OGH 6Ob166/19h

OGH6Ob166/19h20.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin A***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin d***** d***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Dyck, Dr. Christine Monticelli, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Bucheinsicht, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 4. Juli 2019, GZ 6 R 73/19a‑22, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 3. Mai 2019, GZ 24 Fr 6841/18w‑16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00166.19H.0220.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wieder hergestellt wird. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist zu 32 %, die d***** Verwaltungsgesellschaft mbH zu 68 % Gesellschafterin der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin erwarb ihre Gesellschaftsanteile an der Antragsgegnerin im Jahr 1981. Anlässlich des Eingehens dieser seither unveränderten Beteiligung wurden der Antragstellerin maßgebliche Kontrollrechte gewährt. Insbesondere ist für die Beschlussfassung über den jährlichen Investitionsplan, sofern darin Investitionen enthalten sind, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt, eine Drei-Viertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Die Antragsstellerin ist eine Konzerngesellschaft des S*****-Konzerns, dessen Gesellschaften in Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Ungarn und bis 2015 auch in Tschechien Lebensmitteleinzelhandelsfilialen betreiben. Das Sortiment an Drogerieprodukten macht lediglich einen geringfügigen Teil des Gesamtsortiments der Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte aus.

Die Antragsgegnerin ist 100 %-Gesellschafterin von insgesamt zehn Tochtergesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie und ihre Tochtergesellschaften bilden im d*****-Konzern den Teilkonzern Österreich. Sie betreibt in Österreich und in den verbundenen Ländern ein weit verzweigtes Filialhandelsunternehmen, zu dessen Sortiment im Wesentlichen Drogerie- und Haushaltsartikel, Säuglings- und Kindernahrung, biologische Lebensmittel und Tiernahrung gehören.

Die Antragstellerin begehrt mit Antrag vom 8. 10. 2018, ausgedehnt mit Schriftsatz vom 15. 1. 2019, der Antragsgegnerin aufzutragen,

1. die an die K***** GmbH Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft (künftig: K*****) übermittelten Daten zum Posten Betriebs- und Verwaltungsaufwand aus den Management Reportings per 31. 5. 2018 und 30. 9. 2018 freizugeben und

2. zu den im Antrag beschriebenen Untergliederungen der aggregierten Gewinn- und Verlustrechnung aus den Management Reportings per 31. 5. 2018 und 30. 9. 2018 jeweils eine aggregierte Darstellung von Aufwandsarten (Salden) per 31. 5. 2018 und 30. 9. 2018 zu übermitteln, dies ohne Ertrags- oder Kosteninformationen auf Ebene einzelner Artikel und Artikelgruppen.

Sie bringt vor, sie habe im Juni 2018 von der Antragsgegnerin Bucheinsicht in im Einzelnen bezeichnete Unterlagen begehrt und mit der Durchführung der Einsicht die K***** beauftragt. Diese habe der Antragsgegnerin zusagen müssen, Zahlenmaterial nur nach vorheriger Freigabe durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin weiterzugeben.

Im Zuge der Bucheinsicht sei der K***** (anstelle des nicht erstellten Zwischenabschlusses der Antragsgegnerin per 31. 5. 2018) eine aggregierte Gewinn- und Verlustrechnung aus dem Management Reporting per 31. 5. 2018 übergeben worden. Die K***** habe in der Folge um eine weitere Aufgliederung bestimmter darin enthaltener Positionen ersucht, um ein tieferes Verständnis für die ausgewiesenen Verluste zu erlangen. Dies sei ihr mit dem Hinweis auf das Kartellrecht verwehrt worden. In dem von der K***** der Antragstellerin übermittelten Bericht über die Bucheinsicht sei über Aufforderung durch die Antragsgegnerin ein Großteil der in der Detailanalyse enthaltenen Zahlen geschwärzt worden, wodurch der Bericht keine Aussagekraft habe. Die Antragsgegnerin habe die Freigabe der Daten verweigert.

Der Informationsanspruch müsse zwar nicht näher begründet werden, es bestünden aber Gründe, die die Bucheinsicht rechtfertigten. So habe die durchgeführte Einsicht ergeben, dass Investitionen in einer Höhe getätigt worden seien, die vom Gesellschaftsvertrag und der Beschlussfassung in der Generalversammlung nicht gedeckt seien. Im Weiteren gehe es der Antragstellerin um die Wahrnehmung ihrer Rechte im Zusammenhang mit dem Kundenbindungsprogramm „P*****“, dessen Einführung mit einem von der Antragstellerin angefochtenen Generalversammlungsbeschluss beschlossen worden sei. Die Ergebnisse der Bucheinsicht deuteten nämlich darauf hin, dass die Einführung dieses Programms einen deutlichen Verlust bewirkt habe. Darüber hinaus stehe dem von der Antragstellerin in den Aufsichtsrat entsandten Mitglied für Einzelinvestition in einem 1 Million EUR übersteigenden Umfang ein Sonderzustimmungsrecht zu. Um dieses ausüben zu können, müsse die Antragstellerin die Höhe aller Investitionen einsehen können. Schließlich habe bereits die reduziert zugelassene Bucheinsicht einen nicht nachvollziehbaren Verlust ergeben. Die Antragstellerin habe ein legitimes Interesse an einer Rendite, die der Ertragskraft der Antragsgegnerin entspreche, und müsse auch deshalb die zur ordnungsgemäßen Buchhaltung und Bilanzierung der Antragsgegnerin erforderlichen Unterlagen einsehen können.

Wettbewerbsrechtliche Bedenken stünden der begehrten Bucheinsicht nicht entgegen. Selbst ein – bestrittenes – Wettbewerbsverhältnis stehe der Bucheinsicht nur dann entgegen, wenn die Antragstellerin ihr Recht missbräuchlich ausübe. Das sei hier nicht der Fall. Die begehrte Bucheinsicht sei auch nicht kartellrechtlich unzulässig, weil keine Ertrags- oder Kosteninformationen auf Ebene einzelner Artikel oder Artikelgruppen verlangt würden, sondern lediglich eine aggregierte Darstellung einzelner Budgetposten zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Geschäftsführung und zur Beantwortung der dargestellten offenen Fragen.

Die Antragsgegnerin entgegnete, es gehe der Antragstellerin in Wahrheit nicht um die Prüfung von Investitionen und Kosten oder der Ertragslage, sondern ausschließlich um den Erhalt von für sie aus Wettbewerbsgründen interessanten Zahlen. Die Antragsgegnerin verwehre sich nur dagegen, dass wettbewerbs- und kartellrechtlich sensible Informationen an die Antragstellerin weitergegeben würden. Die Antragstellerin und sie stünden hinsichtlich der Warengruppen Drogerie- und Haushaltsartikel, Säuglings- und Kindernahrung, biologische Lebensmittel und Tiernahrung in einer Substitutionsbeziehung und damit in einem Wettbewerbsverhältnis. Dieses bestehe sowohl absatzseitig als auch im Einkauf sowie auf den Märkten etwa für Standorte und Mitarbeiter. Die Gesellschaft dürfe einem rechtsmissbräuchlichen Informationsanspruch eines Gesellschafters nicht nachkommen, was etwa dann der Fall sei, wenn der Gesellschafter die Information für ein Konkurrenzunternehmen verwenden wolle. Ein derartiger Austausch kartellrechtsrelevanter Informationen mit einem Wettbewerber falle unter die Verbote des § 1 KartG und des– hier anzuwendenden – Art 101 AEUV. Die Antragstellerin dürfe sich aus kartellrechtlichen Gründen auch nicht an der Beschlussfassung über den Investitionsplan der Antragsgegnerin beteiligen, weshalb die geforderten Informationen nicht erforderlich seien.

Gerade weil die Fusionskontrollverordnung auf den seinerzeitigen Zusammenschluss noch nicht anwendbar gewesen sei, gelte Art 101 AEUV uneingeschränkt. Dadurch sei die Antragstellerin in der Ausübung ihrer gesellschaftsrechtlichen Auskunfts- und Informationsrechte, aber auch in ihren Mitwirkungsrechten in wettbewerblich relevanten Fragestellungen beschränkt.

Sämtliche von der Antragstellerin begehrten Informationen beträfen „letztlich“ zentrale Parameter des kartellrechtlich geschützten Geheimwettbewerbs. Eine Offenlegung dieser Informationen ermögliche der Antragsgegnerin anhand „entsprechender Rechenmodelle“ leicht Rückschlüsse auf Preiskalkulation, Strategie und Marktverhalten der Antragsgegnerin. Soweit die Antragstellerin Informationen begehre, die im Zuge der Veröffentlichung der Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung zum Firmenbuch einzureichen seien, erübrige sich der Antrag mit der vorzunehmenden Veröffentlichung; die Antragstellerin wolle diese Daten in kartellrechtswidriger Weise zu früheren Zeitpunkten erlangen. Dass die begehrten Detaillierungen der einzelnen Ausgabenpositionen wettbewerbs- bzw kartellrechtlich sensibel seien, sei auch für betriebswirtschaftliche Laien offenkundig.

Zu den begehrten Untergliederungen bringt die Antragsgegnerin vor, globale oder aggregierte Informationen dürften im Einzelfall ausgetauscht werden, dies aber nur, sofern hiedurch die Konkurrenz keine für die Gesellschaft nachteiligen Rückschlüsse ziehen könne. Ein zuverlässiger Maßstab dessen, was konkurrierende Unternehmen austauschen dürften, ergebe sich daraus, was innerhalb von Marktinformationssystemen ausgetauscht oder nicht ausgetauscht werden dürfe. Unter diesen Gesichtspunkten sei die Weitergabe selbst aggregierter Zahlen in der begehrten Untergliederung unzulässig. Darüber hinaus erstattet sie Vorbringen zu den im Einzelnen begehrten Untergliederungen.

Die Antragstellerin trat diesem Vorbringen entgegen.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und behielt sich die Kostenentscheidung gemäß § 78 Abs 1 AußStrG bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vor. Es führte aus, die Einholung von Informationen sei für die Prüfung, ob dem Investitionsplan zugestimmt werden solle, notwendig. Daher könne von einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Informationsrechts keine Rede sein. Das Bucheinsichtsrecht der Antragstellerin sei darüber hinaus einer Verhaltenskontrolle nach Art 101 AEUV nicht zugänglich, weil es Folge des bereits 1981 rechtmäßig erfolgten Kontrollerwerbs der Antragstellerin und der damals erfolgten Strukturänderung der Antragsgegnerin sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und änderte die angefochtene Entscheidung im antragsabweisenden Sinn. Es ließ den Revisionsrekurs zu, weil es von der seit der Entscheidung 6 Ob 17/90 ständigen Rechtsprechung (RS0060098) abgehe.

Die Rechtsprechung anerkenne ein in richterlicher Rechtsfortbildung entwickeltes, über § 22 Abs 2 GmbHG hinausgehendes Individualrecht des GmbH-Gesellschafters auf Information. Dies sei in der Lehre auf Kritik gestoßen. Das Rekursgericht erachte einen „nicht näher zu begründenden“ Anspruch mangels korrekter methodischer Herleitung als unberechtigt. Es folge daher der Lehrmeinung von Gellis/Feil (GmbHG² [1982] § 22 Rz 11), wonach jede Ausdehnung des Informationsrechts über den positiv geregelten Fall hinaus abzulehnen sei. Die geltend gemachten Ansprüche seien aus näher ausgeführten Gründen nicht von § 22 Abs 2 GmbHG erfasst. Eine Auseinandersetzung mit Art 101 AEUV könne daher unterbleiben.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung zum Informationsrecht des GmbH‑Gesellschaftrs abgewichen ist. Er ist auch berechtigt.

A. Zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung steht dem GmbH-Gesellschafter ein allgemeiner, umfassender Informationsanspruch gegen die Gesellschaft zu (RS0060098; 6 Ob 17/90). Dieser Informationsanspruch ist nicht näher zu begründen (RS0060098 [T1]), das heißt, die Ausübung des Informationsrechts bedarf nicht der Dartuung einer Begründung durch den Gesellschafter.

1.2. Dieser Informationsanspruch geht über das im Gesetz geregelte Bucheinsichtsrecht gemäß § 22 Abs 2 GmbHG hinaus (6 Ob 215/97d; 6 Ob 210/99x je mwN). Er umfasst grundsätzlich alle Angelegenheiten der Gesellschaft (RS0105318 [T1, T3]) und steht jedem Gesellschafter als Individualrecht zu (6 Ob 17/90; RS0060098). Dieser Anspruch gründet im Gesellschaftsverhältnis und dient der Wahrung der aus der Gesellschafterstellung erfließenden Rechte (vgl RS0105318 [T1]), so auch der Vermögensrechte des Gesellschafters (6 Ob 18/91): Bei der GmbH unterliegen nicht nur die (in § 22 Abs 2 GmbHG angesprochene) Prüfung und Genehmigung des Jahresabschlusses, sondern auch die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung der Beschlussfassung durch die Gesellschafter. Sollen die Gesellschafter diese Prüfungs- und Leitungsaufgaben sachgerecht wahrnehmen, so erfordert dies die umfassende Information über alle Angelegenheiten der Gesellschaft (vgl 6 Ob 17/90; RS01035318 [T1]).

1.3. Die Annahme eines über § 22 Abs 2 GmbHG hinausgehenden Informationsanspruchs des einzelnen Gesellschafters steht mit Teilen der Literatur im Einklang (Reich‑Rohrwig, Spezielle Fragen der Bucheinsicht und der Sonderprüfung bei der GmbH, JBl 1987, 364 [366 ff]; Thiery, Anm zu 6 Ob 17/90, ecolex 1991, 27 f; Grünwald, Grenzen des allgemeinen Informationsrechts des GmbH-Gesellschafters, ecolex 1991, 245; vgl A. Harrer, Zum Missbrauch des Informationsanspruchs im Recht der GmbH, GES 2015, 263 [266]).

Es wurde aber auch Kritik an der methodischen Ableitung geübt (Koppensteiner in FS Kastner [1992] 229 ff; Geist, Allgemeines Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters?, ÖJZ 1993, 643 [646, 651]; H. Torggler, Zum Informationsrecht des Kommanditisten, GesRZ 1994, 102 [106]; Nowotny, Zum Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters, RdW 1997, 54; vgl Mollnhuber/Suesserott in U. Torggler, GmbHG § 22 Rz 26 [Stand 1. 8. 2014]; Kalss, Das Informationsrecht des Gesellschafters einer österreichischen GmbH im Lichte der Judikatur des Obersten Gerichtshofs, GmbHR 1994, 862 [863]; vgl die Nw bei Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 22 Rz 36 f; differenzierend die eigene Ansicht bei Rz 38). Anerkannt wird allerdings durchwegs ein Informationsrecht aus besonderem Anlass, etwa im Fall des Verdachts von Unredlichkeiten in der Geschäftsführung (Reich‑Rohrwig, Zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters, ecolex 1992, 334 [335]; Geist, ÖJZ 1993, 641 [647, 649 f]; vgl OLG Frankfurt 20 W 364/92 GmbHR 1995, 904).

1.4. In den nach In-Kraft-Treten des GesbR-Reformgesetzes (BGBl I 2014/83) mit 1. 1. 2015 publizierten Stellungnahmen wurde diese Kritik jedoch durchwegs nicht mehr geäußert bzw ausdrücklich nicht mehr aufrecht erhalten. Vielmehr werden §§ 1194 iVm 1175 Abs 4 ABGB (idF des GesbR‑RG) als positive Grundlage (Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² [2017] Rz 2/21; dies, Ausgewählte Fragen zum Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters, GesRZ 2017, 15) oder zumindest „angemessene Korrekturgrundlage“ für die Begründung eines umfassenden, individuellen Informationsanspruchs des GmbH-Gesellschafters im Sinn der ständigen Rechtsprechung angesehen (Koppensteiner, Die GesbR neuer Prägung und der allgemeine Teil des Gesellschaftsrechts, wbl 2015, 301 [306:]; Artmann/Haglmüller in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1194 ABGB Rz 47; vgl A. Harrer, Zum Missbrauch des Informationsanspruchs im Recht der GmbH, GES 2015, 263 [266]).

1.5. Soweit das Rekursgericht der von Gellis in der zweiten Auflage seines Kommentars zum GmbHG (1982, § 22 GmbHG Rz 11) vertretenen Rechtsansicht folgt, genügt es, darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof der dort geäußerten Auffassung bereits in der Entscheidung 6 Ob 17/90 ausdrücklich nicht gefolgt ist und diese in der aktuellen 7. Auflage des Kommentars (Gellis/Feil, GmbHG7 [2009] § 22 Rz 14 f) nicht mehr vertreten wird.

1.6. Ausgehend von der breiten Zustimmung der aktuellen Lehre, die vor dem Hintergrund der mit dem GesbR‑RG novellierten Rechtslage der ständigen Rechtsprechung zustimmt, sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, von der dargestellten ständigen Rechtsprechung zum Informationsrecht des GmbH‑Gesellschafters abzugehen (dies offen lassend noch 6 Ob 198/12d).

2. Das Informationsrecht des GmbH‑Gesellschafters besteht nicht unbeschränkt.

2.1. Die Gesellschaft darf die begehrte Information verweigern, wenn die Informationserteilung einem gesetzlichen Verbot zuwider liefe (6 Ob 18/91) oder der Informationsanspruch rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird (6 Ob 198/12d; 6 Ob 128/16s mwN).

2.2. Gegen ein gesetzliches Verbot kann die Informationsgewährung etwa dann verstoßen, wenn ein konkurrierender Gesellschafter die Einsicht in wettbewerbsrelevante Informationen begehrt, sofern darin eine Verletzung des Kartellverbots liegt (vgl Edelmann/Nayer in Foglar‑Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher‑Summer, GmbHG [2017] § 22 Rz 39).

2.3. Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, bzw wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht (6 Ob 198/12d = RS0107752 [T8]; RS0026271 [T24]; RS0026265 [T13]). Die Inanspruchnahme des Individualrechtes des Gesellschafters auf Information ist auch dann rechtsmissbräuchlich, wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden (RS0107752; vgl 6 Ob 18/91).

2.4. Ein Fall des Rechtsmissbrauchs durch Verfolgung gesellschaftsschädigender Interessen kann insbesondere dann verwirklicht sein, wenn ein Gesellschafter sein Informationsrecht zum Zweck der Erlangung wettbewerbsrelevanter Informationen zugunsten eines Konkurrenzunternehmens ausübt.

So wurde der Rechtsmissbrauch in einem Fall bejaht, in dem der (ausscheidende) Gesellschafter die Erlangung von Geschäftsinformationen anstrebte, die er für sein Konkurrenzunternehmen verwenden wollte. Konkret ging es um Unterlagen zu zwei Kunden der Gesellschaft, zu denen der Gesellschafter (behauptetermaßen) selbst Geschäftsbeziehungen aufgenommen hatte (6 Ob 215/97d).

2.5. In der Lehre wird vertreten, dass auch der Gesellschafter, der Konkurrent ist, in der Lage sein müsse, sich die für seine Stimmrechtsausübung in der Generalversammlung erforderlichen Informationen zu beschaffen. Allerdings sei ihm der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Informationen untersagt (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 22 Rz 29 mwN; Koppensteiner in FS Kastner 229 [236]). Auch Temmel (in Gruber/Harrer, GmbHG § 22 Rz 41) schränkt die Verweigerung des Bucheinsichtsrechts gegenüber einem Gesellschafter, der in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zur Gesellschaft steht, auf wettbewerbsrelevante Unterlagen ein.

2.6. Die Verweigerung des Bucheinsichtsrechts wegen zu erwartenden Missbrauchs setzt zudem voraus, dass nicht nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefährdung bestehe, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Missbrauch der erlangten Informationen und dadurch eine schwerwiegende Schädigung der GmbH erwarten lassen (Reich‑Rohrwig, ecolex 1992, 334 [335] in Anlehnung an § 51a dGmbHG).

2.7. Dem betroffenen Gesellschafter verbleibe die Möglichkeit, einen (ihm gegenüber) zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen einzuschalten, der das Einsichtsrecht für ihn ausübt und ihm dann sein Urteil über die Einsicht mitteilt, ohne über Details und Inhalte bezüglich der Verträge und Unterlagen zu berichten (Edelmann/Nayer in Foglar‑Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG [2017] § 22 Rz 39; vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 22 Rz 29 mwN).

2.8. Die Gesellschaft, die sich auf ein Informationsverweigerungsrecht wegen Rechtsmissbrauchs des Gegners stützt, trägt dafür die Behauptungs- und Beweislast (6 Ob 10/99x; RS0107752 [T11] = 6 Ob 128/16s). Sie hat konkrete Behauptungen sowohl zur Gefährdung als auch zur Wettbewerbsrelevanz der strittigen Geschäftsunterlagen, in die Einsicht genommen werden soll, aufzustellen (6 Ob 210/99x; vgl 6 Ob 18/91).

3.1. Nach § 51a Abs 2 dGmbHG dürfen die Geschäftsführer die Auskunft und Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Die Verweigerung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter.

3.2. Der Verweigerungsgrund setzt sohin zweierlei voraus: die Besorgnis, dass der Gesellschafter die Information zu gesellschaftsfremden Zwecken verwendet, und die Besorgnis, dass der GmbH dadurch ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt wird (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH‑Gesetz20 § 51a Rz 35). Die Besorgnis ist nur dann begründet, wenn die konkrete Gefahr einer gesellschaftsfremden Verwendung der Information besteht, das heißt, nach objektiv vorliegenden Tatsachen wahrscheinlich ist (Böhm in Münchener Handbuch des Gesellchaftsrechts5 § 33 Rz 21; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz20 § 51a Rz 35). Hauptanwendungsfall ist die Ausnutzung der erlangten Information für ein Konkurrenzunternehmen (Böhm in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts5 § 33 Rz 20 f; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz20 § 51a Rz 36; Hillmann in MüKo GmbHG³ § 51a Rz 63). Allerdings dürfe auch ein Gesellschafter, der ein Konkurrenzunternehmen betreibe oder daran maßgeblich beteiligt sei, nicht gänzlich vom Informationsfluss der Gesellschaft abgeschnitten werden; die Gefahr der gesellschaftsfremden Verwendung müsse vielmehr für jede einzelne Information geprüft werden (Hillmann in MüKo GmbHG³ § 51a Rz 63).

3.3. Ein Verweigerungsgrund wurde etwa hinsichtlich der Gewährung von Einsicht in die Kalkulationsgrundlagen der Gesellschaft angenommen (OLG Karlsruhe 11 W 135/84, GmbHR 1985, 362), hinsichtlich des Jahresabschlusses hingegen grundsätzlich abgelehnt (BayObLG 3 Z BR 96/93 GmbHR 1999, 1296; OLG München 31 Wx 048/07 NZG 2008, 199]). Die nach § 51a dGmbHG relevanten Gesichtspunkte sind sohin – wie dargestellt – im österreichischen Meinungsstand bereits berücksichtigt.

 

B. Zum Kartellverbot

4. Die Antragsgegnerin steht auf dem Standpunkt, die Gewährung der begehrten Informationen widerspräche dem Kartellverbot und sei ihr daher verwehrt.

Das Kartellrecht „überlagere“ gesellschaftsrechtlich begründete Informationsrechte. Ein Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern – so auch zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft – verstoße gegen Art 101 AEUV, soweit er dazu diene, das Marktverhalten des anderen Unternehmens zu beeinflussen.

4.1. Der erkennende Senat hat bereits in einem die gleichen Gesellschaften betreffenden Rechtsstreit zu den Auswirkungen des Kartellverbots auf die Ausübung von Gesellschafterrechten durch die (hier:) Antragstellerin Stellung genommen (6 Ob 105/19p). Dort war zu beurteilen, ob die Teilnahme der Antragstellerin an der Abstimmung über einen Beschlussantrag über das Budget und den Investitionsplan der Antragsgegnerin kartell- und wettbewerbsrechtlich zulässig sei.

4.2. Auf die dortigen Ausführungen zum Kartellverbot, zum Begriff der Vereinbarung und der Verhaltensabstimmung, zum Wettbewerbsverhältnis, zum Konzernprivileg, zur Abgrenzung von Kartellrecht und Zusammenschlusskontrolle, zu gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen und zum intertemporalen Recht kann verwiesen werden. Im Einzelnen ist für den vorliegenden Fall auszuführen:

4.3. Die kartellrechtliche Prüfung hat im vorliegenden Fall anhand von Art 101 AEUV und nicht anhand von § 1 KartG zu erfolgen, weil sowohl d***** als auch die S*****-Gruppe in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind (6 Ob 105/19p Pkt 5.).

4.4. Ein Informationsaustausch kann nur dann nach Art 101 AEUV geprüft werden, wenn er eine Vereinbarung, eine abgestimmte Verhaltensweise oder einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung begründet oder ein Teil davon ist (Mitteilung der Kommission – Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl 2011 C 11/1 Rz 60, künftig: Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 AEUV).

4.5. Eine Vereinbarung liegt vor, wenn die Parteien ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (6 Ob 105/19p Pkt 6.2. mwN).

Derartiges wird von der Antragsgegnerin nicht behauptet. Ihr Vorbringen kann vielmehr nur dahin verstanden werden, dass sie eine abgestimmte Verhaltensweise darin sähe, der von der Antragstellerin an sie gerichteten Informationsanforderung nachzukommen.

4.6. Der Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweise ist eine Auffangregelung, die Formen der Verhaltenskoordinierung unterhalb von Vereinbarungen bzw Beschlüssen erfassen soll, die zu einem bewussten und gewollten Zusammenspiel zum Zwecke der Ausschaltung unternehmerischer Risken führen. Darunter kann auch der Informationsaustausch fallen.

Der Senat hat aber bereits zu 6 Ob 105/19p zu den auch hier beteiligten Gesellschaften ausgesprochen, dass auch bei der Prüfung einer Verhaltensabstimmung Strukturmaßnahmen im Allgemeinen keiner nachträglichen Prüfung nach Art 101 AEUV unterliegen (Pkt 7. mwN).

4.7. Hinsichtlich des Bestehens eines Wettbewerbsverhältnisses auf der Absatzseite gelangte der Senat zum Ergebnis, dass Drogeriefachmärkte untereinander in einem engen Wettbewerbsverhältnis stehen, während Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen und Drogeriefachmärkte entfernte Wettbewerber sind (6 Ob 105/19p Pkt 8.2.).

4.8. Im Weiteren wurde zum Bestehen eines einheitlichen Unternehmens zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin klargestellt, dass der Antragstellerin durch das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für Investitionen, deren gemeinsame Summe 2 % des Bruttoumsatzes des Vorjahres übersteigt, in einem entscheidenden Punkt negative Kontrolle zukommt. Der Antragsgegnerin verbleibt allerdings ein eigenständiger Handlungsbereich, innerhalb dessen sie im laufenden Geschäftsbetrieb frei von Weisungen der Antragstellerin agieren kann, sodass in diesem Fall das Konzernprivileg nicht anzuwenden ist (vgl 6 Ob 105/19p Pkt 9.17. bis 9.19).

5. Entscheidend hinsichtlich der Beurteilung der Ausübung von Gesellschafterrechten durch die Antragstellerin ist aber – wie bereits zu 6 Ob 105/19p ausgeführt – das Verhältnis von Kartellrecht und Zusammenschlusskontrolle.

5.1. Kartell- und Missbrauchsregeln kontrollieren das Marktverhalten; bei der Fusionskontrolle handelt es sich demgegenüber um eine Marktstrukturkontrolle. Zur Kartellaufsicht gehört nicht die Ausübung interner gesellschaftsrechtlicher Machtbefugnisse, etwa Satzungsänderungen oder Vorstandsbestellungen. Alle Marktwirkungen, die sich wesensnotwendig aus dem Zusammenschluss ergeben, sind von der „Freistellungswirkung“ der Fusionskontrollentscheidung erfasst. Die Prüfung eines Sachverhalts als Zusammenschluss schließt daher grundsätzlich die parallele Prüfung der für den Zusammenschluss tatbestandsmäßigen Sachverhaltselemente als Kartell aus (6 Ob 105/19p Pkt 10.2. bis 10.4. mwN).

5.2. Der Senat hat bereits die rechtlichen Auswirkungen dargelegt, die sich daraus ergeben, dass der Zusammenschluss zwischen der Antragstellerin und der d***** Verwaltungsgesellschaft mbH durch Gründung der Antragsgegnerin bereits im Jahr 1981, sohin zu einem Zeitpunkt stattfand, als weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene eine Fusionskontrolle existierte. Demnach ist die rückwirkende Anwendung von EU-Recht auf vor dem EU-Beitritt Österreichs erfolgte Zusammenschlüsse ausgeschlossen. Eine solche vom Unionsrecht gerade nicht gewollte nachträgliche Strukturkontrolle im Sinn eines Zusammenschlusskontrollersatzes darf auch nicht über den Umweg der Prüfung einzelner Kontrollausübungsmaßnahmen nach Art 101 AEUV erfolgen. Dies kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass zwar nicht die Begründung von Rechten, sondern nur deren „Wahrnehmung“ an Art 101 AEUV zu messen sei (6 Ob 105/19p Pkt 12).

5.3. Diese Erwägungen führten zu 6 Ob 105/19p zum Ergebnis, dass die dort zu beurteilende Ausübung der Einflussrechte der Antragstellerin in der Antragsgegnerin als Ergebnis der Erlangung gemeinsamer Kontrolle qualifiziert wurde, die grundsätzlich nicht Art 101 AEUV unterliegt. Die gesellschaftlichen Mitwirkungsrechte stellen demnach vielmehr einen Teil der strukturellen Verbindung zwischen den beteiligten Gesellschaften dar.

5.4. Diese Kontrollrechte stehen freilich nicht unbeschränkt zu, sondern nur im Rahmen dessen, was zur effektiven Wahrnehmung dieser Rechte notwendig ist (6 Ob 105/19p Pkt 12.10.).

 

C. Zur den geltend gemachten Informationsansprüchen

6. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass die Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte der Antragstellerin Ergebnis der Erlangung gemeinsamer Kontrolle im Jahr 1981 und daher im Rahmen ihrer effektiven Ausübung nicht an Art 101 AEUV zu messen ist.

7. Wie ausgeführt, dient der grundsätzlich umfassende, nicht näher zu begründende Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters der Wahrung seiner aus der Gesellschafterstellung erfließenden Rechte (vgl RS01035318 [T1]).

7.1. Die von der Antragsgegnerin vertretene Rechtsansicht, wonach die Antragstellerin bei der Beschlussfassung über den Investitionsplan der Antragsgegnerin stets – aus kartellrechtlichen Gründen – einem Stimmverbot unterliege, trifft nicht zu (6 Ob 105/19p). Dem Informationsanspruch der Antragstellerin kann daher nicht entgegen gehalten werden, die begehrten Informationen schon deshalb nicht zu benötigen, weil sie von der Teilnahme an der Beschlussfassung über strategische Entscheidungen hinsichtlich der Antragsgegnerin ohnehin ausgeschlossen wäre.

7.2. Zutreffend geht die Antragstellerin daher von einem grundsätzlich umfassenden Informationsanspruch aus. Die hier zu prüfende Grenze dieses Rechts liegt in der missbräuchlichen Geltendmachung der Informationsrechte durch die Antragstellerin, wofür – wie ausgeführt – die Antragsgegnerin behauptungs- und beweispflichtig ist.

8. Die Antragstellerin macht im vorliegenden Verfahren zwei (abgrenzbare) Informationsansprüche geltend: Erstens begehrt sie die Freigabe der bereits an die K***** übermittelten Daten zum Posten Betriebs- und Verwaltungsaufwand aus den Management Reportings zu den Stichtagen 31. 5. 2018 und 30. 9. 2018; zweitens strebt sie die Übermittlung einer aggregierten Darstellung von im Einzelnen angeführten Aufwandsarten (Salden) aus denselben Management Reportings an. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin handelt es sich bei den unter Punkt 2. begehrten Informationen um eine weitere Aufgliederung bestimmter im Management Reporting enthaltener Positionen.

8.1. Hinsichtlich des Begehrens auf Freigabe der der Wirtschaftstreuhänderin zur Verfügung gestellten Daten hat die Antragsgegnerin nicht konkret vorgebracht, um welche Daten es sich dabei handelt, ob (oder in welchem Umfang) diese mit den zum zweiten Punkt des Antrags begehrten Informationen deckungsgleich sind und worin deren Wettbewerbsrelevanz – die geeignet wäre, einen Rechtsmissbrauch seitens der Antragstellerin zu begründen – bestehe.

8.2. Aber auch hinsichtlich des zweiten Teils des Auskunftsbegehrens hat die Antragsgegnerin das krasse Missverhältnis zwischen ihren Geheimhaltungsinteressen und dem von der Antragsgegnerin verfolgten Informationsinteresse, aus dem die rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Informationsrechts der Antragstellerin folgen soll, nicht ausreichend dargetan.

8.3. Ausgangspunkt der Beurteilung im vorliegenden Fall ist, dass aggregierten Zahlen eine geringere Wettbewerbsrelevanz zukommt als Detailangaben. Dies ergibt sich daraus, dass aggregierte Zahlen nur mit Schwierigkeit Rückschlüsse auf individuelle unternehmensspezifische Daten zulassen (vgl Leitlinien zur Anwendbarkeit von Art 101 AEUV Rz 89; 16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b im Zusammenhang mit der Akteneinsicht im Kartellverfahren). Soweit sich die Antragsgegnerin gegen die Offenlegung aggregierter Zahlen gegenüber der Antragstellerin wendet, hat sie daher auch nachvollziehbar darzutun, inwiefern selbst den aggregierten, darüber hinaus auf die Vergangenheit bezogenen Zahlen noch wettbewerbsrelevante Informationen entnommen werden können. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass die begehrten Auskünfte jeweils nicht die Ertrags- und Kosteninformationen auf Ebene einzelner Artikel und Artikelgruppen umfassen und dass Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen und Drogeriefachmärkte auf der Absatzseite nur entfernte Wettbewerber sind.

8.4. Die pauschale, auf alle im Antrag angeführten Untergliederungen bezogene Behauptung der Antragsgegnerin, wonach aus den aggregierten Daten „anhand entsprechender Rechenmodelle“ Rückschlüsse auf ihre Preiskalkulation, ihre Strategie und ihr Marktverhalten gezogen werden könnten, ist zur Dartuung der Aussagekraft der aggregierten Zahlen nicht ausreichend, weil in keiner Weise ausgeführt ist, in welchem Detaillierungsgrad nach Ansicht der Antragsgegnerin ein Rückschluss auf individuelle Daten möglich sein soll.

8.5. Die Wettbewerbsrelevanz der im Zusammenhang mit der Aufgliederung der Umsatzerlöse (Punkt a) und der sonstigen Erträge (Punkt b) behaupteten „Rückschlüsse auf die Multi-Channel-Strategie“, auf den „Verhandlungserfolg bei der Industrie“, auf „die Eigenmarkenstrategie und deren Bedeutung“, auf „die wettbewerbsrelevanten Umsätze im stationären Einzelhandel“, auf „die Beschaffungssituation“, auf „sensible Konditionen und Informationen vom Beschaffungsmarkt“ und auf „wettbewerbsrelevante Industrierefundierungen“ ist jeweils nicht offenkundig. Die Behauptung, dass derartige, nicht näher konkretisierte „Rückschlüsse“ gezogen werden könnten, lässt die Möglichkeit der Nutzbarmachung der gewonnenen Informationen für das Unternehmen der Antragstellerin noch nicht erkennen (vgl 6 Ob 18/91 [Rückschlüsse zur Gewinnung von Marktanteilen]).

8.6. Dass Mieten und Standortnebenkosten ein relevanter Kostenfaktor sind, wie die Antragsgegnerin vorbringt, reicht ebenfalls nicht aus, um die Relevanz der begehrten aggregierten Daten für das wettbewerbliche Verhalten der Antragsstellerin darzutun. Dies gilt auch für die Aufgliederung des Werbeaufwands und die in diesem Zusammenhang behaupteten Rückschlüsse auf die Werbestrategie, die Multi-Channel-Strategie und „den Erfolg der Positionierung am Markt“. Auch hinsichtlich der Kosten für Transport und Versand wird lediglich darauf verwiesen, dass diese ein Teil der Produktkosten sind, ohne konkret darzutun, welche wettbewerbsrelevanten Schlüsse aus den aggregierten Daten gezogen werden könnten.

8.7. Es ist offenkundig, dass die Geltendmachung der Informationsrechte der Antragstellerin geeignet ist, der Ausübung ihrer Prüfungs- und Leitungsaufgaben sowie der Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu dienen. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin sind hingegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich vorgehe, indem sie ihre Rechte als Gesellschafterin in Wahrheit zu dem Zweck geltend mache, die erlangten Informationen zugunsten des S*****-Konzerns zu nutzen. Die Antragsgegnerin konnte nämlich nicht dartun, dass die begehrten aggregierten, nicht auf Artikel und Artikelgruppen bezogenen Informationen zur Nutzung zugunsten des wettbewerblichen Verhaltens der Antragstellerin geeignet wären.

Damit war die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

9. Der Kostenvorbehalt beruht auf der Entscheidung des Erstgerichts (§ 78 Abs 1 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte