OGH 3Ob3/20t

OGH3Ob3/20t26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie denHofrat Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Kodek und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E***** AG, *****, vertreten durch Schulyok Unger & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei U*****, vertreten durch Mag. Bernhard Österreicher, Rechtsanwalt in Pfaffstätten, wegen 218.018,50 EUR sA, hier wegen Meistbotsverteilung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 1. Oktober 2019, GZ 17 R 74/19g‑174, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 27. Mai 2019, GZ 5 E 1/15f‑160, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00003.20T.0226.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Verpflichtete wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 4. Dezember 2008 zur Zahlung von 218.018,50 EUR sA an die Betreibende bei sonstiger Exekution in zwei von ihr für die Kreditschuld eines Dritten bis zum Höchstbetrag von 24.000.000 ATS zum Pfand bestellte Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile verpflichtet. Aufgrund dieses Urteils wurde der Betreibenden mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. Jänner 2015 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 218.018,50 EUR sA die Exekution durch Zwangsversteigerung einer dieser Liegenschaften der Verpflichteten bewilligt. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 8. November 2018 wurde diese Liegenschaft dem Meistbietenden um das Meistbot von 810.000 EUR zugeschlagen. Der Ersteher hat das Meistbot samt Zinsen beim Erstgericht erlegt.

(Nur) die Betreibende meldete zur Meistbotsverteilung letztlich eine Forderung von insgesamt 897.310,86 EUR an, nämlich 646.971,53 EUR an Kapital, 170.999,17 EUR an titulierten Zinsen, 51.474,36 EUR an gesetzlichen Zinsen aus der nicht titulierten Kapitalforderung von 428.953,03 EUR für drei Jahre, sowie Verfahrenskosten von insgesamt 27.865,80 EUR. Sie legte mit ihrer (neuen) Forderungsanmeldung vom 5. März 2019 insbesondere den Kreditvertrag vom 3. April 1992, die Pfandbestellungsurkunde, einen Beleg über die Zuzählung des Kredits in Höhe von 15.000.000 ATS am 8. April 1992 sowie Kontoabschriften (nur) für den Zeitraum 31. Dezember 1996 bis 31. Dezember 1998 und 30. September 2002 bis 31. Dezember 2015 vor. In der Folge ergänzte sie diese Urkundenvorlage mit Schriftsatz vom 22. März 2019 um eine – vier Seiten umfassende – firmenmäßig gefertigte „Kontoabschrift […] von 08. 04. 1992 bis 25. 03. 2019“, in der sie ua erklärte, dass diese Urkunde sämtliche Kontobewegungen seit Kontoeröffnung zeige. Sie brachte dazu vor, dass Kontobewegungen über lange Zeiträume nicht vorhanden gewesen wären, erst mit dem Eingang des Meistbots aus der Verwertung der Simultanhypothek habe eine Saldoreduktion stattgefunden. Nach Bestreitung der Richtigkeit der Kontoabschrift durch die Verpflichtete brachte die Betreibende vor, es sei ihr infolge der langen Prozessdauer von knapp 30 Jahren und aufgrund mehrerer EDV-Umstellungen nicht möglich, einen kontinuierlichen EDV-Ausdruck über das Konto zu erstellen. Die vorgelegte Aufstellung bescheinige jedoch ihre angemeldete Forderung. Kapitaltilgungen ergäben sich auch nicht aus den von der Verpflichteten vorgelegten Urkunden.

In der zuletzt vorgelegten Kontoabschrift ist für den 8. April 1992 und danach durchgehend bis zum 10. Dezember 2014 (Tag des Eingangs des der Betreibenden in einem anderen Zwangsversteigerungsverfahren zugewiesenen Meistbots von 445.020,98 EUR) eine Kreditaushaftung von 15.000.000 ATS bzw 1.090,092,51 EUR ausgewiesen; der durch den Zahlungseingang vom 10. Dezember 2014 auf 645.071,53 EUR reduzierte Debetsaldo erhöhte sich durch per 6. Oktober 2015 verbuchte Gerichtskosten von 1.900 EUR auf eine (bis 25. März 2019 unveränderte) Aushaftung in Höhe von 646.971,53 EUR.

Die Verpflichtete erhob Widerspruch gegen eine die titulierte Forderung übersteigende Zuweisung an die Betreibende.

Das Erstgericht wies der Betreibenden aus dem Kapitalbetrag des Meistbots von 810.000 EUR auf das zu ihren Gunsten einverleibte Höchstbetragspfandrecht von 24.000.000 ATS – unter Abweisung des Mehrbegehrens – nur 424.617,84 EUR (tituliertes Kapital, titulierte Zinsen von [nur] 139.350,16 EUR zuzüglich 20 % USt, Titelkosten von 22.986,95 EUR sowie Kosten des Exekutionsverfahrens von insgesamt 16.392,20 EUR) sowie die anteiligen Meistbots- und Fruktifikatszinsen zu; den Meistbotsrest und die restlichen Zinsen wies es der Verpflichteten zu. Mangels Vorlage einer an die Verpflichtete gerichteten und von dieser unwidersprochen gebliebenen Saldomitteilung sei die Betreibende gemäß § 210 EO verpflichtet gewesen, ihre Ansprüche durch eine Aufstellung über die Kontobewegungen in Verbindung mit dem Kredit- und Pfandbestellungsvertrag urkundlich nachzuweisen. Nach ihrem eigenen Vorbringen sei sie jedoch nicht in der Lage, eine vollständige Aufstellung sämtlicher Kontobewegungen vorzulegen. Die Unrichtigkeit der vorgelegten Aufstellung ergebe sich schon aus den von der Verpflichteten vorgelegten Kontoauszügen, deren Echtheit und Richtigkeit die Betreibende gar nicht bestritten habe. Die Forderungsanmeldung der Betreibenden erweise sich daher als iSd § 210 EO zum Nachweis der über die betriebene Forderung hinausgehenden Forderung untauglich, sodass der Betreibenden nur ihre titulierte Forderung zugewiesen werden könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es der Betreibenden das gesamte Meistbot (und die gesamten Meistbots- und Fruktifikatszinsen) zuwies, und zwar 447.670,42 EUR zur gänzlichen Tilgung der titulierten Forderung und die restlichen 362.329,58 EUR zur teilweisen Tilgung der nicht titulierten Kapitalforderung, während es die Verpflichtete mit ihrem Widerspruch auf den Rechtsweg verwies. Dem Erstgericht sei zwar darin beizupflichten, dass die von der Betreibenden zuletzt vorgelegte „Kontoabschrift“ bei Berücksichtigung der von der Verpflichteten mit ihrem Widerspruch vorgelegten Kontoauszüge in einzelnen Punkten unrichtig sei. Bei der inhaltlichen Richtigkeit einer Urkunde handle es sich jedoch um eine strittige Tatsachenfrage, die nur mit Mitteln der Beweiswürdigung zu lösen und daher nicht im Meistbotsverteilungsverfahren zu klären sei. Es sei daher aufgrund der firmenmäßigen Unterfertigung der zuletzt vorgelegten Kontoabschrift von deren Richtigkeit auszugehen, weshalb die Verpflichtete mit ihrem Widerspruch auf den Rechtsweg verwiesen werden müsse

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob eine nachträglich angefertigte firmenmäßig gezeichnete Kontoabschrift trotz zugestandenen Fehlens lückenloser Kontoaufzeichnungen vollen Beweis für den Bestand der angemeldeten Forderung mache und ob aus von der Betreibenden errichteten, der Richtigkeit nach nicht ausdrücklich bestrittenen bzw von ihr selbst vorgelegten Urkunden abgeleitete Bedenken gegen die Richtigkeit der vorgelegten Kontoabschrift bereits im Meistbotsverteilungsverfahren zu berücksichtigen seien.

Der Revisionsrekurs der Verpflichteten, mit dem sie sich nur gegen die Zuweisung des restlichen Meistbots zur teilweisen Tilgung der nicht titulierten (Kapital-)Forderung der Betreibenden wendet, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die zur Meistbotsverteilung angemeldeten Ansprüche sind gemäß § 210 EO durch Urkunden nachzuweisen, wenn sie nicht aus dem Grundbuch oder den Exekutionsakten entnommen werden können.

Damit soll dem Verpflichteten und den nachrangigen Pfandgläubigern die Prüfung der Frage ermöglicht werden, ob in der Forderungsanmeldung der vom Schuldner als Darlehen oder Kredit in Anspruch genommene Betrag in richtiger Höhe enthalten ist, ob die Zinsen richtig berechnet wurden und ob auch alle Tilgungszahlungen berücksichtigt sind (

RS0021968 [T2]).

1.2. Zum Nachweis einer durch eine Höchstbetragshypothek besicherten Kreditforderung ist, sofern der Pfandgläubiger – wie hier die Betreibende – nicht iSd § 211 Abs 5 EO über eine vom Verpflichteten unwidersprochen gebliebene Saldomitteilung verfügt, die Vorlage einer (wenngleich nachträglich angefertigten) Aufstellung (eines Computerausdrucks) über die Kontobewegungen samt Kredit- und Pfandbestellungsvertrag erforderlich (

RS0021968); Belege über die dem Schuldner gezahlten Beträge und die zur Tilgung der Schuld geleisteten Zahlungen müssen hingegen nicht vorgelegt werden, weil der Nachweis der Tilgungszahlungen jedenfalls Sache des Schuldners ist (3 Ob 151/94,

3 Ob 2019/96z). Die bloße Vorlage einer Saldenbestätigung, aus der sich zwar der beanspruchte Zinsfuß, nicht aber auch ergibt, in welcher Höhe der Kredit zugezählt bzw ausgenützt wurde und ob Tilgungszahlungen erfolgten, reicht allerdings nicht aus (3 Ob 36/97h;

RS0021968 [T1]).

2. Hängt die Berücksichtigung einer zur Meistbotsverteilung angemeldeten Forderung davon ab, ob der Bestand oder der Rechtsübergang durch Urkunden nachgewiesen wird, so muss das Exekutionsgericht – unabhängig davon, ob ein Widerspruch erhoben wurde – von Amts wegen prüfen, ob der Nachweis erbracht ist. Ist der Nachweis aufgrund der vom Anmeldenden vorgelegten Urkunden als erbracht anzusehen, so ist die Forderung nach Maßgabe der Verteilungsmasse durch Zuweisung zu berücksichtigen. In diesem Fall kann mit Widerspruch geltend gemacht werden, dass der Inhalt der Urkunden unrichtig ist (3 Ob 23/18f mwN =

RS0003104 [T6]). Im Verteilungsbeschluss darf nur dann über den Widerspruch entschieden werden, wenn ausschließlich Rechtsfragen zu lösen sind.

Hängt die Entscheidung hingegen von der Ermittlung und Feststellung streitiger Tatsachen – etwa der Zahlung oder Tilgung von Schulden – ab, ist die Erledigung des Widerspruchs gemäß § 231 Abs 1 EO im Verteilungsbeschluss auf den Rechtsweg zu verweisen.

Streitige Tatsachen dürfen im Verteilungsbeschluss auch dann nicht festgestellt werden, wenn sie sich und damit die Gründe des Widerspruchs mit den Mitteln des Exekutionsverfahrens klären ließen, also die zur Entscheidung hinreichenden (Urkunden-)Beweise in der Verteilungstagsatzung aufgenommen werden könnten (

RS0003256 [T1]).

3. Das Rekursgericht hat die von der Betreibenden vorgelegten Urkunden im Ergebnis zu Recht als – vorbehaltlich der im Rechtsweg zu treffenden Entscheidung über den Widerspruch der Verpflichteten – zur Bescheinigung der angemeldeten Forderung geeignet und ausreichend beurteilt:

3.1. Bei der vom Rekursgericht aufgezeigten Divergenz zwischen der Kontoabschrift und dem von der Verpflichteten vorgelegten (von der Betreibenden ausgestellten) Kontoauszug vom 8. April 1992, der einen Anfangssaldo von – 320 ATS und einen aus der „Einbuchung Kreditvaluta“ resultierenden Debetsaldo von 15.000.320 ATS – also um 320 ATS mehr als die mit Schriftsatz vom 22. März 2019 vorgelegte Kontoabschrift – ausweist, handelt es sich, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, um die im im Meistbotsverteilungsverfahren nicht zu klärende Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Kontoabschrift. Gleiches gilt für den in der Rekursentscheidung angeführten Umstand, dass sich aus der von der Betreibenden mit dem Schriftsatz vom 5. März 2019 vorgelegten Kontoabschrift für den Zeitraum 30. September 2002 bis 31. Dezember 2015 per 6. Oktober 2015 kurzfristig eine um knapp 5 EUR höhere Aushaftung ergibt als in der zuletzt vorgelegten Kontoabschrift ausgewiesen. An dieser Beurteilung kann auch der Umstand nichts ändern, dass die mit dieser Kontoabschrift in Widerspruch stehenden Urkunden von der Betreibenden selbst ausgestellt wurden.

3.2. Anderes könnte grundsätzlich für das im Revisionsrekurs ins Treffen geführte Zugeständnis der Betreibenden in der Meistbotsverteilungstagsatzung vom 10. Mai 2019 gelten, nicht mehr über lückenlose Kontounterlagen zu verfügen. Dieses Vorbringen, das mit der in der zuletzt vorgelegten Kontoabschrift enthaltenen Erklärung, darin seien sämtliche Kontobewegungen enthalten, nicht leicht in Einklang zu bringen ist, ist nämlich abstrakt geeignet, die vom Pfandgläubiger zur Bescheinigung seiner angemeldeten Forderung vorgelegte Urkunde (Kontoabschrift) zu „entwerten“, was entsprechend der oben in Punkt 2. wiedergegebenen Rechtsprechung bereits im Meistbotsverteilungsverfahren und nicht erst im Verfahren über den Widerspruch der Verpflichteten zu berücksichtigen wäre. Aufgrund folgender Umstände ist dies hier aber nicht der Fall:

3.2.1. Der Verpflichteten ist zwar zuzugestehen, dass im Normalfall eine bloß vier Seiten umfassende „Kontoabschrift“ für einen Zeitraum von immerhin knapp 27 Jahren, die keine Zinsen und Spesen beinhaltet und zumindest für manche Zeiträume (insbesondere von April 1992 bis Ende 1996 und von 1. Jänner 1999 bis 29. September 2002) schon aufgrund des eigenen Vorbringens der Betreibenden offensichtlich lediglich rekonstruiert ist, den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an eine vollständige Darstellung der Kontobewegungen nicht genügen wird.

3.2.2. Der vorliegende Fall ist jedoch durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass die Kreditzinsen (und offenbar auch Spesen) nach dem Vorbringen der Betreibenden in der Forderungsanmeldung bankintern auf einem anderen Konto des Kreditnehmers verbucht wurden, sodass es nicht verwundern kann, dass die zuletzt vorgelegte Kontoabschrift – übrigens im Einklang mit den mit der Forderungsanmeldung vom 5. März 2019 vorgelegten Kontoabschriften (mit Ausnahme der offenbar irrigen, sogleich stornierten Buchung „Kostenersatz Duplikatsbeleg“ am 6. Oktober 2015) – keine solchen Kontobewegungen aufweist.

3.2.3. Die Betreibende hat in ihrer Forderungsanmeldung außerdem erklärt, dass keinerlei Kapitalrückzahlungen durch den Kreditnehmer erfolgt seien. Dieses Vorbringen hat sie auch im Rahmen ihres oben wiedergegebenen Zugeständnisses nicht relativiert. Im Einklang damit ergibt sich aus den ursprünglich vorgelegten Kontoabschriften, dass der Kredit bis zum 10. Dezember 2014 in voller Höhe aushaftete. Vor diesem Hintergrund kann aber das Eingeständnis der Betreibenden, den Kontoverlauf (insbesondere für die Anfangsjahre des Kreditverhältnisses) nicht lückenlos dokumentieren zu können, nicht zur Beurteilung führen, die zuletzt vorgelegte Kontoabschrift sei von vornherein zur Bescheinigung der angemeldeten Forderung ungeeignet.

4. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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