OGH 1Ob64/15s

OGH1Ob64/15s23.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert D*****, vertreten durch Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei Elfriede O*****, vertreten durch Mag. Tanja Hudelist, Rechtsanwältin in Feldkirchen in Kärnten, wegen Unterlassung, über 1. die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2015, GZ 3 R 126/14k‑97, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirchen in Kärnten vom 28. April 2014, GZ 3 C 559/09v‑84, bestätigt wurde, und 2. den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 12. März 2015, GZ 3 R 126/14k‑100, womit der Antrag der beklagten Partei auf Abänderung des Bewertungsausspruchs zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00064.15S.0423.000

 

Spruch:

1. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Die beklagte Partei wird mit ihrem Rekurs auf diese Entscheidung verwiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Unterlassung jeglicher Störung bei der Ausübung seines ihm (als Miteigentümer eines Grundstücks) vertragsgemäß eingeräumten Dienstbarkeitsrechts, insbesondere seines Rechts des Verlegens von unter‑ und oberirdischen Versorgungsleitungen auf einem ‑ im Eigentum des Sohnes der Beklagten stehenden ‑ Grundstück. Er bewertete das Unterlassungsbegehren mit 5.000 EUR.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige und die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Beim Bewertungsausspruch habe es die Interessen der Parteien sowie die Bewertung des Klägers berücksichtigt.

Die Beklagte erhob dagegen Revision und beantragte zugleich ‑ formuliert in der Form eines Haupt‑ und Eventualbegehrens mit demselben Rechtsschutzziel ‑ die Abänderung des zweitinstanzlichen Ausspruchs dahin, dass der „Streitwert“ 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR bzw der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteige. Das Berufungsgericht habe den Zweifelsstreitwert des § 56 Abs 2 JN übernommen und im Ergebnis überhaupt keine eigene Bewertung im Sinn des § 500 Abs 2 Z 1 ZPO vorgenommen. Dadurch habe es auch gegen „zwingende“ Bewertungsvorschriften verstoßen, sodass eine offensichtliche Unterbewertung vorliege.

Das Berufungsgericht wies (inhaltlich) den Antrag auf Abänderung seines Bewertungsausspruchs zurück. Mangels gesetzlicher Bewertungsvorschriften sei das Unterlassungsbegehren nach dem objektiven Wert der Streitsache zu bewerten gewesen. Ein Zweifelsstreitwert habe bei dieser Bewertung keine Rolle gespielt. Sei eine Fehlbewertung offenkundig, sei der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden.

1. Die dem Obersten Gerichtshof vom Erstgericht vorgelegte Revision der Beklagten ist unzulässig.

Das Berufungsgericht hat nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO über den Wert des Entscheidungsgegenstands abzusprechen, ohne dabei an die Bewertung des Klägers nach § 56 Abs 2 JN gebunden zu sein. Der Bewertungsausspruch ist grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS‑Justiz RS0042385 [T5]; RS0042410; RS0042515 [T20]), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (RIS‑Justiz RS0042385 [T3, T22]; RS0042515 [T10]; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 155). Selbst wenn ‑ wie hier ‑ keine zwingenden Bewertungsvorschriften bestehen, ist das Berufungsgericht demnach in der Bewertung nicht völlig frei. Sein gebundenes Ermessen hat sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren. Danach bildet der objektive Wert der Streitsache ein Bewertungskriterium. Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands ‑ bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache ‑ weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbeurteilung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0042515 [T7, T18]; RS0118748 [T1]).

Die Beklagte vermag ein Überschreiten des Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht nicht aufzuzeigen. Sie ist nicht Eigentümerin der belasteten Liegenschaft und wird vom Kläger als Störerin in Anspruch genommen. Ihre Ausführungen zur Beeinträchtigung des Verkehrswerts der Liegenschaft durch die Servitut haben keinen Bezug zum objektiven Wert des Streitgegenstands, den das Berufungsgericht durchaus sachgerecht unter Berücksichtigung der Interessen der Parteien bewertete. Auch ein ‑ erst in der Revision relevierter ‑ „enormer“ Kostenaufwand für Grabungs‑ und Verlegearbeiten diverser Versorgungsleitungen steht hier mit dem Wert des Entscheidungsgegenstands nicht im Zusammenhang (vgl 1 Ob 234/08f). Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts waren ‑ entgegen der Meinung der Beklagten ‑ auch nicht mehrere Ansprüche, sondern nur der Unterlassungsanspruch des Klägers. Von einer „offenkundigen“, dh eindeutig erkennbaren Unterbewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht ist unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht auszugehen.

Die gemäß § 502 Abs 2 ZPO (absolut) unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hingewiesen, sodass ihm die Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.

2. Mit ihrem Rekurs gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, womit (inhaltlich) der Antrag auf Abänderung des Bewertungsausspruchs zurückgewiesen wurde, ist die Beklagte auf die zu Spruchpunkt 1. getroffene Entscheidung zu verweisen (2 Ob 55/11v, 2 Ob 65/11i).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte