European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00234.16G.0222.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die in den Jahren 2002 und 2006 geborenen Antragsteller sind die ehelichen Kinder des Antragsgegners. Sie wuchsen in Österreich auf und hatten ebenso wie ihre Eltern, deren Ehe seit 1. April 2011 rechtskräftig geschieden ist, zum Zeitpunkt der Einleitung dieses Unterhaltsverfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Erstgerichts. Im Februar 2012 übersiedelte die Mutter mit den Kindern nach Norwegen. Der Vater wohnt weiterhin in Österreich.
Das in Österreich geführte Obsorgeverfahren ist rechtskräftig beendet. Der Mutter steht die Alleinobsorge über die Antragsteller zu.
Mit am 21. März 2011 beim Erstgericht eingelangtem Antrag begehren die Antragsteller, den Antragsgegner beginnend ab November 2010 zur Zahlung näher bezifferter Unterhaltsbeträge zu verpflichten.
Nach einer Unterbrechung des Unterhaltsverfahrens mit Beschluss des Erstgerichts vom 18. November 2013 gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG (ON 65)– erkennbar bis zur Klärung der in der Folge bejahten (vgl 3 Ob 252/13z) internationalen Zuständigkeit Österreichs für das Obsorgeverfahren – stellten die Minderjährigen am 22. April 2014 einen Fortsetzungsantrag.
Der Antragsgegner begehrte die Abweisung des Unterhaltsfestsetzungsantrags. Er erhob inhaltliche Einwendungen gegen die Unterhaltshöhe des begehrten Unterhalts und brachte vor, infolge Übersiedlung der Antragsteller nach Norwegen sei für Unterhaltsperioden ab Februar 2012 norwegisches Recht anzuwenden. Im Übrigen sei über Veranlassung der Mutter die in Norwegen für Auslandskindesunterhaltssachen zuständige Behörde tätig geworden.
Mit Schriftsatz vom 2. April 2015 (ON 89) legten die Antragsteller eine Entscheidung der für Auslandsangelegenheiten zuständigen Behörde in Norwegen (NAV Sozialversicherungsanstalt für Auslands-angelegenheiten) vom 23. März 2015 vor. Danach erklärte sich diese unzuständig für die Behandlung eines von der Mutter am 30. Jänner 2013 gestellten Unterhaltsantrags und wies den Antrag zurück. Die Behörde ging davon aus, dass die österreichischen Gerichte für die Unterhaltsangelegenheit zuständig sind. Da der Unterhaltsantrag vor dem Erstgericht zeitlich früher als jener vor der norwegischen Behörde gestellt worden sei, habe über den Unterhaltsfestsetzungsantrag endgültig das österreichische Gericht zu entscheiden.
Der Antragsgegner, dem diese Entscheidung übermittelt wurde, nahm dazu inhaltlich nicht Stellung (ON 91, 93).
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung näher bezifferter Unterhaltsbeträge beginnend mit November 2010. Mangels Mitwirkung des Antragsgegners an der Feststellung seiner Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse sei ein von ihm monatlich zumindest erzielbares Nettoeinkommen von 4.800 EUR zugrunde zu legen. Davon ausgehend setzte das Erstgericht – erkennbar unter Anwendung österreichischen Rechts – den für die Antragsteller zu leistenden Unterhalt fest.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit der Regelungen des Art 4 HUP im Falle einer Wohnsitzverlegung des Unterhaltsberechtigten während eines anhängigen Unterhaltsverfahrens.
Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, das anzuwendende Recht richte sich nach den Bestimmungen des Haager Protokolls vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUP 2007), das für Mitgliedstaaten auch im Verhältnis zu Nichtmitgliedstaaten gelte. Nach dessen Art 3 Abs 1 sei für Unterhaltspflichten prinzipiell das Recht des Staates maßgeblich, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Wechsle die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, so sei ab dem Aufenthaltswechsel das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden (Art 3 Abs 2 HUP 2007). Demnach sei bis Februar 2012 zweifellos österreichisches Sachrecht anzuwenden. Allerdings ergebe sich aus Art 4 HUP 2007 auch für den Zeitraum ab Übersiedlung der Kinder nach Norwegen weiterhin die Anwendung österreichischen Rechts, weil nach dieser Regelung das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht ungeachtet des Art 3 HUP 2007 dennoch anzuwenden sei, wenn die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staates angerufen habe, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe. Nur wenn sie nach diesem Rechtssystem keinen Unterhalt erhalten würde, wäre das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der berechtigten Person anzuwenden. Die unwidersprochene Weiterführung des in Österreich anhängigen Verfahrens– ohne Einschränkung bzw Einwand der Kinder hinsichtlich eines Wechsels des anzuwendenden Rechts – sei einer ausdrücklichen Wahl eines Gerichtsstands gleichzuhalten. Die Antragsteller hätten auch in ihrer Rekursbeantwortung ausdrücklich die Anwendung österreichischen Rechts bejaht.
Eine Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts sei jedoch aufgrund der vom Rekursgericht aufgezeigten primären Verfahrensmängel, die dem Erstgericht bei Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts unterlaufen seien, nicht zu vermeiden.
Der Vater strebt mit seinem Revisionsrekurs die „Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichts dahingehend“ an, dass dem Erstgericht aufgetragen werden möge, „die Rechtssache an die norwegischen Behörden abzutreten“; hilfsweise wird die inhaltliche Bestätigung des Aufhebungsbeschlusses mit einem dem Erstgericht zu überbindenden Auftrag der Anwendung norwegischen Rechts beantragt.
Die Kinder beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Die für Auslandsunterhaltsangelegenheiten zuständige norwegische Behörde hat sich als „später angerufenes Gericht“ ausdrücklich für unzuständig erklärt. Ein Rechtshängigkeitsproblem besteht daher nicht. Für den vom Antragsgegner nicht näher begründeten Antrag auf „Abtretung der Unterhaltssache“ an die norwegische Behörde, deren Verfahren beendet ist, besteht keine Rechtsgrundlage. Die rechtskräftige Beendigung des im Inland geführten Obsorgeverfahrens entzieht dem anhängigen Unterhaltsverfahren entgegen der offenbar vom Antragsgegner vertretenen Rechtsauffassung nicht die Grundlage.
2. Zutreffend zieht der Revisionsrekurswerber die Anwendung österreichischen Rechts für die Unterhaltsperioden bis zur im Februar 2012 erfolgten Übersiedlung der Kinder nach Norwegen nicht in Zweifel.
2.1 Seit dem 18. Juni 2011 ist die Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. Nach Art 15 EuUVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUP 2007) gebunden sind, nach jenem Protokoll. Nach Art 75 Abs 1 EuUVO ist die EuUVO erst auf alle nach dem 18. Juni 2011 eingeleitete Verfahren anzuwenden. Das HUP 2007 aber ist in der Gemeinschaft (mit Ausnahme Dänemarks und des Vereinigten Königreichs) auch aufgrund des Ratsbeschlusses vom 30. 11. 2009 ab dem 18. Juni 2011 anwendbar. Dies bewirkt, dass trotz Art 75 Abs 1 EuUVO das HUP 2007 bereits mit seinem Inkrafttreten in den Mitgliedstaaten anzuwenden ist. Für ein am 18. Juni 2011 in einem Mitgliedstaat bereits eingeleitetes Verfahren gilt damit Art 22 HUP 2007. Danach findet dieses Protokoll nämlich keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird. Unterhaltspflichten vor dem Zeitraum des Inkrafttretens sind also nach den bisherigen Bestimmungen zu prüfen, Unterhaltspflichten für den Zeitraum danach richten sich gemäß Art 2 HUP 2007 hingegen auch dann nach dem HUP 2007, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats ist (Nademleinsky , Die neue EU‑Unterhaltsverordnung samt dem neuen Unterhaltsprotokoll, EF‑Z 2011/82, 130 [132]; 7 Ob 116/12b EF‑Z 2013/35, 43 [ Nademleinsky ] = EvBl 2013/44 [ Rudolf ]; RIS‑Justiz RS0128213).
2.2 Somit ist für die Unterhaltsperioden ab November 2010 bis Juni 2011 Art 1 Abs 1des Haager Unterhaltsstatutübereinkommes 1956 (HUÜ), BGBl Nr 293/1961, maßgeblich, das auf gesetzliche Unterhaltsansprüche unverheirateter Kinder immer dann anzuwenden ist, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich (oder einem anderen Vertragsstaat) hat ( Nademleinsky/Neumayr , Internationales Familienrecht [2007] Rz 10.77 mwN), wobei es als maßgebliches Recht das Recht des Aufenthaltsstaats des Kindes, hier somit österreichisches Recht, bestimmt.
2.3 Für die Unterhaltsperioden ab Juli 2011 bis zur Übersiedlung der Kinder nach Norwegen ergibt sich die Anwendung österreichischen Rechts aus allen denkbaren Anknüpfungspunkten: Sowohl aus Art 3 Abs 1 HUP 2007, wonach das Recht des Staates maßgebend ist, in dem die berechtigte Person ihren Aufenthalt hat, als auch aus Art 4 Abs 3 HUP 2007 (s dazu unter 3.3).
3. Das Rekursgericht hat aber zutreffend auch für die Unterhaltsperioden ab Übersiedlung der Kinder nach Norwegen die Anwendung österreichischen Rechts bejaht.
3.1 Wechselt der Unterhaltsberechtigte seinen Aufenthaltsort, ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an gemäß Art 3 Abs 2 HUP 2007 das Recht des Staates des neuen Aufenthalts anzuwenden. Es kann daher in anhängigen Verfahren ein Statutenwechsel eintreten (Weber in B/N/G/S, Internationales Zivilverfahrensrecht [2012] Art 3 HUntP Rz 20; Nademleinsky, EF‑Z 2011/82, 130 [132]).
3.2 Die gemäß Art 3 Abs 1 und 2 HUP 2007 geregelte Grundanknüpfung an das Recht des Ortes, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, verfolgt den Zweck, den Unterhalt unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen des Landes, in dem die berechtigte Person lebt, zu bestimmen und die Gleichbehandlung berechtigter Personen, die in dem selben Staat leben, sicherzustellen. Die Anknüpfung nach Art 3 Abs 1 HUP 2007 führt wegen der von Unterhaltsberechtigten häufig in Anspruch genommenen Möglichkeit, den eigenen Aufenthaltsort als Gerichtsstand heranzuziehen, überdies zum wünschenswerten Ergebnis, dass das angerufene Gericht nicht fremdes Recht anwenden muss (Bonomi, Erläutender Bericht zum Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht [2009] Rz 37–39).
3.3 Art 4 Abs 3 HUP 2007 sieht ua für Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern (Art 4 Abs 1 lit a HUP 2007) eine Ausnahme von dieser Grundanknüpfung vor: Hat die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staats angerufen, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so ist ungeachtet des Art 3 HUP 2007 das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden. Nur wenn die berechtigte Person nach diesem Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten kann, ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der berechtigten Person anzuwenden.
3.4 Im Ergebnis wird somit bestimmten „privilegierten“ Unterhaltsberechtigten – sofern der Unterhaltspflichtige nicht ohnedies im selben Staat lebt – durch Art 4 Abs 3 HUP 2007 indirekt das Recht zuerkannt, durch die Wahl des Gerichts auch das auf die Unterhaltsforderung anzuwendende Recht zu wählen (Bonomi ‑ Bericht Rz 68 f).
3.5 Der hier zu beurteilende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterhaltsberechtigten und ihr Vater zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatten, wobei die Kinder erst während des Verfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Ausland verlegten. Für die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen Art 4 Abs 3 HUP 2007 auf eine solche Konstellation anwendbar ist (offen lassend 1 Ob 125/13h), gibt es drei Lösungsmöglichkeiten:
a) In Betracht käme, Art 4 Abs 3 HUP 2007 nur dann anzuwenden, wenn der Unterhaltsschuldner und die Unterhaltsberechtigten bei Verfahrenseinleitung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten hatten. Dies hätte hier die Anwendung des Art 3 Abs 2 HUP 2007 und einen dadurch zwingend eintretenden Statutenwechsel zur Folge. Um einen Statutenwechsel zu vermeiden, müssten die Unterhaltsberechtigten – sofern wie in Österreich nach nationalem Verfahrensrecht nicht ausgeschlossen – ihren im Inland gestellten Unterhaltsfestsetzungsantrag nach Aufenthaltsverlegung zunächst ohne Anspruchsverzicht zurückziehen (§ 11 Abs 1 AußStrG) und sodann erneut gegen den weiter im Inland aufhältigen Unterhaltsverpflichteten einbringen, wodurch iSd Art 4 Abs 3 HUP 2007 die Anwendung österreichischen Rechts gewährleistet wäre. Gewährt das jeweilige nationale Verfahrensrecht diese Möglichkeit nicht, müssten die Unterhaltsberechtigten, um die Anwendung der lex fori zu erreichen, mit der Geltendmachung ihres Anspruchs im Aufenthaltsstaat des Unterhaltsverpflichteten bis zu seiner Aufenthaltsverlegung zuwarten (Zimmer, Aufenthaltswechsel und Haager Unterhaltsprotokoll, IPRax 2015, 180 [181]).
Diese Lösung ist aber schon mit dem Wortlaut des Art 4 Abs 3 HUP 2007 nicht zu vereinbaren, der die Rechtsfolge des „lex‑fori‑Verfahrens“ allein an die Klageerhebung (Antragstellung) im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten anknüpft. Sie steht darüber hinaus im Gegensatz zu dem mit Art 4 Abs 3 HUP 2007 verfolgten Zweck: Die Anwendung der lex fori war nämlich gerade das eigentliche Regelungsanliegen der von Art 4 HUP 2007 vorrangig erfassten Unterhaltsbeziehungen, weil immer mehr Länder die Aufgabe, über Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern zu entscheiden, Verwaltungsbehörden übertragen. Die Anwendung der lex fori ist für verwaltungsorientierte Systeme der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aber besser geeignet (Bonomi ‑ Bericht Rz 69; Andrae in Rauscher, EuZPR/EuIPR V4 [2016] Art 3 HUntStProt Rz 15).
b) Die gegenteilige Position führt zu dem Ergebnis, dass Art 4 Abs 3 HUP 2007 immer zwingend anzuwenden ist, wenn der Unterhaltsberechtigte seine Ansprüche vor dem Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten geltend machte (Andrae in Rauscher, EuZPR/EuIPR V4 Art 4 HUntStProt Rz 13; vgl auch Weber in B/N/G/S, Art 4 HUIntP Rz 11).
c) Nach anderer, im Ergebnis auch vom Rekursgericht vertretener Auffassung führt die generelle Anwendung von Art 4 Abs 3 HUP 2007 auch auf Verfahren, die vor Wegzug des Unterhaltsberechtigten anhängig gemacht wurden, zu einem nicht gerechtfertigten Entfall der dem Unterhaltsberechtigten eingeräumten Wahlmöglichkeit. Dem Unterhaltsberechtigten sei daher ein Wahlrecht einzuräumen; im Zweifel habe es bei der lex domicilii‑Grundregel zu bleiben (Zimmer, IPRax 2015, 181).
3.6 Aus den zu 3.5.a) dargelegten Gründen scheidet jedenfalls eine Auslegung aus, wonach die zitierte Bestimmung unanwendbar ist, wenn die Parteien des Unterhaltsstreits zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat hatten. Daraus folgt aber die grundsätzliche Anwendbarkeit von Art 4 Abs 3 HUP 2007 auf den vorliegenden Fall.
Das führt zwar im Ergebnis dazu, dass Art 3 Abs 2 HUP 2007 nur anzuwenden ist, wenn Unterhaltsberechtigter und Unterhaltsverpflichteter zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem selben Staat hatten und der Unterhaltsberechtigte seinen Aktivgerichtsstand in Anspruch nahm. Diese Auslegung entspricht aber dem dargestellten wesentlichen Anliegen für die Regelung des Art 4 Abs 3 HUP 2007, nämlich der Anwendung der lex fori im Unterhaltsverfahren unterhaltsberechtigter Kinder.
3.7 Die Frage, ob in der hier vorliegenden Konstellation Art 4 Abs 3 HUP 2007 zwingend anzuwenden oder den Unterhaltsberechtigten – wie das Rekursgericht meint – ein Wahlrecht zuzuerkennen ist, bedarf hingegen keiner Beantwortung: Das Rekursgericht hat nämlich zutreffend erkannt, dass das Verhalten der Antragsteller im Verfahren – weil sie explizit die Anwendung österreichischen Rechts wünschten – jedenfalls auch den Schluss auf eine „Wahl“ österreichischen Rechts rechtfertigen würde. Die Ausführungen im Revisionsrekurs, dass die Mutter (als Vertreterin der Kinder) durch ihre Antragstellung bei der zuständigen norwegischen Behörde die Anwendung norwegischen Rechts gewählt habe, lassen hingegen das Verhalten der Antragsteller nach dieser Antragstellung und in diesem Verfahren unberücksichtigt.
3.8 Dem Vorbringen des Antragsgegners im Revisionsrekurs, dass norwegisches Unterhaltsrecht für die Antragsteller günstiger sei als österreichisches, kommt keine Bedeutung zu: Gemäß Art 4 Abs 3 Satz 2 HUP 2007 ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der verpflichteten Partei (nur) dann nicht anzuwenden, wenn die berechtigte Person nach dem nach Art 4 Abs 3 Satz 1 HUP 2007 anwendbaren Recht keinen Unterhalt erhalten kann (vgl dazu Andrae in Rauscher, EuZPR/EuIPR V4 Art 4 HuntStProt Rz 17). Dass die Antragsteller nach österreichischem Recht keinen Unterhalt erlangen können, behauptet der Antragsgegner nicht und es bestehen dafür auch keine Anhaltspunkte.
4. Dem Revisionsrekurs, der sich inhaltlich nicht gegen die vom Rekursgericht erteilten Aufträge zur Verfahrensergänzung wendet, ist daher ein Erfolg zu versagen.
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