OGH 1Ob73/19w

OGH1Ob73/19w30.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin C* B*, vertreten durch Mag. Karl Komann, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Antragsgegner E* B*, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 1. Februar 2019, GZ 1 R 84/18z‑118, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 15. Jänner 2018, GZ 1 Fam 20/12i‑110, in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125149

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Sämtliche Ausführungen der Frau zur behaupteten Aktenwidrigkeit sind dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 66 Abs 1 Z 4 AußStrG) zuzuordnen und werden in diesem Zusammenhang mitbehandelt.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Entscheidung in einem Provisorialverfahren für das nachfolgende Hauptverfahren in keiner Weise bindend (vgl RIS‑Justiz RS0043717; RS0088984 [T2]). Entgegen der nicht näher begründeten Ansicht der Frau steht die Zugehörigkeit der Liegenschaft mit dem vormaligen ehelichen Wohnhaus zur Aufteilungsmasse daher keineswegs aufgrund der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidungen über die einstweilige Regelung der Benützung (§ 382 Z 8 lit c EO) „rechtskräftig fest“.

3. Der Mann brachte die spätere Ehewohnung in die Ehe ein (vgl § 82 Abs 1 Z 1 EheG). Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die Liegenschaft gemäß § 82 Abs 2 Satz 1 dritter Fall EheG (nur deshalb) real in die Aufteilungsmasse fällt, weil die gemeinsamen Kinder – die jüngste Tochter ist 13 Jahre alt – einen berücksichtigungswürdigen Bedarf an deren Weiterbenützung hätten. Von dieser Beurteilung geht auch die Frau aus.

Das Vorliegen der zweiten Tatbestandsvariante des § 82 Abs 2 Satz 1 EheG haben die Vorinstanzen zutreffend verneint. Davon, dass die Frau auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse – auf Dauer – angewiesen wäre, kann keine Rede sein, weil sie mit der ihr zuerkannten Ausgleichszahlung von 175.000 EUR in der Lage ist, sich eine ausreichende (Miet‑)Wohnung zu verschaffen und einzurichten (vgl RS0058370 [T4]).

4. Auch wenn der Frau zuzustimmen ist, dass dem „Bewahrungsgrundsatz“ des § 90 Abs 1 EheG im Zusammenhang mit einer Ehewohnung, auf deren Benützung ein Ehegatte im Sinn des § 82 Abs 2 EheG angewiesen ist, keine entscheidende Bedeutung zukommt (RS0058412 [T1]), vermag sie keinen Beurteilungsfehler des Rekursgerichts aufzuzeigen. § 87 Abs 1 EheG sieht für die Ehewohnung unter anderem die Übertragung des Eigentums von einem auf den anderen Ehegatten oder die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zu Gunsten eines Ehegatten vor und eröffnet dem Aufteilungsgericht damit eine breite Gestaltungsmöglichkeit (1 Ob 143/17m mwN). Auch unter Berücksichtigung der Argumente der Frau kann nicht gesagt werden, dass die Vorinstanzen den ihnen hier zukommenden Spielraum in korrekturbedürftiger Weise überschritten hätten, wenn sie ihr ein befristetes obligatorisches Wohn‑ und Benützungsrecht an der Liegenschaft bis zum Erreichen der Volljährigkeit des jüngsten Kindes einräumten. Wenn das Rekursgericht keine über diesen Zeitpunkt hinaus wirkende besondere Bedarfslage der Frau erkannte und davon ausging, dass der berücksichtigungswürdige Bedarf der gemeinsamen Kinder mit der Volljährigkeit des vierten Kindes (das älteste Kind ist bereits 21 Jahre alt) endet, liegt keine zu korrigierende Fehlbeurteilung vor (vgl dazu insb 1 Ob 143/17m).

5. Soweit die Frau (weiterhin) die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft mit dem ehelichen Wohnhaus – ohne jegliche Ausgleichszahlung anzubieten – begehrt, ist sie darauf hinzuweisen, dass eine entschädigungslose Enteignung des Mannes in ständiger Rechtsprechung abgelehnt wird (RS0057579 [T3]). Die Auferlegung einer angemessenen Ausgleichszahlung für die Übertragung des Eigentums des Mannes auf sie setzt aber ihre ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraus (RS0057610 [T4]). Der Wert der Liegenschaft beträgt rund 320.000 EUR. Die Frau erhält vom Mann monatlich 522 EUR an Unterhalt und bezieht darüber hinaus Mindestsicherung von 300 EUR monatlich. Sie ist aufgrund ihrer Einkommens‑ und Vermögenssituation nicht in der Lage, eine Ausgleichszahlung zu leisten. Wenn die Vorinstanzen die angestrebte Übertragung des Eigentums ablehnten, weil die Frau keine Ausgleichszahlung leisten wird können, ist diese Beurteilung nicht korrekturbedürftig.

Die Bestimmung des § 84 EheG führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Lebensbereiche der geschiedenen Ehegatten sind derzeit getrennt und werden dies auch nach Ablauf des obligatorischen Wohn‑ und Benützungsrechts verbunden mit einer daran anschließenden Räumungsverpflichtung der Frau sein.

6. Auch wenn die vom Mann eingebrachte Ehewohnung gemäß § 82 Abs 2 EheG in die Aufteilung „einzubeziehen“ ist, bedeutet dies doch keineswegs, dass sie bei der Aufteilung wertmäßig ebenso zu behandeln wäre wie die eigentliche eheliche Errungenschaft (1 Ob 143/17m = SZ 2015/16 = iFamZ 2017/234, 396 [zustimmend Deixler‑Hübner]). Fällt die Liegenschaft real in die Aufteilungsmasse, kann zwar ein Recht des anderen Ehegatten daran begründet werden. Der nur von einem Teil eingebrachte Vorteil ist aber insoweit wertverfolgend zu berücksichtigen, als der noch vorhandene Wert von der Aufteilungsmasse abzuziehen und dem betreffenden Ehegatten (hier dem Mann) rechnerisch vorweg zuzuweisen (RS0057490 [T4, T5]) ist. Die Frau kann allein durch die reale Einbeziehung der früheren Ehewohnung nicht in den Genuss einer von ihr angestrebten „zusätzlichen Ausgleichszahlung von rund 100.000 EUR“ kommen.

7. Zu den Überlegungen der Vorinstanzen zur Ausmittlung der Ausgleichszahlung mit 175.000 EUR nimmt die Frau nicht konkret Stellung und zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

8. Einer weitere Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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