OGH 4Ob152/17g

OGH4Ob152/17g21.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch die Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wider die beklagte Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Dr. Erich Stefan Gerold, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Rechnungslegung (Streitwert insgesamt 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2017, GZ 1 R 68/17a‑33, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Oktober 2016, GZ 2 Cg 8/16z‑23, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00152.17G.1121.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Für die Klägerin ist seit 13. Februar 1997 zu Nr AT 170 528 die Wortbildmarke „Original Mozartkugel Konditorei Fürst Salzburg“ für die Klasse 30 (Schokoladeprodukte und Konditorwaren) registriert:

Die Klägerin verkauft in ihren Geschäften in Salzburg von ihr selbst hergestellte Schokoladen- und Konditorprodukte, darunter Mozartkugeln, die in silbernes Stanniolpapier mit blauem Aufdruck obiger Marke verpackt sind.

Der Beklagte handelt mit Schokoladen- und Konditorprodukten und tritt mit einer seit 16. März 2009 zu Nr AT 249 898 für dieselbe Klasse 30 registrierten Wortbildmarke „Braun. Internationale Manufaktur-Schokoladen“ auf:

Der Beklagte verkauft in einem in der Nähe der Geschäfte der Klägerin in der Stadt Salzburg etablierten Gassengeschäft unter anderem ebenfalls Mozartkugeln, die anfangs in braunem Design verpackt und nicht gut verkäuflich waren. Um am Erfolg der Klägerin zu partizipieren, verwendete der Beklagte ab August 2015 für die von ihm verkauften – von Dritten in Oberösterreich produzierten – Mozartkugeln ebenfalls silbernes Stanniolpapier mit blauem Aufdruck:

Die Vorinstanzen untersagten dem Beklagten einerseits, unter obigem Kennzeichen in der Stadt Salzburg Schokoladenprodukte und Konditorwaren anzubieten, und andererseits „Salzburger Mozartkugeln“ anzubieten, die nicht aus Salzburg stammen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf.

1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem eine Berufung wegen Nichtigkeit verworfen wird, ist zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbar (RIS-Justiz RS0043405; vgl auch RS0042981; RS0042925). Daran vermag auch die Anfechtung unter dem Gesichtspunkt eines anderen Rechtsmittelgrundes nichts zu ändern (7 Ob 138/17w mwN).

Die behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO des Berufungsurteils selbst wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, können nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Anderes gilt nur, wenn das Berufungsgericht infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen hat, was einen gemäß § 503 Z 2 ZPO bekämpfbaren Mangel des Berufungsverfahrens selbst darstellen würde (RIS-Justiz RS0043086).

Die Revision kritisiert die Erledigung der gegen das Ersturteil erhobenen Mängelrüge durch das Berufungsgericht, ohne eine Mangelhaftigkeit dessen Verfahrens aufzuzeigen. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinne des § 496 ZPO durch Verletzung der materiellen Prozessleitungspflicht des Erstgerichts im Sinne der §§ 182 f ZPO kann vom Obersten Gerichtshof nicht wahrgenommen werden, wenn dies – wie hier – in der Berufung nicht gerügt wurde (RIS-Justiz RS0037325).

3. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS-Justiz RS0117019). Eine Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils nach § 503 Z 3 ZPO wäre nur bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das Berufungsgericht verwirklicht (RIS-Justiz RS0043284; vgl auch RS0043397); eine Schlussfolgerung aus Beweisergebnissen kann nicht diesen Revisionsgrund bilden (RIS-Justiz RS0043256).

Eine Aktenwidrigkeit in diesem Sinne wird von der Revision nicht aufgezeigt.

4. Inhaltlich wendet sich die Revision gegen die Bejahung eines Verstoßes gegen § 2 Abs 3 Z 1 UWG.

4.1. Für auf § 2 Abs 3 Z 1 UWG gestützte Unterlassungsansprüche ist – ebenso wie für solche nach § 9 Abs 3 UWG – Verkehrsgeltung der Ausstattung bzw des zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen verwendeten Kennzeichens erforderlich (RIS-Justiz RS0127266; vgl

RS0126781). Maßgebend ist der Kennzeichnungsgrad, wie weit das Zeichen innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, eine bestimmte Ware oder Leistung angesehen wird, wobei das Unternehmen selbst nicht bekannt sein muss (vgl RIS-Justiz RS0078788). Abgesehen davon, dass eine Marke wie die der Klägerin schon aufgrund ihrer Registrierung kennzeichenrechtliche Ansprüche begründet, wobei die Verwechslungsgefahr abstrakt, also ausgehend vom Registerstand zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0066553 [T12, T13]; RS0079295 [T3, T6–T8]), hat das Produkt der Klägerin nach den Feststellungen bei den Salzburgern einen hohen Bekanntheitsgrad und erreicht über die Stadt hinaus jedenfalls einen gewissen Bekanntheitsgrad, und fast jeder Salzburger, der sich für Qualitätsschokoladeprodukte interessiert, weiß, dass es neben in rot-gold gehaltenen billigen Massenprodukten die exklusiven Mozartkugeln der Klägerin in blau-silber gibt.

Die Ansicht der Vorinstanzen, es liege Verkehrsgeltung im dargestellten Sinne vor (vgl 4 Ob 227/12d), ist nicht zu beanstanden, zumal es genügt, wenn Verwechslungsgefahr nur für einen mehrerer angesprochener Verkehrskreise besteht (vgl RIS-Justiz RS0117324 [T13]).

Mit in diesem Zusammenhang behaupteten sekundären Verfahrensmängeln versucht die Revision unzulässigerweise, die erwähnte Tatsachengrundlage anzugreifen.

4.2. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es auf die Verkehrsauffassung an, also auf die durchschnittlichen Anschauungen eines nicht ganz unbeträchtlichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise; entscheidend ist der Gesamteindruck, nicht eine zergliedernde Betrachtung der Einzelheiten (RIS-Justiz RS0079509). Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens seinen einzelnen Teilen zukommt (vgl RIS-Justiz RS0066753). Der Grundsatz, wonach bei Wort-Bild-Marken für den Gesamteindruck regelmäßig der Wortteil maßgebend ist (RIS-Justiz RS0066779), gilt dann nicht, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig/prägend noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffälliger ist (RIS-Justiz RS0066779 [T17, T20]). Die Frage, ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen Verwechslungsgefahr besteht, bildet keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0112739; RS0042805).

Die Revision bekämpft die Bejahung der Ähnlichkeit der von den Parteien verwendeten Produktaufmachungen. Diese werden vom Verkehr als Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 UWG verstanden (17 Ob 26/11i). Die Vorinstanzen gelangten zur Einschätzung, dass deren maßgeblicher Gesamteindruck im vorliegenden Einzelfall (RIS-Justiz RS0066779 [T24]) gerade nicht von den Wortteilen geprägt wird, und dass der Durchschnittsverbraucher die Produktaufmachungen insgesamt (angesichts von Material, Form und Farbe der Umhüllungen) – insbesondere bei flüchtiger Betrachtung in der Eile des Geschäftsverkehrs (RIS‑Justiz RS0079509) – als täuschend ähnlich wahrnimmt (vgl 4 Ob 227/12d mwN). Dies ist zumindest vertretbar.

Da die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen auf einen nicht unwesentlichen Anteil der angesprochenen Verkehrskreise Bezug nehmen, wird mit den Behauptungen der Revision, zu anderen Teilen der Verkehrskreise seien keine Konstatierungen getroffen worden, kein sekundärer Verfahrensmangel dargetan.

4.3. Behaupteten rechtlichen Feststellungs‑mängeln zur Motivation des Beklagten stehen ausdrückliche konträre Feststellungen entgegen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

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