OGH 1Ob143/17m

OGH1Ob143/17m30.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin K***** K*****, vertreten durch die Brandstetter, Baurecht, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG, Wien, gegen den Antragsgegner DI A***** K*****, Kasachstan (nähere Anschrift unbekannt), vertreten durch Mag. Thomas Pfaller, Rechtsanwalt in Wien, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Mai 2017, GZ 48 R 249/16x‑212, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 30. August 2016, GZ 2 C 446/07f‑204, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00143.17M.0830.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Auch wenn der Revisionsrekurswerberin darin zuzustimmen ist, dass dem „Bewahrungsgrundsatz“ des § 90 Abs 1 EheG im Zusammenhang mit einer Ehewohnung, auf deren Benützung ein Ehegatte iSd § 82 Abs 2 EheG angewiesen ist, keine entscheidende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0058412), vermag sie im Ergebnis keinen entscheidungserheblichen Beurteilungsfehler des Rekursgerichts aufzuzeigen. § 87 Abs 1 EheG sieht für die Ehewohnung unter anderem die Übertragung des Eigentums von einem auf den anderen Ehegatten oder die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines Ehegatten an und eröffnet dem Aufteilungsgericht damit eine breite Gestaltungsmöglichkeit (vgl auch 5 Ob 20/05k = SZ 2005/68). Auch unter Berücksichtigung der Argumente der Revisionsrekurswerberin kann nicht gesagt werden, dass die Vorinstanzen den ihnen hier zukommenden Spielraum in korrekturbedürftiger Weise überschritten hätten.

2. Soweit die Antragstellerin (weiterhin) die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft mit dem ehelichen Wohnhaus „gegen Leistung einer angemessenen Ausgleichszahlung“ anstrebt, übersieht sie – ganz abgesehen vom bestehenden Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zugunsten der Eltern des Antragsgegners –, dass eine solche Anordnung eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraussetzte (vgl 6 Ob 519/87 = EFSlg 54.628; weiters RIS‑Justiz RS0057910 [T6, T7]; RS0057610). Wie sich aus ihrem Vermögensbekenntnis– insbesondere den darin ausgewiesenen Schulden – ergibt, ist sie nicht einmal in der Lage, die laufenden Ausgaben mit ihren Einkünften zu finanzieren; sie verfügt auch sonst über kein Vermögen. Es ist daher evident, dass sie eine Ausgleichszahlung in Höhe von mehreren 100.000 EUR ohne Veräußerung der Liegenschaft nicht finanzieren könnte. Damit würde sie aber gerade nicht die angestrebte Weiterbenützung des Hauses erreichen.

2. Das Vorliegen der ersten Tatbestandsvariante des § 82 Abs 2 Satz 1 EheG hat das Rekursgericht zutreffend verneint. Davon, dass die Revisionsrekurswerberin auf die Weiterbenützung der Ehewohnung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse – auf Dauer – angewiesen wäre, kann schon deshalb keine Rede sein, weil sie mit der ihr zuerkannten Ausgleichszahlung von 262.000 EUR ohne weiteres in der Lage ist, sich eine ausreichende (Miet‑)Wohnung zu verschaffen und einzurichten (vgl nur RIS‑Justiz RS0058370 [T4]). Bis dahin kann sie nach den Anordnungen der Vorinstanzen ohnehin weiter (unentgeltlich) im Haus wohnen, hat sie dieses doch erst drei Monate nach Erhalt der Ausgleichszahlung zu räumen. Eine Gefährdung ihrer Lebensbedürfnisse ist somit nicht zu befürchten. Warum die Antragstellerin nach ihrem Auszug aus dem vom Antragsgegner in die Ehe eingebrachten Haus – auf Dauer – Anspruch auf eine „gleichwertige Wohnmöglichkeit“ haben sollte, wird von ihr nicht erklärt.

3. Auch wenn § 82 Abs 2 Satz 1 EheG weiters die Einbeziehung einer von einem Ehegatten in die Ehe eingebrachten Ehewohnung in die Aufteilung anordnet, wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat, bedeutet dies nicht, dass ein Ehegatte die dem anderen gehörende Ehewohnung immer dann weiter bewohnen darf, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, für die es im Aufteilungszeitpunkt günstiger erscheint, die bisherigen Wohnverhältnisse beizubehalten (vgl 5 Ob 20/05k). Wenn das Rekursgericht in diesem Zusammenhang in seiner rechtlichen Beurteilung dem Argument, die Kinder würden einen Wohnsitzwechsel „nicht verkraften“, entgegengehalten hat, dass sie aufgrund ihres Alters (17 und 19 Jahre) demnächst sogar selbständig eine Berufsausbildung anstreben und möglicherweise die Elternwohnung verlassen werden, weshalb eine besondere Schutzbedürftigkeit im Bezug auf einen allfälligen Wohnortswechsel nicht vorliege, liegt darin entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin keineswegs eine reine Spekulation ohne Tatsachensubstrat, sondern vielmehr die Berücksichtigung allgemeiner gesellschaftlicher Gepflogenheiten, nach denen erwachsene Kinder ihre eigenen Wege gehen und ihnen daher auch ein Wohnsitzwechsel im Allgemeinen durchaus zuzumuten ist. Dem kann auch nicht erfolgreich die in RIS‑Justiz RS0120021 zusammengefasste Judikatur entgegengehalten werden, war doch darin jeweils die Situation erheblich jüngerer Kinder zu beurteilen. Wenn das Berufungsgericht daher einen berücksichtigungswürdigen „Bedarf“ der (fast) erwachsenen Kinder an der Weiterbenützung der Ehewohnung im Sinne der gesetzlichen Regelung als nicht so erheblich angesehen hat, dass er zur dauerhaften Sicherung einer Wohnmöglichkeit ihrer Mutter in der bisherigen Ehewohnung führen müsste, liegt keine zu korrigierende Fehlbeurteilung vor.

4. Ersichtlich unter dem Aspekt der Schaffung einer alternativen Wohnmöglichkeit haben die Vorinstanzen der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von 262.000 EUR zuerkannt, die rechnerisch auch ein Viertel des Werts der Liegenschaft mit der früheren Ehewohnung enthält, die allerdings zur Gänze – aus der Zeit vor der Eheschließung – vom Antragsgegner stammt. Damit sind die Vorinstanzen– aus Gründen der Billigkeit – ohnehin deutlich über jenen Betrag hinausgegangen, der sich unter Berücksichtigung der Beiträge der Ehegatten zum aufzuteilenden Vermögen als Ausgleichszahlung ergäbe.

Wenn die Antragstellerin (hilfsweise) eine Erhöhung der Ausgleichszahlung auf insgesamt 416.000 EUR anstrebt, wobei zu ihren Gunsten rechnerisch die Hälfte des Werts der Eheliegenschaft zu berücksichtigen sei, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Auch wenn die vom anderen Ehegatten eingebrachte Ehewohnung gemäß § 82 Abs 2 EheG in die Aufteilung „einzubeziehen“ ist, bedeutet dies doch keineswegs, dass sie bei der Aufteilung wertmäßig ebenso zu behandeln wäre wie die eigentliche eheliche Errungenschaft, weshalb es auch auf die Gleichwertigkeit der Beiträge während der Ehe nicht ankommen kann. Die Vorinstanzen haben die Ehewohnung und die Berücksichtigung eines derzeit noch vorhandenen Wohnbedürfnisses in der Weise in die Aufteilung einbezogen, dass sie der Antragstellerin ein unentgeltliches Wohnrecht bis drei Monate nach Erhalt der Ausgleichszahlung eingeräumt und die Ausgleichszahlung so festgesetzt haben, dass sie in der Lage ist, damit eine andere Wohnmöglichkeit zu schaffen. Für eine Erhöhung der festgesetzten Ausgleichszahlung ist eine Grundlage nicht zu erblicken.

5. Zu ihrem weiteren Begehren, den Antragsgegner zur Abrechnung über die Veräußerung der Moskauer Liegenschaft zu verhalten und der Antragstellerin den Kaufpreis herauszugeben, wird im Revisionsrekurs inhaltlich nichts ausgeführt, sodass darauf schon deshalb nicht einzugehen ist.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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