OGH 4Ob82/18i

OGH4Ob82/18i27.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers W*, vertreten durch Dr. Günther Folk, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Beklagte R*, vertreten durch Dr. Heike Berner‑Baumgartner, Rechtsanwältin in Feldbach, wegen 26.750 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2018, GZ 3 R 6/18d‑13, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. November 2017, GZ 11 Cg 85/17v‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E123705

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 5.552,76 EUR (darin 686,96 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile heirateten im Jahr 1985. Im August 1993 wurde die Ehe einvernehmlich geschieden. Im Jahr 1989, also während aufrechter Ehe, brachte die Beklagte ein Kind zur Welt. Der Kläger zahlte in der Annahme seiner Vaterschaft für das Kind im Zeitraum September 1993 bis Juni 2007 (also bereits nach der Scheidung) Geldunterhalt von 26.750 EUR. Erst Ende des Jahres 2016 erlangte er Kenntnis von Umständen, die gegen seine Vaterschaft sprachen. In der Folge wurde mit rechtskräftigem gerichtlichem Beschluss festgestellt, dass das Kind der Beklagten nicht vom Kläger abstammt.

Die Beklagte hatte während aufrechter Ehe im zeugungsrelevanten Zeitraum im Herbst 1988 außerehelichen Geschlechtsverkehr mit dem nicht näher bekannten Vater des Kindes vollzogen. Die näheren Umstände des Ehebruchs sind nicht bekannt. Die Beklagte verschwieg dem Kläger ihren außerehelichen Beischlaf mit einem anderen Mann im zeugungsrelevanten Zeitraum und damit eine mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes. Es kann nicht festgestellt werden, ob sie selbst bis zum Abstammungsverfahren von der Vaterschaft des Klägers zum Kind ausging, zumal sie im zeugungsrelevanten Zeitraum auch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit dem Kläger hatte.

Der Kläger begehrt von der Beklagten 26.750 EUR samt Zinsen aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Beklagte habe Ehebruch begangen und damit gegen die Treuepflicht nach § 90 ABGB verstoßen. In der Folge habe sie dem Kläger die sich daraus ergebende mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes zu ihrem Kind bewusst verschwiegen. Die Beklagte sei stets darüber in Kenntnis gewesen, dass sie im empfängnisrelevanten Zeitraum untreu gewesen sei und hätte nach Eintritt der Schwangerschaft in Erwägung ziehen müssen, dass der Kläger nicht der Vater sei. Sie habe durch den Ehebruch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt, das dem Kläger einen Schaden in Form von Unterhaltszahlungen verursacht habe, die dem tatsächlichen Vater oblägen wären.

Die Beklagte bestritt die Voraussetzungen für Schadenersatz, weil sie bis zum Abstammungsverfahren von der Vaterschaft des Klägers ausgegangen sei und es auch für sie keinen Grund gegeben habe, daran zu zweifeln. Der Umstand der Vaterschaft eines anderen Mannes sei ihr nicht bekannt gewesen. Sie sei Lehrerin und habe im fraglichen Zeitpunkt an mehreren Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen, in deren Rahmen es – allenfalls unter Alkoholeinfluss – zum außerehelichen Beischlaf gekommen sei, wobei sie sich an keine Details erinnern könne.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Durch den Ehebruch habe die Beklagte ein rechtswidriges Verhalten gesetzt, das kausal die den Schaden begründenden Unterhaltszahlungen des Klägers zugunsten der vermeintlichen Tochter verursacht habe. § 90 ABGB schütze nicht nur ideelle Interessen, sondern auch Vermögensinteressen der Ehegatten. Auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem ehebrecherischen Verhalten der Beklagten und dem Schaden liege vor. Dass sie kein Verschulden träfe, habe die im Sinne des § 1298 ABGB beweispflichtige Beklagte nicht substanziiert behauptet bzw nicht unter Beweis stellen können. Selbst ein – von der Beklagten als möglich gehaltener, aber nicht feststellbarer – außerehelicher Beischlaf in alkoholisiertem Zustand könnte die Beklagte nicht exkulpieren, weil ihr diesfalls Einlassungsverschulden vorzuwerfen wäre. Damit lägen die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs des Klägers gegenüber der Beklagten vor.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es von der Entscheidung 6 Ob 529/84 abgewichen sei.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) judiziere bei vergleichbarer Rechtslage, die Ehe stehe außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden auslösen könnten. Ehestörungen seien nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände einbezogen. Im Einklang mit dieser Judikatur habe der Oberste Gerichtshof Schmerzengeldansprüche eines Ehegatten gegen den anderen wegen Leidenszuständen aufgrund massiver Eheverfehlungen abgelehnt. Überdies habe die Mutter gemäß § 149 Abs 1 ABGB das Recht, den Namen des Vaters ihres Kindes nicht bekanntzugeben. Aus der Ausübung dieses Schweigerechts könne kein Schadenersatz abgeleitet werden. Die Rechtsprechung gewähre demjenigen, der die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind anerkannt habe, dann aber dieses Anerkenntnis erfolgreich angefochten habe, nur dann einen Ersatzanspruch gegen die Mutter des Kindes, wenn sie die Abgabe des Anerkenntnisses durch bewusst wahrheitswidrige Angaben veranlasst habe; bloß fahrlässiges Handeln genüge nicht. Das Berufungsgericht halte es für geboten, den Schutzbereich der Bestimmungen über die Eheverfehlungen, insbesondere des Ehebruchs, grundsätzlich dahin einschränkend und auf einen innerehelichen Vorgang beschränkt zu interpretieren, dass der Schutzzweck sich nicht auch auf den Schaden des Scheinvaters für Unterhaltszahlungen an das von seiner Ehefrau beim Ehebruch empfangene Kind beziehe. Von der Ehefrau, die im empfängnisrelevanten Zeitraum die Ehe gebrochen habe, zu verlangen, ihren Ehemann sofort darüber zu informieren, dass möglicherweise ein anderer Mann der biologische Vater ihres Kindes sei, könne bedeuten, von ihr – quasi als Folge ihrer Eheverfehlung – ein den Bestand der Ehe allenfalls gefährdendes Verhalten zu fordern. Gleichzeitig würde eine solche Pflicht ihr in § 149 Abs 1 ABGB verankertes Recht, über den biologischen Vater ihres Kindes zu schweigen, einschränken und sie so gegenüber einer unehelichen Mutter schlechter stellen. Auch bestehe kein absolutes Persönlichkeitsrecht, nicht als Vater eines Kindes zu gelten, das man nicht gezeugt habe.

Vor diesem Hintergrund sei es geboten, den Schutzzweck des Ehebruchs für einen daraus resultierenden Vermögensschaden dahingehend einschränkend zu interpretieren, dass sein Vorliegen allein nicht ausreiche, um dem Scheinvater gegenüber seiner Ehefrau einen Schadenersatzanspruch für Unterhaltszahlungen an das von ihr im Ehebruch empfangene Kind zuzuerkennen, es sei denn, bewusst wahrheitswidrige Angaben der Ehefrau hätten dazu geführt, dass es der Ehemann zunächst bei der gesetzlichen Vermutung seiner Vaterschaft habe bewenden lassen und seiner daraus erfließenden Unterhaltspflicht nachgekommen sei. Davon könne beim hier zu beurteilenden Sachverhalt aber keine Rede sein. Die im empfängnisrelevanten Zeitraum untreu gewesene Beklagte habe dem Kläger diesen Umstand schlicht verschwiegen. Ein vorsätzliches Verschleierungsverhalten der Beklagten habe der Kläger gar nicht behauptet. Damit scheitere sein Schadenersatzbegehren gegenüber der beklagten Mutter.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Die deutsche Rechtslage sei mit der österreichischen nicht vergleichbar, weil nach deutschem Recht der Scheinvater die Mutter auf Auskunft in Anspruch nehmen könne. Dadurch sei sichergestellt, dass er sich gegenüber dem leiblichen Vater regressieren könne. Dem österreichischen Recht sei ein derartiger Anspruch fremd; vielmehr habe die Mutter das Recht, den Namen des Vaters ihres Kindes nicht bekanntgeben zu müssen. Dass Schmerzengeldansprüche wegen Leidenszuständen aufgrund von Eheverfehlungen abgelehnt werden, hindere nicht die Rückforderung von Unterhaltsleistungen für ein aus einem Ehebruch hervorgegangenes Kind, die Vermögensschäden und keine ideellen Schäden seien. Auch Detektivkosten aufgrund Verletzung der ehelichen Treuepflicht seien nach der Rechtsprechung ein ersatzfähiger Schaden. Der Kläger verwahre sich dagegen, dass für die Begründung eines Schadenersatzanspruchs infolge Ehebruchs das zusätzliche Erfordernis bewusst wahrheitswidriger Angaben aufgestellt werde. Jene Rechtsprechung, die als Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch bewusst wahrheitswidrige Angaben fordere, beziehe sich nur auf Vaterschaftsanerkenntnisse. Hier sei aber bereits der Ehebruch das rechtswidrige Verhalten. Die Argumentation des Berufungsgerichts, dass man von der Ehefrau ein den Bestand der Ehe möglicherweise gefährdendes Verhalten fordern würde, verlangte man von ihr eine Aufklärung gegenüber ihrem Ehemann darüber, dass möglicherweise ein anderer Mann der Vater ihres Kindes sei, erscheine paradox, habe doch die Ehefrau bereits durch den begangenen Ehebruch den Bestand der Ehe gefährdet.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Gemäß § 90 Abs 1 ABGB sind Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet.

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 529/84 = SZ 57/53 – unter ausdrücklicher Ablehnung älterer Rechtsprechung (Ob II 19/26 = SZ 8/32) und nach Auseinandersetzung mit der abweichenden deutschen Rechtslage – ausgesprochen, dass die Ehegattin ihrem Ehegatten für die Unterhaltszahlungen, welche dieser für ein von ihr im Ehebruch empfangenes, von ihm als ehelich angesehenes Kind erbracht hat, haftet. Die Entscheidung verweist auf § 90 ABGB und führt begründend aus, dass dessen Schutzbereich nicht auf die ideellen Interessen der Ehegatten beschränkt sei, sondern sich auch auf vermögensrechtliche Interessen erstrecke. Zu der in § 90 ABGB genannten umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft gehöre auch die wirtschaftliche Komponente. Wenn auch die ideellen Interessen der Ehe im Vordergrund stünden, so hindere das nicht, dass auch die Vermögensinteressen der Ehegatten, die für die materielle Grundlage der Ehe von Bedeutung sein könnten, mit geschützt seien. Für diese Auffassung spreche, dass die Berufung auf die sittlichen Werte der Ehe nicht dazu dienen dürfe, dem am Ehebruch unbeteiligten Ehegatten einen Schaden aufzulasten, den der andere Ehegatte unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur ehelichen Treue verschuldet habe. Die zum Schadenersatz verpflichtende rechtswidrige Handlung liege in diesen Fällen bereits im vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflicht zur ehelichen Treue, deren Schutzzweck auch Unterhaltsschäden umfasse (vgl auch Reischauer in Rummel³ § 1295 ABGB Rz 60; Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 89 Rz 19). Damit knüpfte 6 Ob 529/84 an frühere Entscheidungen (etwa zum Ersatz der Kosten einer Ehelichkeitsbestreitungsklage) an (2 Ob 930/28 = SZ 10/302; 4 Ob 605/69 = JBl 1970, 573).

2.2. Diese Entscheidung, die in ihrer Aussage nicht vereinzelt geblieben ist, sondern wiederholt fortgeschrieben wurde (6 Ob 124/02g und 7 Ob 138/08g bejahten jeweils den Ersatzanspruch eines Ehegatten für den von ihm für das vermeintlich gemeinsame Kind geleisteten Unterhalt gegen die Ehegattin und den tatsächlichen Kindesvater), ist auch in der Literatur auf keine Ablehnung gestoßen (vgl Ferrari in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKom4 § 90 ABGB Rz 11; Hinteregger in Klang³, § 90 ABGB Rz 13; Koch in KBB5, § 90 ABGB Rz 9; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 90 ABGB Rz 13; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I³, Rz 8/48 und II³ Rz A/2/73; Reischauer in Rummel³ § 1295 ABGB Rz 60; Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 89 Rz 19; Stabentheiner in Rummel³ § 90 ABGB Rz 2; Stefula in Klang³, § 156 ABGB Rz 24; Ch. Huber, Scheinvaterregress gegen den Erzeuger wegen des Unterhalts für das Kuckuckskind – ab wann und wie lang zurück? Zugleich eine Besprechung von 4 Ob 201/07y, iFamZ 2008, 244 [247] [Ersatz auch gegen den wahren Vater]; differenzierend Gitschthaler, Scheinvaterregress – Bereicherung oder Schadenersatz?, EF‑Z 2009, 129 [133 ff]; aA Hofmann/Grüblinger, Ehebruch und Schadenersatz [Teil I], EF‑Z 2009, 138 und [Teil II] EF‑Z 2009, 169 im Wesentlichen mit den Argumenten des BGH [siehe unten]).

2.3. Ein Widerspruch dieser Entscheidungen zur Rechtsprechung, wonach § 149 Abs 1 ABGB (= § 163a Abs 1 ABGB idF vor KindNamRÄG 2013) der Mutter das höchstpersönliche Recht verleiht, den wahren Vater geheim zu halten und Schadenersatzansprüche wegen Verleitens zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses nur bei bewusst wahrheitswidrigen Angaben zugestanden werden (RIS‑Justiz RS0048325; zuletzt 8 Ob 125/14m), besteht nicht. Zwischen den unverheirateten (Schein‑)Elternteilen eines Kindes besteht keine § 90 ABGB entsprechende Pflicht zur ehelichen Treue (vgl Hinteregger/Kissich in Klang³, § 44 ABGB Rz 11; Gitschthaler, Neuerungen im Recht der Lebensgemeinschaften, AnwBl 2012, 598 [603]; 3 Ob 515/91; 7 Ob 189/01x; vgl auch RIS‑Justiz RS0096997). Das rechtswidrige Verhalten kann daher in jenen Fällen nicht im Mehrverkehr an sich bestehen, sondern allenfalls – wie in 8 Ob 125/14m dargelegt – in der bewussten Täuschung des Scheinvaters über dessen Vaterschaft. Darin liegt der entscheidungswesentliche Unterschied der beiden Fallgruppen (vgl 2 Ob 557/93; Gitschthaler, EF‑Z 2009, 133). Wenn auch zutreffend ist, dass allein aus der Ausübung des Schweigerechts des § 149 ABGB (§ 163a aF ABGB) kein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden kann (vgl 8 Ob 125/14m), so ist hier der Ersatzanspruch des Klägers gerade nicht aus dem Schweigen der Beklagten abzuleiten, sondern aus ihrer Verletzung der ehelichen Treuepflicht.

2.4. Wenn der Oberste Gerichtshof Schmerzengeldansprüche aus Eheverfehlungen ablehnt (6 Ob 124/02g; 1 Ob 134/12f = iFamZ 2012, 307 [Deixler‑Hübner]; krit Koziol, Haftpflichtrecht II³ Rz A/2/72), ist dies ebenfalls nicht mit der hier gegebenen Sachlage zu vergleichen, bei der es um einen konkreten Vermögensschaden geht.

2.5. Die vom Berufungsgericht angeführte abweichende Rechtsprechung des BGH wurde bereits zu 6 Ob 529/84 geprüft und nicht übernommen. Dass der BGH diese Rechtsprechung auch in späteren Entscheidungen (insb IVb ZR 56/88 = NJW 1990, 706; XII ZB 412/11 = NJW 2013, 2108) weiter fortschrieb, führt keine neuen Aspekte in die Beurteilung ein. Die Diskrepanz resultiert nicht aus einer speziell auf Unterhaltsfälle zugeschnittenen Begründung, sondern aus der ganz grundlegenden Auffassung des BGH, die Ehe sei nur als ideelles Rechtsgut geschützt, weshalb ihr sittlicher Gehalt einen Abstand von vermögensrechtlichen Geschäften gebiete; vermögensrechtliche Konsequenzen könnten nur insoweit eintreten, als dies das Eherecht vorsehe (vgl Welser, ÖJZ 1975, 7). Auch ist die Rechtslage zur Definition der ehelichen Lebensgemeinschaft insoweit nicht mit der österreichischen deckungsgleich, weil § 1353 Abs 1 zweiter Satz BGB zwar auf die Verpflichtung zur ehelichen Gemeinschaft und die gegenseitige Verantwortung der Ehegatten verweist, im Gegensatz zu § 90 ABGB die Verpflichtung zur Treue jedoch nicht explizit nennt.

2.6. Diese Auffassung des BGH widerspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach aus der Verletzung der ehelichen Treuepflicht durchaus Schadenersatzansprüche abgeleitet werden können (vgl etwa RIS‑Justiz RS0022943; RS0022959). Wenn auch die ideellen Interessen der Ehe im Vordergrund stehen, so hindert das nicht, dass auch die Vermögensinteressen der Ehegatten, die für die materielle Grundlage der Ehe von Bedeutung sein können, von § 90 ABGB mit geschützt sind (RIS‑Justiz RS0009425 [T1]).

Soweit an dieser Rechtsprechung in der Literatur Kritik geübt wird, richtet sich diese im Wesentlichen gegen die Einordnung der Ehe als absolut geschütztes Rechtsgut (vgl 4 Ob 100/15g) und die daraus abgeleitete Schadenersatzpflicht des dritten Ehestörers (Ondreasova, Das Verhältnis zwischen Familienrecht und dem übrigen Zivilrecht, insb dem Schadenersatzrecht, Zak 2016, 168; Höllwerth, Schadenersatzansprüche im Familienrecht, EF‑Z 2016, 290 [294]; Klicka, Der Ehestörungsschaden als „Punitive Damages“ des österreichischen Rechts, iFamZ 2016, 243 [244]; Wagner, Anm zu 4 Ob 100/15g, EF‑Z 2016, 206 [208]; Deixler‑Hübner, Anm zu 1 Ob 114/09k, iFamZ 2009, 357; Hoffmann/Grüblinger, EF‑Z 2009, 169). Darauf muss aber hier nicht eingegangen werden, weil nicht ein Dritter, sondern die frühere Ehegattin beklagt ist.

Auch lässt sich gerade im Anlassfall nicht überzeugend einwenden, dass Treueverstöße eines Ehegatten ohnehin die eherechtliche Sanktion der Scheidung nach sich ziehen können, weshalb es insoweit keiner Ergänzung durch schadenersatzrechtliche Ansprüche bedürfe, hat doch der Kläger den geltend gemachten Vermögensschaden erst durch Unterhaltszahlungen nach der Scheidung erlitten.

3.1. Zu prüfen bleibt jedoch der Rechtswidrigkeitszusammenhang, da nur für jene Schäden zu haften ist, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern sollte. Entscheidend ist der Normzweck, der durch teleologische Auslegung zu ermitteln ist (vgl Karner in KBB5 § 1295 ABGB Rz 9).

3.2. Dass der Schutzzweck familiärer Beistandspflichten auch vermögensrechtliche Interessen abdecken und ihre Verletzung zu schadenersatzrechtlichen Folgen führen kann, wird im Schrifttum bejaht.

Welser (Der OGH und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖJZ 1975, 1 und 37 [8]) sieht den Schadenersatz für das Interesse am Fortbestand der Ehe und an der Erfüllung ehelicher Pflichten („Bestandsinteresse“) ausgeschlossen; hingegen umfasse der Schutzzweck eherechtlicher Vorschriften sehr wohl das „Abwicklungsinteresse“.

V. Steininger (Die persönlichen Ehewirkungen im neueren österreichischen Recht, dFamRZ 1979, 774 [777]) bejaht Schadenersatzansprüche aus persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, auch wenn die gerichtliche Durchsetzung des primären „Erfüllungsinteresses“ nicht möglich sei. Er begründet dies mit Grundsätzen des allgemeinen Schadenersatzrechts, § 1266 ABGB („volle Genugtuung“ für den schuldlosen oder minderjährigen Ehegatten), § 46 ABGB (Schaden aus Verlöbnisbruch) und den Materialien zu § 97 ABGB, wonach der Gesetzgeber unter Hinweis auf allgemeine schadenersatzrechtliche Grundsätze eine besondere Regelung der Haftbarkeit des gegen § 97 ABGB verstoßenden Ehegatten für entbehrlich gehalten habe.

Reischauer (in Rummel³ § 1295 ABGB Rz 60) meint, dass der Frau der Ehebruch ua auch deshalb verboten sei, damit nicht Kinder, die nicht vom Ehemann stammen, gezeugt und dem Ehemann zugerechnet werden.

Stefula (Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609 [622]) bejaht den Rechtswidrigkeitszusammenhang, wenn die Versagung der familiären Pflicht zu einem Schaden führt, der über den bloßen Entgang der Beistandsleistung an sich (das „Bestandsinteresse“) hinausgeht.

Höllwerth (in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR § 90 ABGB Rz 13) führt aus, dass die Verletzung von „nicht rein persönlichen Ehewirkungen“ schadenersatzrechtliche Folgen haben könne.

3.3. Soweit Gitschthaler (EF‑Z 2009, 136) den Rechtswidrigkeitszusammenhang letztlich bezweifelt, stehen seine Erwägungen allerdings im Zusammenhang mit Ansprüchen gegen den wahren Vater; solche Ansprüche sind hier nicht zu beurteilen. Gitschthaler führt aus, vom Schutzzweck des § 90 Abs 1 ABGB seien wohl die Scheidungskosten, Detektivkosten und die Kosten des Ehebestreitungsverfahrens umfasst, nicht aber die Vermeidung der Zeugung eines „außerehelichen“ Kindes und die Vermeidung der Situation, dass der falsche Mann für ein im Ehebruch gezeugtes Kind die Unterhaltskosten trage. Andernfalls gelange man zu einer Ungleichbehandlung von Mann und Frau, da etwa dem untreuen Ehemann, der (im Ehebruch) mit einer anderen Frau ein Kind zeuge, bei der Unterhaltsbemessung ein Abzug für die weitere Sorgepflicht nicht verwehrt werde.

4.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits der Unterscheidung zwischen Abwicklungs- und Bestandsinteresse bedient (6 Ob 124/02g = SZ 2003/16; vgl RIS‑Justiz RS0108842). Der Senat sieht vor diesem Hintergrund keinen Anlass, im vorliegenden Fall von der bisherigen – mit der Entscheidung 6 Ob 529/84 begründeten – Rechtsprechung abzugehen.

4.2. Sowohl die Kosten einer Ehelichkeitsbestreitungsklage (2 Ob 930/28 = SZ 10/302; 4 Ob 605/69 = JBl 1970, 573), als auch die Kosten des Kindesunterhalts für das Scheinkind sind konkrete Vermögensschäden, die aus einer Verletzung des – auch Vermögensinteressen der Ehepartner berührenden – Ehevertrags (Verletzung der ehelichen Treuepflicht) herrühren. Eine Differenzierung hinsichtlich deren Ersatzfähigkeit ist sachlich nicht begründbar. Auch das Argument, der Einschluss der Unterhaltskosten in den Rechtswidrigkeitszusammenhang mit § 90 Abs 1 ABGB benachteilige Frauen, weil Männer für im Ehebruch gezeugte Kinder einen Abzugsposten für Unterhaltsleistungen erhielten, überzeugt nicht: Im Unterhaltsrecht geht es nicht um schadenersatzrechtliche Normzwecküberlegungen; zudem würde dasselbe auch für die Mutter gelten, wenn sie geldunterhaltspflichtig wird.

4.3. Weder die Aufhebung der gerichtlichen Strafbarkeit des Ehebruchs seit 1997, noch der aktuell im Umbruch befindliche Begriff der Ehe (vgl Leisner‑Egensperger, Das neue österreichische Eherecht – ein Regelungsmodell für Europa?, JRP 2018, 66) haben Änderungen im Zusammenhang mit der ehelichen Treuepflicht gemäß § 90 Abs 1 ABGB bewirkt. Diese verbietet (nach wie vor) jede Missachtung des ehelichen Vertrauensverhältnisses und ist nicht auf den sexuellen Bereich beschränkt (4 Ob 52/06k mwN; vgl Schwimann/Ferrari in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 90 Rz 10).

Auch ist für das Zusammenleben von Ehegatten nach wie vor eine Wirtschaftsgemeinschaft typisch (vgl 3 Ob 31/14a), sodass die Ehe nicht nur von ideellen, sondern auch von Vermögensinteressen geprägt ist, die ebenfalls unter den Schutz des § 90 ABGB fallen (vgl RIS‑Justiz RS0009425).

4.4. Fallen demnach auch Vermögensschäden eines Ehemanns und Scheinvaters in Form von Unterhaltszahlungen an ein in aufrechter Ehe geborenes Kind der Ehegattin, das nicht vom Ehemann abstammt, das der Ehemann aber für sein eigenes Kind hält, unter den Schutzzweck des § 90 ABGB, besteht die – der Höhe nach nicht substanziiert bestrittene – Klageforderung aus dem Titel des Schadenersatzes dem Grunde und der Höhe nach zu Recht, zumal die Beklagte keine Umstände geltend gemacht hat, weshalb ihr der Ehebruch nicht vorwerfbar sein sollte.

4.5. Der Revision des Klägers ist deshalb Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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