OGH 9ObA158/15y

OGH9ObA158/15y21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, und die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, wegen 1. Rechtsunwirksamerklärung einer Kündigung und 2. Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2015, GZ 7 Ra 39/15d‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00158.15Y.1221.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Beabsichtigte Maßnahmen der Leiterin oder des Leiters der Dienststelle iSd § 9 Abs 1 PVG sind dem ‑ hier unstrittig zuständigen ‑ Zentralausschuss spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung gemäß § 10 Abs 1 PVG nachweislich zur Kenntnis zu bringen. Dem Erfordernis der nachweislichen Verständigung wird nach der von den Vorinstanzen beachteten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur durch die ausdrückliche Verständigung von der konkret ins Auge gefassten Antragstellung an die zum Ausspruch der Kündigung zuständige übergeordnete Dienststelle entsprochen (9 ObA 26/89; RIS‑Justiz RS0052990). Der Mitwirkung der Personalvertretung in allen Fällen der Kündigung und Entlassung eines Bediensteten gibt das PVG ein ganz besonderes Gewicht; sie kann nicht als bloßer Formalismus abgetan werden (9 ObA 211/98i ua). Die einschlägigen Bestimmungen des PVG bezwecken die Sicherstellung der Befassung der zuständigen Personalvertretungsgremien (9 ObA 4/04k). Es genügt daher nicht irgendeine „indirekte“ Mitteilung an die Personalvertretung: vielmehr handelt der zu einem Verhalten iSd § 9 Abs 1 PVG verpflichtete Dienststellenleiter gesetzwidrig, wenn er die ihm vorgeschriebene Einschaltung der ‑ zuständigen ‑ Personalvertretung unterlässt und die beabsichtigte Maßnahme ohne eine solche trifft (vgl 9 ObA 79/10y mwH). Die Vorinstanzen haben diese Rechtsprechung beachtet. Im Anlassfall hat die Beklagte lediglich den Dienststellenausschuss von der beabsichtigten ersten Kündigung des Klägers informiert. Der Dienststellenausschuss sandte eine Kopie eines E‑Mails vom 30. 1. 2014 an den Zentralausschuss, in dem er erklärte, keinen Einwand gegen die beabsichtigte erste Kündigung des Klägers zu erheben. Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass darin nicht die vom Gesetz geforderte nachweisliche Verständigung des Zentralausschusses von der beabsichtigten Kündigung zu sehen sei, zeigt die Revisionswerberin schon deshalb nicht auf, weil eine Verständigung des Zentralausschusses durch die Beklagte unstrittig nicht erfolgte. Darin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch wesentlich von dem zu 9 ObA 4/04k entschiedenen Fall, sodass auch aus dieser Entscheidung für die Beklagte nichts zu gewinnen ist.

2. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung (hier: in Bezug auf die zweite Dienstgeberkündigung), ob im Einzelfall ein Kündigungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (9 ObA 106/14z mwH; RIS‑Justiz RS0106298). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung vermag die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision nicht aufzuzeigen. Die Vorinstanzen sind auch unter Berücksichtigung der dem Kläger von der Beklagten vorgeworfenen Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Mitbedienstete nach den maßgeblichen Umständen des Anlassfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass ein die geltend gemachten Kündigungsgründe des § 32 Abs 2 Z 1 und Z 6 VBG 1948 verwirklichendes Fehlverhalten des Klägers nicht vorliege. Eine Unvertretbarkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Revisionswerberin nicht auf. In weiten Teilen bekämpft die Revision mit ihrer Behauptung, dass es mit dem Kläger „eine große Anzahl von Schwierigkeiten gegeben“ habe, im Ergebnis letztlich die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Die Beweiswürdigung ist aber nach ständiger Rechtsprechung durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar ( E. Kodek in Rechberger 4 § 503 Rz 1; RIS‑Justiz RS0112242 ua). Mit den Behauptungen, der Kläger habe wahrheitswidrig einen Mitbediensteten beschuldigt, ihn absichtlich verletzt zu haben und sei darauf bedacht gewesen, diesen aus dem Dienst zu entfernen, weichen die Revisionsausführungen von den Sachverhaltsfeststellungen ab, sodass die Revision insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Dies gilt auch für die Behauptung der Revisionswerberin, der Kläger habe mehrfach den Betriebsfrieden gestört, steht doch im Gegenteil nach den gesamten, ausführlich begründeten Ausführungen des Erstgerichts fest, dass die Beeinträchtigung des Betriebsklimas nach seiner Versetzung im Jahr 2010 nicht dem Kläger zuzurechnen war.

3.1 Ein im Ersturteil genannter Zeuge trat nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen „gänzlich überraschend“ an den Kläger heran, sodass es zu einem Körperkontakt kam. Gleichzeitig schrie der Zeuge „Uaahh“, was einem Tierlaut ähnlich kam, sodass der Kläger nach hinten ausweichen wollte und dabei rücklings zu Boden fiel. Der Zeuge wollte den Kläger lediglich erschrecken. In den Ausführungen des Berufungsgerichts, dass dieses Verhalten „äußerst unfreundlich und befremdend infantil“ sei, liegt kein Abgehen von den Feststellungen des Erstgerichts, sondern lediglich eine Wertung. Der im Zusammenhang damit behauptete Mangel des Berufungsverfahrens (vgl RIS‑Justiz RS0043461) liegt nicht vor.

3.2 Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin hat sich das Berufungsgericht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der genannte Zeuge vom Erstgericht unter Eid vernommen wurde (Berufungsurteil S 7 f). Der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor.

4.1 Der von der Beklagten behauptete Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Dieser Nichtigkeitsgrund ist nur dann gegeben, wenn ein Widerspruch im Spruch selbst und ein Mangel der Gründe überhaupt vorliegt (RIS‑Justiz RS0042133; RS0007484). Dies ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidungsbegründung in einzelnen Punkten eingehend dargelegt und sich insbesondere auch mit der Beweisrüge der Beklagten als Berufungswerberin auseinandergesetzt. Es hat im Übrigen auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des Erstgerichts gemäß § 500a ZPO verwiesen. Seine Begründung lässt sich damit ohne Weiteres inhaltlich überprüfen, weil § 500a ZPO die Möglichkeit einer verkürzten Begründung nicht auf bestimmte Berufungsgründe beschränkt (RIS‑Justiz RS0122301).

4.2 Auch der von der Beklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO liegt nicht vor. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht seit der Änderung des § 480 Abs 1 ZPO und dem Außerkrafttreten des § 492 ZPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, generell im Ermessen des Berufungsgerichts (§ 2 Abs 1 ASGG; RIS‑Justiz RS0127242). Das Unterbleiben der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung begründet keine Nichtigkeit (7 Ob 205/14v mwH).

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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