OGH 2Ob220/19w

OGH2Ob220/19w27.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.  Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé, sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** M*****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Mauhart, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. P***** K*****, 2. L*****gesellschaft m.b.H., *****, und 3. O***** Versicherung AG, *****, sämtliche vertreten durch Mag. Dietrich Seeber, Rechtsanwalt in Linz, wegen 2.241,67 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.666,67 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. November 2010, GZ 4 R 168/10v‑30, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 10. August 2010, GZ 2 Cg 63/10b‑25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00220.19W.0227.000

 

Spruch:

1. Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von 365 EUR samt 4 % Zinsen seit 8. 1. 2009 hinsichtlich der zweitbeklagten Partei als nichtig aufgehoben. Die Klage wird insoweit zurückgewiesen.

Die auf dieses Teilbegehren entfallenden Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

2. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der verbleibenden klagsabweisenden Teile sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Am 4. 8. 2008 ereignete sich in Haid bei Ansfelden ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines Motorrads und der Erstbeklagte als Lenker eines von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Sattelzugs beteiligt waren. Ausgelöst wurde der Unfall dadurch, dass der Erstbeklagte mit dem Sattelzug nach links ausholte, um nach rechts in ein Betriebsgelände einzubiegen. Der aus der Gegenrichtung kommende Kläger stieß gegen das Zugfahrzeug, stürzte und zog sich Verletzungen zu.

Mit der Behauptung, der nunmehrige Kläger sei mit wesentlich überhöhter Geschwindigkeit und nicht auf Sicht gefahren, begehrte die (hier) zweitbeklagte Partei (als Klägerin) in einem gegen den nunmehrigen Kläger und dessen Haftpflichtversicherer (als Beklagte) geführten Vorprozess den Ersatz von insgesamt 2.630 EUR (Selbstbehalt aus der Kaskoversicherung 1.000 EUR; Verdienstentgang 1.560 EUR; Spesen 70 EUR). Der nunmehrige Kläger und sein Haftpflichtversicherer wendeten im Vorprozess das Alleinverschulden des nunmehrigen Erstbeklagten ein, weil dieser unnötigerweise nach links ausgeschwenkt sei und die Beiziehung eines Einweisers unterlassen habe. Sie wendeten ferner eine Gegenforderung von 40.060 EUR (2.900 EUR Sachschaden; 35.000 EUR Schmerzengeld; 200 EUR Heilungskosten; 1.960 EUR Haushaltshilfekosten) aufrechnungsweise gegen ein allenfalls zu Recht bestehendes Klagebegehren ein.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Berufungsgerichts im Vorprozess wurde die Klagsforderung mit 1.815 EUR sowie die Gegenforderung bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren abgewiesen. Dem lag das im Berufungsverfahren nicht mehr strittige gleichteilige Verschulden der beiden Fahrzeuglenker am Zustandekommen des Verkehrsunfalls zugrunde, weil der (hier) Erstbeklagte eine um 5 km/h überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe, der nunmehrige Kläger hingegen eine um 16 km/h überhöhte Geschwindigkeit (gegenüber zulässigen 30 km/h) eingehalten habe. Im Hinblick auf den außer Streit stehenden Sachschaden des nunmehrigen Klägers von 2.900 EUR ergebe sich eine berechtigte Gegenforderung von 1.450 EUR. Aufgrund der Schwere der vom nunmehrigen Kläger erlittenen Verletzungen und des dafür zustehenden Schmerzengelds erreiche die Gegenforderung jedenfalls die Höhe der berechtigten Klagsforderung.

Mit der vorliegenden, noch vor Beendigung des Vorprozesses eingebrachten Klage begehrte der Kläger wegen desselben Unfalls von den beklagten Parteien zuletzt restliche 2.241,67 EUR (2.083,33 EUR Schmerzengeld; 116,67 EUR Haushaltshilfekosten; 41,67 EUR Spesen) an Schadenersatz. Weiters stellte er ein Feststellungsbegehren im Umfang von zwei Dritteln der künftigen Schäden. Das Zahlungsbegehren ergebe sich aus den ungekürzten Ansprüchen von 12.500 EUR Schmerzengeld, 700 EUR Haushaltshilfekosten und 100 EUR Spesen unter Anrechnung eines Mitverschuldens von einem Drittel sowie geleisteter Teilzahlungen der beklagten Parteien. Zur Begründung seiner Ansprüche erstattete der Kläger im Wesentlichen jenes Vorbringen, das er bereits im Vorprozess eingewendet hatte.

Die beklagten Parteien stellten die ungekürzten Forderungen der Höhe nach außer Streit, anerkannten ihre Haftung für 50 % der künftigen Schäden und brachten vor, beide Teile treffe am Zustandekommen des Verkehrsunfalls das gleichteilige Verschulden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 25 EUR sA an restlichen Spesen zu, stellte die Haftung der beklagten Parteien für die Hälfte der künftigen Schäden des Klägers fest und wies die darüber hinausgehenden Begehren ab. Es traf keine Feststellungen zum Unfallhergang, sondern vertrat die Ansicht, dass der Kläger das mittlerweile ergangene Urteil des Vorprozesses gegen sich gelten lassen müsse. Es sei daher auch in diesem Verfahren von einem gleichteiligen Verschulden der am Unfall beteiligten Lenker auszugehen. Für eine Beweisaufnahme zur Behauptung, den Erstbeklagten träfe ein Verschulden von zwei Dritteln, bestehe „kein Raum“.

Das vom Kläger gegen den abweisenden Teil dieses Urteils angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Nach Meinung des Berufungsgerichts habe sich das Erstgericht zu Recht an die im Vorprozess vorgenommene Schadensteilung von 1 : 1 für gebunden erachtet. Das Vorbringen des Klägers sei identisch mit seinen Einwendungen im Vorprozess. Der Kläger sei im Vorprozess zum Ersatz der Hälfte des Schadens verurteilt worden, was einer rechtskräftigen Aberkennung der Hälfte seines Schadenersatzanspruchs dem Grunde nach gleichzuhalten sei. Ein Urteil, das dem Kläger dennoch mehr als die Hälfte seines Schadens zuspräche, stünde in unlösbarem Widerspruch zum Urteil des Vorprozesses. Ein solches Ergebnis solle durch die Rechtskrafterstreckung des § 28 KHVG verhindert werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht unmittelbar aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 28 KHVG ableiten ließe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung zurückzuverweisen. Hilfsweise wird beantragt, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Während des Revisionsverfahrens wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Pregarten vom 11. 11. 2011, bekannt gemacht am 14. 11. 2011, über das Vermögen des Erstbeklagten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der Oberste Gerichtshof stellte aufgrund der dadurch ex lege eingetretenen Unterbrechung nach § 7 IO mit Beschluss vom 29. 11. 2011, 2 Ob 15/11m, die Akten dem Erstgericht ohne inhaltliche Behandlung des Rechtsmittels zurück. Mit Beschluss vom 17. 2. 2012, bekannt gemacht am selben Tag, wurde das Schuldenregulierungsverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans aufgehoben. Aufgrund des Antrags des Klägers vom 12. 11. 2019 setzte das Erstgericht das Verfahren mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 22. 11. 2019 fort. Mit Schriftsatz vom 29. 11. 2019 wendeten die beklagten Parteien Verjährung der Ansprüche des Klägers wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Bindungswirkung des Urteils des Vorprozesses von der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist.

I. Aus Anlass der zulässigen Revision ist jedoch zunächst wahrzunehmen, dass den Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang des Teilbegehrens von 365 EUR sA hinsichtlich der zweitbeklagten Partei der Nichtigkeitsgrund der rechtskräftig entschiedenen Sache anhaftet. Dazu ist auszuführen:

1. Die Rechtskraftwirkung (auch Einmaligkeitswirkung) setzt Identität der Parteien, des geltend gemachten Anspruchs und des rechtserzeugenden Sachverhalts voraus (RS0108828). Der selbe Streitgegenstand liegt nur vor, wenn der in der neuen Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Klagegrundes, ident ist mit jenen des Vorprozesses (RS0039347; RS0041229).

2. Einem Beklagten steht es frei, der Klagsforderung mehrerer Gegenforderungen kompensando entgegenzuhalten. Welche davon zur Tilgung herangezogen wird, hat das Gericht zumindest in den Gründen seiner Entscheidung klarzustellen. Das hat auch zu gelten, wenn über den Nichtbestand einer Gegenforderung entschieden wird (2 Ob 103/17m). Die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten zur Kompensation geltend gemachten Gegenforderung ist gemäß § 411 Abs 1 Satz 2 ZPO der Rechtskraft bis zur Höhe des Betrags teilhaft, mit welchem aufgerechnet werden soll. Die Bestimmung wird in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dahin ausgelegt, dass über eine prozessuale Aufrechnungseinrede immer nur dann und so weit entschieden werden kann, als die Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannt wird (RS0033887). Lediglich in diesem Umfang begründet die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten zur Kompensation geltend gemachten Gegenforderung in einem Folgeprozess das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache (2 Ob 103/17m; vgl RS0041281). Sie steht somit einer Klage über den darüber hinausgehenden Rest der Gegenforderung nicht entgegen. Insoweit kommt die Wirkung der Entscheidung über die im Vorprozess eingewendete Gegenforderung jener über eine Teilklage (vgl RS0041449) gleich.

3. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts im Vorprozess ergibt sich, dass die Hälfte der dort kompensando eingewendeten Sachschäden von insgesamt 2.900 EUR, daher 1.450 EUR, zur Tilgung der mit insgesamt 1.815 EUR als zu Recht bestehend erkannten Klagsforderung herangezogen wurden. In Höhe von weiteren 1.450 EUR wurde die Forderung des nunmehrigen Klägers für Sachschäden als nicht zu Recht bestehend beurteilt. Sachschäden des Klägers sind aber nicht (mehr) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Allerdings zog das Berufungsgericht im Vorprozess im Umfang des verbleibenden Teils der Klagsforderung von 365 EUR die dort ebenfalls eingewendete Schmerzengeldforderung des Klägers (in Höhe von insgesamt 35.000 EUR) zur Tilgung heran. In diesem Umfang wurde daher auch über das Schmerzengeldbegehren rechtskräftig stattgebend entschieden.

Einer neuerlichen Einklagung dieses Teils des Schmerzengeldanspruchs steht daher im vorliegenden Verfahren gegenüber der zweitbeklagten Partei das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Dieser Nichtigkeitsgrund ist aus Anlass der Revision von Amts wegen wahrzunehmen. Insoweit sind die Urteile der Vorinstanzen einschließlich des ihnen vorangegangenen Verfahrens aufzuheben. Die Klage ist in diesem Umfang zurückzuweisen.

4. Die Entscheidung über die auf den nichtigen Teil des Verfahrens entfallenden Prozesskosten gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO. Die zweitbeklagte Partei hat auf den vorliegenden Nichtigkeitsgrund nicht hingewiesen.

II. Im Übrigen ist die Revision berechtigt.

Der Revisionswerber macht geltend, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht eine Bindung an das Urteil des Vorprozesses angenommen und daher unrichtig kein Beweisverfahren zum Unfallhergang abgeführt.

Hiezu wurde erwogen:

1. Die Bindungswirkung einer Entscheidung ist ebenso wie die Einmaligkeitswirkung ein Aspekt der materiellen Rechtskraft (RS0102102 [T9]). Eine Bindungswirkung der Vorentscheidung ist nur dann anzunehmen, wenn sowohl Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts (verbunden mit notwendig gleicher rechtlicher Qualifikation) gegeben sind, aber anstelle der Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht. Ein solcher liegt vor, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt (RS0041572). Präjudizialität ist dann gegeben, wenn der im Vorprozess als Hauptfrage rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage für den Anspruch im zweiten Prozess bildet (RS0127052). Die Rechtskraft eines früheren Urteils steht daher der selbständigen Prüfung eines aus demselben Sachverhalt erhobenen neuen Anspruchs – ausgenommen der Fall, dass über ein entsprechendes Feststellungsbegehren entschieden wurde – nicht entgegen. Sie hindert auch nicht die neuerliche Aufrollung der Verschuldensfrage bei Erhebung eines weiteren Anspruchs aus einem Verkehrsunfall. Aus der Formulierung des § 411 Abs 1 Satz 1 ZPO wird zu Recht abgeleitet, dass eine Teileinklagung auch tatsächlich nur den geltend gemachten Anspruchsteil erfasst und die sich in der Regel auf den Gesamtanspruch beziehende Bejahung oder Feststellung seines Bestehens in den Entscheidungsgründen einer dieser Beurteilung widersprechenden neuen Klage, mit der der Restbetrag eingeklagt wird, nicht entgegensteht (1 Ob 50/80x; 2 Ob 213/97f). Auch die in den Entscheidungsgründen enthaltene Beurteilung der Mitverschuldensquote ist als bloße Vorfrage eines Leistungsbegehrens nicht von der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils umfasst (7 Ob 132/18i; 4 Ob 137/11t; 7 Ob 196/99w).

2. Gemäß § 28 KHVG wirkt ein rechtskräftiges Urteil, soweit dadurch ein Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten aberkannt wird, wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherten; wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherten ergeht, wirkt es auch zugunsten des Versicherers. Diese Bestimmung regelt somit einen Fall der Rechtskrafterstreckung (RS0110017, RS0110238). Sie kommt nicht nur bei einer erfolglosen klageweisen Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs zum Tragen, sondern auch in jenen Fällen, in denen einem beklagten Geschädigten durch eine Entscheidung über das Nichtbestehen einer eingewendeten Gegenforderung ein Schadenersatzanspruch rechtskräftig aberkannt wurde (2 Ob 101/12k; RS0112378; vgl oben Punkt I.2.). Dies bedeutet, dass der solcherart rechtskräftig aberkannte Anspruch auch gegen einen am Vorprozess nicht beteiligten (Mit-)Versicherten oder Versicherer nicht neuerlich klageweise geltend gemacht werden kann. Im Übrigen tritt aber durch § 28 KHVG an den oben und unter Punkt I. dargelegten Grundsätzen keine Änderung ein (vgl 8 Ob 18/84).

3. Abgesehen von dem in Punkt I. zurückgewiesenen Teil des Schmerzengeldbegehrens sind daher die im gegenständlichen Verfahren erhobenen Ansprüche des Klägers selbständig zu beurteilen. Eine Bindungswirkung an das Leistungsurteil des Vorprozesses besteht dabei nicht. Die Frage des Mitverschuldens des Klägers ist somit neuerlich zu prüfen. Der Umstand, dass der Entscheidung über die Leistungsbegehren und die Gegenforderungen im Vorprozess eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 zugrunde gelegt wurde, ist dafür ohne Bedeutung.

4. Aufgrund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht haben die Vorinstanzen keine Feststellungen zum Unfallhergang getroffen. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen im Umfang der von der Nichtigkeit nicht betroffenen klagsabweisenden Teile. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht diese Feststellungen nachzuholen haben.

Der Verjährungseinwand der beklagten Parteien wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Revisionsverfahrens ist im Revisionsverfahren nicht zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Einrede der Verjährung nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erhoben werden (RS0034726). Auch wenn die Umstände, die zur Einrede der Verjährung führen – wie im vorliegenden Fall – erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sind, steht das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) deren Geltendmachung entgegen (2 Ob 574/95). Wenn der Verjährungseinwand im fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wird, wird jedoch darauf einzugehen sein (vgl 3 Ob 62/99k).

Gleiches gilt sinngemäß für einen Einwand des Erstbeklagten und der drittbeklagten Partei, die Schmerzengeldforderung des Klägers sei im Umfang von 365 EUR durch die im Vorprozess erfolgte Aufrechnung getilgt.

Auch die – materiell-rechtlichen – Folgen des im Schuldenregulierungsverfahren des Erstbeklagten angenommenen und bestätigten Zahlungsplans, gegebenenfalls auch jene des § 197 IO, sind nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwand wahrzunehmen (vgl RS0001231).

5. Der Kostenvorbehalt hinsichtlich des aufgehobenen Teils des Verfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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