OGH 7Ob119/15y

OGH7Ob119/15y2.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** Versicherung Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei F***** A*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, LL.M., Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen 22.100 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. April 2015, GZ 2 R 30/15t‑42, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. Dezember 2014, GZ 2 Cg 44/13t‑38, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Revision wird hinsichtlich der Forderung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag von 100 EUR samt 4 % Zinsen pro Jahr seit 23. 1. 2013 zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Revision teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, dass das Urteil ‑ unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung von 100 EUR sA ‑ insgesamt lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 11.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 23. 1. 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 11.100 EUR samt 4 % Zinsen seit 23. 1. 2013 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.304 EUR bestimmten anteiligen Barauslagen aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens gegenseitig aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

Der versicherungsrechtlichen Regressklage über 22.100 EUR sA liegt zugrunde, dass die Klägerin als Kfz‑Haftpflicht‑ und Rechtsschutzversicherer des Beklagten wegen eines aus dessen Alleinverschulden am 9. 4. 2010 verursachten Verkehrsunfalls an geschädigte Dritte mehr als 63.000 EUR und 100 EUR an Pauschalkosten im Strafverfahren zahlte.

Am 14. 4. 2010 wurde der Beklagte von Polizisten aufgefordert, sich einem Drogenschnelltest zu unterziehen, was von ihm zu diesem Zeitpunkt abgelehnt wurde.

Zur Unfallszeit hatte der Beklagte mit der Klägerin einen Kfz‑Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeughaft‑Pflichtversicherung (AKHB 2007/1) zugrunde liegen. Darüber hinaus hatte er mit der Klägerin auch einen Kfz‑Rechtsschutzversicherungsvertrag hinsichtlich seines PKW abgeschlossen.

Die AKHB 2007/1 lauten auszugsweise:

Artikel 9

Was ist vor bzw. nach Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten?

(Obliegenheiten)

...

2. Als Obliegenheiten, die zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen sind und deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs. 2 VersVG), werden bestimmt,

2.1. dass der Lenker zum Lenken des Fahrzeuges kraftfahrrechtlich berechtigt ist;

2.2. dass sich der Lenker nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand im Sinne der Straßenverkehrsvorschriften befindet;

Eine Verletzung der Obliegenheit gemäß Pkt. 2.2. liegt nur vor, wenn im Spruch oder in der Begründung einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird, dass das Fahrzeug in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt wurde.

...

3. Als Obliegenheiten, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs. 3 VersVG), werden bestimmt,

...

3.4. nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen;

Artikel 11

Inwieweit ist die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung einer Obliegenheit oder einer Erhöhung der Gefahr beschränkt?

1. Die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Verletzung einer Obliegenheit oder einer Erhöhung der Gefahr beträgt EUR 11.000,--, für jeden Versicherungsfall insgesamt höchstens EUR 22.000,--.

...

Der Beklagte substituierte seit 2009 seine Opiatabhängigkeit als Patient einer bestimmten Bezirkshauptmannschaft durch regelmäßige Einnahme von Substitol. Mit Bescheid dieser Bezirkshauptmannschaft vom 9. 11. 2009 wurde ihm die Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 5 Abs 5 Führerscheingesetz (FSG) bis 27. 10. 2010 mit der Auflage dreimonatiger Kontrolluntersuchungen (Abgabe von Harnproben) erteilt. Darin findet sich im Punkt „Auflage(n)“ auch folgender Ausspruch: „(... wird der Befund nicht vorgelegt, ist die Lenkberechtigung ungültig)“. Da der Beklagte von November 2009 bis April 2010 die vorgesehenen zwei Kontrolluntersuchungen verstreichen ließ, erstellte die Amtsärztin am 16. 4. 2010 wegen Verdachts auf Beikonsum ein negatives Gutachten, das dazu führte, dass ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 19. 4. 2010 die Lenkberechtigung für die Dauer der Nichteignung, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheids, entzogen wurde. Die „kurz darauf“ durchgeführte Harnprobe widerlegte den Verdacht auf Beikonsum. Eine weitere Harnprobe eineinhalb Monate später war „ebenfalls in Ordnung“. Nach einer Ermahnung erstellten die Amtsärzte ein weiteres befristetes positives Gutachten für ein Jahr mit der Auflage dreimonatiger Harnkontrollen. Für die verfahrensgegenständliche Zeit wurde der Verdacht eines Beikonsums durch den Beklagten nie bestätigt.

Ob der Beklagte am Unfalltag das Fahrzeug in einem durch Suchtgiftbeikonsum beeinträchtigten Zustand lenkte, kann aus neurologisch‑psychiatrischer Sicht nicht mit ausreichender Sicherheit abgeleitet und argumentiert werden. Die Einnahme von Substitol in ärztlich verordneter und retardierter Form beeinträchtigt die Verkehrstüchtigkeit und Wahrnehmung nicht. Bei konstanten Spiegeln von Opiaten ist eine Fahrtauglichkeit gegeben. Diese setzt den Einsatz eines lang wirksamen Opiats, zeitlich regelmäßige Einnahmen und eine konstante Dosierung voraus. Eignungsausschließend ist der Beikonsum von psychotropen Substanzen. Bei stabilen, substituierten Drogenabhängigen unter strikter Kontrolle und Ausschluss von Beikonsum und relevanten Erkrankungen kann aus verkehrsmedizinischer Sicht eine Fahrtauglichkeit und Fahreignung bejaht werden.

Der am 14. 4. 2010 um 18:35 Uhr zum Drogenschnelltest aufgeforderte Beklagte wäre bei einer Testung, nachdem er Substitol permanent einnahm, im Hinblick auf Opiate sicher „positiv“ gewesen.

Den Beikonsum von Methadon, Kokain und Amphetaminen (Aufputschmitteln) kann man zwei bis vier Tage lang nachweisen, von Cannabis je nach Intensität des Konsums zwei bis 35 Tage, von Valium und Temesta drei bis sechs Wochen und von Barbituraten drei Tage bis drei Wochen.

Wegen der Verweigerung des Drogenschnelltests wurde gegen den Beklagten kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, auch nicht wegen Fahrens in durch Suchtgift beeinträchtigtem Zustand.

Zur Unfallszeit lenkte der Beklagte das Fahrzeug nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand.

Die Klägerin brachte (soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz) vor, es bestehe gegenüber dem Beklagten aus dem Kfz‑Haftpflichtversicherungsvertrag im Umfang von 22.000 EUR und aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag hinsichtlich 100 EUR Leistungsfreiheit, weil der Beklagte zur Unfallszeit über keine gültige Lenkberechtigung verfügt habe, er drogenabhängig gewesen sei und das Fahrzeug in einem suchtgiftbeeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Zudem habe er am 14. 4. 2010 durch Ablehnung eines Drogenschnelltests an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt.

Der Beklagte entgegnete, er habe am Unfalltag (9. 4. 2010) über eine gültige Lenkberechtigung verfügt. Im unfallrelevanten Zeitraum habe er kein Suchtgift konsumiert und das Fahrzeug nicht in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt. Ein Beikonsum zu dem im Rahmen des Drogenersatzprogramms verordneten Medikament Substitol habe nicht stattgefunden. Weder in einer gerichtlichen noch in einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung sei festgestellt worden, dass er das Fahrzeug am Unfalltag oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Er habe sich im Zusammenhang mit dem Unfall nicht geweigert, einen Alkohol‑ oder Drogentest zu absolvieren. Der unmittelbar nach dem Unfall durchgeführte Test sei negativ verlaufen. Die Verweigerung des Drogenschnelltests stehe nicht im Zusammenhang mit dem Unfall, sondern sei erst am 14. 4. 2010 erfolgt. Ein allfälliger Drogenkonsum zum Unfallszeitpunkt, der ohnedies nicht stattgefunden habe, wäre an diesem Tag nicht mehr nachweisbar gewesen. Darüber hinaus habe er ein paar Tage nach dem 14. 4. 2010 bei der Bezirkshauptmannschaft ohnedies eine Harnprobe abgegeben, welche bestätigt habe, dass kein Drogenkonsum vorgelegen habe. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Drogenschnelltest am 14. 4. 2010 habe nicht bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei zur Unfallszeit (am 9. 4. 2010) zum Lenken des Fahrzeugs kraftfahrrechtlich berechtigt gewesen, weil ihm die Lenkberechtigung erst mit Bescheid vom 19. 4. 2010 (vorübergehend) entzogen worden sei. Er habe das Fahrzeug auch nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der verweigerte Drogenschnelltest wäre nicht aufschlussreich gewesen. Dieser sei bereits außerhalb eines entsprechenden zeitlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis gestanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Rechtlich führte es aus, eine Verletzung der sogenannten Alkoholklausel scheitere schon deshalb, weil weder eine verwaltungsbehördliche noch eine gerichtliche Entscheidung vorliege, wonach der Beklagte als Lenker im Zusammenhang mit dem Schadensereignis schuldig erkannt und dies in dieser Entscheidung festgestellt worden sei. Der Führerschein des Beklagten sei zum Unfallszeitpunkt nicht ungültig gewesen. Zu beachten sei nicht nur der „Befristungsbescheid“, sondern auch der „Führerscheinentzugsbescheid“ vom 19. 4. 2010. Dieser Bescheid beruhe auf den Bestimmungen des Führerscheingesetzes, zu denen herrschende Auffassung sei, dass die Missachtung von Auflagen oder Verstöße gegen Auflagen an der Gültigkeit der Lenkberechtigung nichts änderten, aber im Sinn des § 7 Abs 3 Z 13 FSG die Entziehung der Lenkberechtigung ermöglichten. Der Beklagte sei bis zum Entzug seiner Lenkberechtigung durch den Bescheid vom 19. 4. 2010 zum Lenken eines Fahrzeugs der Klasse B berechtigt gewesen. Er habe durch die Verweigerung des Drogenschnelltests am 14. 4. 2010 seine Obliegenheit, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen (Aufklärungspflicht), wenn schon nicht „schlicht“ vorsätzlich, so zumindest grob fahrlässig verletzt. Ihm sei aber der Kausalitätsgegenbeweis gelungen, dass ein Schnelltest an diesem Tag auf den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers keinen Einfluss gehabt hätte. Die Klägerin verstoße gegen das Neuerungsverbot nach § 482 ZPO, wenn sie sich nunmehr auf „dolus coloratus“ berufe, habe sie doch im erstinstanzlichen Verfahren lediglich eine schlicht vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Beklagten behauptet. Der Erklärung des Beklagten zur Verweigerung des Schnelltests, dass kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Unfall mehr bestanden habe, weshalb ein allfälliger Drogenkonsum zum Unfallszeitpunkt nicht mehr nachweisbar gewesen wäre, und er den Test auch deshalb verweigert habe, weil er ohnedies einige Tage später eine Harnprobe bei der Bezirkshauptmannschaft abgeben habe müssen, weshalb er den Schnelltest als überflüssig erachtet habe, habe die Klägerin kein substantiiertes Vorbringen in Richtung einer vom Beklagten beabsichtigten Manipulation entgegengehalten. Erstinstanzliches Vorbringen (der Klägerin) zu diesem speziellen Vorsatz des Versicherungsnehmers fehle damit.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass es bei seiner Entscheidung, dem Beklagten sei der Kausalitätsgegenbeweis gelungen, eine unvertretbare Auffassung eingenommen habe.

Die vom Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist hinsichtlich eines Teilbetrags von 100 EUR sA jedenfalls unzulässig; hinsichtlich des weiteren Zahlungsbegehrens von 22.000 EUR sA ist sie zulässig und teilweise auch berechtigt.

I. Zur Forderung über 100 EUR sA aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag:

Das Klagebegehren setzt sich aus zwei Forderungen (100 EUR hinsichtlich der Rechtsschutz-versicherung und 22.000 EUR hinsichtlich der Kfz‑Haftpflichtversicherung) zusammen; die erstgenannte Regressforderung übersteigt die in § 502 Abs 2 ZPO normierte Wertgrenze von 5.000 EUR nicht. Nach den Klagsbehauptungen schloss die Klägerin mit Wirkung 4. 3. 2010 mit dem Beklagten den Kfz‑Haftpflicht-versicherungsvertrag ab und darüber hinaus (zeitlich nicht zugeordnet) einen Kfz‑Rechtsschutzversicherungsvertrag. Die Regressforderung aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag resultiert daraus, dass sie Pauschalkosten von 100 EUR im Zuge des gerichtlichen Strafverfahrens, das gegen den Beklagten wegen des Verkehrsunfalls geführt wurde, zahlte.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN sind mehrere von einer einzelnen Person gegen eine einzelne Person in einer Klage erhobene Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Im rechtlichen Zusammenhang stehen Ansprüche dann, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer Gesetzesvorschrift abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0037648 [T2]). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Dies ist dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0037648 [T4]; RS0042766; RS0046458).

Werden Forderungen aus mehreren nicht zusammenhängenden Versicherungsverträgen geltend gemacht, etwa Versicherungsprämien, so stehen diese nicht in einem solchen Zusammenhang und sind daher nicht zusammenzurechnen. Vielmehr sind die Forderungen aus den verschiedenen Versicherungsverträgen hinsichtlich der Zulässigkeit der Revision getrennt zu beurteilen (vgl 3 Ob 461/60 = JBl 1961, 429; 7 Ob 16/89; 7 Ob 245/00f; Gitschthaler in Fasching/Konecny³ § 55 JN Rz 21/1; ein Sachverhalt wie im Fall der Entscheidung 7 Ob 24/09v liegt nicht vor [Haftpflicht‑ und Kaskoversicherung mit einer Polizze]). Da eine Zusammenrechnung der Regressforderungen nach § 55 Abs 1 Z 1 JN nicht stattfindet, hat das Berufungsgericht über mehrere Entscheidungs-gegenstände entschieden, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, sodass die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen ist (§ 55 Abs 4 JN). Die Revision ist somit im Umfang von 100 EUR sA (Regress aus der Rechtsschutzversicherung) gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

II.

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Strittig ist im Revisionsverfahren die Beurteilung von zwei Obliegenheiten, nämlich ob der Beklagte im Unfallszeitpunkt zum Lenken des Kraftfahrzeugs kraftfahrrechtlich berechtigt war (Art 9.2.1. AKHB 2007/1) und ob er gegen die in Art 9.3.4. AKHB 2007/1 vereinbarte Aufklärungsobliegenheit verstieß.

Art 11.1. AKHB 2007/1 beschränkt die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung einer Obliegenheit auf 11.000 EUR und für jeden Versicherungsfall insgesamt auf höchstens 22.000 EUR. Die Bestimmung hält sich damit im Rahmen des § 7 Abs 1 KHVG, wonach die Leistungsfreiheit wegen Verletzung einer Obliegenheit oder einer Erhöhung der Gefahr höchstens je 11.000 EUR, für jeden Versicherungsfall insgesamt höchstens 22.000 EUR beträgt. Nach Art 11.1. AKHB 2007/1 bewirkt die Verletzung einer Obliegenheit die Leistungsfreiheit der Klägerin bis 11.000 EUR, während die Verletzung zweier oder mehrerer Obliegenheiten die Grenze der Leistungsfreiheit auf maximal 22.000 EUR erhöht (vgl 7 Ob 231/05d mwN; Fucik/Hartl/Schlosser, Verkehrsunfall III² [2010] Rz 88).

3. § 5 Abs 1 Z 4 KHVG sieht als vor Eintritt des Versicherungsfalls zu beachtende Obliegenheit vor, dass der Lenker zum Lenken des Kraftfahrzeugs kraftfahrrechtlich berechtigt ist (sogenannte Führerscheinklausel). Dem entspricht die in Art 9.2.1. AKHB 2007/1 normierte Obliegenheit, auf deren Verletzung die dafür behauptungs- und beweispflichtige Klägerin (7 Ob 244/06t; vgl RIS‑Justiz RS0081313) ihre Regressforderung im Teilbetrag von 11.000 EUR sA stützt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 9. 11. 2009 wurde dem Beklagten die Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 5 Abs 5 FSG bis 27. 10. 2010 unter der Auflage dreimonatiger Kontrolluntersuchungen (Abgabe von Harnproben) erteilt. Zugleich enthält der Bescheid im Punkt „Auflage(n)“ ‑ in Klammer gesetzt ‑ folgenden Ausspruch: „(... wird der Befund nicht vorgelegt, ist die Lenkberechtigung ungültig)“. Wie sich schon aus dem Begriff „Auflage“ ergibt, handelt es sich dabei nicht um eine auflösende Bedingung, sodass die vom Beklagten unterlassenen zwei Kontrolluntersuchungen im Zeitraum November 2009 bis April 2010 nicht dazu führten, dass er am 9. 4. 2010 keine gültige Lenkberechtigung hatte. Seit dem Entfall des Worts „Bedingungen“ in § 5 Abs 5 FSG durch die mit 1. 10. 2002 in Kraft getretene 5. Führerschein-gesetz‑Novelle, BGBl I 2002/81, sind von der Behörde ausschließlich Auflagen vorzuschreiben, mit der Konsequenz, dass eine Missachtung der Auflage die Gültigkeit der Lenkberechtigung nicht berührt, aber zu einem Entzug der Lenkberechtigung führen kann (ErläutRV 1033 BlgNR XXI. GP 24; ebenso Grundtner/Pürstl, FSG5 [2013] § 5 Anm 6; Zelenka, FSG16 [2013], 56; Frank/Wessely, Führerscheingesetz3 [2014] § 5 II.2., § 7 II.3. Z 12 und 13).

Die Nichteinhaltung der Auflage änderte damit nichts an der Gültigkeit der Lenkberechtigung. Dass der Beklagte bis zum Entzug seiner Lenkberechtigung durch den Bescheid vom 19. 4. 2010 zum Lenken eines Fahrzeugs der Klasse B berechtigt war, ergibt sich auch aus diesem Rechtsgestaltungsbescheid. Mit diesem Bescheid wurde ihm unter anderem gestützt auf § 24 Abs 1 Z 1 FSG die Lenkberechtigung ab Zustellung des Bescheids entzogen. Wurde ihm aber erst nach dem Unfallszeitpunkt mangels Einhaltung der erteilten Auflagen die Lenkberechtigung für die Zukunft entzogen, verfügte er noch am 9. 4. 2010 über die kraftfahrrechtliche Berechtigung zum Lenken des Fahrzeugs.

Da der Beklagte nicht gegen die Führerscheinklausel (Art 9.2.1. AKHB 2007/1; § 5 Abs 1 Z 4 KHVG) verstieß, haben die Vorinstanzen zutreffend diesen Teil der Regressforderung von 11.000 EUR sA (vgl Art 11.1. AKHB 2007/1; § 7 Abs 1 KHVG) abgewiesen. Insofern sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.

4.1. Die den Beklagten gemäß Art 9.3.4. AKHB 2007/1 (nach Eintritt des Versicherungsfalls) treffende Aufklärungsobliegenheit soll nicht nur die nötigen Feststellungen über den Unfallsablauf, die Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des entstandenen Schadens ermöglichen, sondern auch die Klarstellung all jener Umstände gewährleisten, die für allfällige Regressansprüche des Versicherers von Bedeutung sein können. Darunter fällt auch die objektive Prüfung der körperlichen Beschaffenheit des an einem Unfall beteiligten Versicherungsnehmers hinsichtlich einer allfälligen Alkoholisierung oder Beeinträchtigung durch Suchtgift (RIS‑Justiz RS0081010; RS0081054; vgl RS0080972). Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn dadurch im konkreten Fall etwas versäumt wurde, das der Aufklärung des Schadensereignisses im Sinne dieser Ausführungen dienlich gewesen wäre, so wenn ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung durch objektives Unbenützbarwerden oder objektive Beseitigung eines Beweismittels infolge der Verletzung im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (RIS‑Justiz RS0043520 [T13]; 7 Ob 231/05d mwN [Art 9.3.4. AKHB 1997]).

4.2. Ein Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind, mit anderen Worten eine Obliegenheitsverletzung mit dem Vorsatz begeht, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), verwirkt seinen Anspruch (RIS‑Justiz RS0081253 [T1, T3, T10]; RS0109766). § 6 Abs 3 VersVG begnügt sich für den Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises nicht mit dem schlichten Vorsatz in dem Sinn, dass der Versicherungsnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt und die Obliegenheitsverletzung bewusst und gewollt begeht, sondern vielmehr muss hinzukommen, dass der Vorsatz sich auf die Verschlechterung der Beweislage zum Nachteil des Versicherers erstreckt (RIS‑Justiz RS0109766 [T1]; 7 Ob 231/05d mwN). Für die Annahme eines „dolus coloratus“ würde schon genügen, wenn die Obliegenheitsverletzung in der Absicht erfolgte, die Versicherungsleistung schneller und problemloser zu erhalten oder den Versicherer in die Irre zu führen (RIS‑Justiz RS0081253 [T4, T6]; RS0109766 [T3]; 7 Ob 97/09d mwN).

Die Frage, ob der Versicherungsnehmer mit „dolus coloratus“ gehandelt hat, ist eine Tatfrage. Feststellungen zu den Handlungsmotiven des (opiatabhängigen) Beklagten fehlen. Fest steht nur, dass er fünf Tage nach dem Unfall ‑ am 14. 4. 2010 ‑ von Polizisten aufgefordert wurde, sich einem Drogenschnelltest zu unterziehen, was er ablehnte. Damit ist das Vorliegen des objektiven Tatbestands der Obliegenheitsverletzung nach Art 9.3.4. AKHB 2007/1 von der dafür beweispflichtigen Klägerin erwiesen, hätte doch zu diesem Zeitpunkt der ‑ die Fahrtauglichkeit ausschließende ‑ Beikonsum von Cannabis, Valium, Temesta und Barbituraten am Unfallstag grundsätzlich nachgewiesen werden können.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts trifft nicht den klagenden Versicherer die Behauptungs‑ und Beweislast für das Vorliegen des „dolus coloratus“, sondern der beklagte Versicherungsnehmer hat allein zu behaupten und zu beweisen, dass die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung nicht in der Absicht erfolgte, den Versicherer zu täuschen (RIS‑Justiz RS0081253 [T9]; RS0116979 [T1, T2]; 7 Ob 72/03v; 7 Ob 97/09d, jeweils mwN). Mangels Feststellungen zu den Motiven des Beklagten, den Drogentest zu verweigern, war es dem Berufungsgericht auch verwehrt, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung das Vorliegen des „dolus coloratus“ ohne jegliches Tatsachensubstrat zu verneinen und von einer „schlicht“ vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit nach Art 9.3.4. AKHB 2007/1 auszugehen. Da den Beklagten der Entlastungsbeweis am mangelnden Täuschungsvorsatz trifft, war die Klägerin nicht gehalten, substantiiertes Vorbringen in Richtung einer vom Beklagten beabsichtigten Manipulation zu erstatten. Es reichte vielmehr aus, dass sie die Behauptungen des Beklagten, warum er den Drogentest verweigerte, bestreitet, was sie auch tat. Von einem schlüssigen Zugeständnis der Klägerin im Sinn des § 267 Abs 1 ZPO kann hier bei einer ausdrücklichen Bestreitung keine Rede sein. Zur Beurteilung, ob dem Beklagten dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, wären ausdrückliche Feststellungen über den Willen des Beklagten zu seinem Verhalten erforderlich gewesen. Eine diesbezügliche Ergänzung des Verfahrens erübrigt sich aber, weil der Beklagte den Kausalitätsgegenbeweis nicht erbrachte.

4.3. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (§ 6 Abs 3 VersVG; RIS‑Justiz RS0116979 [T6]). Dass ‑ bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Begehung der Obliegenheitsverletzung, wovon jedenfalls bei der Verweigerung des Drogenschnelltests am 14. 10. 2010 durch den Beklagten auszugehen ist ‑ diese nicht den genannten Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0043728; RS0081313). Der Versicherungsnehmer hat den Beweis der fehlenden Kausalität seiner Obliegenheitsverletzung „strikt“ zu führen. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist nicht etwa nur die Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs darzutun (RIS‑Justiz RS0079993; RS0081313 [T18, T26]). Ein wirksamer Gegenbeweis setzt voraus, dass ihm eine Beweislage zugrunde liegt, die jener gleichwertig ist, die der Versicherte durch seine Obliegenheitsverletzung zerstört oder eingeschränkt hat. Es geht nicht an, eine für den Versicherer erkennbar relevante Beweissituation zunächst untergehen zu lassen und später, nachdem dem Versicherer keine Möglichkeit einer Widerlegung mehr offen steht, durch nicht mehr objektivierbare Aussagen oder sonstige Beweismittel zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0081225 [T4]).

Das Erstgericht gelangte zur Feststellung, dass der Beklagte das Fahrzeug im Unfallszeitpunkt nicht in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand lenkte, durch Beweiswürdigung nur unvollständiger, nicht gleichwertiger Beweismittel. Es konnte das Ergebnis des (objektiven) Drogenschnelltests nicht berücksichtigen. Dieser hätte aber nach den Feststellungen Aufschluss geben können, ob der Beklagte am Unfalltag in einem durch bestimmten Suchtgiftbeikonsum beeinträchtigten Zustand war. Nach den festgestellten Abbauzeiten der als Beikonsum genannten Drogen kann nunmehr nach Verweigerung des Drogenschnelltests objektiv nicht mehr ausgeschlossen werden, dass dem Beklagten nicht noch am 14. 4. 2010 die Einnahme von Cannabis, Valium, Temesta oder Barbituraten hätte nachgewiesen werden können. Damit wurde der Kausalitätsgegenbeweis nicht erbracht, konnte doch der Beklagte nicht auf gleichwertiger Beweisgrundlage nachweisen, dass er beim Unfall nicht durch den Beikonsum von Suchtgift beeinträchtigt war.

4.4. Die Leistungsfreiheit der Klägerin ist daher infolge Verletzung der Obliegenheit des Art 9.3.4. AKHB 2007/1 zu bejahen. Die Revision ist damit hinsichtlich der Regressforderung von 11.000 EUR sA berechtigt und in diesem Umfang dem Klagebegehren stattzugeben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Da die Streitteile annähernd zu gleichen Teilen erfolgreich bzw unterlegen sind, sind ihre Vertretungskosten gegenseitig aufzuheben. Der Klägerin stehen die Hälfte der von ihr allein getragenen Gebühren des Sachverständigen von insgesamt 1.485 EUR und die Hälfte der Pauschalgebühren aller drei Instanzen zu.

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