OGH 4Ob107/17i

OGH4Ob107/17i13.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts‑Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 5.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2017, GZ 5 R 35/17d‑10, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Jänner 2017, GZ 19 Cg 60/16v‑5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00107.17I.0613.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Partei ist ein zur Verbandsklage nach § 29 KSchG berechtigter Verband. Die beklagte Partei betreibt das Bankgeschäft und bietet ihre Leistungen bundesweit an. Sie tritt in ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge. In ihren nach dem 14. 12. 2015 geschlossenen Verträgen mit Verbrauchern verwendet sie das Vertragsformblatt „Europäische Standardinformationen für Kreditierungen nach dem Verbraucherkreditgesetz“, in dem folgende Klausel enthalten ist:

„Wenn der vorgenannte Indikator negativ ist oder negativ werden sollte, wird für diesen als Untergrenze ein Prozentsatz von 0% (Null Prozent) für die Zinsverrechnung vereinbart. Der Kreditnehmer zahlt also zumindest den im vorigen Absatz vereinbarten Aufschlag.“

 

Die beklagte Partei vereinbart in zahlreichen Kreditverträgen mit Verbrauchern für die Zinsgleitung einen Indikator (zB EURIBOR) plus Aufschlag, sodass der Zinssatz angepasst wird, wenn sich der Indikator nach Vertragsabschluss nach oben oder unten oder über einen gewissen Schwellenwert verändert. Die von der Beklagten verwendete Klausel zieht für diese Zinsgleitung eine Untergrenze beim Aufschlag ein, ohne eine Obergrenze zu enthalten.

Die Vorinstanzen untersagten der beklagten Partei, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die zitierte Klausel oder sinngleiche Klauseln zu verwenden. Der klagende Verein wurde zur Urteilsveröffentlichung ermächtigt. Dem Unterlassungsgebot liegt die Rechtsansicht zugrunde, die Klausel verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der beklagten Partei ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1.1 Der Senat hat (nach Fällung des Berufungsurteils) bereits zu 4 Ob 60/17b zur Frage Stellung genommen, ob eine (individuelle) Vereinbarung zwischen einer kreditgebenden Bank und einem kreditnehmenden Konsumenten gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstößt, wenn die Bank damit berechtigt sein soll, den Indikator bei einem negativen Referenzwert mit Null anzusetzen und vom Kreditnehmer jedenfalls den Aufschlag zu verlangen. Eine derartige Vereinbarung steht demnach im Widerspruch zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil sich der Sollzinssatz dann nicht zu Gunsten des Konsumenten bis nach unten entwickeln kann, während nach oben eine entsprechende Grenze fehlt. Dieser Entscheidung schloss sich zuletzt der Senat 8 mit Urteil zu 8 Ob 101/16k an.

1.2 Damit ist die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage bereits hinreichend geklärt. Die im Rechtsmittel vertretene Rechtsansicht, dass Kreditverträge mit einer Zinsuntergrenze, aber ohne Zinsobergrenze nicht nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zu beanstanden seien, begründet somit keine erhebliche Rechtsfrage.

1.3 Die von den Vorinstanzen an den Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG anknüpfende Rechtsansicht, dass der Unterlassungsanspruch des klagenden Vereins wegen der unwirksamen Klausel daher zu Recht besteht, deckt sich mit dem klaren Wortlaut des § 28 KSchG und entspricht gesicherter Rechtsprechung (zB die zur RIS‑Justiz RS0117240 ersichtliche Judikatur).

2. Die beklagte Partei vermag auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, die die Zulässigkeit des Rechtsmittels stützen könnte.

2.1 Die gerügte Mangelhaftigkeit wurde geprüft. Sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die im Rechtsmittel monierten ökonomischen Argumente des Berufungsgerichts waren eine Replik auf die in der Berufung vorgebrachten „ökonomische Aspekte“. Damit verstärkte das Berufungsgericht sein Argument, dass eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB vorliegt. Das Unterlassungsgebot hängt aber nicht von der Richtigkeit dieser Ansicht ab, weil sich dieses (auch) auf einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG iVm § 28 KSchG stützen kann (vgl zB 1 Ob 192/16s), sodass die behauptete Mangelhaftigkeit schon mangels Relevanz zu verneinen ist (vgl zB 4 Ob 210/04t). Zudem verwarf der Senat 8 zuletzt das Argument, dass eine einseitige Begrenzung möglicher Entwicklungen zugunsten des Unternehmers im Einklang mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG steht, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten drohen (8 Ob 101/16k).

2.2 Die Frage, ob der Urteilsspruch ausreichend bestimmt ist, hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalls ab und erfüllt im Allgemeinen nicht die Voraussetzungen nach § 502 ZPO. Der beklagten Partei wurde untersagt, eine bestimmte und im Spruch der Entscheidung ausdrücklich angeführte Klausel zu verwenden bzw sich darauf zu berufen. Dazu zeigt die beklagte Partei nicht im Ansatz auf, inwieweit die Vorinstanzen damit von der im Rechtsmittel zitierten Judikatur abgewichen sind.

2.3 Auch der Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, kommt abgesehen von einer – hier nicht vorliegenden – groben Fehlbeurteilung keine erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zu (RIS‑Justiz RS0042967 [T8]; vgl auch RS0079820 [T20]).

2.4 Die Leistungsfrist ist nach § 409 Abs 2 ZPO angemessen zu bestimmen. Dies ist einzelfallbezogen zu beurteilen (10 Ob 92/11v; 7 Ob 180/15v; 4 Ob 139/16v), sodass § 502 Abs 2 ZPO nur bei auffallender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht erfüllt ist. Die hier mit drei Monaten bemessene Frist bei einer Klausel hält sich im Rahmen der Rechtsprechung: In der Entscheidung 4 Ob 130/03a wurde bei zehn zu ändernden Klauseln eine Frist von drei Monaten für angemessen erachtet (vgl auch 6 Ob 24/11i [verst Senat]; 7 Ob 44/13s = RIS‑Justiz RS0041265 [T5]: jeweils drei Monate). Dass in manchen Entscheidungen auch eine Frist von sechs Monaten gewährt wurde, wurde mit der hohen Zahl der zu ändernden Klauseln begründet (vgl 6 Ob 120/15p: 47 Klauseln). Eine solch hohe Zahl liegt hier nicht vor.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte