur personellen Besetzung der Vereinsorgane – und dabei auch der Schlichtungseinrichtung gemäß § 8 Abs 2 Satz 1 VerG 2002 – beteiligen. Damit wird im Verhältnis zu Vereinsmitgliedern – und auch in Streitfällen mit dem Verein selbst – nicht nur die anzustrebende Äquidistanz, sondern im Regelfall auch die Akzeptanz der Entscheidung der Schlichtungseinrichtung hergestellt, was es rechtfertigt, vor Befassung staatlicher Gerichte (oder „echter“ Schiedsgerichte) einen obligatorischen vereinsinternen Schlichtungsversuch vorzusehen und die Gerichte nur dann zu belasten, wenn eine Schlichtung innerhalb einer bestimmten Frist nicht gelingt.

Angesichts dieser Ausgangssituation, die auch der Gesetzgeber des VerG 2002 ersichtlich vor Augen hatte– und nur die Streitschlichtung in einem Verein regelte, obwohl ihm die Existenz von Dachverbänden, Verbänden und diesen angehörenden „einfachen“ Vereinen (§ 1 Abs 5 Satz 2 VerG 2002) bewusst war –, vermag der erkennende Senat nicht zu sehen, warum es gerechtfertigt sein sollte, das innerhalb eines Vereins angeordnete (temporäre) Rechtsweghindernis auch auf Fälle auszudehnen, in denen die Streitteile in keinem unmittelbaren Vereinsverhältnis stehen, und damit zugleich einer Partei die Schlichtungseinrichtung ihres eigenen Vereins zu entziehen. Die Anordnung einer solchen Rechtsfolge wäre Sache des Gesetzgebers und nicht der Auslegung der Gerichte.

Gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 ist somit die vereinsinterne Schlichtungseinrichtung des Beklagten mit der vorliegenden Streitigkeit nicht zu befassen und der Rechtsweg daher – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – zulässig.

4. Für den, der nicht Mitglied des Vereins ist, mit dem er in Streit liegt, gilt die Hürde des § 8 Abs 1 VerG 2002, dass bei sonstiger Unzulässigkeit des Rechtswegs zunächst die vereinsinterne Schlichtungsinstanz anzurufen ist, grundsätzlich nicht. Ein Nichtmitglied kann sich aber – unter bestimmten Voraussetzungen, auf die hier nicht einzugehen ist – vertraglich einem Verbandsregelwerk unterwerfen. Bei Streitigkeiten mit bloß vertraglich an das Verbandsregelwerk gebundenen Personen – wie dem hier klagenden Sportler – besteht keine gesetzliche Pflicht zur Anrufung der Schlichtungsstelle im Sinn des § 8 VerG 2002. Die Verpflichtung zur Anrufung kann sich in diesen Fällen einzig und allein aus der vertraglichen Vereinbarung ableiten. Die Klage wäre, sofern sie vor Ausschöpfung des verbandsinternen Rechtswegs erhoben wird, nicht gesetzlich unzulässig (Prozesshindernis), sondern aufgrund der vorweg bestehenden materiell‑rechtlichen Unklagbarkeit bloß abzuweisen. Es läge letztlich nichts anderes als die Nichteinhaltung einer Schlichtungsklausel vor, die nach ständiger Rechtsprechung kein zur Zurückweisung führendes Prozesshindernis, sondern den materiell‑rechtlichen Einwand mangelnder Klagbarkeit des Anspruchs begründet (8 Ob 56/19x mwN = RS0114603 [T12] = RS0124983 [T6]). Die mangelnde Klagbarkeit wegen Nichtausschöpfung des vereinsinternen Rechtszugs kann aber nur über entsprechenden Einwand wahrgenommen werden. Einen solchen Einwand hat der Beklagte nicht erhoben, sondern vielmehr zugestanden, dass er auf die vorherige Einberufung seines „Schiedsgerichts“ (gemeint seiner Schlichtungseinrichtung) gemäß Abs 9 der „Athletenvereinbarung“ verzichtet habe.

5. Dem Revisionsrekurs des Klägers ist somit Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben und dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs aufzutragen.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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