OGH 1Ob193/01s

OGH1Ob193/01s22.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Zechner und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde G*****, vertreten durch Dr. Gernot Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Kraler Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Lienz, wegen Leistung und Unterlassung (Streitwert je 30.000 S) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 1. Juni 2001, GZ 4 R 197/01a‑15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 28. Februar 2001, GZ 2 C 1620/00a‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:0010OB00193.01S.1022.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.058,88 S (darin 676,48 S USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 5.500,80 S (darin 916,80 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Begründung:

 

Die wesentlichen Bestimmungen des hier noch maßgeblichen Tiroler Landesgesetzes vom 13. März 1985 über öffentliche Abwasserbeseitungsanlagen (Tiroler KanalisationsG 1985) LGBl 40 (TirKanalG 1985) lauten:

§ 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Gemeinden Tirols. ...

§ 3

Kanalisationspflicht der Gemeinden

Die Gemeinden haben für die Errichtung, den Betrieb und die Instandhaltung von öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen zu sorgen, durch die jedenfalls die im Bauland anfallenden Schmutzwässer beseitigt werden können. ...

§ 9

Anschlußpflicht, Anschlußrecht

(1) Anschlußpflichtig sind folgende Anlagen auf Grundstücke, die ganz oder teilweise im Anschlußbereich liegen:

a) Gebäude ...

§ 11

Anschlußbescheid

(1) Die Behörde hat innerhalb von sechs Monaten nach der Vorlage der nach § 9 Abs 4 erforderlichen Unterlagen die näheren Bestimmungen für den Anschluß der betreffenden Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage mit schriftlichem Bescheid festzulegen (Anschlußbescheid) festzulegen.

(2) Im Anschlussbescheid sind jedenfalls festzulegen: a) die Art, die Beschaffenheit und die Menge der Abwässer, die von der Anlage abgeleitet werden dürfen, b) die allenfalls erforderlichen Vorreinigungsanlagen, ...

§ 16

Betriebsvorschriften

(1) Der Eigentümer einer an eine öffentliche Abwasserbeseitungsanlage angeschlossenen Anlage hat ... b) Die Entwässerungsanlage so zu betreiben, daß den Erfordernissen einer unschädlichen und hygienisch einwandfreien Ableitung von Abwässern, die auch keine unzumutbare Geruchsbelästigung hervorruft, entsprochen wird. ...

§ 19

Behördliche Aufsicht

Die Behörde ist berechtigt, a) die an eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Anlagen daraufhin zu überprüfen, ob die Abwässer den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend abgeleitet werden, ...

§ 20

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

...

(4) Werden von einer an eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossenen Anlage Abwässer entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes abgeleitet, oder wird eine Entwässerungsanlage nicht den Erfordernissen nach § 16 Abs 1 lit b entsprechend betrieben, so hat die Behörde dem Eigentümer der Anlage die sofortige Unterlassung der unzulässigen Ableitung der Abwässer bzw. die sofortige Behebung der Mängel aufzutragen. Bei Gefahr in Verzug kann die Behörde die zur Behebung der Mängel erforderlichen Maßnahmen ohne vorausgegangenes Verfahren verfügen und auf Gefahr und Kosten des Eigentümers der betreffenden Anlage durchführen lassen...

§ 26

Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer ... g) wer einem Auftrag nach § 20 Abs 4 nicht nachkommt. ...

Die klagende Tiroler Gemeinde errichtete auf Grund des rechtskräftigen Wasserrechtsbescheids des Landeshauptmanns von Tirol vom 29. März 1995 eine wasser- und naturschutzrechtlich bewilligte öffentliche Ortskanalisation (im Folgenden nur Ortskanal). Nach Punkt III. Z 17 dieses Bescheids dürfen Anschlüsse an den Ortskanal nur vorgenommen werden, wenn hiefür die entsprechende Bewilligung nach dem TirKanalG 1985 vorliegt. Ein Kanalstrang führt aufgrund eines im Zuge des wasserrechtlichen Verfahrens mit den (damaligen) Grundeigentümern getroffenen und nach § 111 Abs 3 WRG beurkundeten Übereinkommens über die Einräumung einer Grunddienstbarkeit (Verlegung und Betrieb des Ortskanals) auch über ein näher bezeichnetes Grundstück (im Folgenden nur GSt), das der Beklagte mit Kaufvertrag vom 19. November 1998 erwarb.

Die klagende Partei erteilte dem Beklagten mit Bescheid vom 28. Dezember 1998 die baubehördliche Genehmigung für den Neubau eines Wochenendhauses (im Folgenden nur Haus) auf dem GSt. Laut Baubeschreibung "erfolgt" die Schmutzwasserbeseitigung in den Gemeindekanal. Die Baubewilligung enthält die Bedingung, dass "vor Baubeginn die einwandfreie rechtliche Sicherstellung der Wasserversorgung erfolgt" und dass der Bauwerber vor dem Baubeginn eine "zivilrechtliche Vereinbarung" mit den Nutzungsberechtigten an der vorgesehenen Wasserversorgungsanlage vorzulegen hat. 1999 nahm der Beklagte das Bauvorhaben in Angriff. Er ging dabei von einer gesicherten Wasserversorgung aus. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus der Urkundensammlung im Grundbuch; nach dem Kaufvertrag vom 8./22. Jänner 1974 besteht - gemeinsam mit weiteren Interessenten - ein Wasserableitungsrecht aus einem Wasserbassin auf einem anderen Grundstück, das noch eine weitere vertragliche Ausformung finden sollte.

Die klagende Partei nimmt zum Bauvorhaben den Standpunkt ein, der Beklagte habe es unterlassen, die im Baubescheid aufgetragene privatrechtliche Vereinbarung über die Wasserversorgung vorzulegen und untersagte daher eine weitere Bauführung, woran sich der Beklagte jedoch nicht hielt. Mit Schreiben vom 1. September 2000 suchte das vom Beklagten beigezogene Installationsunternehmen um die "Genehmigung des Anschlusses" an den Ortskanal an. Im Antwortschreiben vom 7. September 2000 teilte die klagende Partei mit, beim Neubau des Hauses handle es sich um ein noch nicht bewilligtes Bauvorhaben und der Anschluss an den Ortskanal daher könne von der Baubehörde nicht genehmigt werden.

Trotzdem ließ der Beklagte den Kanalanschluss herstellen. Daraufhin trug die klagende Partei dem Beklagten mit Schreiben vom 17. Oktober 2000 - ohne Erlassung eines formellen Bescheids - unter Hinweis auf die Strafbestimmung des § 26 Abs 1 TirKanalG 1985 auf, den Kanalanschluss gemäß § 20 Abs 4 TirKanalG 1985 zu entfernen und den gesetzmäßigen Zustand bei sonstiger Ersatzvornahme binnen drei Tagen herzustellen. Außerdem verfügte die klagende Partei mit - (noch) nicht rechtskräftigem - Bescheid vom 24. Oktober 2000 den Abbruch des Hauses.

Die klagende Partei begehrte nunmehr vom Beklagten 1.) die Unterlassung, Abwässer jeder Art, die im näher bezeichneten Haus anfallen, über den Ortskanal der klagenden Partei zu entsorgen, solange für das auf dem GSt errichtete Haus kein rechtskräftiger Anschlussbescheid nach den Bestimmungen des TirKanalG 1985 vorliege, sowie 2.) die Beseitigung des Kanalanschlusses zwischen dem Ortskanal und dem Haus und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, das heißt, des Ortskanals ohne Anschluss an das Haus auf dem GSt des Beklagten.

Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, der Beklagte maße sich ein Recht an dem im Eigentum der klagenden Partei stehenden Ortkanal, somit ein Recht an einer fremden Sache an, weshalb aus dem Titel des Privatrechts/Eigentumsrechts die Entfernung und die Unterlassung begehrt werde. Aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten bestehe die Gefahr, dass nicht nur rechtswidrig reguläre Abwässer, sondern auch andere Flüssigkeiten und Abfälle entsorgt würden, die dem Wasserhaushalt des Ortskanals und dem Kanalsystem nachhaltig und unwiederbringlich Schaden zufügen.

Das Erstgericht wies die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Das TirKanalG 1985 sehe keine eindeutige Regelung des Falls vor, dass ein Anrainer eigenmächtig einen im Regelfall erwünschten Kanalanschluss herstelle, ohne über einen Anschlussbescheid zu verfügen. Werde auf die Klagebehauptungen abgestellt, so lägen durchaus Anhaltspunkte für eine zivilrechtliche Zuständigkeit iSd Eigentumsfreiheit (§ 523 ABGB) vor. Darunter könnten auch das Unterlassungs- und das Wiederherstellungsbegehren eingeordnet werden. Im Übrigen schließe eine allfällige Möglichkeit der Herbeiführung einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde die gerichtliche Zuständigkeit für die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche nicht aus. Dass die Schmutzwasserbeseitigung laut Baubescheid in den Ortskanal zu erfolgen habe, sei bei der Prüfung der Rechtswegzulässigkeit nicht erheblich.

Das Rekursgericht hob das ab Zustellung der Klage abgeführte Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück: Nach der Bestimmungen des TirKanalG 1985 stünden dem Rechtsträger für die Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Abwasserbeseitigung, insbesondere im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Anschluss an eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage sowie mit dem Auftrag zur Unterlassung von unzulässigen Ableitungen (§ 16 Abs 1 lit a, § 20 Abs 4), "die besonderen rechtstechnischen Mittel der Handlungsformen des öffentlichen Rechts zur Verfügung". Sei aber eine "einheitliche Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur", so gehörten auch alle damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Ereignisse zur Hoheitsverwaltung. Im TirKanalG 1985 seien sowohl das Verfahren zum Anschluss an, als auch das Verfahren zur Untersagung der Einleitung von Abwässern in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage geregelt; bei diesem Verfahren handle es sich um eine ausschließlich den Verwaltungsbehörden zur Besorgung im eigenen Wirkungskreis zugeordnete Angelegenheit, sodass in diesem Zusammenhang kein Raum für Entscheidungen durch ordentliche Gerichte gegeben sei. Aus der Klage gehe zweifelsfrei hervor, dass der Beklagte entgegen den Bestimmungen des TirKanalG 1985 - nämlich ohne von der Gemeinde einen entsprechenden Abwasserbescheid erlangt zu haben - dennoch seine Abwässer in den Ortskanal einleite. Damit verstoße der Beklagte aber gegen § 20 Abs 4 des TirKanalG 1985, sodass die klagende Partei bescheidmäßig iSd genannten Bestimmung vorzugehen und einen entsprechenden Untersagungsbescheid zu erlassen gehabt hätte, was im Übrigen mit Bescheid der klagenden Partei vom 17. Oktober 2000 Beilage E auch geschehen sei.

Nach den maßgeblichen Klageangaben stütze die klagende Partei ihr (Unterlassungs- und Entfernungs‑)Begehren auf ihr Eigentumsrecht am öffentlichen Ortskanal. Da sie jedoch in ihrer Klagserzählung auch ausführe, dass der Beklagte, ohne durch einen entsprechenden Anschlussbescheid gedeckt zu sein, eigenmächtig Abwässer in den Ortskanal einleite, ergebe sich aus der gesamten Klageerzählung mit hinreichender Deutlichkeit, dass Klagsgegenstand nicht irgendein rechtswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht der klagenden Partei sei, sondern der in § 20 Abs 4 TirKanalG 1985 ausdrücklich geregelte und den Verwaltungsbehörden ausschließlich zugeordnete Fall, sodass zur Entscheidung hierüber die ordentlichen Gerichte nicht berufen seien. Zwar schließe eine allfällige Möglichkeit der Herbeiführung einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde die gerichtliche Zuständigkeit für die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche nicht von vornherein aus. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 46/82 sei jedoch hier nicht anzuwenden, zumal es sich dabei um den Streit zwischen zwei Privatpersonen im Zusammenhang mit der Berechtigung der (unterschiedlichen) Nutzung eines öffentlichen Gewässers aufgrund verschiedener Rechtstitel gehandelt habe.

Die zweite Instanz sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist auch zulässig und berechtigt.

 

Rechtliche Beurteilung

a) Nach ständiger Rechtsprechung sind - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten - bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) von Bedeutung. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher Anspruch iSd § 1 JN erhoben wurde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (stRsp: SZ 68/220, 1 Ob 2344/96d mwN uva, zuletzt 7 Ob 45/01w; RIS‑Justiz RS0045584; Mayr in Rechberger2, vor § 1 JN Rz 6). Unerheblich ist, ob der behauptete Anspruch auch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist. Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, ob also der Rechtsweg (= Gerichtsweg) gegeben ist, hängt somit davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich‑rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (7 Ob 286/00k; Ballon in Fasching, Kommentar I2 § 1 JN Rz 61).

Im vorliegenden Fall stützt die klagende Partei ihren Anspruch auf die Verletzung des Eigentumsrechts, somit auf einen privatrechtlichen Anspruch (§ 523 ABGB). Für die auf die Abwehr von Eingriffen in das Eigentum (oder eine Dienstbarkeit) gerichtete Klage steht dem Beschwerten daher der Rechtsweg offen (1 Ob 23/93 = JBl 1994, 169). In der Entscheidung SZ 53/38 = EvBl 1980/201 wurde ausgesprochen, die Eigentumsfreiheitsklage gehöre auch dann auf den Rechtsweg, wenn sich der Beklagte auf einen im öffentlichen Recht wurzelnden Gemeingebrauch an dem Wasserbett eines Gewässers berufe. Dass zur Abwehr von Eingriffen in das Eigentumsrecht eingeleitete rechtliche Schritte der Entscheidungskompetenz der Gerichte auch nicht vom WRG entzogen wurden, hat der erkennende Senat bereits zu 1 Ob 83/99h ausgesprochen. Gerade für die Abwehr behaupteter Eigentumseingriffe steht dem Beschwerten gewöhnlich der Rechtsweg offen (SZ 46/82; 1 Ob 2344/96d1 Ob 83/99h uva). Dass es sich beim Ortskanal um eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage iSd § 2 Abs 5 des TirKanalG 1985 handelt, ändert nichts an der Beurteilung des zivilrechtlichen Anspruchs desjenigen, der von sich behauptet, er sei dessen Eigentümer (klagende Partei). Denn nur über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch entscheiden die Verwaltungsbehörden, und zwar auch dann, wenn die Störung durch einen Privaten erfolgt; soweit aber der Gemeingebrauch nicht berührt wird, ist der Schutz des Eigentums auch beim öffentlichem Gut Sache der Gerichte (2 Ob 353/99x; Kiendl‑Wendner in Schwimanný, § 523 ABGB Rz 21 mwN; Hofmann in Rummel2, § 523 ABGB Rz 2 mwN). Durch das weitere Prozessvorbringen der klagenden Partei, aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Beklagten bestehe die Gefahr, dass nicht nur reguläre Abwässer, sondern auch andere Flüssigkeiten und Abfälle entsorgt würden, die dem Wasserhaushalt des Ortskanals und dem Kanalsystem nachhaltig und unwiederbringlich Schaden zufügten, erfährt die Klageerzählung, nach der ein Anspruch nach § 523 ABGB geltend gemacht wird, keine wesentliche inhaltliche Änderung. Für einen im Verwaltungsverfahren nach § 20 Abs 4 des TirKanalG 1985 geltend zu machenden Anspruch wären der Hinweis auf die Anmaßung eines Rechts an dem im Eigentum der klagenden Partei stehenden Ortskanal durch den Beklagten und auf den Titel des Eigentumsrechts überflüssig.

Nun besteht zwar nach der hier maßgeblichen Rechtslage Anschlusspflicht; der Anschluss kann somit von der Gemeinde gegenüber einem Anschlusspflichtigen im Verwaltungsrechtsweg durchgesetzt werden. Nach den Klageangaben geht es aber gerade nicht um die Durchsetzung der Anschlusspflicht, sondern darum, dass ein - nach dem Standpunkt der klagenden Partei - an sich Anschlusspflichtiger ohne Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens selbst den Anschluss durch einen Dritten (Installationsunternehmen) herstellen ließ und dadurch in das Eigentum der klagenden Partei eingriff.

b) Es bleibt zu prüfen, ob von der gerichtlichen Zuständigkeit eine Ausnahme geschaffen wurde. Soll dies geschehen, so muss diese in dem dafür erforderlichen "besonderen Gesetz" (§ 1 JN) klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; die ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (4 Ob 333/99w, 7 Ob 286/00k; RIS‑Justiz RS0045474; Mayr aaO vor § 1 JN Rz 6; Fasching, Lehrbuch2, Rz 101). Im Zweifel müssen - schon angesichts der verfassungsrechtlichen Schranken des Art 6 Abs 1 MRK - bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher oder unzweifelhaft schlüssiger anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (JBl 1982, 108; SZ 56/167 = EvBl 1985/50; SZ 59/107; 4 Ob 333/99w mwN ua; RIS‑Justiz RS0045474).

Rechtlicher Zwang zu einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde besteht im allgemeinen nicht, im Besonderen besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Betrieb einer gemeindeeigenen Kanalanlage. Ob die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung übertragen ist, ist ausschließlich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften zu beurteilen. Dabei ist unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten zu ermitteln, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen will. Die Abwasserbeseitigung ist hoheitliches Handeln, wenn der Gesetzgeber zur Erfüllung dieser Aufgabe die Handlungsformen des öffentlichen Rechts zur Verfügung stellt; sie zählt in einem solchen Fall gemäß Art 118 Abs 2 B‑VG zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (1 Ob 178/98b = SZ 71/194 mwN). Auch im vorliegenden Fall stellte das hier maßgebliche TirKanalG 1985 die Mittel des öffentlichen Rechts zur Verfügung: Erst das ab 1. Jänner 2001 geltende neue Recht unterwirft Kanalanschlüsse in Tirol privatrechtlichen Vereinbarungen.

Eine ausdrückliche Regelung, dass der eigenmächtige Anschluss eines Grundeigentümers an den behauptetermaßen im Eigentum der Tiroler Gemeinde stehenden Ortskanal durch die Gemeinde mit Bescheid zu untersagen sei, enthalten die Bestimmungen des TirKanalG 1985 idgF nicht. Die von der zweiten Instanz herangezogenen Bestimmungen des § 20 Abs 4 und des § 16 Abs 1 lit b dieses Gesetzes haben erkennbar mit eine rechtmäßig und nicht mit eine - wie hier - eigenmächtig und somit rechtswidrig durch den Beklagten angeschlossenen Abwasserbeseitigungsanlage zum Gegenstand. Jedenfalls bestehen erhebliche Zweifel an einer ausdrücklichen "anderen Anordnung", sodass zur Entscheidung über die Klage die Gerichte berufen sind. Dass die klagende Partei dem Beklagten mit "Schreiben" (inhaltlich ein Bescheid) Beilage E die Beseitigung seines Anschlusses an den Ortskanal auftrug, ist bedeutungslos, hat doch das Gericht bei Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs eine eigenständige rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Darauf, dass ein- und derselbe Streitfall Anlass sowohl eines gerichtlichen wie auch eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sein kann (SZ 46/82, SZ 49/7; 1 Ob 23/93 ua; Ballon aaO Rz 95 mwN), kommt es nicht mehr an.

Dem Rechtsmittel ist durch Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Die über Einrede des Beklagten vorgenommene Prüfung der Rechtswegzulässigkeit ist ein Zwischenstreit, der mit dieser Entscheidung abschließend erledigt wurde (1 Ob 577/921 Ob 23/93 mwN uva.; Fasching, Kommentar, II 362). Das Revisionsrekursverfahren ist zweiseitig, weil darin über die Zulässigkeit des Verfahrens nach Streitanhängigkeit abzusprechen war (§ 521a Abs 2 ZPO; Kodek in Rechberger, ZPOý § 521a Rz 3).

 

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