OGH 1Ob227/19t

OGH1Ob227/19t21.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr.

 Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E*****, vertreten durch Dr. Ingrid Neyer, Rechtsanwältin in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde H*****, vertreten durch Mag. Manuel Dietrich, Rechtsanwalt in Hard, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR; in eventu wegen Feststellung), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. November 2019, GZ 4 R 172/19d‑17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 24. September 2019, GZ 8 Cg 47/19t‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00227.19T.0121.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung des auf Unterlassung der Errichtung einer Brücke im Bereich des sogenannten „D*****hafens“ gerichteten Klagebegehrens wendet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revisionsrekurs – soweit er sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung des auf Unterlassung der Errichtung einer Brücke im Bereich des sogenannten „B*****beckens“ gerichteten Klagebegehrens wendet – gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Unterlassung des Baus einer Brücke im Ein- und Ausfahrtsbereich des sogenannten „B*****beckens“ sowie einer weiteren Brücke im Bereich des „D*****hafens“ (dabei handelt es sich jeweils um Buchten des Bodensees). Hilfsweise wird die Feststellung begehrt, dass beide Brückenbauten unzulässig seien.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs zurück, weil sich der Kläger auf keine zivilrechtliche sondern ausschließlich auf eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage, nämlich auf das Recht der freien Schifffahrt bzw einen diesbezüglichen Gemeingebrauch, gestützt habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz hinsichtlich des auf den „D*****hafen“ bezogenen Klagebegehrens 5.000 EUR nicht übersteige und der Revisionsrekurs insoweit jedenfalls unzulässig sei. Soweit sich das Klagebegehren auf das „B*****becken“ beziehe, übersteige der Wert des Streitgegenstands zwar 30.000 EUR, der ordentliche Revisionsrekurs sei aber unzulässig, weil die Rekursentscheidung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Unzulässigkeit des Rechtswegs für Ansprüche aus einer Legalservitut entspreche.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand und damit einen einheitlichen zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096). Mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei sind (nur) zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen.

1.2. Der Kläger stützt seine beiden (jeweils Haupt- und Eventual‑)Begehren auf voneinander unabhängige Störungshandlungen, sodass – entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers – die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung nicht vorliegen, weshalb die Revisionsrekurszulässigkeit gemäß § 55 Abs 4 JN jeweils gesondert zu beurteilen ist. Die Ausführung, beide Projekte stünden „als Schiffahrthindernisse ... in einem rechtlichen Zusammenhang“, ist substanzlos. Da der Wert des auf den „D*****hafen“ bezogenen Streitgegenstands zweiter Instanz nach dem für den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindenden (vgl RS0042410) Bewertungsausspruch des Rekursgerichts 5.000 EUR nicht übersteigt, ist der Revisionsrekurs insoweit gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.

2.1. Der das „B*****becken“ betreffende zweitinstanzliche Streitgegenstand übersteigt nach dem Bewertungsausspruch des Rekursgerichts zwar 30.000 EUR, der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt dazu aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf.

2.2. Für die Zulässigkeit des

Rechtswegs sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens sowie der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher

Anspruch im Sinn des § 1 JN erhoben wurde, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben (RS0045584; RS0045718).

2.3. Der Kläger stützt sein Klagebegehren auf Art 2 des „Übereinkommens über die Schifffahrt auf dem Bodensee“ (BGBl Nr 632/1975), wonach die Schifffahrt unter Beachtung der in diesem Übereinkommen und in den Schifffahrtsvorschriften enthaltenen Bestimmungen für jedermann frei ist. Er behauptet einen Eingriff in den sich daraus ergebenden Gemeingebrauch (vgl dazu RS0082148) und leitet sein Begehren nicht etwa aus einem über den Gemeingebrauch hinausgehenden (Privat-)Recht (insbesondere nicht aus einer privatrechtlichen Servitut) ab. Nun belastet der Gemeingebrauch (vgl zu diesem Begriff RS0009757 [T4, T5]) ein Grundstück (hier: das Wasserbett eines Gewässers) zwar in ähnlicher Weise wie eine privatrechtliche Servitut (RS0009811), der Rechtsweg zur Geltendmachung von darauf gestützten (Unterlassungs‑)Ansprüchen (gleiches muss für auf die Unzulässigkeit eines Eingriffs in den Gemeingebrauch gerichtete Feststellungsbegehren gelten) ist nach ständiger Rechtsprechung jedoch verwehrt (

vgl RS0012140 [T1];

RS0009811).

2.4. Dass das Rekursgericht unter Berücksichtigung dieser Judikatur davon ausging, es bestehe keine Kompetenz der Gerichte zur Entscheidung über das ausschließlich auf eine Beeinträchtigung des in Art 2 des genannten Übereinkommens normierten Gemeingebrauchs gestützte Klagebegehren, begegnet keinen Bedenken. Soweit die Klageansprüche vom Kläger „ungeachtet des öffentlich-rechtlichen Charakters der Dienstbarkeit des Gemeingebrauchs“ als solche privatrechtlicher Natur qualifiziert werden, kommt es auf eine solche rechtliche Qualifikation ebensowenig an (vgl RS0045584 [T3, T27, T47, T63]) wie auf den Umstand, ob der Kläger eine Privatperson und der zu unterlassende bzw als unzulässig festzustellende Brückenbau im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt, weil sich auch daraus kein privatrechtlicher Anspruch ableiten lässt. Dass die Rechtsprechung zur Unzulässigkeit des Rechtswegs für die Geltendmachung von aus der Störung des Gemeingebrauchs abgeleiteten Ansprüchen nur für Straßen und Wege und nicht auch für den Gemeingebrauch an Gewässern gelten soll (vgl auch 1 Ob 193/01s zum Gemeingebrauch an einem [Abwasser‑]Kanal), begründet der Revisionsrekurswerber vor allem mit dem (unzutreffenden) Argument, dies ergebe sich schon aus seiner fehlenden Parteistellung in den mit dem Brückenbau zusammenhängenden Verwaltungsverfahren.

2.5. Ob das Interesse des Klägers am Gemeingebrauch der freien Schifffahrt ein subjektives öffentliches Recht und damit Parteistellung im Verwaltungsverfahren vermittelt oder (worauf § 102 Abs 2 WRG hindeutet) bloß die Stellung eines Beteiligten iSd § 8 AVG, spielt aber für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs keine entscheidende Rolle, ist es doch Sache des (Verwaltungsrechts-)Gesetzgebers, zu bestimmen, in welcher Form das (allgemeine) Interesse am Gemeingebrauch im Verwaltungsverfahren berücksichtigt wird. Auf die Ausführungen im Revisionsrekurs zur Frage der Durchsetzbarkeit eines (behaupteten) subjektiven (öffentlichen) Rechts auf Ausübung des Gemeingebrauchs der freien Schifffahrt muss daher nicht weiter eingegangen werden.

3. Da der Beklagten die Erstattung einer

Revisionsrekursbeantwortung nicht freigestellt wurde, steht ihr für die dennoch eingebrachte Rechtsmittelbeantwortung gemäß der analog anzuwendenden Bestimmung des § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatz zu (RS0124792).

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