OGH 8Ob26/16f

OGH8Ob26/16f27.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. T***** B*****, vertreten durch die Bollmann & Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch die DLA Piper Weiss‑Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 49.998,88 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2016, GZ 4 R 16/15z‑24, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00026.16F.0427.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

Zur Frage des Wissensstands der Beklagten über die faktische Vereinigung des Fonds‑Managements und die Verwahrung des Fondsvermögens in einer Hand bei BL***** über Subvertragskonstruktionen ist das Berufungsgericht von zugestandenen Tatsachen ausgegangen. Ob die Behauptungen einer Partei als zugestanden anzusehen sind, ist unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des Vorbringens nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0040091). Dies gilt gleichermaßen für die Wertung des fehlenden substanziellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis (RIS‑Justiz RS0040078 [T3 und T4]).

Das Berufungsgericht hat sich im gegebenen Zusammenhang mit dem einschlägigen Vorbringen der Beklagten sowie mit ihrer Reaktion auf die Erörterung in der Verhandlung vom 18. 9. 2014 ausführlich auseinandergesetzt und das erzielte Ergebnis nachvollziehbar begründet. Die Gegenausführungen in der außerordentlichen Revision sind nicht geeignet, um eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe in Wirklichkeit nicht ihr Wissen um die faktische Verwahrung des Fondsvermögens durch BL***** in Abrede gestellt, sondern sich auf die (allerdings unrichtige) rechtliche Schlussfolgerung gestützt, dass aufgrund der spezifischen vertraglichen Konstruktionen (vor allem des Drittverwahrungsvertrags) weiterhin von einer Verwahrung durch die Depotbank auszugehen sei, erweist sich als nicht unvertretbar.

1.2 Auch die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

Wie schon ausgeführt, ist das Berufungsgericht zur Frage des Wissensstands der Beklagten über die faktische Vereinigung des Fonds‑Managements und der Verwahrung des Fondsvermögens von zugestandenen Tatsachen ausgegangen. Hat aber die Beklagte zugestanden, dass ihr diese Umstände bekannt waren, so ist darin auch das Zugeständnis betreffend den Wissensstand ihrer vertretungsbefugten Organe sowie die Wissenszurechnung an sie selbst enthalten.

Auf die Art und Weise der konkreten Prüfung des Emissionsprospekts und auf die Unterlagen, die zur Vornahme dieser Prüfung herangezogen wurden, kommt es nicht an. Die Beklagte hätte über den ihr bekannten Umstand der faktischen Vereinigung von Fonds-Management und Verwahrung des Fondsvermögens aufklären bzw auf eine entsprechende Verdeutlichung im Emissionsprospekt hinwirken müssen. Beim Durchlesen des Emissionsprospekts hätte dessen Irreführungseignung auf den ersten Blick auffallen müssen. Dass der fragliche Emissionsprospekt von zwei Mitarbeitern tatsächlich durchgelesen wurde, gesteht die Beklagte ausdrücklich zu.

Bei der faktischen Vereinigung des Fonds‑Managements und der Verwahrung des Fondsvermögens handelt es sich auch um einen für den Prospektkontrollor leicht erkennbaren risikoerhöhenden Umstand. Auf den Drittverwahrungsvertrag zwischen der Depotbank und der BL***** kommt es damit ebenfalls nicht an.

2.1 Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Irreführungseignung des auch hier zu beurteilenden Emissionsprospekts vom 31. 7. 2005 und in diesem Zusammenhang mit der Haftung der Beklagten als Prospektkontrollorin zufolge mangelhafter Prospektprüfung bereits mehrfach befasst. Die vereinzelt gebliebene Entscheidung zu 2 Ob 41/14i wurde im Urteil zu 5 Ob 26/14f abgelehnt. In der Folge hat sich der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (9 Ob 63/14a; 3 Ob 212/15w; 6 Ob 229/15t) dem Urteil zu 5 Ob 26/14f angeschlossen.

2.2 Aus dem zuletzt zitierten Urteil sind folgende wesentliche Aussagen hervorzuheben:

„Der Prospektkontrollor hat [iSd § 26 InvFG 1993 iVm § 8 Abs 2 KMG] eine Überprüfung auf formale Vollständigkeit der Prospektangaben vorzunehmen und die vom Emittenten zur Verfügung gestellten Unterlagen einer stichprobenartigen Überprüfung zu unterziehen. Er haftet nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts selbst, sondern für erfolgte unrichtige oder unvollständige Kontrollen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits unter Berufung darauf, dass die organisatorische Trennung zwischen Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens der Sicherung der Anleger vor missbräuchlicher Verwendung des Fondsvermögens dient, betont, dass die Tatsache, dass de facto der Manager als Subdepotverwahrer und nicht die Depotbank selbst die Gelder unmittelbar über ein 'Managed Account' verwahrte, eine wesentliche Risikoerhöhung für den potentiellen Anleger darstellt und es sich daher um einen Umstand handelt, über den der Prospektkontrollor iSd § 26 Abs 2 InvFG 1993 aufzuklären hatte.

Ein ganz wesentlicher Unterschied [zum Primeo‑Fonds] liegt darin, dass im Verkaufsprospekt betreffend den Primeo immerhin an zwei Stellen ganz klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass der Fonds zur Zeit (seit seiner Gründung) von einem Manager in Form eines Managed Account geführt wird. Dieser Hinweis fehlt im hier zu beurteilenden Prospekt nicht nur; der Prospekt verklausuliert die Tatsache, dass der Manager ohne jede Kontrolle über das Vermögen gänzlich verfügungsberechtigt ist, auch durch die missverständliche Formulierung, dass der Fonds Managern das Vermögen des Fonds zuteilen kann.

Es ist [daher] der Schluss gerechtfertigt, dass der den Herald‑Fonds betreffende Verkaufsprospekt in entscheidenden Punkten wesentlich undeutlicher ist als jener des Primeo‑Fonds.

Der Beklagten war positiv bekannt, dass BL***** zum Zeitpunkt der Prüfung des hier zu beurteilenden Verkaufsprospekts auch Verwahrerin des Fondsvermögens war. Dass es sich dabei um einen zentral risikoerhöhenden Umstand handelte, der die Malversationen des Madoff überhaupt erst ermöglichte, muss eine Großbank wissen. Es wäre daher an ihr als Prospektkontrollorin gelegen [gewesen], darauf zu dringen, dass der Verkaufsprospekt diesen zentral risikoerhöhenden Umstand in ausreichend klarer Deutlichkeit zum Ausdruck bringt. [Dabei handelt es sich um eine] ins Auge fallende Mangelhaftigkeit des Prospekts. Einer Großbank ist es daher als grober Sorgfaltsverstoß anzulasten, dennoch den Bestätigungsvermerk zu erteilen.“

2.3 Mit den Ausführungen in der außerordentlichen Revision vermag die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Insbesondere liegt keine aktuelle widersprüchliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor. Die Entscheidung 9 Ob 89/14z betrifft nicht den hier in Rede stehenden Fonds. Dementsprechend wird in dieser Entscheidung ausdrücklich festgehalten, dass der den Herald‑Fonds betreffende Emissionsprospekt nicht verfahrensgegenständlich ist und die diesbezüglichen Ausführungen nicht entscheidungswesentlich sind.

3.1 Zur Frage der Verjährung vertritt die Beklagte die Ansicht, dass ‑ im Zusammenhang mit Prospekthaftungsansprüchen ‑ § 11 Abs 7 KMG an ein objektives Ereignis (Beendigung des prospektpflichtigen Angebots) anknüpfe und der Anleger daneben auch die an subjektive Umstände anknüpfende Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beachten müsse.

Auch diese Frage ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt, weshalb ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

3.2  § 26 Abs 2 InvFG 1993 (in der Fassung vor dem InvFG 2011, BGBl I 2011/77; vgl auch § 177 InvFG 2011) bestimmte, dass für die Erstellung, die Änderung, die Kontrolle und die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts sowohl für den Emittenten als auch für den Prospektkontrollor die Vorschriften des KMG sinngemäß gelten. Bei dieser Bestimmung handelt es sich, so wie bei § 11 KMG, um eine Prospekthaftungsregel zur Sanktionierung irreführender Anlegerinformationen. Der Zweck des § 26 InvFG 1993 liegt darin, dem potentiellen Anleger durch das Vorsehen verpflichtender Prospektinhalte eine umfassende und objektive Grundlage für seine Erwerbsentscheidung zu bieten (6 Ob 177/15w mwN).

3.3 Die Haftung des Prospektkontrollors richtet sich somit nach § 11 KMG iVm § 8 Abs 2 KMG.

Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Haftung von § 11 Abs 7 KMG erfasst wird. Danach müssen Ansprüche der Anleger nach dem KMG bei sonstigem Ausschluss binnen zehn Jahren nach Beendigung des prospektpflichtigen Angebots gerichtlich geltend gemacht werden. Bei der genannten Frist handelt es sich um eine Präklusivfrist, die auch auf eine Daueremission anzuwenden ist (6 Ob 16/13s). Nach der zitierten Entscheidung wird die Ansicht präferiert, dass bei Daueremissionen die Frist des § 11 Abs 7 KMG mit der Veröffentlichung des der konkreten Zeichnung folgenden Emissionsprospekts zu laufen beginnt.

In dieser Entscheidung wurde zudem ausgesprochen, dass die Frist des § 11 Abs 7 KMG ‑ und zwar für sämtliche Prospekthaftungsansprüche, selbst wenn sie auf eine allgemein zivilrechtliche Haftung gestützt werden sollten ‑ bei fahrlässiger Schadensverursachung die Fristen des § 1489 ABGB verdrängt. Zur Begründung wurde auf die Rechtsprechung zur Verjährungsfrist des § 275 Abs 2 UGB für Schadenersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer verwiesen (RIS‑Justiz RS0128616; 10 Ob 88/11f) und die ihr zugrunde liegenden Überlegungen daher auf den hier in Rede stehenden Fall für übertragbar erklärt.

4. Insgesamt vermag die Beklagte mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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