OGH 6Ob529/84

OGH6Ob529/8415.3.1984

SZ 57/53

Normen

ABGB §138
ABGB §140
ABGB §1295
ABGB §138
ABGB §140
ABGB §1295

 

Spruch:

Die Ehegattin haftet ihrem Ehegatten für die Unterhaltszahlungen, welche dieser für ein von ihr im Ehebruch empfangenes, von ihm als ehelich angesehenes Kind erbracht hat

OGH 15. 3. 1984, 6 Ob 529/84 (OLG Wien 16 R 211/83; LGZ Wien 9 Cg 65/83)

Text

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Bezahlung des Betrages von 204 801.82 S und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Die zwischen ihm und der Beklagten im Jahre 1966 geschlossene Ehe sei im Jahre 1980 einverständlich geschieden worden. Das am 26. 12. 1967 geborene Kind Hanspeter habe als eheliches Kind gegolten, so daß den Kläger insbesondere die Pflicht zur Unterhaltsleistung getroffen habe. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 10. 12. 1981 sei jedoch rechtskräftig festgestellt worden, daß das genannte Kind kein eheliches Kind des Klägers sei. Da dieses Kind aus einer ehebrecherischen Beziehung der Beklagten stamme, hafte die Beklagte ex delicto für alle Vermögensnachteile, die dem Kläger ohne dieses deliktische Verhalten nicht entstanden wären. Als Kosten des erforderlich gewordenen Vaterschaftsbestreitungsprozesses seien ihm 29 301.82 S entstanden, welche vom Minderjährigen nicht einbringlich seien. Der Kläger habe sich mit Vergleich vom 7. 10. 1980 - zu diesem Zeitpunkt habe er noch nicht gewußt, daß er nicht der Vater des Kindes sei - zu einer Unterhaltsleistung von monatlich 1 500 S verpflichtet und in einem Zeitraum von 15 Monaten 22 500 S zu Handen der Beklagten gezahlt. Während des aufrechten Bestandes der Ehe habe der Kläger für das Kind Unterhaltsleistungen in der Höhe von mindestens 153 000 S erbracht.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, sie habe dem Kläger ihren Fehltritt unverzüglich mitgeteilt und der Kläger habe die Unterhaltszahlungen ungeachtet des ihm bekannten Umstandes geleistet, daß er nicht der Vater des mj. Hanspeter sei. Eine Unterhaltsleistung von monatlich 1 000 S (insgesamt 153 000 S) werde auch der Höhe nach bestritten. Im übrigen bestunde zwischen dem Ehebruch der Beklagten und der Unterhaltsleistung des Klägers kein rechtserheblicher Kausalzusammenhang. Auch ein Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB sei nicht gegeben. Jedenfalls habe der Kläger auf irgendwelche Ansprüche konkludent verzichtet. Schließlich wendete die Beklagte eine Gegenforderung in der Höhe von 20 000 S aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Zwar bestehe zwischen dem Ehebruch der Beklagten und dem schädigenden Erfolg (Unterhaltszahlungen des Klägers infolge der Ehelichkeitsvermutung des Kindes) ein adäquater Kausalzusammenhang, jedoch reiche dieser zur Begründung einer Schadenersatzpflicht nicht aus. Eine Haftung des Schädigers trete nämlich nur ein, wenn der verursachte Schaden vom Schutzzweck der Verbotsnorm erfaßt werde. Die Bestimmung des § 47 Abs. 1 EheG gäbe dem betrogenen Ehepartner nur das Recht, die Scheidung zu begehren, liefere aber keinen Anhaltspunkt dafür, aus dem Ehebruch noch andere Rechtsfolgen ableiten zu können. Die Begehung von Eheverfehlungen allein gäbe, abgesehen von Regelungen in anderen Gesetzen, dem verletzten Partner kein anderes Recht als das, die Scheidung zu verlangen. Die Bestimmung des § 47 EheG schütze die Ehe als Institution der Gesellschaft und das Recht des Partners auf Einhaltung der ehelichen Treue, es sei aber nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber auch den Schutz materieller Interessen des treuen Ehepartners bezweckt habe. Auch aus der Bestimmung des § 194 StGB sei nichts anderes abzuleiten.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Klägers das erstgerichtliche Urteil auf, verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen ist. Es trat der Ansicht des Erstgerichtes, zwischen dem Ehebruch der Beklagten und den im Vermögen des Klägers eingetretenen Schäden durch die Kosten des Ehelichkeitsbestreitungsprozesses und die Unterhaltszahlungen bestehe kein Rechtswidrigkeitszusammenhang entgegen und führte aus: Zur Beurteilung seien nicht nur die Bestimmungen des § 47 EheG und des § 194 StGB heranzuziehen, vielmehr komme auch der in den §§ 44 und 90 ABGB normierten Pflicht der Ehegatten zur Treue, anständigen Begegnung und zum gegenseitigen Beistand entscheidende Bedeutung zu. Daß sich diese Pflichten lediglich auf ideelle Bereiche bezögen, könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr seien mit diesen auch die materiellen Interessen der Ehepartner geschützt. Keinem Zweifel könne es unterliegen, daß durch die Begehung eines Ehebruches gegen die in den §§ 44 und 90 ABGB normierten Pflichten verstoßen werde. Damit ergebe sich aber der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Ehebruch und den mit diesem infolge der Ehelichkeitsvermutung für den Ehemann notwendigerweise verbundenen vermögensrechtlichen Nachteilen, wie den vom Minderjährigen infolge dessen Vermögenslosigkeit uneinbringlichen Kosten des Bestreitungsprozesses und den Unterhaltszahlungen. Die Haftung des untreuen Ehepartners für die uneinbringlichen Kosten des Ehelichkeitsbestreitungsverfahrens sei in der Judikatur bereits bejaht worden. In der österreichischen und deutschen Literatur werde aber auch überwiegend die Ansicht vertreten, daß der schuldige Ehegatte und der Dritte dem in seinen Rechten verletzten Eheteil das sogenannte Abwicklungsinteresse zu ersetzen hätten, worunter ua. die Kosten des Ehelichkeitsbestreitungsprozesses und die Leistungen für den Unterhalt des Kindes fielen. Hinsichtlich der Kosten des Ehelichkeitsbestreitungsverfahrens seien von der Beklagten bisher überhaupt keine stichhaltigen Einwendungen vorgebracht worden. Eine diesbezügliche Sachentscheidung sei aber noch nicht möglich, weil vom Erstgericht über die Höhe der Kosten keine Beweise aufgenommen worden seien. Hinsichtlich der Unterhaltskosten werde sich das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit den Einwendungen der Beklagten, der Kläger habe die Unterhaltsleistungen ungeachtet des Umstandes erbracht, daß ihm die Vaterschaft eines anderen Mannes bekannt gewesen sei, auseinanderzusetzen und gegebenenfalls auch über die Höhe der Leistungen entsprechende Beweise aufzunehmen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Adäquanz einer Ursache ist nicht schon dann zu verneinen, wenn eine weitere Ursache, die auch in einem vorsätzlichen Handeln des Geschädigten liegen kann, hinzutritt, sondern nur, wenn die weitere Ursache und der dadurch bedingte Geschehensablauf außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag bzw. nach der Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen war (vgl. JBl. 1974, 372 ua.). Davon kann hier nicht gesprochen werden. Es gehört im Gegenteil mit Rücksicht auf die den Ehegatten, für dessen Vaterschaft die Vermutung des § 138 ABGB spricht, treffende Unterhaltspflicht (vgl. JBl. 1961, 415 ua.) zum typischen Geschehensablauf, daß der Kläger die Unterhaltsleistungen für den mj. Hanspeter erbrachte.

Den Ausführungen der Beklagten, der Kläger habe nicht dem Kind direkt Unterhalt geleistet, sondern der Klägerin im Rahmen des Eheverhältnisses und diese habe zur Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind - der uneheliche Vater sei vor der Geburt des Kindes gestorben - vom Kläger einen entsprechenden Unterhalt verlangen können, weil sie den Haushalt geführt habe, kann ebenfalls nicht zugestimmt werden. Solange nicht andere - ausdrückliche oder konkludente - Vereinbarungen zwischen den Parteien feststehen, ist davon auszugehen, daß der Kläger mit den zum Unterhalt des Kindes, das als sein eheliches galt, erbrachten Leistungen, die - wie schon oben ausgeführt - durch den Ehebruch der Beklagten adäquat verursacht waren, seine eigene, diesem Kind gegenüber bestehende Unterhaltspflicht erfüllt hat. Davon, daß er keinen Schadenersatzanspruch haben könne, weil er dem Kind gar keinen Unterhalt geleistet habe, kann also keine Rede sein Die Beklagte vertritt weiters - allerdings teilweise vermischt mit Ausführungen zum Kausalzusammenhang - die Auffassung, es bestehe kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Ehebruch der Beklagten und den Kosten des Ehelichkeitsbestreitungsprozesses und den Unterhaltszahlungen des Klägers. Der Schutzbereich der gesetzlichen Bestimmungen (§§ 47 EheG, 194 StGB, 44 und 90 ABGB) erfasse lediglich die Ehe als solche oder die Ehre des Partners, nicht aber die Vermögensintegrität. Das Argument, die Ehe verfolge auch vermögensrechtliche Interessen, vermöge nicht zu überzeugen. Gerade der Umstand, daß sich im Ehe- und Familienrecht auch vermögensrechtliche Regelungen fänden, sollten bei extensiven Interpretationen und Ausdehnungen des Schutzzweckes zur Vorsicht raten.Diesen Ausführungen ist folgendes zu entgegnen: Die Entscheidung hängt davon ab, ob man durch die Bestimmung des § 90 ABGB, wonach die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet sind, ausschließlich die ideellen Interessen oder auch die Vermögensinteressen der Ehepartner geschützt ansieht und ob man die Bestimmungen über die durch die Ehe begrundeten Pflichten und über die Folgen ihrer Verletzung als ausschließliche und abschließende Regelung der Frage ansieht, welche Folgen eine Verletzung der durch die Ehe begrundeten Pflichten hat. Im vorliegenden Fall hat sich die Entscheidung darauf zu beschränken, ob nach aufgelöster Ehe der frühere Ehemann gegenüber seiner früheren Ehegattin einen Ersatz von Schäden verlangen kann, die ihm durch die Führung des Bestreitungsprozesses und durch die Unterhaltsleistungen an das im Ehebruch gezeugte Kind entstanden sind. Dies ist nach Ansicht des erkennenden Senates zu bejahen. Zu der im § 90 ABGB genannten umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft gehört auch die wirtschaftliche Komponente. Wenn auch die ideellen Interessen der Ehe im Vordergrund stehen, so hindert das nicht, daß auch die Vermögensinteressen der Ehegatten, die für die materielle Grundlage der Ehe von Bedeutung sein können, mit geschützt sind. Für diese Auffassung spricht, daß die Berufung auf die sittlichen Werte der Ehe nicht dazu dienen darf, dem am Ehebruch unbeteiligten Ehegatten einen Schaden aufzulasten, den der andere Ehegatte unter Verstoß gegen die Verpflichtung zur ehelichen Treue verschuldet hat (vgl. Dölle, Familienrecht I 379; Boehmer in AcP 155, 192; Welser in ÖJZ 1975, 8). Diesen auch den Schutz der Vermögensinteressen der Ehegatten einschließenden Zweck der Eheschutzbestimmungen bejahen auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I 162, II 19, Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts[3], 163 ff.; Rolland, 1. EheRG[2] 111 und Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, 261). Diese den Schutzzweck auf die vermögensrechtlichen Interessen ausdehnende Auffassung liegt unausgesprochenermaßen auch den Entscheidungen zugrunde, die die ehebrecherische Ehegattin (SZ 1/73) bzw. den Dritten (SZ 10/302; JBl. 1970, 573) zum Ersatz der Kosten des Bestreitungsprozesses verhalten haben. Der gegenteiligen, dem Sinne nach in der Entscheidung SZ 8/32 vertretenen Auffassung (so auch BGHZ 24, 11 und BGHZ 26, 221 f.) kann nicht beigepflichtet werden. Es findet sich aber auch kein Anhaltspunkt dafür, daß zwischen (früheren) Ehegatten ein Ersatz der hier in Frage stehenden Schäden nicht möglich wäre. Ob und welche anderen durch eine Ehestörung bewirkten materiellen Schäden zu ersetzen sind (vgl. dazu Welser aaO 8; Gernhuber aaO 164 f.; Beitzke, Familienrecht[23], 71 f.; Rolland aaO 113), braucht hier nicht untersucht werden.

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