OGH 2Ob160/15s

OGH2Ob160/15s19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätinnen Dr. E. Solé und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Katharina Kurz, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. M***** S***** und 2. H***** J*****, diese vertreten durch Dr. Helmut Steiner ua Rechtsanwälte in Baden, wegen Manifestation (Streitwert 200 EUR), Geldleistung sowie Räumung (Streitwert 200 EUR), über die (außerordentliche) Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. Juli 2015, GZ 35 R 30/15v‑32, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 26. November 2014, GZ 5 C 994/13s‑26, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00160.15S.1119.000

 

Spruch:

1. Die Revision betreffend die Erstbeklagte wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels insoweit selbst zu tragen.

2. In Betreff der Zweitbeklagten wird der Akt dem Erstgericht zur Herbeiführung einer Entscheidung iSd § 508 ZPO zurückgestellt.

Begründung

Der Kläger begehrt von beiden Beklagten die Vorlage und eidliche Bekräftigung eines Verzeichnisses von bestimmten, im früheren Eigentum einer Erblasserin gestanden habenden Gegenständen sowie in der Folge die Herausgabe der Hälfte dieser Gegenstände.

Ausschließlich von der Zweitbeklagten begehrt der Kläger weiters die Zahlung von drei Geldbeträgen, nämlich 4.471,16 EUR sA, 1.663,64 EUR sA sowie 1.434,36 EUR sA und die geräumte Übergabe eines Zimmers.

Sowohl die Manifestationsklage als auch das Räumungsbegehren bewertete er mit jeweils 200 EUR.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren betreffend die Manifestationsklage gegen beide Beklagte ab, gegenüber der Zweitbeklagten wies es weiters das Räumungsbegehren sowie das Leistungsbegehren über 4.471,16 EUR sA und 1.434,63 EUR sA ab. Dem Leistungsbegehren über 1.663,64 EUR sA gab es mit 1.000,64 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 663 EUR sA ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidungen in der Hauptsache. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung der Erstbeklagten 5.000 EUR nicht übersteigt, in Ansehung der Zweitbeklagten 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und sprach daher weiters aus, dass betreffend die Erstbeklagte die Revision jedenfalls unzulässig und hinsichtlich der Zweitbeklagten die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision bekämpft der Kläger die Bewertung durch das Berufungsgericht zur Gänze. Die Bewertung sei „aufgrund der Zusammenrechnungsvorschriften“ übermäßig niedrig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist in Bezug auf die Erstbeklagte jedenfalls unzulässig; in Bezug auf die Zweitbeklagte ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.

Das Berufungsgericht hat nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO über den Wert des Entscheidungsgegenstands abzusprechen, ohne dabei an die Bewertung des Klägers nach § 56 Abs 2 JN gebunden zu sein. Der Bewertungsausspruch ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS‑Justiz RS0042515; 1 Ob 64/15s mwN). Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision kann aber, und zwar nicht mit abgesondertem Rechtsmittel, sondern im Rahmen der Revision (RIS‑Justiz RS0042394), bekämpft werden, wenn das Berufungsgericht zwingende Bewertungsvorschriften verletzt bzw eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen hat oder eine Bewertung überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS‑Justiz RS0042385 [T3, T22]; RS0042515 [T10]; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 155). Selbst wenn keine zwingenden Bewertungsvorschriften bestehen, ist das Berufungsgericht in seiner Bewertung nicht völlig frei. Sein gebundenes Ermessen hat sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren. Danach bildet der objektive Wert der Streitsache ein Bewertungskriterium. Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands ‑ bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache ‑ weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbeurteilung offenkundig, ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0042515 [T7, T18]; RS0118748).

Der Kläger vermag ein derartiges Überschreiten des Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht in Bezug auf die Begehren, die nicht ohnehin gemäß § 56 Abs 1 JN mit der begehrten Geldsumme anzusetzen sind, nicht aufzuzeigen.

Das Berufungsgericht ist diesbezüglich grundsätzlich der eigenen Bewertung durch den Kläger in seiner Klage gefolgt. Ein davon abweichender objektiver Wert der Streitsache ‑ die Vorlage eines Verzeichnisses und Herausgabe betreffend religiöse Gegenstände (vgl dazu auch deren im Verlassenschaftsverfahren festgestellte Schätzwerte in S 11 des Ersturteils) sowie die Räumung eines Zimmers ‑ ist auch im Hinblick auf die Argumentation des Klägers in seinem Rechtsmittel nicht nachvollziehbar. Daher ergibt sich in Bezug auf beide Beklagten auch kein vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmendes offensichtliches Überschreiten des Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht.

Es ist daher die Revision in Bezug auf die Erstbeklagte als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen (§ 502 Abs 2 ZPO).

In Bezug auf die Zweitbeklagte enthält das Rechtsmittel zwar keinen Antrag nach § 508 ZPO, dieser Umstand ist aber gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig (RIS‑Justiz RS0109623; zuletzt zB 1 Ob 32/15k uam) und der Akt daher insofern dem Erstgericht zurückzustellen. Ob die Ausführungen über die Zulässigkeit der Revision den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung durch die Vorinstanzen vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109623 [T5]; RS0109501 [T12]).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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