OGH 1Ob38/18x

OGH1Ob38/18x30.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M* O*, geboren am * 2004 und des mj G*O*, geboren am * 2006, vertreten durch das Land Niederösterreich, als Kinder- und Jugendhilfeträger, *, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Mutter Mag. N* O*, vertreten durch Dr. Wolfgang Strasser und Mag. Dr. Christian Strasser, Rechtsanwälte in St. Valentin, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 15. November 2017, GZ 23 R 441/17a‑54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Amstetten (Nebenstelle Haag) vom 22. August 2017, GZ 507 Pu 108/16d‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121726

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit seinem Beschluss verpflichtete das Erstgericht eine Mutter an ihre beiden Kinder rückständigen Unterhalt (für die Zeit von 1. 1. 2015 bis 31. 7. 2015) und laufenden Unterhalt ab 1. 3. 2017 in Höhe von jeweils monatlich 645 EUR zu zahlen. Es stellte ua die unterschiedlichen Kaufkraftverhältnisse in Österreich und den Vereinigten Staaten, in denen sich die Mutter aufhält, das von ihr in der Zeit des Unterhaltsrückstands erzielte Einkommen und (nach Einholung eines Sachverständigengutachtens) auch, dass es der Mutter möglich (gewesen) sei, ab 1. 3. 2017 ein monatliches Nettoeinkommen von 4.240 USD zu erzielen, fest.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und führte zu den Argumenten der Mutter, soweit sie im Revisionsrekursverfahren noch wesentlich sind, aus, die erstmals im Rekurs aufgestellte Behauptung, sie sei zu 50 % dunkelhäutig, sei eine unzulässige Neuerung. Es lasse sich aus den im Akt erliegenden Fotos (darunter auch ein Farbfoto) aufgrund ihres äußerlichen Erscheinungsbildes ein solcher Schluss nicht ziehen. Bei der Beurteilung der Chancen einen Arbeitsplatz zu finden, komme es letztlich nicht darauf an, ob „genetische Vorfahren“ der Mutter als dunkelhäutig einzuschätzen seien oder nicht, sondern auf das äußerliche Erscheinungsbild. Dem Einwand, es sei ihr (nur) eine befristete Arbeitserlaubnis erteilt worden, setzte es entgegen, es sei die ursprünglich (bis November 2016) gegebene Befristung bis Oktober 2017 verlängert worden, weshalb von einer weiteren Verlängerung auszugehen sei. Gerade wenn die Mutter betone, dass der amerikanische Arbeitsmarkt von einer wesentlich stärkeren Fluktuation („Hire & Fire“) gekennzeichnet sei, komme der Befristung, die bereits bei Erstattung des Gutachtens bekannt gewesen sei, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Es habe der Sachverständige gegenüber dem Erstgericht zudem erklärt, dass sich an seinem Kalkül nichts ändere.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig:

1. Gegen die Verpflichtung, Unterhaltsrückstand (für die Zeit von 1. 1. 2015 bis 31. 7. 2015) zu zahlen, bringt die Mutter gar keine Argumente vor. Der Beschluss des Rekursgerichts wird insoweit gar nicht bekämpft.

2. Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung im konkreten Fall gegeben sind oder nicht, richtet sich nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Die in diesem Zusammenhang zu beantwortenden Rechtsfragen sind regelmäßig nicht von der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität (RIS‑Justiz RS0113751; RS0007096 [T7]). Auch die Frage, ob den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt, ist in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS‑Justiz RS0007096 [T5]). Zu Letzterem gilt im Übrigen, dass der Unterhaltsschuldner darzutun hat, dass und wie er seinen Verpflichtungen, nach Kräften zum Unterhalt beizutragen, nachgekommen ist (RIS‑Justiz RS0047536). Der Angespannte trägt also die Behauptungs‑ und Beweislast für fehlendes Verschulden bzw mangelnde Fahrlässigkeit (vgl 10 Ob 10/15s = RIS‑Justiz RS0006261 [T15]; 1 Ob 65/16i = RS0006261 [T18] = RS0047536 [T4]).

Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zum Verschulden kann die Revisionsrekurswerberin also nicht aufzeigen, wenn ihr ohnehin ein Zeitraum von sieben bis neun Monaten für die Arbeitssuche eingeräumt und ihr die laufende Unterhaltsverpflichtung erst ab März 2017 auferlegt worden war, sie aber konkrete Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu suchen nur bis Jänner 2017, nicht mehr aber für den Zeitraum danach behauptete und belegte.

3. Auch darin, dass ihr die Zahlung des laufenden Unterhalts trotz befristeter Arbeitserlaubnis unbefristet auferlegt wurde, liegt keine erhebliche Rechtsfrage. Zu den Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zählt es, die notwendigen Voraussetzungen für die Ausübung seiner Berufstätigkeit zu erwirken. Höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, dass etwa von einem in Österreich lebenden Unterhaltspflichtigen verlangt wird, dass er die erforderlichen Anträge auf Erteilung einer Niederlassungs‑  und Arbeitsbewilligung stellt und diese Verfahren gehörig betreibt, um einer erlaubten Beschäftigung nachgehen zu können (RIS‑Justiz RS0128825), besteht bereits. Dies gilt ohne Zweifel auch für außerhalb von Österreich aufhältige Unterhaltspflichtige. Die Revisionsrekurswerberin stellte auch gar nicht in Abrede, dass eine befristete Arbeits‑ und Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich verlängert werden kann. Sie zieht nur in Zweifel, dass bei einer Befristung eine Verlängerung gesichert sei und trägt erstmals im Revisionsrekurs – und damit als unzulässige Neuerung – vor, im vorliegenden Fall sei dies sogar gänzlich unmöglich.

Ausgehend von ihrem Vorbringen im Verfahren erster Instanz war nur darauf abzustellen, ob und ab wann sie als Unterhaltsschuldnerin in diesem Zeitpunkt eine Tätigkeit hätte ausüben können. Dass in Zukunft ungewisse oder unerwartete Veränderungen eintreten können, die eine (weitere) Berufsausübung nach Beschlussfassung verhindern oder einschränken (wie langandauernde Krankheiten, Unfälle oder dergleichen), liegt im Wesen des Ausspruchs über künftige Leistungen. In solchen Fällen kann ein Unterhaltsschuldner, also etwa auch dann, wenn sich später herausstellt, dass von ihm eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis nicht bewirkt werden kann, mit einem Unterhaltsherabsetzungsantrag erreichen, dass derartige Änderungen der Umstände berücksichtigt werden (stRsp RIS‑Justiz RS0053297; RS0018984 [zum Unterhaltsvergleich]; vgl RS0047398; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 140 ABGB Rz 66 mwN); es kann ja eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darin liegen, dass die Voraussetzungen für eine Anspannung wegfallen (vgl RIS‑Justiz RS0106229).

4. Auch die Beantwortung der Frage, ob eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (RIS‑Justiz RS0042828 [T35]; RS0044273 [T61]). Dass die Mutter, die österreichische Staatsbürgerin ist, in den Vereinigten Staaten als Ausländerin Arbeit suchen muss, wurde bei Erstattung des Gutachtens bereits berücksichtigt. Im Verfahren erster Instanz brachte sie niemals vor, dass sie „zu 50 % dunkelhäutig“ sei. Sie legte nur dar, es kläre das Gutachten den „Einfluss auf Arbeitssuche für Personen aus Minoritätengruppen“ nicht auf, ohne auch nur anzudeuten, dass oder welcher Minorität sie angehören sollte. Das Erstgericht folgte in dieser Frage dem Sachverständigen, der auch nach diesen (und anderen) Ausführungen der Mutter an seinem Gutachten festhielt.

Da die Revisionsrekurswerberin keine Rechtsfrage in der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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