OGH 15Os4/19f

OGH15Os4/19f27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Khaled A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 24. September 2018, GZ 22 Hv 14/18a‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00004.19F.0227.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die gegen den Ausspruch über die Schuld gerichtete Berufung werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Khaled A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (1./) und des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. Jänner 2018 in L*****

1./ gegen 4:00 Uhr morgens Nicole A***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie festhielt, ihr gewaltsam die Hose hinunterzog, sie gegen die Wand drückte und gegen ihren Willen zunächst einen Analverkehr und sodann einen Vaginalverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte, nämlich eine deutliche Verschlechterung einer bereits zuvor bestandenen posttraumatischen Belastungsstörung sowie von Ein‑ und Durchschlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Nachhallerinnerungen und Suizidabsichten (US 5 f);

2./ gegen 10:30 Uhr mit Nicole A***** gegen ihren Willen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie an den Beinen nach oben zog und an ihr einen Analverkehr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0116732, RS0118317). Kein Nichtigkeitsgrund liegt hingegen vor, wenn aus den Verfahrensergebnissen für den Angeklagten günstigere als die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, sofern diese Annahmen nicht willkürlich sind (vgl RIS‑Justiz RS0098400).

Zu 1./ erachtet die Beschwerde die Feststellungen zum Einsatz von Gewalt (US 3 f) und zum Handeln des Angeklagten gegen den Willen des Opfers (US 4) als „nicht ausreichend“ und „nicht überzeugend“ begründet, weil dem Opfer „zahlreiche Möglichkeiten“ der Hilfesuche offengestanden wären, es „höchst unwahrscheinlich und lebensfremd“ sei, dass der Angeklagte „derartigen Druck oder gar Gewalt ausübt“, es vielmehr zu erwarten gewesen wäre, dass das Opfer einen im selben Bett schlafenden Jugendlichen weckt, Nachbarn verständigt oder flüchtet. Damit zeigt sie kein Begründungsdefizit iSd Z 5 auf, sondern richtet sich in unzulässiger Form gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Dasselbe gilt für die weiteren Spekulationen, wie sich „ein Vergewaltigungsopfer in einer derartigen Situation“ erwartungsgemäß verhalten hätte.

Undeutlich (Z 5 erster Fall) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, wenn aus den Feststellungen des Urteils nicht zu erkennen ist, welche Handlungen der Angeklagte nach Ansicht des Gerichts vorgenommen und in welcher Absicht er sie gesetzt hat (RIS‑Justiz RS0099425). Dass der Angeklagte zu 1./ Nicole A***** mit Gewalt zum Anal- und Vaginalverkehr nötigte, haben die Tatrichter klar festgestellt (US 4). Die von der Beschwerde gerügte – aber bloß ein Vorhabenbeschreibende – Feststellung, der Angeklagte „beabsichtigte, mit Christina K***** den Geschlechtsverkehr durchzuführen“ (US 4), betrifft somit keine entscheidende Tatsache. Im Übrigen ist durch den weiteren Halbsatz, wonach der Angeklagte „wusste, dass Nicole A***** mit den sexuellen Handlungen nicht einverstanden war (...)“, unzweifelhaft erkennbar, dass die vorangegangene Nennung eines mit dem Geschehen nicht im Zusammenhang stehenden Frauennamens auf einem offensichtlichen Schreibfehler beruht.

Die Feststellungen zum Verhalten des Opfers nach den zu 1./ und 2./ genannten Taten (US 4 f) betreffen keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0117264). Die Kritik, es widerspreche „jeglicher Lebenserfahrung“, dass sich ein Vergewaltigungsopfer wieder freiwillig zum Täter in das Bett lege und nach den Taten „noch einvernehmlich und ohne ersichtliche Beeinträchtigung mit dem Angeklagten den Vormittag verbracht hat“, geht daher ins Leere.

Mit Hinweisen auf die Wohnsituation sowie den psychischen Zustand des Opfers, auf behauptete (aber nicht dargelegte) Widersprüche in dessen Angaben bei der kontradiktorischen Vernehmung und auf die Verantwortung des Angeklagten, wonach die Initiative zu den Vorfällen nicht alleine von ihm ausgegangen sei und er das Einverständnis des Opfers angenommen habe, weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 294 Abs 4 iVm § 296 Abs 2 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte