OGH 10Ob42/17z

OGH10Ob42/17z10.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Tino Kostner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhalts, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. April 2017, GZ 2 R 69/17g‑165, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 26. Jänner 2017, GZ 248 C 13/13m‑155, zum Teil bestätigt und zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119918

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. 7. 2002 im Einvernehmen geschieden. Im Rahmen des Scheidungsvergleichs verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin ab 1. 8. 2002 monatlich einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 130 EUR zu zahlen. Hierbei wurde festgehalten, dass der Unterhaltsvereinbarung ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen der Klägerin von 427 EUR (14 x jährlich) und des Beklagten von 1.460 EUR (14 x jährlich) zugrunde liegt. Der Beklagte verzichtete gegenüber der Klägerin auf jedweden Unterhalt, dies auch für den Fall der Not, geänderter Verhältnisse und geänderter Rechtslage. Er verpflichtete sich zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 250 EUR für seine Tochter.

Am 20. 1. 2004 schlossen die Streitteile am Amtstag des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz folgende gerichtlich protokollierte „Vereinbarung über die Festsetzung des Unterhalts“:

„... Ehegattenunterhalt:

Bisher hat der Kindesvater der Kindesmutter einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 130 EUR bezahlt. Ab 1. 2. 2004 verzichtet die Kindesmutter auf diese Unterhaltszahlung.

Kindesunterhalt:

Mit Vergleich des Bezirksgerichts Graz vom 10. 7. 2002 wurde ein Kindesunterhalt für die minderjährige [Tochter] von monatlich 250 EUR vereinbart. Ab 1. 1. 2004 soll diese Zahlung um 50 EUR freiwillig auf 300 EUR monatlich erhöht werden.“

Mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. 1. 2004 wurde der Beklagte – entsprechend dieser Vereinbarung – verpflichtet, seiner Tochter ab 1. 2. 2004 monatlich einen Unterhalt von 300 EUR zu zahlen.

Die Klägerin wurde am 3. 6. 2012 bei einem Verkehrsunfall verletzt. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. 3. 2016 sind der allein schuldtragende Unfallsgegner und dessen Haftpflichtversicherung verpflichtet, der Klägerin 29.750 EUR Schmerzengeld, 2.625 EUR Motorradschaden und 1.074 EUR Haushaltshilfe‑ und Pflegekosten zu zahlen. Die Haftung des Unfallgegners und seiner Haftpflichtversicherung für sämtliche künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall wurde festgestellt.

Die Klägerin bezog

a) vom 1. 7. 2014 bis 30. 11. 2016 Rehabilitationsgeld von 31,88 EUR täglich (969,68 EUR monatlich) und zusätzlich bis 31. 7. 2016 Wohnbeihilfe von 174,40 EUR und

b) seit 1. 12. 2016 Umschulungsgeld von 34,30 EUR täglich (1.043,30 EUR monatlich).

Das durchschnittliche Nettomonatseinkommen des Beklagten betrug im Jahr 2014 2.587,75 EUR, im Jahr 2015 2.718,16 EUR und im Jahr 2016 2.738,73 EUR. Zusätzlich erhielt er jährlich bis einschließlich 2015 700 EUR als Kommanditist der G* KG.

Die Klägerin begehrt mit der am 18. 4. 2013 eingebrachten Klage vom Beklagten die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 500 EUR ab 4. 6. 2012 samt Verzugszinsen. Der Unterhaltsverzicht vom 20. 1. 2004 sei mangels wirksamer Annahmeerklärung des Beklagten und mangels entsprechender Aufklärung über die Rechtsfolgen sowie mangels einer Unterfertigung des Protokolls durch einen Richter nicht wirksam zustande gekommen. Außerdem hätten sich seitdem die Umstände maßgeblich geändert, weil der Beklagte nunmehr über ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest 2.500 EUR verfüge, die Klägerin hingegen aufgrund des Verkehrsunfalls auf absehbare Zeit arbeitsunfähig und einkommenslos sei. Zum Zeitpunkt der Abgabe des Unterhaltsverzichts habe sie ein monatliches Einkommen von rund 1.500 EUR gehabt. Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls habe sie Pharmazie studiert und als Teilzeitbeschäftigte monatlich 600 EUR verdient und eine (zeitlich begrenzte) Studienbeihilfe bezogen. Verdienstentgang habe sie gegenüber ihrem Unfallsgegner und dessen Haftpflichtversicherung aufgrund des Prozesskostenrisikos und des Nichtbestehens einer Rechtsschutzversicherung nicht geltend gemacht. Da die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten unheilbar zerrüttet gewesen sei, sei auch aus diesem Grund ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 500 EUR angemessen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Unterhaltsvereinbarung im Rahmen des Scheidungsvergleichs sei nur deshalb geschlossen worden, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nur Kinderbetreuungsgeld bezogen habe. Es sei schon damals vereinbart gewesen, dass Unterhaltszahlungen nur bis zum Ende des Kinderbetreuungsgeldbezugs erfolgen solle, weil die Klägerin beabsichtigt habe, danach ihre Arbeitstätigkeit wiederum aufzunehmen. Der Unterhaltsverzicht im Jänner 2004 sei vereinbart worden, „weil in weiterer Folge eben ein Unterhalt für die Klägerin nicht mehr notwendig war und auch nicht mehr gewollt wurde“. Die Klägerin sei verpflichtet, gegenüber ihrem Unfallsgegner allfällige Verdienstentgangs- oder Rentenansprüche und andere unfallskausale Aufwendungen geltend zu machen. Das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe habe die Klägerin getroffen. Rückwirkender Unterhalt stehe der Klägerin nicht zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung für den Zeitraum vom 4. 6. 2012 bis 30. 4. 2013 und für den Zeitraum ab 1. 7. 2014. In Ansehung des Zeitraums vom 1. 5. 2013 bis 30. 6. 2014 wurde das Urteil des Erstgerichts aufgehoben. Eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für die Zeit vor Klagseinbringung komme mangels Verzugs des Beklagten nicht in Betracht. Der Unterhaltsverzicht sei grundsätzlich rechtswirksam zustande gekommen, weil er auch formfrei erklärt werden könne. Bei einer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten, allenfalls überhaupt ohne Verschulden erfolgten Erwerbsunfähigkeit des Unterhaltsberechtigten könne ein Bestehen des Unterhaltspflichtigen auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht für den Notfall als sittenwidrig angesehen werden. Der Unterhaltsberechtigte könne sich auf eine Existenzgefährdung aber nicht berufen, wenn ihm noch Einkünfte in Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verblieben. Die Klägerin habe vom 1. 7. 2014 bis 30. 11. 2016 Rehabilitationsgeld von 31,88 EUR täglich bezogen. Bis 31. 7. 2016 habe sie monatlich Wohnbeihilfe von 174,40 EUR erhalten, sodass sie monatlich insgesamt über 1.144,08 EUR verfügt habe. Sowohl dieser Betrag als auch das Rehabilitationsgeld alleine lägen über den Ausgleichszulagerichtsätzen für die Jahre 2014 bis 2016. Eine Existenzgefährdung der Klägerin für diesen Zeitraum liege daher nicht vor. Dies gelte auch für den Zeitraum ab 1. 12. 2016, ab dem die Klägerin Umschulungsgeld beziehe. In Bezug auf den Zeitraum vom 1. 5. 2013 bis 30. 6. 2014 sei die Rechtssache noch nicht entscheidungsreif.

Mit der vom Berufungsgericht nachträglich zugelassenen und vom Beklagten beantworteten Revision strebt die Klägerin die Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts dahin an, dass dem Klagebegehren für den Zeitraum ab Klagseinbringung stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zunächst ist festzuhalten, dass entsprechend dem Revisionsantrag Gegenstand der Revision der behauptete Unterhaltsanspruch der Klägerin vom 18. 4. bis 30. 4. 2013 und ab 1. 7. 2014 ist.

2. Die Revision führt zur Abweisung in Bezug auf den Zeitraum vom 18. 4. 2013 bis 30. 4. 2013 nichts aus.

2.1. Nach § 72 EheG, der auch auf einen Unterhaltsanspruch nach § 69a EheG anzuwenden ist (6 Ob 83/08m mwN), ist der Verzug des Unterhaltspflichtigen Anspruchsvoraussetzung für Unterhalt für die Vergangenheit (3 Ob 139/13g; RIS‑Justiz RS0033341 [T4], RS0114142). Mangels Verzugs kann Unterhalt erst ab dem Zeitpunkt Rechtshängigkeit gefordert werden. Rechtshängigkeit im Sinn des § 72 EheG tritt nach jüngerer einheitlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 139/13g mwN) erst mit der Zustellung der Unterhaltsklage an den Beklagten, nicht schon mit deren Gerichtshängigkeit (§ 41 Abs 1 JN) ein. Im vorliegenden Fall wurde die Klage dem Beklagten am 30. 4. 2013 zugestellt.

2.2. Nach § 1418 Satz 2 ABGB werden Alimente „wenigstens auf einen Monat voraus bezahlt“. Nach zu teilender überwiegender Ansicht wird auf den Kalendermonat und nicht auf den ersten Tag der Unterhaltspflicht abgestellt (Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1418 Rz 2; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1418 Rz 2 mwN; Koziol/Spitzer in KBB5 § 1418 Rz 2; aA Gschnitzer in Klang² IV/1, 359).

3.1. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin bedurfte der Unterhaltsverzicht nicht der Form eines Notariatsakts. Der Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung ist ein privatrechtlicher Anspruch, auf den der Unterhaltsberechtigte wirksam verzichten kann. Der Verzicht kann nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch formfrei erklärt werden (8 Ob 119/03p = RIS‑Justiz RS0057360 [T2]; 3 Ob 468/53, SZ 26/222; RS0034030; vgl zum formfreien Verzicht auf die Umstandsklausel 8 Ob 603/91).

3.2. Da nach den Feststellungen des Erstgerichts beide Streitteile das gerichtliche Protokoll über die Unterhaltsvereinbarung, die den Unterhaltsverzicht der Klägerin enthält, unterfertigten, hat der Beklagte entgegen der Meinung der Revisionswerberin ihren Unterhaltsverzicht auch angenommen.

3.3. Die Auslegungsregel des § 915 ABGB, auf den die Revisionswerberin hinweist, greift nur dann ein, wenn sich zweifelhafte und unklare Äußerungen weder aus der Parteiabsicht noch aus der Verkehrsübung erklären lassen (RIS‑Justiz RS0017752 [T1]; RS0017957; RS0017951). Der Verzicht der Klägerin ist weder zweifelhaft noch unklar formuliert.

4. Im Fall einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG ist ein gesetzlicher Unterhalt nicht vorgesehen, sondern müssen die Ehegatten vorab die Unterhaltsfolgen vereinbaren, weil sonst die Ehe nicht geschieden werden darf (§ 55a Abs 2 EheG). § 69a Abs 1 EheG stellt den aus einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG, die auch in einem Unterhaltsverzicht bestehen kann (Koch in KBB5 § 55a EheG Rz 6; Schwimann in Schwimann,ABGBTaKom3 § 69a EheG Rz 2), geschuldeten Unterhalt, einem gesetzlichen Unterhalt gleich (6 Ob 113/03s; RIS‑Justiz RS0114671, RS0109251), insbesondere in Bezug auf die Umstandsklausel (implizit 3 Ob 115/00h) und die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes (3 Ob 186/07k = RIS‑Justiz RS0122822 [T1]), soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist (vgl RIS‑Justiz RS0109251 [T2]). Liegt eine rechtswirksame Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten nicht vor, normiert § 69a Abs 2 EheG, dass auf Anspruch Unterhalt nach „Billigkeit“ in einem im Gesetz nicht näher ausformulierten Umfang besteht (2 Ob 219/11m; 9 Ob 73/07m).

5.1. Unterhaltsverträgen wohnt die Umstandsklausel regelmäßig stillschweigend inne. Sie ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichtet haben. In dem bloßen Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft ist ein solcher Verzicht auf die Anwendung der Umstandsklausel nicht zu erblicken (RIS‑Justiz RS0018900).

Auf die Anwendung der Umstandsklausel hat weder der Beklagte in der aus Anlass der einvernehmlichen Scheidung geschlossenen Unterhaltsvereinbarung in Bezug auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin noch diese bei der der Erklärung des Unterhaltsverzichts verzichtet. Trotz des Unterhaltsverzichts kann daher eine wesentliche Änderung der Verhältnisse grundsätzlich zu einer Neubeurteilung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Streitteile führen (vgl RIS‑Justiz RS0018984). Zutreffend zeigt die Revisionswerberin auf, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Beharren auf den Verzicht auf die Umstandsklausel nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen und für die Entscheidung des Falls ohne Relevanz sind.

5.2. Bei einer Vereinbarung im Sinn des § 55a Abs 2 EheG kann – wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (RIS‑Justiz RS0017805) – die Neubestimmung des Unterhaltsanspruchs wegen Änderung der Verhältnisse mangels gesetzlicher Regelung eines solchen Anspruchs immer nur im Weg ergänzender Vertragsauslegung erfolgen. Es kommt daher darauf an, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall der geänderten Verhältnisse vereinbart hätten (3 Ob 115/00h). Jedenfalls mangels Anhaltspunkten für eine andere Parteiabsicht wird davon auszugehen sein, dass die Parteien bei Bedachtnahme auf die später geänderten Umstände einen Unterhalt vereinbart hätten, wie er der aus der Unterhaltsvereinbarung hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht. Dies gilt auch für den hier nicht gegebenen Fall, dass die Relation zwischen Einkommen und vereinbartem Unterhalt in der Unterhaltsvereinbarung nicht zum Ausdruck kommt (3 Ob 115/00h mwN).

5.3. Nach dem von der Klägerin in erster Instanz nicht konkret bestrittenen und in der Revision im Ergebnis bestätigten Vorbringen des Beklagten kam es zum Unterhaltsverzicht infolge des Eigeneinkommens der Klägerin aus einer Beschäftigung, das von der Klägerin in erster Instanz unwidersprochen mit monatlich 1.500 EUR bis 1.800 EUR beziffert wurde. Die Klägerin behauptet selbst, dass das damalige Einkommen des Beklagten nur geringfügig höher als bei Abschluss der Unterhaltsvereinbarung war. Unter Zugrundelegung der in Punkt 5.2. referierten Rechtsprechung ist mangels einer Behauptung einer anderen Parteienabsicht davon auszugehen, dass die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts der Klägerin infolge einer wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse der Unterhaltsberechtigten materiell erloschen war. Das Erlöschen des Titels gemäß § 69a Abs 1 EheG wegen geänderter Umstände hätte der Beklagte mit negativer Feststellungsklage geltend machen können (9 Ob 73/07m mwN; RIS‑Justiz RS0000841 [T1]; RS0019018 [T25]; RS0047529 [T14]). Über ein derartiges Begehren ergehende, das Erlöschen des Unterhaltsanspruchs wegen geänderter Umstände aussprechende Entscheidungen greifen einem möglichen Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht vor (9 Ob 73/07m; vgl RIS-Justiz RS0001636). Für einen– infolge materiellen Erlöschens des aus einer Unterhaltsvereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG – bloß deklarativen Unterhaltsverzicht kann nichts anderes gelten.

5.4. Geht man mit der Klägerin von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse infolge des Einkommensverlusts aus einer Erwerbstätigkeit und vermehrter Bedürfnisse aufgrund des Verkehrsunfalls aus, kommt es dennoch nicht zur einer Unterhaltsverpflichtung des Beklagten im entscheidungsrelevanten Zeitraum.

Gemäß § 1325 ABGB hat die Klägerin gegen den Unfallsgegner, der sie verletzte, auch Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten, des Verdienstentgangs und der Kosten durch das Unfallgeschehen eingetretener vermehrter Bedürfnisse (Danzl in KBB5 § 1325 Rz 10 mwN). Die ihr zustehenden Schadenersatzansprüche kann sie gemäß § 26 KHVG 1994 auch gegen den Haftpflichtversicherer geltend machen, der mit dem ersatzpflichtigen Versicherten solidarisch haftet.

Zur Geltendmachung dieser Schadenersatz-ansprüche war die nach eigenen Behauptungen durch den Unfall erwerbsunfähig gewordene Klägerin nach dem auch sie treffenden Anspannungsgrundsatz (und nicht, wie das Berufungsgericht meinte, aufgrund einer Schadensminderungspflicht) verpflichtet. Der Beklagte hat die Verletzung dieser Pflicht eingewendet. Die Klägerin erwiderte darauf nur, Verdienstentgang aufgrund des Prozesskostenrisikos und des Nichtbestehens einer Rechtsschutzversicherung nicht begehrt zu haben. Damit hat sie aber nicht dargetan, dass sie kein Verschulden an der Nichtgeltendmachung von Verdienstentgang und des Ersatzes der Kosten vermehrter Bedürfnisse trifft. Sie hat auch nicht behauptet, dass selbst bei einem Zuspruch eines Verdienstentgangs im Haftpflichtprozess eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten bestünde, wie sie der aus der Unterhaltsvereinbarung hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht.

6. Damit erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als zutreffend.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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