OGH 9ObA26/89

OGH9ObA26/8915.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Architekt Rupert P***, Vertragslehrer, Übersee, Grassauerstraße 56, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Gerhard O.Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 465.445,70 S brutto sA und Feststellung (Streitwert 200.000 S), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Oktober 1988, GZ 12 Ra 67/88-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.Jänner 1988, GZ 40 Cga 35/87-32, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben;

2. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Gericht darf die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie vom Gericht nicht aufmerksam gemacht wurden (siehe SZ 50/35 = JBl.1978, 262, mit Anm von König; JBl.1988, 467 mit Anm von Pfersmann); dies ist aber nur dann der Fall, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Rechtsauffassung vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde. Die Unwirksamkeit der Kündigung infolge Verletzung der Mitwirkungsrechte des Dienststellenausschusses hat der Kläger aber im Verfahren erster Instanz sowohl im Punkt 4 der Klage als auch im Punkt 10 des Schriftsatzes ON 4 - dort sogar unter Anführung der im EvBl.1986/102 veröffentlichten einschlägigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes - ausdrücklich behauptet und vorgebracht, daß der Dienststellenausschuß der HTL Saalfelden entgegen §§ 9 Abs 1 lit i und 10 Abs 1 PVG nicht von dem von der Schulleitung beabsichtigten Antrag auf Kündigung des Klägers informiert worden sei. Die Schulleitung habe die Personalvertretung vor vollendete Tatsachen gestellt; der bereits am 3.Juni 1986 eingebrachte - an den Landesschulrat gerichtete - Antrag des Schulleiters auf Kündigung des Klägers sei dem Dienststellenausschuß erst am 11.Juni 1986 zur Kenntnis gebracht worden. Auch zu der in § 9 Abs 1 PVG vorgesehenen Verhandlung mit dem Dienststellenausschuß über die beabsichtigte Maßnahme sei es nicht gekommen. Die Kündigung sei daher gemäß § 10 Abs 9 PVG unwirksam. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz ON 3 im Punkt 5 zu diesem Vorbringen dahin Stellung genommen, daß der Landesschulrat für Salzburg sowohl den Dienststellenausschuß als auch den zuständigen Fachausschuß am 10. Juni 1986 rechtzeitig schriftlich von der beabsichtigten Kündigung verständigt habe; eine Verständigung der Personalvertretung anläßlich des Schreibens der Direktion vom 3.Juni 1986 an den Landesschulrat für Salzburg sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Angesichts dieses klaren und abschließenden Vorbringens der im Verfahren erster Instanz qualifiziert (§ 40 Abs 1 ASGG) vertretenen Beklagten hatte das Gericht keinen Anlaß zu einer Erörterung der Frage, ob der Dienststellenausschuß - abweichend von dem von der Beklagten erstatteten Vorbringen - nicht doch bereits im vorhinein durch die Schulleitung von der Kündigungsabsicht informiert worden war, oder gar, wie dies die Revisionswerberin nunmehr fordert, zu einer amtswegigen Einvernahme von Zeugen, um sich im Wege eines derartigen amtswegigen Erkundungsbeweises "ein umfassendes Bild zu verschaffen".

Ob das Berufungsgericht angesichts der fehlenden Voraussetzungen der §§ 494 bis 496 ZPO für einen Aufhebungsbeschluß betreffend das Feststellungsbegehren (insoweit war die Sache spruchreif) mit der Fällung eines Teilurteiles über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ohne entsprechende Antragstellung überhaupt gegen § 60 ASGG verstoßen hat, kann dahingestellt bleiben. Nimmt man nämlich auf den Schutzzweck dieser Bestimmung - sie soll dem anspruchsberechtigten Arbeitnehmer, vor allem, wenn es sich um Entgeltansprüche handelt, zur raschen Durchsetzung dieser Ansprüche verhelfen (siehe Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 319 f) - Bedacht, dann kann sich der beklagte Arbeitgeber durch einen (allfälligen) Verstoß gegen diese Bestimmung nicht mit Grund beschwert erachten.

Im übrigen ist auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend wird den Ausführungen der Revisionswerberin noch folgendes entgegengehalten:

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb.10.514 =

SZ 59/2 = JBl.1986, 265 = EvBl.1986/102 ausgesprochen hat, ist auch

der vom Leiter einer nachgeordneten Dienststelle gestellte Antrag an die für die Kündigung zuständige übergeordnete Dienststelle, die Kündigung eines Bediensteten auszusprechen, eine Maßnahme im Sinne des § 9 Abs 1 PVG; von der der bei der nachgeordneten Dienststelle eingerichtete Dienststellenausschuß gemäß § 10 Abs 1 PVG spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zu verständigen ist, um ihm Gelegenheit zu geben, die Angelegenheit mit dem Dienststellenleiter eingehend zu verhandeln. Daß der Dienststellenausschuß über den beabsichtigten Antrag des Leiters der HTL Saalfelden, die Kündigung des Klägers auszusprechen, spätestens zwei Wochen vor Absendung des Schreibens vom 3.Juni 1986 an den Landesschulrat verständigt wurde, hat die hiefür beweispflichtige Beklagte weder behauptet, noch hat das Beweisverfahren einen Anhaltspunkt in dieser Richtung ergeben. Daß die Mitglieder des Dienststellenausschusses aus dem Vorgehen der Vorgesetzten des Klägers die Kündigungsabsicht des Dienstgebers "erschließen" konnten, ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin keine nachweisliche Verständigung von der beabsichtigten Maßnahme des Dienststellenleiters im Sinne des § 10 Abs 1 PVG; diesem Erfordernis wird nur durch die ausdrückliche Verständigung von der in concreto ins Auge gefaßten Antragstellung an die zum Ausspruch der Kündigung zuständige übergeordnete Dienststelle entsprochen. Die von der Revisionswerberin unterstellte Möglichkeit der Heilung des Verstoßes gegen die §§ 9 Abs 1 und 10 Abs 1 PVG durch eine nachträgliche Befassung des Dienststellenausschusses ist nicht nur mit dem Wortlaut dieser Bestimmungen und der im § 10 Abs 9 PVG vorgesehenen Sanktion, sondern auch mit dem Normzweck unvereinbar, den Dienststellenausschuß schon vor der formellen Antragstellung an die übergeordnete Behörde und der damit verbundenen endgültigen Festlegung des antragstellenden Leiters der Dienststelle einzuschalten. Daß für das Nichtzustandekommen der Verständigung des Dienststellenausschusses besondere Gründe vorgelegen wären und daß die für diesen Fall vorgesehene begründete schriftliche Mitteilung nach § 10 Abs 5 PVG erfolgt wäre, hat die hiefür beweispflichtige Beklagte nicht einmal behauptet, sodaß diese auch für das Unterbleiben der Verständigung vorgesehene Ausnahmsbestimmung nicht heranzuziehen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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