OGH 4Ob100/15g

OGH4Ob100/15g11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C*****, vertreten durch Holter‑Wildfellner Rechtsanwälte OG in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei Dr. S*****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen 7.843,69 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. März 2015, GZ 18 R 205/14x‑21, womit das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 11. Juni 2014, GZ 2 C 766/13w‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00100.15G.0811.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 7.843,69 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. Jänner 2014 sowie die mit 4.828,34 EUR bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin 685,56 EUR USt und 715 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Das Zinsenmehrbegehren von 4 % aus 7.843,69 EUR vom 10. bis 31. Dezember 2013 wird hingegen abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 4.279,54 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 304,92 EUR USt und 2.450 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte und der (damalige) Ehemann der Klägerin (einvernehmliche Scheidung erst im Jänner 2013) kennen einander seit 2010 durch die gemeinsame Arbeit im Spital. Seit Weihnachten 2011 hatten beide intensiveren Gesprächskontakt, wobei der Ehemann der Klägerin von immer wieder auftauchenden Eheproblemen berichtete. Die Beklagte riet ihm, seine Ehe nicht vorschnell aufzugeben. In weiterer Folge erzählte der Ehemann der Klägerin der Beklagten aber, bereits anwaltlichen Rat zur Scheidung von der Klägerin eingeholt zu haben und davon auszugehen sei, sie habe dasselbe getan.

Ab 14. September 2012 nächtigte der Ehemann der Klägerin nicht mehr durchgehend in der Ehewohnung, sondern teilweise bei seinen Eltern und in seinem Arztzimmer. Der Klägerin gegenüber äußerte er, sich emotional entfremdet zu haben und Abstand zu brauchen. Dennoch fanden weiterhin sexuelle Kontakte zwischen den Eheleuten statt (bis Ende Oktober 2012). Die Klägerin ging trotz der erwähnten Äußerung ihres Mannes davon aus, die Eheprobleme seien noch lösbar. Der Beklagten gegenüber äußerte der Ehemann aber, seine Ehe sei gescheitert, bestehe nur noch auf dem Papier und die Scheidung wäre reine Formsache. Die Beklagte glaubte ihm und ging von der unheilbaren Zerrüttung der Ehe aus. In dieser Überzeugung ging sie mit dem Kläger ab September/Oktober 2012 eine sexuelle Beziehung ein.

Am 8. Oktober teilte der Ehemann der Klägerin der Beklagten mit, er habe Angst, seine vier Kinder zu verlieren, es gehe ihm aufgrund der Scheidungssituation sehr schlecht. Die Beklagte erhielt dadurch den Eindruck, es bestehe doch noch die Möglichkeit, er wolle an der Ehe festhalten. Als Antwort auf einen ihre Gefühle offenlegenden Brief der Beklagten erwiderte der Ehemann der Klägerin aber tags darauf, es habe sich an seiner Scheidungsabsicht nichts geändert.

In der Nacht vom 15. auf 16. Oktober 2012 rief die Klägerin im Zuge eines Streits die Polizei, um ihren Mann aus der ehelichen Wohnung wegweisen zu lassen. Am Tag darauf zog er endgültig aus der Wohnung aus. Darin sah die Beklagte eine neuerliche Bestätigung ihrer bisherigen Auffassung, die Ehe sei tatsächlich endgültig zerrüttet.

Am 18. Oktober beauftragte die Klägerin eine Detektei mit der Observierung ihres Ehemanns. Diese wurde vom 19. bis 21. Oktober sowie vom 31. Oktober bis zum 2. November 2012 durchgeführt und ergab, dass sich der Ehemann der Klägerin in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2012 in der Wohnung der Beklagten aufhielt und Zärtlichkeiten mit ihr austauschte. Für die Observierung erhielt die Klägerin 7.843,69 EUR in Rechnung gestellt, welche sie bezahlte. Nach Erhalt des Observationsergebnisses reichte die Klägerin die Scheidungsklage ein; im Jänner 2013 wurde die Ehe schließlich einvernehmlich geschieden.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Ersatz der Detektivkosten von 7.843,69 EUR sA. Die Beklagte sei in Kenntnis der aufrechten Ehe eine ehewidrige Beziehung mit dem Ehemann der Klägerin eingegangen. Das Detektivbüro habe dieses außereheliche Verhältnis bestätigt. Aufgrund des unerwarteten Auszugs des Ehemanns und seines Verhaltens seit September 2012 habe die Klägerin Verdacht geschöpft, ihr Ehemann könnte eine ehewidrige Beziehung führen. Die beauftragte Observierung sollte ihr Klarheit verschaffen.

Die Beklagte wendete ein, die Lebensgemeinschaft der Ehegatten sei spätestens am 14. September 2012 aufgelöst worden. Das Verhalten der Beklagten habe keinen wie immer gearteten Einfluss auf den Verlauf und das Ende der Ehe gehabt, die Beklagte habe daher keine ehewidrige Beziehung mit dem Ehemann der Klägerin gehabt. Erst nachdem der Ehemann der Klägerin bereits längere Zeit von seiner Familie getrennt gelebt habe, er also aus Sicht der Beklagten bereits „frei“ gewesen sei, habe sie im Oktober 2012 intimen Kontakt mit ihm gehabt. Zu diesem Zeitpunkt sei die eheliche Lebensgemeinschaft bereits aufgelöst und die Scheidung in die Wege geleitet gewesen. Die Klägerin habe auf die Geltendmachung der Detektivkosten verzichtet. Sollte sie nur gegenüber ihrem Ehemann verzichtet haben, stünde ihr gegenüber der Beklagten nur ein Anspruch auf die halben Detektivkosten zu. Da die Detektive nur eine ehewidrige Beziehung am 19. Oktober, danach aber nicht mehr hätten feststellen können, müsse die Beklagte, wenn überhaupt, nur für die Observationskosten bis 19. Oktober haften. Im Übrigen hätte die Klägerin die Beklagte auch fragen können, ob sie ein Verhältnis mit ihrem Ehemann habe. Dies hätte ihr die Beklagte bestätigt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es liege grundsätzlich in der Verantwortung der Ehegatten, die ehelichen Treuepflichten einzuhalten. Ein Dritter könne dagegen nur dann auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wenn ihm an der Ehestörung eine objektive Sorgfaltswidrigkeit anzulasten sei. Diese fehle hier, weil die Beklagte aufgrund der glaubhaften Versicherungen des Ehemanns der Klägerin davon habe ausgehen dürfen, dessen Ehe sei bereits unheilbar zerrüttet. Nachforschungspflichten hätten sie nicht getroffen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung. Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Ersatz der Detektivkosten sei darauf abzustellen, ob eine wertverbundene Maßstabsfigur in der Situation der Beklagten eine sexuelle Beziehung zum Ehemann der Klägerin begonnen hätte oder ab welchem Zeitpunkt sie diese beenden hätte müssen. Es sei primär Pflicht der Verheirateten, ehestörende oder ehebrecherische Verhältnisse hintanzuhalten. Auch wenn die Beklagte in diesem Fall vom formellen Bestand der Ehe gewusst habe, habe sie mangels gegenteiliger Anhaltspunkte den Angaben des Ehemanns der Klägerin vertrauen dürfen, seine Ehe sei gescheitert und er sei bereits aus der Ehewohnung ausgezogen. Unter diesen Umständen sei auch von einer wertverbundenen Maßstabsfigur nicht zu fordern, mit einer ‑ auch intimen ‑ Beziehung zuzuwarten, bis ein konkreter Scheidungstermin feststehe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung ausgehend von der zu 3 Ob 232/11f vertretenen Rechtsansicht im Hinblick auf die gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickelt habe. Ein vergleichbarer Fall sei vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt, ist infolge Widerspruchs der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsansicht zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig und auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung können Detektivkosten auch unabhängig von einem allenfalls gleichzeitig geführten Ehescheidungsprozess sowohl vom Ehegatten als auch vom beteiligten Dritten eingeklagt werden, weil ein Ehegatte, dessen Ehe durch ehewidrige Beziehungen seines Partners zu einer Dritten Person gestört wird, ein besonderes Interesse daran hat, sich Klarheit über den Sachverhalt zu verschaffen. Das Recht, sich durch einen Detektiv Gewissheit zu verschaffen, findet seine Grenze dort, wo die Überwachung offenkundig überflüssig, von vornherein aussichtslos und erkennbar unzweckmäßig ist oder aber Rechtsmissbrauch vorliegt, weil die Ehegatten bereits jedes Interesse daran verloren hatten, wie der andere sein Leben gestaltet (4 Ob 52/06k mwN; RIS‑Justiz RS0022943, RS0022959).

Da der Beklagten von Anbeginn an bekannt war, dass der Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der intimen Beziehung zu ihr verheiratet war, stellt sich die Frage nach allfälligen Nachforschungspflichten im Hinblick auf den Familienstand, welche Gegenstand der Entscheidungen zu 2 Ob 111/10b und 6 Ob 216/12a waren, nicht. Aus diesen Entscheidungen ist nichts abzuleiten, was gegen die Ersatzpflicht der Beklagten spräche.

Die Pflicht zur ehelichen Treue besteht grundsätzlich während der gesamten Dauer der Ehe und muss von den Ehegatten auch noch während eines anhängigen Scheidungsverfahrens beachtet werden (RIS‑Justiz RS0056332). Der Ehestörer greift in diese Rechte daher auch dann ein und haftet für die Detektivkosten, wenn sein Verhalten für die Zerrüttung der Ehe deswegen nicht kausal werden konnte, weil die Zerrüttung bereits eingetreten war (1 Ob 114/09k; 1 Ob 101/97b, je mwN).

Rechtsmissbrauch, das Überwiegen unlauterer Motive gegenüber der Verfolgung eines bestehenden Rechts (RIS‑Justiz RS0026265, RS0026271), wird von der Rechtsprechung (nur) dort gesehen, wo die Ehe tatsächlich nur noch „auf dem Papier“ besteht, weil die Eheleute einander zu verstehen gegeben haben, jedes Interesse an der Lebensführung des anderen verloren zu haben (vgl 8 Ob 115/13i; RIS‑Justiz RS0022959). Der Ehestörer hat daher nach der Rechtsprechung unabhängig vom Erfolg einzelner Beobachtungen all jene Detektivkosten zu ersetzen, die der in seinen Rechten verletzte Ehegatte nach objektiven Maßstäben für notwendig ansehen konnte, um sich über das Verhalten seines Ehepartners Gewissheit zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0022959).

Schon bei schuldrechtlichen Verträgen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass es grundsätzlich jedermann zumutbar ist, diese zu respektieren (RIS‑Justiz RS0025920). Das muss um so mehr für die Ehe als nicht bloß schuldrechtlichem Vertrag, sondern sogar absolut geschütztem Rechtsgut gelten. Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht herangezogene Entscheidung 3 Ob 232/11f betraf einen mit dem hier zu beurteilenden nicht vergleichbaren Sachverhalt. Dort war der Beklagten zum Zeitpunkt des Eingehens der sexuellen Beziehung mit dem Ehemann der Klägerin nicht bekannt, dass dieser verheiratet war. Hier hatte die Beklagte aber von Anfang an Kenntnis von der Ehe.

Die subjektive Zumutbarkeit der Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt wird nach § 1297 ABGB vermutet, weshalb die Beklagte die Tatumstände zu behaupten und zu beweisen hätte, aus denen sich die subjektive Unzumutbarkeit ableiten ließe (RIS‑Justiz RS0026200; Reischauer in Rummel 3 , § 1297 ABGB Rz 16). Dass hier die Einhaltung der objektiven Sorgfalt subjektiv nicht möglich gewesen wäre, hat die Beklagte nicht behauptet.

Auf die weiteren in erster Instanz gegen den erhobenen Schadenersatzanspruch vorgetragenen Einwendungen kommt die Beklagte in dritter Instanz nicht mehr zurück. Im Übrigen hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass eine Verpflichtung zur Nachfrage bei einem der Ehestörung verdächtigen Dritten im Regelfall nicht besteht, weil durch die damit möglicherweise verursachten (weiteren) Heimlichkeiten der Zweck eines Überwachungsauftrags gefährdet werden könnte (4 Ob 52/06k).

Der von der Klägerin erhobene Schadenersatzanspruch erweist sich daher als berechtigt, weshalb der Revision Folge zu geben und der Klage stattzugeben war. Mangels Behauptung einer früheren Fälligkeit von Verzugszinsen waren diese erst ab Klagezustellung zuzusprechen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf §§ 43 Abs 2 erster Fall und 50 ZPO.

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