OGH 5Ob21/17z

OGH5Ob21/17z4.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Silke S*****, vertreten durch Mag. Manfred Sigl, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** eGen, *****, vertreten durch Riel Grohmann Sauer Rechtsanwälte in Krems, wegen 30.660 EUR sA und Feststellung (Streitwert 4.000 EUR) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2016, GZ 2 R 150/16t‑56, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 21. Juni 2016, GZ 38 Cg 32/15d‑51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00021.17Z.0504.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin verletzte sich, als sie nach einem Einkauf im Supermarkt der Beklagten auf einer eisigen Stelle des Kundenparkplatzes ausrutschte und stürzte. Die Beklagte hat den Räum‑ und Streudienst für den Kundenparkplatz der Nebenintervenientin rechtsgeschäftlich übertragen.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Schadenersatz gerichtete Begehren der Klägerin übereinstimmend ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Den Inhaber eines Geschäfts trifft gegenüber einer Person, die das Geschäft in Kaufabsicht betritt, die vertragliche Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen. Für die Verletzung dieser Schutzpflicht hat der Geschäftsinhaber nach Vertragsgrundsätzen einzustehen (RIS‑Justiz RS0016407). Er muss alle Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten. Die Verpflichtung des Geschäftsinhabers zu nötigen Maßnahmen der Gefahrenabwehr setzt voraus, dass ihm eine Gefahrenquelle für die Allgemeinheit bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0023597). Im Falle von Schäden ist der Geschäftsinhaber dafür beweispflichtig, nicht schuldhaft gehandelt zu haben (RIS‑Justiz RS0016402 [T6]). Der Verkehrssicherungspflichtige hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, dies ohne Rücksicht darauf, ob sich die Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (dem Ingerenzprinzip) oder einem Vertrag ergibt (RIS‑Justiz RS0022476). Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit (RIS‑Justiz RS0023397), der konkrete Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden (RIS‑Justiz RS0023397 [T21]). Umfang und Intensität der Verkehrssicherungspflicht richtet sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS‑Justiz RS0023726). Der konkrete Inhalt der Verkehrssicherungspflicht und das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet typischerweise nach den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0023487 [T20], RS0029874 [T14], RS0110202).

2. Selbst im Fall, dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden wäre, wäre dadurch allein noch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung begründet (RIS‑Justiz RS0107773). Der Oberste Gerichtshof nahm bereits in mehreren Entscheidungen (RIS‑Justiz RS0023768 [insbesondere T4, T5]; 6 Ob 180/14k; 1 Ob 304/99h) zu vertraglichen Verkehrssicherungspflichten eines Geschäftsinhabers in Bezug auf die seinen Kunden zur Verfügung gestellten Parkplätze und deren Zugangswege Stellung. Auch dass von einem Besucher eines Kaufhauses zu erwarten ist, dass er der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet (RIS‑Justiz RS0023787) ist ein allgemeiner Grundsatz der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, der keineswegs nur – wie die Klägerin meint – innerhalb des Geschäftslokals zur Geltung kommt (vgl 4 Ob 124/98h – Sturz wegen einer Schadstelle des Asphalts des Parkplatzes; 1 Ob 143/16k – Sturz auf einer vereisten Stelle vor einer Waschbox). Vor die Füße zu schauen ist von jedem Fußgänger zu verlangen, die Verpflichtung gilt auch auf einem Gehsteig (RIS‑Justiz RS0027447). Allerdings entzieht sich einer allgemeinen Aussage, welche Organisation einem Unternehmen, das den Winterdienst übernommen hat, zuzumuten ist, oder in welchen Abständen es die Verhältnisse kontrollieren muss (7 Ob 67/14z). Auch die von der Klägerin gewünschte allgemeine Aussage zur Verkehrssicherungspflicht für Supermarktparkplätze ist dem Obersten Gerichtshof nicht möglich, weil sich diese typischerweise nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Gründe für – allgemein – erhöhte Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht auf einem derartigen Parkplatz sind jedenfalls nicht zu erkennen. Warum die Situation des Kunden innerhalb des Geschäftslokals, wo er durch die Suche nach Produkten und das Schieben des Einkaufswagens abgelenkt ist, anders sein sollte als nach Verlassen des Supermarkts, erschließt sich nicht.

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts bewegt sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

Nach den Feststellungen hatte der Zeuge W***** den Kundenparkplatz unter Aufbringung von ausreichend Salz zweckmäßig im zeitlichen Abstand zur Öffnung des Supermarkts gestreut, die Streuung war auch geeignet, um die volle Wirkung des Streusalzes zu ermöglichen und die Flächen dauerhaft eisfrei zu halten. Die Dauerhaftigkeit wäre nur im Fall eines massiven Temperaturrückgangs um ca 20 Grad bzw eines wesentlichen Wassereintritts bei längerem intensiven Regen nicht gewährleistet gewesen. Beide Umstände lagen nicht vor, der Niederschlag durch Schneefall hatte bereits um drei Uhr morgens des Unfalltags aufgehört. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, unter diesen Umständen sei eine laufende Kontrolle des Parkplatzes auf einzelne eisige Stellen nicht zumutbar, ist nicht zu beanstanden.

4. Die monierten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor, weil konkrete Mängel der Organisation der Kontrolle im Verfahren erster Instanz nicht behauptet wurden und im Verfahren nie strittig war, dass die Beklagte Halterin des Kundenparkplatzes ist.

5. Da nach der jedenfalls vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen schon die vertragliche Haftung der Beklagten zu verneinen ist, scheitert auch die an grobe Fahrlässigkeit geknüpfte deliktische Haftung nach § 1319a ABGB. Eine Haftung nach § 93 Abs 1 StVO kommt– unabhängig davon, ob man die Parkplatzfläche überhaupt als Gehsteig im Sinn der genannten Bestimmung versteht – schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte ihre Verpflichtung insoweit rechtsgeschäftlich auf die Nebenintervenientin übertragen hat, die aus diesem Grund die deliktische Außenhaftung träfe (RIS‑Justiz RS0023328 [T2]).

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte