European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00176.19D.0325.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Aus § 16 ABGB und § 78 UrhG ist ein postmortales Persönlichkeitsrecht abzuleiten (6 Ob 209/16b mwN), dessen Verletzung von den nahen Angehörigen des Verstorbenen geltend gemacht werden kann (RS0116720; RS0129339). Bei der Geltendmachung der Ansprüche durch einen nahen Angehörigen kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf dessen Interessen an, wobei diese Interessen im Regelfall schon dann beeinträchtigt sind, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu seinen Gunsten ausgegangen wäre (RS0129339). Zweck des Rechts der nahen Angehörigen ist nämlich auch die Wahrung der Interessen des Verstorbenen (6 Ob 209/16b; 4 Ob 203/13a).
1.2 Die Ermittlung von Umfang und Grenzen von Persönlichkeitsrechten bedarf stets einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall (RS0128659 [T1]). So verlangt § 78 UrhG eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung (6 Ob 209/16b). Die Wertungen der §§ 7a ff MedienG – so auch des § 7a Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 MedienG über die Veröffentlichung des Bildes einer Person, die Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung geworden ist – sind in die erforderliche Abwägung einzubringen (RS0112084 [T3]; vgl RS0074824 [T1]).
1.3. Der höchstpersönliche Lebensbereich, der den Kernbereich der geschützten Privatsphäre darstellt und der jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie umfasst, ist einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich (RS0122148). Liegt ein Eingriff in die Privatsphäre vor, führt ein im Kern wahrer Begleittext daher noch nicht notwendiger Weise zum Überwiegen des Veröffentlichungsinteresses des Mediums (vgl 6 Ob 209/16b).
In diesem Zusammenhang wurde bereits ausgesprochen, dass ein Bericht über den durch eine Trennung motivierten Mordanschlag eines Ehegatten gegenüber dem anderen den höchstpersönlichen Lebensbereich betrifft (15 Os 116/11i = RS0122148 [T13]).
1.4. Ob schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausschlägt, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0129339 [T2]; RS0078088 [T15]; 6 Ob 71/10z). Das gilt auch für die Beurteilung, ob der durch § 16 ABGB geschützte Kernbereich der Privatsphäre verletzt wurde (RS0122148 [T24]).
2.1. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die die Veröffentlichung des Lichtbilds der Tochter der Kläger untersagte, soweit diese als Verbrechensopfer identifiziert und über näher bezeichneten Inhalte berichtet wird, hält sich im Rahmen der dargestellten Grundsätze.
2.2. Auch die Wertung, dass die Berichterstattung über die erlittenen Verletzungen der Getöteten, ihr Beziehungsleben zu ihrem ehemaligen Lebensgefährten, der sie getötet hat, und die Obsorgestreitigkeiten um ihre gemeinsamen Kinder dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sind, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
2.3. Die von den Revisionswerberinnen zitierte Entscheidung 6 Ob 226/16b betrifft nicht die hier zu beurteilende Identifizierung einer verstorbenen Person als Verbrechensopfer. Auch die von den Revisionswerberinnen behauptete Judikaturdivergenz zu den Entscheidungen 4 Ob 224/13i und 6 Ob 209/16b liegt nicht vor: Letztere betreffen die Abgrenzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, was nicht Gegenstand der Entscheidung 6 Ob 226/16 war.
2.4. Die Bezugnahme darauf, wie die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen ausgegangen wäre (vgl RS0129339), ist bei der Geltendmachung postmortaler Persönlichkeitsrechte notgedrungen hypothetisch. Dies im Hinblick auf die Berichterstattung über Tötungsdelikte zu vertiefen, ist für die Beurteilung der von den Vorinstanzen vorgenommenen Interessenabwägung nicht erforderlich. Das Berufungsgericht erachtete als wesentlich, dass eine Berichterstattung über den Kriminalfall auch ohne die Veröffentlichung des Lichtbilds der Tochter der Kläger möglich gewesen wäre. Darauf geht die außerordentliche Revision nicht ein.
2.5. Da insgesamt keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht wird, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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