OGH 7Ob176/16g

OGH7Ob176/16g13.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Karin Prutsch und andere, Rechtsanwälte in Graz, wegen 66.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Juli 2016, GZ 3 R 88/16k‑24, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00176.16G.1013.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte aufgrund der von ihr übernommenen Sachhaftung zur Zahlung bei sonstiger Exekution (nur) in ihre Liegenschaftshälfte.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine analoge Anwendung der §§ 25c und 25d KSchG auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung mangels Vorliegens einer ungewollten Gesetzeslücke nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0116829). Der Pfandbestellungsvertrag ist nach den durch die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Interzessionen durch Familienangehörige entwickelten Grundsätzen schon deshalb nicht sittenwidrig, weil es an einem krassen Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pfandschuldners als Interzedenten mangelt (RIS‑Justiz RS0116606).

2. Die Beklagte argumentiert, dass sie gleichzeitig – wenn auch in getrennten Vertragsurkunden – nicht nur eine Sachhaftung, sondern auch eine darüber hinausgehende persönliche Haftung übernommen habe. Unter Hinweis auf die Entscheidung 10 Ob 74/05p vertritt sie, dass in einem solchen Fall eines „einheitlichen Rechtsgeschäfts“ die §§ 25c und 25d KSchG analog zur Anwendung gelangen müssten. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird diese Frage in der zitierten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. Hingegen nahm der Oberste Gerichtshof in seiner späteren Entscheidung 8 Ob 140/07g dahin Stellung, dass die von der Beklagten geforderte analoge Anwendung auch dann nicht in Betracht komme, wenn der Drittpfandbesteller neben der Sachhaftung auch eine persönliche Haftung übernommen hat. Die auf diese Rechtsprechung gegründete Rechtsansicht der Vorinstanzen ist daher nicht zu beanstanden. Im Übrigen wurde die Beklagte in einem weiteren gegen sie geführten Verfahren aus ihrer persönlichen Haftung nach § 25d KSchG ohnedies entlassen.

3. Zur Frage der vorvertraglichen Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber Interzedenten (auch) außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG besteht eine umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung. Danach sind Banken nur in Ausnahmefällen verpflichtet, Interzedenten vor der Haftungsübernahme über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären (vgl RIS‑Justiz RS0026779). Solche Personen haben vielmehr die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst einzuholen und auf deren Grundlage ihr finanzielles Risiko einzuschätzen (4 Ob 254/14b mwN). Eine Warn‑ und Aufklärungspflicht besteht ausnahmsweise dann, wenn die Bank bereits vor Vertragsabschluss Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners hat und diesem gerade wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem noch einen Kredit gewährt (RIS‑Justiz RS0042562; RS0026488; vgl auch RS0026805) oder wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird (RIS‑Justiz RS0026805) oder sonst eine für den Bürgen besonders gefährliche Situation erkennen musste (RIS‑Justiz RS0042562). In diesen Fällen besteht eine Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank (nur) dann, wenn die Bank zudem damit rechnen muss, dass dem Interzedenten dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst ist (RIS‑Justiz RS0026805 [T5]; RS0026488 [T3]). Diese Grundsätze gelten insbesondere auch für die Pfandbestellung (4 Ob 254/14b).

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs genügt demnach außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG die bloße Erkennbarkeit der entsprechend kritischen wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners zur Begründung einer Warn‑ und Aufklärungspflicht der Bank nicht; die Bank muss vielmehr positiv Kenntnis davon haben, dass der Hauptschuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird, oder dessen Zahlungsunfähigkeit oder wirtschaftlicher Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht (4 Ob 254/14b mwN).

Nach den Feststellungen wusste die Klägerin nichts von allfälligen finanziellen Schwierigkeiten der Hauptschuldnerin. Vielmehr legte deren Geschäftsführer einen Geschäftsplan vor, der eine Rückführung des Kredits auch ausgehend von konservativen Ansätzen realistisch erscheinen ließ. Vor dem Hintergrund dieser bindenden Feststellungen und der obigen Ausführungen erweist sich nicht nur die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als nicht zu beanstanden, dass eine Warn‑ und Aufklärungspflicht der Klägerin nicht bestanden habe, sondern auch jene, dass Feststellungen zur tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Hauptschuldnerin nicht erforderlich seien.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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