OGH 10ObS97/19s

OGH10ObS97/19s13.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Wolfgang Kozak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Mag. Karin Sonntag, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert‑Stifter‑Straße 65, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Mai 2019, GZ 12 Rs 43/19h‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00097.19S.0913.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger, ein Profi‑Eishockeyspieler, verpflichtete sich im Spielervertrag mit seinem künftigen Verein, sich vor Beginn der Saison selbständig und auf eigene Kosten auf den bevorstehenden Arbeitsbeginn vorzubereiten und alles zu unternehmen, um sein Leistungsvermögen aufrechtzuerhalten und zu steigern. Das schloss körperliches (Kraft‑ und Ausdauertraining) und technisches Training sowie die mentale Vorbereitung auf die künftige Saison ein. Diese Vorbereitungen wurden vom Vereinsmanagement und vom Trainer vorgeschrieben und sollten durch einen Fitnesscheck zu Beginn der Saison überprüft werden. Bei mangelhafter Vorbereitung war der Verein berechtigt, den Spielervertrag aufzulösen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war der Kläger arbeitslos, sein Dienstverhältnis zu seinem früheren Verein war bereits beendet. Eine Woche vor Beginn des Vertragsverhältnisses absolvierte der Kläger mit einem Sportkollegen als Teil des vorgeschriebenen Trainingsplans ein Techniktraining in einer „vereinsfremden“ Eishalle. Das Training wurde nicht vom Verein finanziert, es war kein Trainer anwesend. Auf dem Nachhauseweg erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall. Er war damals beim AMS als arbeitssuchend gemeldet und bezog Arbeitslosengeld.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Ihre Beurteilung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

1. Nach der Generalklausel des § 175 Abs 1 ASVG muss sich der Unfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen (RIS-Justiz RS0084229 [T1]).

2. Eine betriebliche Berufsausbildung fällt unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 175 Abs 1 ASVG (RS0110220). Maßnahmen des Versicherten, die er selbst setzt, um den körperlichen und geistigen Anforderungen im Beruf gerecht zu werden, stehen hingegen nicht schon deshalb in einem inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit, weil der Arbeitgeber daran interessiert ist. Das Risiko der Leistungsfähigkeit fällt in der Regel in den unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich (vgl 10 ObS 105/02t SSV‑NF 17/52, RS0084963 [T2]). Ganz allgemein stehen vorbereitende Verrichtungen, die erst die Aufnahme der Berufsfähigkeit ermöglichen, der betrieblichen Sphäre zu fern und stehen daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl 10 ObS 332/89 SSV‑NF 3/148).

3. Der Kläger absolvierte kein offizielles Training seiner Mannschaft am vorgeschriebenen Trainingsort. Er war zwar nach dem Spielervertrag zu einem technischen Training als Vorbereitung auf die kommende Saison verpflichtet, konnte aber selbst entscheiden, wann, wo und mit wem er in welchem Ausmaß trainiert. Ein fehlender Erfolg des „vorvertraglichen“ Trainings fiel in seinen Risikobereich. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte er seine eigentliche Tätigkeit für den Verein noch nicht begonnen.

4. Die Entscheidungsfreiheit des Sportlers und der Unfallszeitpunkt vor der – für den Beginn einer Pflichtversicherung maßgeblichen (RS0083686) – Aufnahme seiner Tätigkeit als Spieler unterscheiden diese Konstellation vom – in der Revision herangezogenen – Fall eines Schispringers, der als Vorspringer bei einer Schiflug‑Weltmeisterschaft eingesetzt wurde (VwGH 3. 4. 2019, 2019/08/0003‑8).

5. Nach § 176 Abs 1 Z 5 ASVG stehen Unfälle beim Besuch beruflicher Schulungs‑(Fortbildungs‑)Kurse unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit dieser Besuch geeignet ist, das berufliche Fortkommen des Versicherten zu fördern. Der Dienstgeber muss die Maßnahmen nicht anordnen und genehmigen, sie müsse aber objektiv geeignet sein, den beruflichen Wissenshorizont zu erweitern. Auch wenn es für den Unfallversicherungsschutz grundsätzlich ausreicht, sich „nebenbei“, also ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Arbeitsverhältnis, einer beruflichen Aus‑ oder Fortbildung zu unterziehen, ist doch ein enger Berufsbezug notwendig (RS0110220 [T4]). Der Schulungs‑ bzw Fortbildungskurs muss eine berufliche Ausbildung für einen angestrebten Beruf oder eine Fortbildung für den bereits ausgeübten Beruf sein. Ein Zusammenhang mit einem aktuell ausgeübten Beruf ist nicht notwendig (10 ObS 38/15h mwN, SSV‑NF 29/34).

6. Der Gleichstellungstatbestand des § 176 Abs 1 Z 5 ASVG setzt eine – hier fehlende – aufrechte Pflichtversicherung in der Unfallversicherung voraus (Müller in SV‑Komm § 176 ASVG Rz 30). Der Kläger bezog zum Unfallszeitpunkt Arbeitslosengeld und wäre nach § 8 Abs 1 Z 3 lit d ASVG nur als Teilnehmer an Umschulungs‑, Nachschulungs‑ und sonstigen beruflichen Ausbildungslehrgängen bestimmter Rechtsträger bzw Behörden, wie unter anderem der Gebietskörperschaften, der Sozialversicherungsträger oder des Arbeitsmarktservice (AMS), in der Unfallversicherung teilversichert gewesen. Die Voraussetzungen für die Begründung einer (Teil-)Unfallversicherung nach § 40a AlVG erfüllt sein Privattraining ebenfalls nicht.

7. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass das nicht vom AMS geforderte Training keinen Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 8 ASVG auslöst (vgl RS0084320), zieht die Revision nicht in Zweifel.

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