OGH 3Ob104/17s

OGH3Ob104/17s20.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der (klagenden und) gefährdeten Partei E*, England, vertreten durch Mag. Wolfgang P. Winkler, MAS, Rechtsanwalt in Neudauberg, wider (die beklagte Partei und) den Gegner der gefährdeten Partei S*, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. April 2017, GZ 48 R 56/17s‑55, mit dem die Einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Döbling vom 1. Jänner 2017, GZ 35 C 13/14k‑49, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E119401

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wirdaufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs nach Ergänzung des Rekursverfahrens aufgetragen soweit nicht im Umfang der Teilabweisung des Sicherungsbegehrens auf Zahlung vorläufigen Unterhalts für die Zeit vom 1. bis 5. März 2016 bereits Rechtskraft eingetreten ist.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Streitteile schlossen am 26. September 1993 die Ehe und sind (noch) aufrecht verheiratet. Das Ehepaar lebte bis 1995 in New York, von 1995 bis 1998 in Boston und zog 1998 nach London. Während aufrechter Ehegemeinschaft lebte das Ehepaar zuletzt (bis Anfang 2011) gemeinsam in London. Der Gegner der gefährdeten Partei (kurz: Ehemann) ist österreichischer Staatsbürger; er hielt sich im Lauf der Jahre, vor allem ab 2010 immer häufiger in Österreich auf; ab Anfang April 2011 lebte er hauptsächlich in Wien und hatte hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Am 29. September 2011 brachte derEhemann gegen die gefährdete Partei (kurz: Ehefrau), die amerikanische Staatsbürgerin und nach wie vor in London wohnhaft ist, dieScheidungsklage beim Erstgericht ein, dessen Zuständigkeit rechtskräftig bejaht ist. Spätestens seit Dezember 2011 (Zustellung der Scheidungsklage an die Ehefrau) leben die Eheleute endgültig getrennt. Das Scheidungsverfahren ist noch in erster Instanz anhängig.

Während aufrechter Ehe trug der Ehemann die gesamten Kosten des Haushalts. Der Ehefrau standen Beträge von insgesamt rund 98.000 EUR monatlich für ihre persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung. Im Jahr 2010 (dem letzten Jahr, das vollständig in ehelicher Gemeinschaft verbracht wurde) betrugen die privaten Ausgaben des Ehepaars insgesamt 10.306.799 USD. Für das Jahr 2011 bestand ein Plan, „lediglich“ rund 8,6 Mio USD auszugeben, im Jahr 2012 sollten es 8,7 Mio USD sein.

Nach der Zustellung der Scheidungsklage im Dezember 2011 änderte sich die Ausgabenstruktur. Der Ehemann zahlte bestimmte Haushaltskosten weiter, und überwies seiner Ehefrau Geld, es gab aber keine gemeinsamen Ausgaben mehr. In dieser Zeit (bis Ende Dezember 2015) erbrachte er im Wesentlichen nachfolgende Leistungen als Natural- bzw Geldunterhalt: Er überwies jeweils zu Monatsbeginn 18.000 GBP (das sind rund 24.600 EUR) an seine Ehefrau. Diese verfügt über keine vom Ehemann finanzierten Kreditkarten mehr. Die Kosten für etwaige medizinische Versorgung trug der Ehemann, ebenso wie für Taxifahrten der Ehefrau. Bis 2014 trug er auch noch Kosten für Reinigungsmittel und die Kosten der Putzerei. Für diese Ausgaben wendete der Ehemann im Jahr 2014 518.602,69 EUR (627.509,26 USD) auf. Dazu bezahlte er noch 52.448,52 EUR für zwei Villen in Frankreich. Eine der beiden Villen befindet sich im gemeinsamen Eigentum der Streitteile. Mit Einstweiliger Verfügung (EV) vom 23. Mai 2016 wurde die Nutzung dieser Villa zwischen den Streitteilen aufgeteilt. Seither trägt der Ehemann die Betriebskosten für jene Zeit, während der er die Villa nicht nutzen kann, nicht mehr.

Die Ehefrau wohnt nach wie vor in der ehemals gemeinsamen Ehewohnung in London. Diese steht zwar nicht im persönlichen Eigentum des Ehemanns; dieser hat seiner Frau aber in den vergangenen Jahren jeweils die Möglichkeit zugesichert, in der Ehewohnung zu verbleiben. Dies allerdings jeweils nur für ein halbes Jahr, sodass die Ehefrau diesbezüglich über keine länger in die Zukunft reichende Sicherheit verfügt. Ob der Ehemann für die Benützung der Ehewohnung außer den Betriebskosten (Strom, Versicherung, Steuern, Fernsehen, Telefon und Internetkosten) und Liegenschaftsabgaben Zahlungen leistet, ist nicht bescheinigt. Jedenfalls trug er bis Ende 2015 auch die Personalkosten für zwei Angestellte, nämlich eine Hausangestellte und einen Hausbesorger, die der Ehefrau zur Verfügung stehen. Die Hausangestellte bezahlt der Ehemann nach wie vor, die Kosten des Hausbesorgers von monatlich 2.916,67 GBP jedoch nicht mehr. Ende 2015 stellte der Ehemann jede Geldleistung an seine Ehefrau ein, weil er auf dem Standpunkt steht, sie wolle ihn ruinieren.

Neben den Kosten für die Lebensführung hat die Ehefrau noch einen Prozesskredit aufgenommen, der mit monatlich rund 5.000 EUR an Rückzahlungsraten zu bedienen ist. Dieser Kredit wurde nicht durch den mit EV vom 12. Februar 2016 gewährten Prozesskostenvorschuss abgedeckt.

Die Ehefrau ist neben dem Hälfteanteil an einer Villa in Frankreich auch Eigentümerin eines Appartements in New York, das vermietet ist. Sie ist weiters an Liegenschaftsbesitz in St. Petersburg beteiligt, die exakten Eigentumsverhältnisse sind aber noch nicht bescheinigt. Es ist nicht bescheinigt, dass sie aus dem Liegenschaftsbesitz nennenswerte Einkünfte erzielt.

Fest steht, dass das Ehepaar am Anfang der Ehe kein Vermögen hatte, und sämtliche vorhandenen Vermögenswerte während aufrechter Ehe erworben wurden. Teile des Vermögens wurden jedenfalls in Trusts eingebracht. Über die Zugehörigkeit zum Aufteilungsvermögen, oder die in diesen Trusts befindlichen Werte ist noch nicht Beweis aufgenommen worden. Der Ehemann verweigert Informationen und vertritt den Standpunkt, dieses Vermögen unterliege ebenso wie jene Liegenschaften, die nicht im Eigentum der Streitteile stehen, nicht der Aufteilung. Die Ehefrau hat auf während der Ehe erworbene Ersparnisse keinen Zugriff.

Am 27. November 2014 brachte die Ehefrau eine Unterhaltsklage gegen den Ehemann ein, mit der sie rückständigen Unterhalt für die Monate Jänner 2012 bis November 2014 von je 127.000 EUR (zusammen 4.445.000 EUR) begehrte sowie ab 1. Dezember 2014 einen monatlichen Unterhalt von 150.000 EUR.

Der Ehemann wendete im Wesentlichen ein, er erfülle eine schlüssig mit der Ehefrau zustande gekommene Unterhaltsvereinbarung vollständig; es fehle an einem persönlichen Bedarf der Ehefrau nach weiteren Unterhaltszahlungen; sie habe den Unterhaltsanspruch durch ihr – detailliert dargestelltes – Verhalten sowohl während der Ehe als auch nach Einbringung der Scheidungsklage sowohl nach dem anzuwendenden österreichischen Sachrecht als auch nach englischem Recht verwirkt.

Am 27. Mai 2015 stellte die Ehefrau den Antrag, dem Ehemann mittels EV einen Prozesskostenvorschuss aufzuerlegen, dem ebenfalls Verwirkung entgegen gehalten wurde. Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit rechtskräftigem Beschluss vom 12. Februar 2016 teilweise. Im Rahmen der Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Ehemanns sah der erkennende Senat mit Beschluss vom 22. September 2016 zu 3 Ob 152/16y einen Rechtsmissbrauch durch die Ehefrau noch nicht verwirklicht.

Am 6. März 2016 beantragte die Ehefrau die Zuerkennung vorläufigen Unterhalts von 27.075 EUR monatlich ab 1. März 2016 und brachte im Wesentlichen vor, ihr Ehemann habe sie ganz gezielt in eine Vielzahl von Verfahren mit mehrjähriger Verfahrensdauer vor ein österreichisches Gericht gezwungen. Er beziehe ein jährliches Einkommen von zumindest 100.000.000 EUR, während sie über kein eigenes Einkommen verfüge. Ihr stünde neben erbrachten Naturalunterhaltsleistungen im Zusammenhang mit der Ehewohnung ein Geldunterhalt von zumindest 150.000 EUR zu. Ab Jänner 2012 habe ihr der Ehemann monatlich insgesamt 20.916,67 GBP (= 27.075 EUR) überwiegend in bar zukommen lassen, seit Jänner 2016 jedoch sämtliche Zahlungen eingestellt. Der Ehemann beabsichtige damit, sie finanziell in die Enge zu treiben. Es sei englisches materielles Recht anzuwenden, das eine – auch nach österreichischem Sachrecht nicht eingetretene – Verwirkung von Ehegattenunterhalt nicht kenne.

Der Ehemann bestritt weder die Behauptungen über seine finanzielle Leistungsfähigkeit noch die Höhe der begehrten monatlichen Unterhaltsleistung substantiiert, sondern wendete im Wesentlichen nur ein, auch für das Verfahren über den einstweiligen Unterhalt sei jedenfalls österreichisches Recht anzuwenden. Die Ehefrau habe den Unterhaltsanspruch durch ihr – erneut detailliert dargestelltes  – Verhalten sowohl während der Ehe als auch nach Einbringung der Scheidungsklage verwirkt.

Das Erstgericht verpflichtete den Ehemann mit EV vom 1. Jänner 2017 zu einem vorläufigen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 27.075 EUR ab 1. März 2016. Dazu nahm es den eingangs dargestellten Sachverhalt als bescheinigt an und traf darüber hinaus umfangreiche weitere Feststellungen ua zum Verhalten der Streitteile während aufrechter Ehe und nach Einbringung der Scheidungsklage, die zum Teil von dem mit EV vom 12. Februar 2016 als bescheinigt angenommenen (und vom erkennenden Senat zu 3 Ob 152/16y beurteilten) Sachverhalt abweichen. Rechtlich folgerte es, der Antrag beziehe sich „sichtlich“ auf § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO; der Ehemann habe sich nicht gegen die Anwendung österreichischen Rechts ausgesprochen. Vor Zerrüttung der Ehe im Dezember 2011 sei das Verhalten der Ehefrau zwar geeignet gewesen, das Zusammenleben zu erschweren, die Qualität einer besonders schwer wiegenden Verfehlung, die die Konsequenz der Unterhaltsverwirkung rechtfertige, sei darin aber nicht zu erblicken. Auch durch das zum Teil wenn auch provokante, unzumutbare und unverhältnismäßige Verhalten der Ehefrau nach Eintritt der Zerrüttung, das ganz wesentlich vom Vorgehen des Ehemanns veranlasst und gefördert worden sei, der den Eindruck erwecke, die Ehefrau durch finanzielle Restriktion und Einsetzen seiner materiellen Übermacht im Scheidungsverfahren massiv unter Druck zu setzen und „auszuhungern“, sei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Grenze für die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs noch nicht überschritten. Das müsse umso mehr gelten, als dem Ehemann die Leistung des einstweiligen Unterhalts in finanzieller Hinsicht problemlos möglich, die Ehefrau darauf jedoch zumindestens derzeit angewiesen sei. Dessen begehrte Höhe sei gar nicht bestritten worden und angesichts des während aufrechter Ehe getätigten Aufwands jedenfalls realistisch.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Ehemanns nur teilweise Folge, indem es den vorläufigen Unterhaltsbetrag für März 2016 – rechtskräftig – auf 22.708 EUR reduzierte, weil ein einstweiliger Unterhalt nicht für die Vergangenheit bestimmt sei, während es die EV im Übrigen bestätigte. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Es verwarf die Mängel- und Beweisrügen und hielt auch die Rechtsrüge des Ehemanns (einschließlich der Geltendmachung sekundärer Feststellungsmängel) für nicht berechtigt, ohne sich mit der Frage des anzuwendenden Sachrechts auseinanderzusetzen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Ehemanns, der Aktenwidrigkeiten sowie Mängel des Rekursverfahrens rügt, unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und eine Abänderung im Sinn der vollen Antragsabweisung (wegen eingetretener Verwirkung) beantragt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der freigestellten Revisionsrekursbeantwortung begehrt die Ehefrau die Zurückweisung des Rechtsmittels und tritt diesem auch inhaltlich entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt, weil bisher jede Prüfung des anzuwenden Sachrechts und dessen Ermittlung unterblieb.

1. Die Parteien erstatteten im (Provisorial‑)Verfahren (RIS‑Justiz RS0005231) folgendes zusammengefasste Vorbringen zum anzuwendenden Sachrecht.

1.1. Die antragstellende Ehefrau vertritt die Rechtsansicht, es sei aufgrund von Art 15 EuUVO nach Art 3 Abs 1 HUP 2007 das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten anzuwenden, hier also englisches Unterhaltsrecht, wonach die vorgeworfenen Verwirkungshandlungen bereits abstrakt keine Rolle spielen könnten. Sie verwies dazu ua auf eine diesbezügliche, von ihr vorgelegte Eidesstättige Erklärung einer englischen Rechtsanwältin. Daran hielt sie in ihrer Revisionsrekursbeantwortung fest und führte ua aus, auch im vorliegenden Provisorialverfahren dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass das englische Recht eine Unterhaltsverwirkung nicht kenne und deshalb dem zentralen Thema des Verfahrens nach englischem Recht keine Relevanz zukomme.

1.2. Dem gegenüber steht der Ehemann auf dem Standpunkt, eine Unterhaltsverwirkung sei auch im englischen Recht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen. Mangels eindeutiger Bestimmbarkeit des ausländischen Rechts sei im Provisorialverfahren wegen besonderer Dringlichkeit österreichisches Recht anzuwenden. Soferne man von einer Anwendbarkeit des HUP 2007 ausgehen wollte, stünde die Anwendung eines anderen Sachrechts im Widerspruch zu dessen Art 5, weil der vorliegende Provisorialantrag auf Unterhalt untrennbar mit dem Scheidungsverfahren verbunden sei, in dem unzweifelhaft österreichisches Recht anzuwenden sei. Dieses habe daher eine nähere Verbindung zur Ehe. Der Ehemann wendete sich ausdrücklich gegen die Anwendung englischen Rechts und „stellte klar“, dass gemäß Art 5 HUP 2007 auch auf das gegenständliche Unterhaltsverfahren österreichisches Recht anzuwenden sei.

2. Zur Anwendung fremden Sachrechts wurde Folgendes erwogen:

2.1. Ist fremdes Recht maßgebend, so ist es nach § 3 IPRG von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich – entsprechend der im Ursprungsland durch die herrschende Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis (RIS-Justiz RS0080958) – anzuwenden.

Es ist gemäß § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen zu ermitteln, wobei nach der demonstrativen Aufzählung in dieser Bestimmung zulässige Hilfsmittel dafür auch die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten sind. Dem Gericht stehen jedoch alle Erhebungsquellen offen (Neumayr in KBB5 § 4 IPRG Rz 1). Es muss sich die entsprechenden Kenntnisse von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens selbst verschaffen (RIS‑Justiz RS0040189, RS0045163), sofern Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Sache ausländischem Recht unterliegen könnte (RIS‑Justiz RS0009230). Ungeachtet der in § 4 Abs 1 IPRG vorgesehenen Mitwirkungspflichten treffen die Parteien keine Behauptungs- und Beweis- oder Bescheinigungspflichten zum fremden Recht (2 Ob 179/15k; 4 Ob 122/06d), die Ablehnung der Mithilfe bleibt sanktionslos (Neumayr in KBB5 § 4 IPRG Rz 1). Wie sich das Gericht die notwendigen Kenntnisse des fremden Rechts verschafft, liegt in seinem Ermessen (2 Ob 179/15k; 4 Ob 30/15p mwN).

2.2. Die in § 4 Abs 1 IPRG normierte amtswegige Ermittlungspflicht besteht nicht unbeschränkt; sie ist insbesondere an die jeweiligen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Schranken gebunden, wobei die Angemessenheit der Frist iSd § 4 Abs 2 IPRG von der Dringlichkeit des Einzelfalls abhängt (RIS‑Justiz RS0040200). In nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden (RIS‑Justiz RS0109416), die sofortige Anwendung österreichischen Rechts ohne vorherige ernsthafte Bemühung, das bedeutsame ausländische Sachrecht zu ermitteln, ist unzulässig (2 Ob 179/15k; 4 Ob 225/12k mwN). Ausländisches Sachrecht ist im Provisorialverfahren im Allgemeinen schon dann anzuwenden, wenn die Richtigkeit des erhobenen Materials wahrscheinlich ist. Jedenfalls im Eilverfahren zur Gewährung einstweiligen Unterhalts scheidet etwa auch die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus (RIS-Justiz RS0115011 [T2]).

2.3. Die Frage nach der gebotenen Intensität und der angemessenen Dauer der nach den Grundsätzen der Rechtsprechung erforderlichen Bemühungen zur Ermittlung des fremden Rechts entzieht sich einer allgemeinen Aussage des Obersten Gerichtshofs. Sie lässt sich typischerweise nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beantworten und wirft deshalb, von einer gravierenden Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (2 Ob 179/15k).

2.4. Mangelt es an der Ermittlung des fremden Rechts durch die Vorinstanzen, die nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführen ist, so liegt darin ein Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt (RIS-Justiz RS0116580). Die allfällige unrichtige Lösung der Rechtsanwendungsfrage ist im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache gegebenenfalls sogar gegen den Willen der Parteien wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0040031; RS0045126 [T1, T2, T3, T7]). Voraussetzung ist nur, dass überhaupt in die rechtliche Beurteilung einzutreten ist, dh dass eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt (RIS‑Justiz RS0045126 [T2, T3, T7]; 9 Ob 68/13k = RS0040031 [T2]). Letzteres ist hier der Fall.

3. Dass angesichts der Staatsangehörigkeiten (USA und Österreich), der derzeitigen gewöhnlichen Aufenthalte (Vereinigtes Königreich und Österreich) und des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Streitteile (Vereinigtes Königreich) Anhaltspunkte dafür bestehen, die Sache könnte ausländischem Recht unterliegen, bedarf keiner weiteren Begründung.

Die Prüfung der Rechtsfrage, welches Sachrecht auf einen erhobenen Anspruch anzuwenden ist, kann in aller Regel (so auch hier) ohne großen Zeitaufwand erfolgen, sodass ihr die Dringlichkeit eines Provisorialverfahrens nicht entgegensteht. Davon zu trennen ist die weitere Frage, ob diese Dringlichkeit eine Ermittlung des fremden Rechts unmöglich macht.

3.1. Seit dem 18. Juni 2011 ist die Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) anzuwenden. Nach Art 15 EuUVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUP 2007) gebunden sind, nach jenem Protokoll. Nach Art 75 Abs 1 EuUVO ist die EuUVO erst auf alle nach dem 18. Juni 2011 eingeleitete Verfahren anzuwenden (was hier sowohl auf die Unterhaltsklage als auch die hier zu beurteilende EV zutrifft).

Das HUP 2007 ist am 1. August 2013 in Kraft getreten; Teilnehmer sind bisher die EU und Serbien. Es ist in der Gemeinschaft – mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs – aufgrund des Ratsbeschlusses vom 30. November 2009 bereits ab dem 18. Juni 2011 anwendbar (3 Ob 234/16g; RIS-Justiz RS0128213; Weber in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer IZVR Vor Art 1 HUntP2007 Rz 6; Andrae in Rauscher EuZPR/EuIPR Einl HUntStProt Rz 1; Hausmann, Internationales und EuropäischesEhescheidungsrecht, 1. Teil. Ehescheidung und Scheidungsfolgen mit Auslandsberührung im Erkenntnisverfahren C. Ehegatten- und Kindesunterhalt Rz 439 f).

3.2. Das HUP 2007 ist nach seinem Art 2 auch anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaates ist. Es ist loi uniforme, dh es ist allseitig und ohne Rücksicht darauf anwendbar, ob die von ihm erfassten Sachverhalte irgendwelche räumlichen oder persönlichen Beziehungen zu einem anderen Vertragsstaat als dem Gerichtsstaat haben. Das vom Protokoll bestimmte Unterhaltsstatut braucht nicht das Recht eines Vertragsstaates zu sein (Weber Art 2 HUntP2007 Rz 1; Hausmann Rz 499). Der Begriff Nichtvertragsstaat schließt die durch den Beitritt zur EU zum Protokoll nicht gebundenen Mitgliedsstaaten ein, also Dänemark und das Vereinigte Königreich, solange diese sich am Protokoll nicht beteiligen, sodass es auch im Verhältnis zu diesen beiden Staaten anzuwenden ist (Weber Vor Art 1 HUntP 2007 Rz 6 FN 12; Andrae Art 2 HUntStProt Rz 1; BeckOK BGB/Heiderhoff HUP Art 1 Rn 11 f).

3.3. Sämtliche Verweisungen des Protokolls stellen nach Art 12 HUP 2007 Sachnormverweisungen dar. Rück- oder Weiterverweisungen sind grundsätzlich nicht zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn auf das Recht von Nichtvertragsstaaten verwiesen wird (Hausmann Rz 643; MüKoBGB/Siehr, 6. Aufl 2015, UnthProt Art 12 Rz 1).

3.4. Wenn der Unterhaltsanspruch in den sachlichen, persönlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des HUP 2007 fällt, bestimmt sich das anwendbare Recht auch dann nach dem Protokoll, wenn mittels EV Unterhalt begehrt wird (Weber Art 1 HUntP2007 Rz 50).

3.5. Die vom Ehemann sowohl im Prozess als auch im Provisorialverfahren geäußerten Zweifel an der Anwendbarkeit des HUP 2007 auf den hier geltend gemachten ehelichen Unterhaltsanspruch nach Art 1 Abs 1 HUP 2007 auch gegenüber dem Vereinigten Königreich sind nach der dargestellten Rechtslage nicht nur für den einstweiligen Unterhalt ab 6. März 2016, sondern auch schon für den davor liegenden, von der Unterhaltsklage erfassten Zeitraum ab 1. Jänner 2012 unangebracht und widerlegt. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, das angeregte Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.

4. Gemäß Art 3 Abs 1 des für die nach dem 18. Juni 2011 fällig gewordenen Ansprüche maßgeblichen HUP 2007 folgen Unterhaltsansprüche dem Recht des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS‑Justiz RS0128723). Da der gewöhnliche Aufenthalt der Ehefrau während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens unstrittig in London und damit im Vereinigten Königreich lag, ist hier englisches Unterhaltsrecht anzuwenden.

5. Allerdings machte der Ehemann schon in erster Instanz von der im Art 5 HUP 2007 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, sich gegen die Anwendung des Art 3 HUP 2007 zu wenden und eine engere Verbindung der Ehe zum österreichischen (Unterhalts-)Recht zu behaupten.

5.1. Art 5 HUP 2007 lautet: In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, früheren Ehegatten oder Personen, deren Ehe für ungültig erklärt wurde, findet Art 3 keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

5.2. Art 5 HUP 2007 stellt die Nachfolgebestimmung des vielfach kritisierten Art 8 HUntStÜ 1973 dar, mit der die Nachteile, die aus der Anknüpfung des nachehelichen Unterhalts an das unwandelbare Scheidungsstatut resultieren, vermieden werden sollten; sie ist als deutliche Absage an dieses zu werten, was Rückschlüsse darauf erlaubt, ob das Scheidungsstatut als das Recht der engeren Verbindung angesehen werden kann (Huter in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer IZVR Art 5 HUntP2007 Rz 3). Als Recht, das eine engere Verbindung zur Ehe aufweisen kann, wird das Recht des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien nur als Beispiel genannt, das nur Indizwirkung hat, die im Einzelfall widerlegt sein kann (Hausmann Rz 545 ua). Es sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei die möglichen Kriterien eng begrenzt sind (Andrae Art 5 HUntStProt Rz 16 und 18). Wegen des Ausnahmecharakters der Bestimmung und der vollständigen Verdrängung ist zu fordern, dass die engere Verbindung von einem Gewicht sein muss, dass es nachvollziehbar erscheint, von der Grundsatzanknüpfung an das Gläubigeraufenthaltsstatut abzuweichen; entscheidend ist allein die engere Verbindung zur Ehe der Parteien, dh nicht zu den Parteien oder zur behaupteten Unterhaltspflicht (Huter Rz 24 ff).

5.3. Es ist unstrittig, dass ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten während aufrechter Ehe nicht nur weit überwiegend (für etwa 13 von 18 Jahren) in London bestand, sondern auch bis zur vom Ehemann einseitig vorgenommenen Trennung im Verlauf des Jahres 2011. Gerade der im Art 5 HUP 2007 als signifikantes Beispiel für ein Abgehen von der Grundsatzanknüpfung genannte letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt deckt sich hier also mit der Grundsatzanknüpfung: Hat doch die Ehefrau ihren gewöhnlichen Aufenthalt in London beibehalten, sodass schon deshalb ganz außergewöhnlich gewichtige Umstände vorliegen müssten, um eine engere Beziehung der Ehe zu einem anderen Recht, als jenem des Aufenthaltsstaats des Unterhaltsberechtigten annehmen zu können.

5.3.1. Das ist hier aber schon deshalb nicht der Fall, weil die einseitige faktische Maßnahme des Ehemanns, nämlich die Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthalts nach Österreich, die zur Zuständigkeit österreichischer Gerichte führte, eine Folge der damit eingeleiteten Trennung ist. Umstände vor der Eheschließung und nach der Trennung/Scheidung oder Ungültigerklärung haben aber außer Betracht zu bleiben (Hausmann Rz 544 mwN).

5.3.2. Abgesehen davon erfolgt im Rahmen von Art 5 HUP 2007 – anders als im Anwendungsbereich von Art 4 HUP 2007 – keine Bevorzugung der lex fori (Huter Rz 25; Andrae Art 5 HUntStProt Rz 3), weshalb der Hinweis des Ehemanns auf die bestehende Zuständigkeit österreichischer Gerichte und die Anwendung österreichischen Verfahrensrechts ins Leere geht.

5.3.3. Selbst wenn auf die anhängige Ehescheidung österreichisches materielles Recht anzuwenden sein sollte (wie der Ehemann annimmt), wäre in diesem Umstand keine Verbindung zur (aufrechten) Ehe, sondern nur zu (den Voraussetzungen und Wirkungen) ihrer Auflösung zu erblicken (vgl § 20 IPRG); die hier strittige Unterhaltspflicht während aufrechter Ehe ist aber Folge der Rechtswirkungen der zwischen den Streitteilen geschlossenen Ehe (vgl § 18 IPRG).

5.3.4. Die bewusste Aufgabe des Scheidungsstatuts als Anknüpfung für die Beurteilung des Ehegattenunterhalts bei der Fassung des Art 5 HUP 2007 verlangt es vielmehr, gerade in der gegebenen, allein vom Ehemann geschaffenen Konstellation dem für die Voraussetzungen und Wirkungen der Scheidung maßgeblichen materiellen Recht eine zu vernachlässigende Bedeutung zuzumessen. Würde man nämlich dem Rechtsstandpunkt des Ehemanns folgen, hätte es ein Unterhaltspflichtiger in der Hand, nach der (allenfalls sogar von ihm einseitig vorgenommenen) Trennung durch die Wahl seines gewöhnlichen Aufenthalts in einem „unterhaltsfeindlichen“ Staat – man denke zB an die skandinavischen Länder, in denen der nacheheliche Unterhalt äußerst restriktiv und nur aufgrund außerordentlicher Umstände gewährt wird (Andrae Art 5 HUntStProt Rz 4) – den Anspruch des Berechtigten auf Unterhalt zu beschränken, womit dieser nicht zu rechnen hatte (vgl zum umgekehrten Beispiel zum Nachteil des Unterhaltsverpflichteten: Hausmann Rz 545). Damit wäre aber der Zweck des Art 5 HUP 2007, dass sich die Ehepartner darauf verlassen können, dass die bedeutsame Frage der Unterhaltspflicht jener Rechtsordnung unterliegt, in deren Geltungsbereich sie ihre Ehe geführt haben (Huter Rz 3; BeckOK BGB/Heiderhoff HUP Art 5 Rn 3), vereitelt.

5.4. Zusammengefasst hat es also, weil die vom Ehemann vertretene engere Beziehung der Ehe zum österreichischen materiellen Recht zu verneinen ist, bei der Grundsatzanknüpfung des Art 3 Abs 1 HUP 2007 am gewöhnlichen Aufenthalt der unterhaltsberechtigten Ehefrau zu bleiben. Auf den von dieser verfolgten Anspruch auf (einstweiligen) Unterhalt während aufrechter Ehe ist daher englisches Sachrecht anzuwenden.

6. Damit stellt sich die Frage, ob (bereits) im vorliegenden Provisorialverfahren das englische Sachrecht zu ermitteln war.

6.1. Wie bereits erwähnt, ist die Angemessenheit der Frist iSd § 4 Abs 2 IPRG von der Dringlichkeit des Einzelfalls abhängig, aber die sofortige Anwendung österreichischen Rechts ohne vorherige ernsthafte Bemühung, das bedeutsame ausländische Sachrecht zu ermitteln, grundsätzlich unzulässig. Das vorliegende Provisorialverfahren blieb nicht einseitig, sondern wurde zweiseitig geführt und erforderte die Aufnahme (weiterer) Bescheinigungsmittel vor allem wegen der vom Ehemann zahlreich eingewendeten Verwirkungstatbestände.

Demgemäß war von vornherein zu unterstellen, dass eine sofortige Entscheidung über den Antrag auf EV nicht möglich sein werde, sodass die Ermittlung des englischen Ehegattenunterhaltsrechts jedenfalls durch eine geeignete Maßnahme zu versuchen gewesen wäre. Die von der Ehefrau dazu vorgelegten Unterlagen, und zwar ein nur sehr allgemein gehaltener Beitrag in einem in Deutschland erschienen Buch mit Beiträgen zum englischen Unterhaltsrecht, ein Beschluss des BGH vom 12. August 2009, XII ZB 12/05, in der er sich mit dem britischen Scheidungsfolgenrecht auseinandersetzt, und die ins Deutsche übersetzte Eidesstättige Erklärung zur englischen Rechtslage einer englischen Rechtsanwältin, die von der Ehefrau mit ihrer Vertretung beauftragt ist, reichen nämlich für sich allein nicht aus, um die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der behaupteten Rechtslage beurteilen zu können. Das schließt aber nicht aus, sie nach Vorliegen einer gerichtlich beigeschafften Auskunft und entsprechender Übereinstimmung in Kombination damit zu verwerten.

6.2. Wie der – wenn auch ex post betrachtete, aber keinesfalls unerwartete – tatsächliche Verlauf des Provisorialverfahrens zeigt, wäre für die Ermittlung des englischen Rechts ein Zeitraum von fast zehn Monaten von der Antragstellung bis zur Entscheidung in erster Instanz (fast 14 Monate bis zur Rekursentscheidung) zur Verfügung gestanden, der einen positiven Abschluss der Bemühungen erwarten lässt. Jedenfalls bietet die Aktenlage und der Umstand, dass das Recht eines Staates zu erheben war, der (noch immer) Mitglied der EU ist, keinen Anlass, an einem rechtzeitigen Erfolg dieser Bemühungen zu zweifeln. Die grundsätzlich anzunehmende besondere Dringlichkeit der Gewährung einstweiligen Unterhalts rechtfertigt daher in der vorliegenden besonderen Konstellation – anders als bei der Behandlung des geltend gemachten Prozesskostenvor-schusses   – die sofortige Anwendung österreichischen materiellen Rechts nicht.

Darum ist in der Unterlassung (des Versuchs) einer Ermittlung des englischen Ehegattenunterhaltsrechts und in der sofortigen Anwendung österreichischen Rechts nicht nur ein Rechtsanwendungsfehler des Erstgerichts, sondern auch des Rekursgerichts zu erblicken, das sich mit dieser Problematik überhaupt nicht auseinandersetzte.

6.3. Daran ändert auch das Faktum nichts, dass mittlerweile Zeit vergangen ist und für eine Ermittlung des englischen Ehegattenunterhaltsrechts weitere Zeit vergehen wird, weil das Vorgehen der Vorinstanzen die materiell-rechtliche Beurteilung nicht beeinflussen darf.

7. Der Beurteilung des Sachverhalts nach österreichischem Recht bedarf es wegen der Beachtlichkeit des englischen Rechts auch im Provisorialverfahren somit nicht. Da nicht ausgeschlossen ist, dass – wie der Ehefrau behauptet – dem englischen Recht eine Unterhaltsverwirkung eines Ehegatten iSd § 94 Abs 2 ABGB/§ 74 EheG fremd ist, erübrigt sich derzeit die Auseinandersetzung mit den Argumenten des Revisionsrekurses.

8. Im Zusammenhang mit der notwendigen Ergänzung des Verfahrens ist zu prüfen, ob es der Aufhebung auch der erstgerichtlichen Entscheidung bedarf, oder ob nur die Rekursentscheidung aufzuheben und dem Rekursgericht die Erhebung der englischen Rechtslage aufzutragen ist (vgl 4 Ob 30/15p).

Da derzeit eine Relevanz der zum Thema Unterhaltsverwirkung umfangreich vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, erscheint es zweckmäßig, diesen Verfahrensaufwand nicht zu vernichten, was die Aufhebung nur der Rekursentscheidung bedingt, und zwar wegen der zur Antragsabweisung eingetretenen Teilrechtskraft nur im Umfang der Bestätigung des Zuspruchs. Denn die ausstehende Einholung einer Auskunft über das englische Recht kann durchaus als „notwendig scheinende Erhebung“ iSd § 526 ZPO iVm § 78 EO angesehen werden, weil sie kein formelles Beweisverfahren unter unmittelbarer Beteiligung der Parteien voraussetzt (vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 526 ZPO Rz 11).

9. Ausgehend vom bereits erstatteten Vorbringen der Parteien zum englischen Recht wird daher das Rekursgericht die englische Rechtslage zu den angesprochenen Fragen insbesonders der Verwirkung des Ehegattenunterhalts möglichst rasch und unter Hinweis auf die Dringlichkeit zu erheben haben, um die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Rechtsbehauptungen der Parteien und des bisher vorgelegten Materials beurteilen zu können. Wie bereits erwähnt, scheidet dafür zwar die Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus, nicht aber zB die Einholung einer Auskunft des Bundesministeriums für Justiz und/oder die Inanspruchnahme des Europäischen Übereinkommens betreffend Auskünfte über ausländisches Recht, BGBl 1971/417.

Den Parteien wird zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs das Ergebnis der Erhebung vor der Beschlussfassung zur Kenntnis zu bringen und ihnen eine Frist zur Stellungnahme zu setzen sein (RIS-Justiz RS0086612; Zechner § 526 ZPO Rz 11). Sollten die Parteien dazu noch Urkunden vorlegen, würde dies keine Verletzung des Neuerungsverbots bedeuten (7 Ob 59/11v; 8 Ob 530/84).

10. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 402 iVm 78 EO iVm § 52 ZPO.

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