OGH 4Ob236/02p

OGH4Ob236/02p5.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heide K*****, vertreten durch Dr. Wolf‑Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Franz G*****, vertreten durch Dr. Martin Neid, Rechtsanwalt in Wolkersdorf, wegen 25.435,49 EUR sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2002, GZ 15 R 26/02g‑46, mit dem infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. November 2001, GZ 24 Cg 146/00m‑39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00236.02P.1105.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.315,08 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 219,18 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klägerin erteilte dem Spenglereibetrieb Romana J***** 1999 den Auftrag, Dachdecker- und Spenglerarbeiten an ihrem Haus in G***** durchzuführen. Die Arbeiten wurden durchgeführt; sie sind aber mangelhaft.

Der Beklagte war von 1997 bis Ende Jänner 2002 gewerberechtlicher Geschäftsführer des Spenglereibetriebs.

Über das Vermögen der Romana J***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 14. Juli 2000, 11 S 175/00x, das Konkursverfahren eröffnet. Der Masseverwalter schloss mit der Klägerin einen Vergleich, in dem er deren Forderung mit 100.000 S anerkannte.

Die Klägerin begehrt 25.435,49 EUR sA. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer habe der Beklagte die Arbeiten im Betrieb zu überwachen. § 39 GewO sei ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB. Der Vertrag zwischen dem Beklagten und Romana J***** sei ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Durch die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführer werde garantiert, dass ordnungsgemäß gearbeitet werde.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe seine Aufgaben als gewerberechtlicher Geschäftsführer erfüllt. Der gewerberechtliche Geschäftsführer hafte der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften. Die Verletzung solcher Vorschriften werde gar nicht behauptet. Die Forderung sei weit überhöht. Für die Behebung der Mängel seien etwa 70.000 S aufzuwenden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers sei durch die Gewerberechtsnovellen 1988 und 1992 erweitert worden. Der gewerberechtliche Geschäftsführer müsse in der Lage sein, die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften zu kontrollieren. Es müsse ihm auch die Befugnis zukommen, Anordnungen zur fachlich einwandfreien Gewerbeausübung und zur Sicherstellung der Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften zu geben. Der gewerberechtliche Geschäftsführer hafte aber nicht für (ua) die Einhaltung baurechtlicher Bestimmungen. Ihn treffe auch keine Haftung gegenüber Kunden. Nach der Gewerbeordnung sei der gewerberechtliche Geschäftsführer nicht verpflichtet, die Durchführung von Arbeiten durch den Gewerbeinhaber zu überwachen. § 39 GewO sei kein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Auch bei Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers übe der Gewerbeinhaber das Gewerbe selbst aus. Ihn träfen auch die gewerberechtlichen Pflichten. Auf den gewerberechtlichen Geschäftsführer werde nur die Verantwortung für die Einhaltung der Rechtspflichten in gewerblichen Belangen verlagert. Er sei dem Gewerbeinhaber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes verantwortlich. Welche Pflichten sich daraus ergäben, sei umstritten. Der gewerberechtliche Geschäftsführer sei jedenfalls verpflichtet, den fachlichen Betrieb so zu führen, dass die gewerberechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Die kaufmännische Führung des Betriebs gehöre nicht zu seinen Aufgaben. Dritten gegenüber hafte der gewerberechtliche Geschäftsführer nur bei Verletzung gewerberechtlicher Pflichten, die gerade auch im Interesse von Dritten normiert wurden. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden sei nicht aus der Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften entstanden. Der Vertrag zwischen dem Beklagten und der Gewerbeinhaberin sei kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil die Klägerin ohnehin vertragliche Schadenersatzansprüche gegen ihre Vertragspartnerin habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber Dritten fehlt; die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin verweist auf die herrschende Auffassung, wonach aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes gehaftet wird, wenn ein Schaden eingetreten ist, den die übertretene Norm verhindern will. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang ist Voraussetzung der Ersatzpflicht (Reischauer in Rummel, ABGB² § 1311 Rz 10; Schwimann/Harrer, ABGB² § 1311 Rz 8, jeweils mwN; 1 Ob 22/92 = SZ 66/77 uva). Ob eine Norm einen bestimmten Schaden verhindern will, ist durch teleologische Auslegung zu ermitteln (2 Ob 11/91 = ZVR 1991/130 mwN).

Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung des § 39 GewO. Nach Abs 1 dieser Bestimmung kann der Gewerbeinhaber einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen, der ihm für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist; er muss einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen, wenn er (ua) den Befähigungsnachweis nicht erbringen und keine Nachsicht von diesem Erfordernis erlangen kann. Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen (§ 39 Abs 2 erster Satz GewO).

Das Gesetz normiert damit die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers sowohl gegenüber dem Gewerbeinhaber als auch gegenüber der Behörde. Eine Haftung gegenüber den Auftraggebern des Gewerbeinhabers sieht das Gesetz nicht vor. Zu prüfen bleibt, ob ihr Schutz von der Haftung gegenüber dem Gewerbeinhaber und gegenüber der Behörde mitumfasst ist. Dazu muss untersucht werden, was unter „fachlich einwandfreier Ausübung des Gewerbes" zu verstehen ist.

Das Gesetz definiert den Begriff nicht näher. Ausgehend davon, dass die Gewerbeordnung nur Regelungen für den Kompetenzbereich des Art 10 Abs 1 Z 8 B‑VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie) treffen kann und dieser Kompetenztatbestand Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art umfasst (Mayer, B‑VG², 33 mwN), versteht die herrschende Auffassung darunter jene Bereiche, die von den gewerberechtlichen Vorschriften erfasst werden (Rebhahn, Der gewerberechtliche Geschäftsführer 13; ders, Der gewerberechtliche Geschäftsführer, in Korinek, Gewerberecht Grundfragen der GewO 1994 in Einzelbeiträgen, 197 [222]; Gerscha/Steuer, Kommentar zur Gewerbeordnung § 39 Rz 26 mwN; s auch Filzmoser, Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers, RdW 1992, 98 [98]; Unterweger/Potakowskyi, Zur Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers nach der GewRNov 1988, GesRZ 1991, 93). Da sich auch die Haftung gegenüber der Behörde auf die gewerberechtlichen Vorschriften bezieht, kann die Norm nur den Schutz vor Schäden bezwecken, die aus der Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften folgen (s 4 Ob 103/89 = ÖBl 1990, 124 - Gemeinschaftswerbung mwN, wonach für den gewerberechtlichen Geschäftsführer nur eine Haftung für die nach der Gewerbeordnung zu bestrafenden Verstöße der Gesellschaft in Betracht kommt). Insoweit ist naturgemäß ein Schutz Dritter denkbar (Rebhahn, Der gewerberechtliche Geschäftsführer 103ff).

Der Anspruch der Klägerin scheitert demnach nicht daran, dass § 39 GewO kein Schutzgesetz wäre, sondern am fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Gewerbeordnung enthält nämlich keine Bestimmung, die den Gewerbeinhaber verpflichtete, Aufträge fachgerecht auszuführen. Aus ihr kann daher auch nicht eine Verpflichtung des gewerberechtlichen Geschäftsführers abgeleitet werden, die fachgerechte Ausführung von Aufträgen zu überwachen. Damit entfällt aber auch jede Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers für Schäden, die der Auftraggeber des Gewerbeinhabers dadurch erleidet, dass der Gewerbeinhaber den Auftrag nicht fachgerecht ausführt.

Eine Haftung für derartige Schäden kann auch nicht aus dem Vertrag zwischen dem Gewerbeinhaber und dem gewerberechtlichen Geschäftsführer abgeleitet werden. Gegenstand des Vertrags sind auf Seiten des gewerberechtlichen Geschäftsführers die Verpflichtungen, die dieser mit der Übernahme seiner Funktion eingeht. Sie bestehen - wie oben dargelegt - allein in der Haftung für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften. Haftet der gewerberechtliche Geschäftsführer damit seinem Vertragspartner nur für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften, so können auch gegenüber Dritten Schutzpflichten nur in diesem Bereich bestehen.

Aus der von der Klägerin zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zitierten Entscheidung 5 Ob 262/01t (= EvBl 2002/97) folgt nichts anderes. Der Vertrag zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft wird als Vertrag zugunsten Dritter gesehen, weil die Prüfung zwingenden gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen hat und die mit der Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks bezweckte Information der Gläubiger aufgrund dieser Vorgaben Vertragsinhalt wird. Eine vertragliche Haftung gegenüber Dritten setzt damit voraus, dass gegenüber dem Vertragspartner jene Verpflichtung besteht, aus deren Verletzung der Dritte Ersatzansprüche ableitet. An einer solchen Verpflichtung fehlt es aber im vorliegenden Fall, weil - wie oben dargelegt - der gewerberechtliche Geschäftsführer dem Gewerbeinhaber gegenüber nicht verpflichtet ist, die Ausführung von Aufträgen zu überwachen.

Die Revision musste erfolglos bleiben. Eine Revisionsverhandlung war entgegen dem Antrag des Revisionswerbers nicht anzuberaumen, weil es nicht erforderlich erschien, über die Revision mündlich zu verhandeln (§ 509 Abs 1 und 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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