OGH 8ObA38/17x

OGH8ObA38/17x26.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Mag. Susanne Haslinger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei MMag. E***** Z*****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Gemeinde F*****, vertreten durch Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1.961,03 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 2017, GZ 6 Ra 88/16g‑17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00038.17X.0126.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 156,54 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gemeinde betreibt eine Musikschule, deren Finanzierung mittels Landes- und Gemeindeförderungen sowie Schulgeld erfolgt. In den Schuljahren 2014/15 und 2015/16 wurde sie von jeweils etwa 300 Schülern besucht.

Die Klägerin ist seit September 2000 bei der Beklagten als Instrumentallehrerin für Violine und Klavier beschäftigt. Im Schuljahr 2014/15 unterrichtete sie 18 Wochenstunden (25 Schüler, eine Ensemblestunde), im Folgejahr 16 Wochenstunden (23 Schüler, eine Ensemblestunde). Im Jahr 2016/17 unterrichtete sie 24 Schüler, dies ohne zusätzliche Ensemblestunde.

Auf den vorliegenden Dienstvertrag sind (aufgrund der Option der Klägerin) das Stmk Musiklehrergesetz 1991 (Stmk MLG 1991) sowie subsidiär das Stmk Gemeindevertragsbedienstetengesetz (Stmk GVBG) anzuwenden. Mit Nachtrag zum Dienstvertrag vom 1. 9. 2014 wurde die Klägerin in die Entlohnungsgruppe IL/l2a2 überstellt. Dieser Dienstvertrag sieht unter anderem vor:

„Punkt 14: Beschäftigungsausmaß: 18 Wochenstunden, das sind 75 von Hundert der Vollbeschäftigung. Das Stundenausmaß unterliegt jährlich einer Neufestsetzung und ist abhängig von der Lehrfächerverteilung.“

Die Klägerin übermittelte der Beklagten den unterfertigten Nachtrag mit einem schriftlichen Vorbehalt hinsichtlich des Punktes 14, mit der Begründung, es sei unklar, welche Auswirkungen er auf das Vertragsverhältnis habe, ob eine Reduktion unter 50 % einer Vollbeschäftigung möglich wäre und ob damit auch eine Rückstufung im Entlohnungsschema verbunden wäre. Grund für diesen Vorbehalt war, dass die Klägerin eine Rückstufung vermeiden wollte und dass sie mit einer Reduktion ihrer Beschäftigung auf weniger als 18 Wochenstunden nicht einverstanden war.

Mit „Dienstanweisung“ des Bürgermeisters der Beklagten vom 1. 9. 2015 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihr Beschäftigungsausmaß im Schuljahr 2015/16 auf 16 Wochenstunden reduziert werde.

In der Klage begehrt sie die Zahlung von (nach Teilzahlung und Einschränkung zuletzt) 1.961,03 EUR brutto an Entlohnungsdifferenz zwischen 16 und 18 Wochenstunden von Oktober 2015 bis März 2016, sowie die Feststellung, dass ihr Beschäftigungsausmaß in der Musikschule der Beklagten bei 18 Wochenstunden liege.

Der Beklagten stehe nach dem Stmk MLG 1991 kein Recht zur einseitigen Reduktion des Stundenausmaßes per Anweisung zu. Eine solche Änderung bedürfe eines schriftlichen Nachtrags zum Dienstvertrag. Da sich die Anzahl der Musikschüler und Lehrer zwischen 2014 und 2016 nicht geändert habe, fehle auch eine sachliche Rechtfertigung für eine Stundenreduktion.

Die Beklagte wandte ein, zwischen den Streitteilen sei ein variables Stundenausmaß vereinbart worden, dessen Neufestsetzung dem Dienstgeber in Abhängigkeit von der Lehrfächerverteilung zustehe. Die Klägerin habe dies akzeptiert und lediglich einen Vorbehalt gegen eine Reduktion unter die Hälfte einer Vollzeitbeschäftigung erklärt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Vereinbarung eines beliebigen Beschäftigungsausmaßes, das vom Dienstgeber jederzeitig einseitig geändert werden könne, sei unzulässsig.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge. Da auch die Lehrfächerverteilung im Gutdünken der Beklagten gelegen sei, käme ihre Rechtsansicht einer einseitig im Belieben des Dienstgebers liegenden Änderung des Beschäftigungsausmaßes gleich. Eine solche Vereinbarung könne nicht wirksam getroffen werden. Auch der Verweis auf die mit § 10 Abs 6 Stmk MLG 2014 geschaffene Rechtslage könne nicht überzeugen. Diese Bestimmung sei auf das vorliegende Vertragsverhältnis nicht anzuwenden, außerdem sei danach eine einseitige Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes durch den Dienstgeber auch nur zulässig, wenn sich der Arbeitsumfang nicht nur vorübergehend wesentlich ändere. Eine solche Beschränkung fehle im Dienstvertrag der Klägerin, sodass sie vor einer beliebigen Verschlechterung ihrer Vertragslage nicht geschützt wäre und sich dieser nur durch Selbstkündigung entziehen könnte. Der Dienstnehmer müsse Gewissheit über das Ausmaß seines Dienstverhältnisses haben. Einvernehmliche Änderungen seien ohnedies jederzeit möglich. Darauf, ob die einseitige Herabsetzung um zwei Stunden allenfalls sachlich gerechtfertigt und sozial verträglich gewesen wäre, komme es nicht mehr an.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei. Die Klägerin hat die ihr nach § 508a ZPO freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Möglichkeiten und Grenzen der Vereinbarkeit variabler Beschäftigungsausmaße von Vertragsbediensteten aufgrund einer Vielzahl von potentiell betroffenen Dienstnehmern einer Klarstellung bedarf. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Die in der Revision angesprochene Frage, ob es der höchstgerichtlichen Rechtsprechung folgend zulässig wäre, mit einem Vertragsbediensteten nach dem Stmk MLG 1991 und dem Stmk GVBG eine Teilzeitbeschäftigung ohne Festlegung einer bestimmten Stundenanzahl zu vereinbaren, stellt sich hier nicht. Die Streitteile haben in der geltenden Fassung des Dienstvertrags nämlich ein bestimmtes Beschäftigungsausmaß von 18 Wochenstunden festgelegt. Wesentlich ist hier, was unter der im Folgesatz vereinbarten „jährlichen Neufestsetzung“ zu verstehen ist.

2. Die Formulierung, das vereinbarte Stundenausmaß unterliege jährlich – abhängig von der Lehrfächerverteilung – einer Neufestsetzung, lässt für sich allein nicht erkennen, durch wen und in welcher Form diese erfolgen soll. Ausgehend vom reinen Wortsinn beginnt die Bandbreite der Möglichkeiten bei einer unverbindlichen Absichtserklärung, sie setzt sich fort bei einer Auslegung, dass jährlich nach Festlegung einer geänderten Lehrfächerverteilung in Verhandlungen über eine einvernehmliche Änderung des Stundenausmaßes zu treten ist, bis zu der von der Beklagten vertretenen Auffassung eines einseitigen Änderungsrechts per Weisung.

Im Allgemeinen ist eine Berechtigung zur einseitigen Änderung eines Vertrags durch den wirtschaftlich typischerweise stärkeren Teil eine ungewöhnliche, in der Regel den anderen, schwächeren Vertragsteil gröblich benachteiligende Vereinbarung (RIS-Justiz RS0016914 [T4]; vgl auch RS0021256, RS0029509 ua) und speziell dem Arbeitsvertragsrecht fremd. Für die Zulässigkeit einer solchen Regelung bedarf sie entweder einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, oder eines ausdrücklichen Vorbehalts, dem der Dienstnehmer frei von Willensmängeln zugestimmt hat und der auch seine berechtigten Interessen angemessen wahrt.

3. Eine gesetzliche Grundlage für die von der Beklagten vertretene Auslegung besteht, wie schon die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, nicht.

Das auf das Vertragsverhältnis noch anzuwendende Stmk MLG 1991 räumt dem Dienstgeber kein Recht ein, ein vereinbartes Teilzeitbeschäftigungsausmaß einseitig zu ändern. Erst das nachfolgende, am 1. 8. 2014 in Kraft getretene Stmk MLG 2014 sieht in seinem § 10 Abs 6 die Möglichkeit einer Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes durch den Dienstgeber vor, wenn sich der Arbeitsumfang nicht nur vorübergehend ändert. Das Gestaltungsrecht nach dieser Bestimmung weicht aber wesentlich von jenem ab, das die Beklagte für sich in Anspruch nimmt. Es setzt nicht nur eine dauerhafte Änderung des Arbeitsumfangs voraus, worunter vorübergehende Schwankungen nicht verstanden werden könnten, sondern eröffnet dem Lehrer, der mit der Änderung nicht einverstanden ist, die Möglichkeit einer privilegierten Selbstkündigung. Im Ergebnis wird durch § 10 Abs 6 Stmk MLG 2014 nichts anderes als die Zulässigkeit einer Änderungskündigung gesetzlich festgeschrieben. Keineswegs kann aber davon gesprochen werden, dass diese Neuregelung den zu Lasten des Vertragslehrers wesentlich weitergehenden Rechtsstandpunkt der Beklagten stützt oder dass dieser den aus der Neuregelung erkennbaren Intentionen des Landesgesetzgebers entsprechen würde.

4. Auch aus den Bestimmungen des subsidiär anzuwendenden Stmk GVBG kann für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen werden.

Nach § 8 Abs 1 Stmk GVBG ist der Dienstvertrag des Vertragsbediensteten schriftlich auszufertigen und von beiden Teilen zu unterschreiben. Er hat zu seiner Gültigkeit unter anderem (§ 8 Abs 1 Z 9) die vereinbarte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit zu enthalten. Nach § 8 Abs 3 Stmk GVBG ist jede Änderung der vorgesehenen Beschäftigungsdauer und jede nicht nur vorübergehende Änderung des Beschäftigungsausmaßes oder der Beschäftigungsart, die mit einem Wechsel der Entlohnungsgruppe verbunden ist, durch einen schriftlichen Nachtrag zum Dienstvertrag festzuhalten. Eine einseitige Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen ist nicht vorgesehen.

5. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine befristete Vereinbarung eines bestimmten Beschäftigungsausmaßes zulässig ist und nicht § 4 Abs 2 lit e VBG widerspricht, der eine Festlegung auf Teil- oder Vollzeitbeschäftigung verlangt (RIS-Justiz RS0081653 [T1, T3 = 8 ObA 59/13d, 9 ObA 282/98f]). Die befristet vereinbarte Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes kann aber nicht mit dem vorliegenden Fall verglichen werden, in dem sich die Beklagte darauf beruft, das ursprüngliche dienstvertragliche Synallagma einseitig und auf unbestimmte Zeit zu Lasten der Klägerin ändern zu können.

6. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts ist daher zutreffend und die Revision nicht berechtigt. Dieses Ergebnis bedeutet entgegen den Revisionsausführungen auch nicht, dass jegliche Änderung des Stundenausmaßes zwischen den Streitteilen unmöglich wäre, sondern dass darüber Einvernehmen erzielt werden muss.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41 und 50 ZPO.

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