OGH 6Nc8/16b

OGH6Nc8/16b30.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Ganahl, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Eisenberger und Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen 5.753,40 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei gemäß § 31 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060NC00008.16B.0530.000

 

Spruch:

Der Delegierungsantrag der Beklagten vom 4. April 2016 wird abgewiesen.

 

Begründung:

Vor dem Bezirksgericht Bregenz behängt zu AZ 33 C 55/16k ein Rechtsstreit zwischen der in W***** (Vorarlberg) ansässigen Klägerin und der in B***** (Steiermark) ansässigen Beklagten. Die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Bregenz gründet sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN, weshalb das Bezirksgericht Bregenz eine Unzuständigkeitseinrede der Beklagten mit Beschluss vom 18. 4. 2016 verwarf.

Die Beklagte strebt eine Delegierung des Verfahrens gemäß § 31 JN an das Bezirksgericht Fürstenfeld aus Zweckmäßigkeitsgründen an; ihr als Partei einzuvernehmender Geschäftsführer und fünf Zeugen wohnten in der Steiermark, darüber hinaus seien dort ein Notebook sowie Audio‑ und Videoausgabegeräte von einem Sachverständigen zu befunden.

Die Klägerin sprach sich gegen eine Delegierung aus; ihr Geschäftsführer und vier Zeugen wohnten in Vorarlberg.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder der maßgebliche Teil desselben vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS-Justiz RS0046333 [T3]). Zweckmäßigkeitsgründe in diesem Sinn bilden der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage des Augenscheinsgegenstands (RIS-Justiz RS0046540, RS0053169 [T12]).

2. Allerdings entspricht es ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0046169 [T1], RS0046172 [T2], RS0046184 [T7], RS0046198; siehe auch die Nachweise bei Schneider in Fasching/Konecny³ I [2013] § 31 JN Rz 15; Mayr in Rechberger, ZPO4 [2014] § 31 JN Rz 4), dass eine Delegation aus Zweckmäßigkeitsgründen dann grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts durch Parteienvereinbarung begründet wurde; eine solche würde dem Zweck der Parteienvereinbarung widersprechen. Die Ansicht von Mayr (Die Delegation im zivilgerichtlichen Verfahren, JBl 1983, 293 [299]; in diesem Sinn auch Schneider aaO Rz 18), der Vereinbarung des Gerichtsstands oder des Erfüllungsorts sei kein größeres Gewicht beizumessen als der gesetzlichen Zuständigkeit, hat der Oberste Gerichtshof bereits abgelehnt (RIS‑Justiz RS0046198 [T10]).

3. Es wurde zwar auch schon ausgesprochen, dass (lediglich) dann, wenn nachträglich wesentliche, für die Zweckmäßigkeit der Delegierung sprechende Umstände eintreten, auf die die Parteien bei Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht Bedacht nehmen konnten, eine Delegierung als zulässig anzusehen sei (RIS‑Justiz RS0046198 [T18, T20]).

Insbesondere der Sachverhalt, der der Entscheidung 10 Nc 9/15b zugrundelag, auf welche sich die Beklagte beruft, ist mit dem hier zu beurteilenden aber nicht vergleichbar. Dort bestand ein „relativ gering[er]“ Bezug hinsichtlich der Beweisaufnahme zum zuständigen Gericht (Sitz einer Partei und deren Rechtsvertreters, Wohnort deren Geschäftsführers und eines Zeugen), während weitere acht zu vernehmende Personen am Sitz des zu delegierenden Gerichts wohnten und sich dort auch die zu begutachtenden Liegenschaften befanden. Dem gegenüber wohnen im vorliegenden Verfahren etwa gleich viele der zu vernehmenden Personen in Vorarlberg und in der Steiermark. Würde man nun bei dieser Konstellation die Lage des Augenscheinsgegenstands den Ausschlag zugunsten des Bezirksgerichts Fürstenfeld geben lassen, ließe sich dies mit der unter 2. genannten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht mehr in Einklang bringen.

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