OGH 7Ob244/06t

OGH7Ob244/06t29.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Helfried Kriegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Helmuth S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen EUR 22.000,-- sA, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2006, GZ 13 R 247/05x-12, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Juni 2005, GZ 2 Cg 23/05z-8, infolge Berufung der Klägerin aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

In der Sache wird dahin zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 4.031,58 (darin enthalten EUR 671,93 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Klägerin ist zum Ersatz der in § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO genannten Beträge, von deren Bestreitung der Beklagte einstweilen befreit war, verpflichtet (§ 70 ZPO).

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verschuldete am 9. 3. 2002 als Lenker eines PKW seines Sohnes auf der Bundesstraße 303 im Gemeindegebiet von B***** einen Verkehrsunfall. Da ein am PKW befestigter Anhänger überladen war (sein Gesamtgewicht betrug 2.190 kg und überstieg sein typisiertes zulässiges Gesamtgewicht von 1.200 kg damit um 82, 5 %), geriet der PKW ins Schleudern und auf die linke Fahrbahnseite, wo er mit zwei entgegenkommenden Fahrzeugen kollidierte. Dabei wurden mehrere Personen verletzt. Der Beklagte wurde deshalb wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, wobei im Strafurteil die Unfallskausalität der „Über- und Falschbeladung" des Anhängers festgestellt wurde. Sowohl der PKW (dessen Eigengewicht 1.495 kg und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 2.220 kg betrug), als auch der Anhänger (dessen Eigengewicht 690 kg betrug) waren zu keiner besonderen Verwendung bestimmt. Der Beklagte hatte zum Unfallszeitpunkt die Führerscheinberechtigung für die Klassen A bis D und F, nicht aber für die Klasse E.

Der von ihm gelenkte PKW war im Unfallszeitpunkt bei der Klägerin haftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag lagen die „Unternehmensbedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der S***** Aktiengesellschaft" zugrunde, deren (dem Art 9 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [AKHB 1995] wortwörtlich entsprechender) Art 9 (Obliegenheiten) unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

1. Als Obliegenheiten, deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 1 und Abs 1 a VersVG), werden bestimmt,

1.1. Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeuges einzuhalten;

...

2. Als Obliegenheiten, die zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen sind und deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 2 VersVG), werden bestimmt,

2.1. dass der Lenker zum Lenken des Fahrzeuges kraftfahrrechtlich berechtigt ist;

...

Die Klägerin, die den beim Unfall am 9. 3. 2002 Verletzten aus der Haftpflichtversicherung unstrittig insgesamt mindestens EUR 22.000,-- geleistet hat, begehrt vom Beklagten im Regressweg (§ 11 Abs 3 KHVG) diesen Betrag ersetzt. Sie sei in diesem Umfang leistungsfrei, weil der Beklagte infolge der Überladung des Anhängers Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeuges nicht eingehalten (Verletzung der Verwendungsklausel, Art 9.1.1. AKHB) und keine für das Ziehen eines schweren Anhängers erforderliche gültige Lenkerberechtigung der Führerscheinklasse E besessen habe (Verletzung der Führerscheinklausel, Art 9.2.1. AKHB). Im Hinblick auf die Überladung des Anhängers mit ca einer Tonne, die dem Beklagten jedenfalls auffallen hätte müssen, werde das Klagebegehren „vorsichtshalber" zusätzlich auf eine Gefahrerhöhung gemäß § 23 VersVG gestützt. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Mangels einer Vereinbarung der Klägerin mit dem Versicherungsnehmer (seinem Sohn) über die Verwendung des Fahrzeuges könne sich die Klägerin auf die Verwendungsklausel nicht berufen. Eine Berufung auf die Führerscheinklausel versage, weil der Beklagte sowohl zum Lenken des PKW als auch zum Ziehen des Anhängers berechtigt gewesen sei. Daran ändere die Überladung des Anhängers nichts. Auf dem Anhänger sei eine Plakette mit der Aufschrift „2.000 kg" angebracht gewesen. Eine Gefahrerhöhung scheitere daran, dass hiefür eine gewisse Dauer erforderlich sei, die bei einer einmaligen Fahrt aber nicht vorliege. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auf Grund der Bindung an das strafrechtliche Erkenntnis stehe fest, dass der Unfall sowohl auf einen Fahrfehler des Beklagten als auch auf die Überladung des Anhängers zurückzuführen sei. Eine Haftung des Beklagten nach Art 9.1.1. AKHB sei zu verneinen, weil diese Bestimmung einen Verstoß gegen eine (etwa in den Versicherungsbedingungen normierte oder von den Parteien speziell getroffene) Vereinbarung über die Verwendung des Fahrzeuges/Anhängers voraussetzte. Eine solche Vereinbarung habe die Klägerin nicht einmal behauptet. Es liege auch keine Obliegenheitsverletzung nach Art 9.2.1. AKHB vor. Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 lit b Führerscheingesetz (FSG) sei das Ziehen eines Anhängers, dessen höchste zulässige Gesamtmasse die Eigenmasse des Zugfahrzeuges nicht übersteige, sofern die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen beider Fahrzeuge höchstens 3.500 kg betrage, unter Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Bestimmungen für Lenkerberechtigungen der Klasse B gestattet. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung komme es nicht auf das tatsächliche, sondern das höchstzulässige Gesamtgewicht an. Dieses betrage für den Anhänger 1.200 kg und für das Zugfahrzeug

2.220 kg, was zusammen 3.420 kg ergebe. Da das Eigengewicht des Zugfahrzeuges von 1.495 kg das höchstzulässige Gesamtgewicht des Anhängers von 1.200 kg übersteige und beide höchstzulässigen Gesamtgewichte unter 3.500 kg lägen, liege kein Verstoß gegen das FSG vor. Ob eine Überladung eines Anhängers einen Verstoß nach § 23 VersVG darstelle, könne dahingestellt bleiben, weil ein derartiger Verstoß weder unter Art 9.1.1. AKHB noch unter Art 9.2.1. AKHB zu subsumieren sei. Darüber hinaus sei das einmalige Überladen eines Anhängers keine Gefahrerhöhung im Sinn des § 23 VersVG. Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Da eine spezielle Vereinbarung über die Verwendung des Fahrzeuges weder behauptet worden noch hervorgekommen sei, scheide eine Verletzung der Obliegenheit des Art 9.1.1. AKHB aus. Auch die Ausführungen des Erstgerichtes zur Führerscheinklausel seien zutreffend. Die Beklagte sei trotz der unzulässigen Überladung des Anhängers aus dem Blickwinkel der Führerscheinklausel berechtigt gewesen, das Fahrzeug samt Anhänger zu lenken.

Mit Recht wende sich die Klägerin aber gegen die Ansicht des Erstgerichtes, eine Gefahrerhöhung gemäß § 23 VersVG komme keinesfalls in Betracht. Die Vorschriften über die Gefahrerhöhung würden auch in der Haftpflichtversicherung gelten und seien neben § 152 VersVG anwendbar. Unter einer Gefahrenerhöhung im Sinne des § 23 VersVG sei eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände zu verstehen, die den Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher mache und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen könne, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämien fortzusetzen. Allgemein übliche, das Durchschnittsrisiko kennzeichnende Gefahrenerhöhungen und solche, deren Unterstellung unter §§ 23 ff VersVG den Versicherungsschutz der Mehrzahl der Versicherungsnehmer erheblich entwerten würde, seien mitversichert. Ob die Gefahrerhöhung einen gewissen Dauerzustand voraussetze, sei strittig. Nach herrschender Meinung würden als Gefahrerhöhung nur solche Gefährdungsvorgänge angesehen, die nicht die Gefahr als solche alsbald verwirklichten, sondern ihrer Natur nach geeignet seien, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufes bilden könne und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell zu fördern geeignet sei. Eine einmalige, unter gefahrdrohenden Umständen vorgenommene Fahrt - insbesondere die Fortsetzung der Unfallsfahrt oder die Fahrt in die Reparaturwerkstätte - stelle daher in der Regel noch keine Gefahrerhöhung dar. In der Mehrzahl der Entscheidungen werde betont, dass im Regelfall eine einmalige Gefahrerhöhung, beispielsweise durch einmaliges Überladen eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers nicht für eine Gefahrerhöhung ausreiche. Nach oberstgerichtlichen Entscheidungen komme es nicht darauf an, dass die neue Gefahrenlage tatsächlich schon längere Zeit bestanden habe, sondern nur darauf, dass sie ex ante darauf ausgelegt gewesen sei. Als eine auf Dauer gerichtete Absicht der Gefahrhöhung habe das Höchstgericht angesehen, dass das Zugfahrzeug eines Anhängers mit schweren Platten ausgestattet und die Reifen mit Wasser aufgefüllt worden seien, um das Eigengewicht zu erhöhen, um damit unzulässig hohe Lasten ziehen zu können.

Im vorliegenden Fall seien weder Behauptungen über die beabsichtigte Dauer des Transportes mit dem schwer überladenen Anhänger aufgestellt worden, noch lägen dazu Beweisergebnisse, geschweige denn Feststellungen vor. Allerdings sei die Überladung des Anhängers exorbitant. Anstatt zulässiger 510 kg seien 1.500 kg aufgeladen und damit sogar das Gewicht des Zugfahrzeuges beträchtlich überschritten worden. In einem derart krassen Fall sei auch eine einmalige Fahrt als Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VersVG zu qualifizieren. In einem solchen Fall treffe das Argument nicht zu, dass bei Bejahung einer Gefahrerhöhung der Versicherungsschutz der Mehrzahl der Versicherungsnehmer eingeschränkt würde. Denn kein halbwegs vernünftiger Versicherungsnehmer komme auf die Idee, einen Anhänger derart exorbitant zu überladen und dann die relativ weite Fahrt von H***** nach W***** anzutreten. Dieses Verhalten nähere sich dem bedingten Vorsatz, weil der Eintritt des Versicherungsfalles mehr als naheliegend gewesen sei.

Das Erstgericht habe aber keine Feststellungen zur Erkennbarkeit der Gefahr getroffen. Auch wenn die Überladung des Anhängers (vermutlich) leicht erkennbar gewesen sein müsste, stehe das nicht fest. Es sei weder festgestellt worden, ob der Beklagte bei der Beladung des Anhängers mitgewirkt und damit laienhaft gewusst habe, welches ungefähre Gewicht aufgeladen worden sei, noch seien Feststellungen zum Fahr- und Bremsverhalten getroffen worden. Eine Erhöhung der Gefahr im Sinne des § 23 VersVG könne gegenüber dem Lenker nur dann geltend gemacht werden, wenn er davon gewusst habe. Dem positiven Wissen stehe sein verschuldetes Nichtwissen gleich, das jedoch so schwer ins Gewicht fallen müsse, dass es der positiven Kenntnis gleichkomme. In diesem Zusammenhang sei auch dem Einwand des Beklagten, auf dem Anhänger habe sich ein Schild mit der Aufschrift „2.000 kg" befunden, Beachtung zu schenken. Erst wenn die Umstände des Beladens und der Fahrt geklärt seien, lasse sich beurteilen, ob eine die Leistungsfreiheit bewirkende Gefahrerhöhung eingetreten sei. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren Beweise über die Vorgänge bei der Beladung und dem Antritt der Fahrt bis zum Unfall und über die Absicht, weitere Transporte durchzuführen, aufzunehmen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil es von der Rechtsprechung des Höchstgerichtes abgewichen sei.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes erhoben beide Parteien Rekurs; beide machen als Rekursgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Während die Klägerin beantragt, den Aufhebungsbeschluss dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde, strebt der Beklagte die Abänderung in eine klagsabweisliche Entscheidung an. Beide Streitteile haben auch Rekursbeantwortungen erstattet und jeweils beantragt, das Rechtsmittel des Prozessgegners entweder mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zulässig. Sie sind auch berechtigt, weil bereits eine abschließende Sachentscheidung möglich ist. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz kann der Oberste Gerichtshof im Umfang der Aufhebung durch das Berufungsgericht selbst in der Sache erkennen. Im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO (§ 496 ZPO) gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (RIS-Justiz RS0043853; RS0043903; RS0043939). Der Umstand, dass die Klägerin die gänzliche Stattgebung ihres Begehrens, der Beklagte hingegen dessen gänzliche Abweisung (und daher die Wiederherstellung des Ersturteils) anstrebt, hindert daher eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache nicht.

Vorauszuschicken ist, dass der als Lenker nach § 2 Abs 2 KHVG mitversicherte Beklagte gemäß § 11 Abs 3 KHVG - sieht man vom Fall einer Gefahrerhöhung ab (dazu gleich) - nur dann im Rahmen des § 7 KHVG regresspflichtig sein kann, wenn er durch Verletzung einer der in § 5 Abs 1 KHVG erschöpfend aufgezählten Obliegenheiten die Leistungsfreiheit der klagenden Versicherung herbeigeführt hätte (7 Ob 119/00a, VersE 1889; 7 Ob 113/04z). Neben anderen, hier nicht in Betracht zu ziehenden Verhaltensweisen führt § 5 Abs 1 leg cit als vor Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtende Obliegenheiten an, „Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeuges einzuhalten" (Z 1, sog Verwendungsklausel) und „dass der Lenker zum Lenken des Fahrzeuges kraftfahrrechtlich berechtigt ist" (Z 4, sog Führerscheinklausel). Dem entsprechen die in Art 9.1.1. und Art 9.2.1. AKHB 1995 normierten Obliegenheiten, auf deren Verletzung die dafür behauptungs- und beweispflichtige Klägerin (vgl RIS-Justiz RS0081313) ihre Regressforderung in der Klage vor allem gestützt hat. Da ein Verstoß gegen die Verwendungsklausel nun im Rekurs der Klägerin nicht mehr releviert wird, genügt es, auf die betreffenden zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen. An einem Verstoß gegen die Führerscheinklausel hält die Klägerin hingegen im Rekurs weiterhin fest. Sie widerspricht der Ansicht der Vorinstanzen, wonach die kraftfahrrechtliche Lenkerberechtigung im Sinne des § 5 Abs 1 Z 4 KHVG (Art 9.2.1. AKHB 1995) auf das höchstzulässige Gesamtgewicht des versicherten Kraftfahrzeuges abstelle und meint, es komme auf das tatsächliche Gesamtgewicht des Fahrzeuges im Zeitpunkt des Versicherungsfalles an.

Dem kann nicht beigepflichtet werden: Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 FSG ist das Ziehen eines Anhängers unter Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Bestimmungen (das sind die §§ 104 KFG sowie 61 und 62 KDV - Grundtner/Pürstl, FSG3 § 2 Anm 39) abhängig vom Zugfahrzeug in folgendem Umfang gestattet: „... 2.) Klasse B: a) ein leichter Anhänger; b) ein Anhänger, dessen höchste zulässige Gesamtmasse die Eigenmasse des Zugfahrzeuges nicht übersteigt, sofern die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen beider Fahrzeuge höchstens 3.500 kg beträgt; ...". Was ein „leichter Anhänger" ist, wird in § 2 Abs 1 Z 2

KFG definiert: als leichter Anhänger gilt ein Anhänger „mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 750 kg". Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung („zulässigen") kann daher nicht bezweifelt werden, dass für die Erteilung der Lenkberechtigung für die einzelnen Klassen und Unterklassen von Kraftfahrzeugen gemäß § 2 KFG die höchstzulässigen Gesamtgewichte von Zugfahrzeugen und Anhänger maßgebend sind, auf die auch § 5 KHVG abstellt. Die gegenteilige Ansicht der Rekurswerberin würde zu dem völlig unvertretbaren Ergebnis führen, dass etwa ein Lenker, der während einer Fahrt mehrmals Beladungen über das zulässige Höchstgewicht hinaus vornimmt und durch Entladungen streckenweise wiederum eine Überbeladung vermeidet, damit abschnittsweise über eine Lenkerberechtigung im Sinne des FSG verfügte und abschnittsweise wieder nicht.

Demnach erweist sich die Ansicht der Rekurswerberin, der Beklagte hätte wegen der Überbeladung des Anhängers einer Lenkerberechtigung der Klasse E bedurft, als unrichtig. Nach den festgestellten Umständen waren die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Z 2 lit b FSG erfüllt. Es war daher eine Lenkberechtigung der Klasse B ausreichend. Da der Beklagte über eine solche Lenkberechtigung verfügte, ist der von der Klägerin erhobene Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung nach Art 9.2.1. AKHB 1995 (Verstoß gegen die Führerscheinklausel) unberechtigt.

Liegt aber demnach keine die Klägerin zum Regress berechtigende Obliegenheitsverletzung der Beklagten vor, bleibt als möglicher Haftungsgrund noch zu prüfen, ob dem Beklagten eine Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff VersVG zur Last zu legen ist. Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer Gefahrerhöhung kommt entgegen der Meinung des Erstgerichtes auch im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Betracht (vgl Harrer in BK § 23 VVG Rn 18 mwN). Nicht anwendbar ist in diesem Bereich § 61 VersVG; für diesen gilt die Spezialnorm des § 152 VersVG (RIS-Justiz RS0080493), die, abweichend von anderen Versicherungszweigen, in der Haftpflichtversicherung den Versicherungsschutz nur dann versagt, wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, vorsätzlich herbeigeführt hat. Nach herrschender Meinung werden aber durch § 152 VersVG die Bestimmungen der §§ 23 ff VersVG über die Gefahrerhöhung und eine Leistungsfreiheit des Versicherers aus diesem Grunde nicht berührt und sind neben § 152 VersVG anwendbar (SZ 43/54; SZ 52/97; VersR 1984, 974; 7 Ob 46/85; VersE 1259 = VersR 1986, 1200 ua; RIS-Justiz RS0080331; Baumann in BK § 152 Rn 9 mwN).

Eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei Abschluss des Versicherungsvertrages tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und dem Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte

Prämie fortzusetzen (SZ 50/136 = JBl 1978, 600 = VersR 1978, 879; SZ

51/137 = JBl 1979, 661; RdW 1985, 373; RIS-Justiz RS0080237). Es muss

eine objektiv erhebliche Änderung der Umstände eintreten (SZ 50/136). Allgemein übliche, das Durchschnittsrisiko kennzeichnende Gefahrerhöhungen und solche, deren Unterstellung unter die §§ 23 ff VersVG den Versicherungsschutz der Mehrzahl der Versicherungsnehmer

erheblich entwerten würde, sind mitversichert (SZ 63/38 = VersE 1465

= VersR 1990, 1415). Nur eine vom Versicherungsnehmer willkürlich

herbeigeführte Gefahrerhöhung - wobei dem Wissen des Versicherungsnehmers um die Gefahrerhöhung dessen verschuldetes Nichtwissen gleichsteht, wenn dieses so schwer ins Gewicht fällt, dass es wegen der Sinnfälligkeit der Gefahr, das ist dem Wissenmüssen, einer positiven Kenntnis gleichkommt - hat die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 25 Abs 1 VersVG zur Folge (ZVR 1976/82; SZ 52/97; SZ 63/38; RIS-Justiz RS0080030). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung trifft ganz unstreitig den Versicherer (Langheid in Römer/Langheid VVG2 §§ 23 bis 25 Rn 30 mwN).

Nach herrschender Ansicht (Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 237 mwN) liegt eine versicherungsvertraglich relevante Gefahrerhöhung nur dann vor, wenn es sich um einen neuen Gefahrenzustand von längerer Dauer handelt; eine bloß kurzfristige, vorübergehende Änderung in der Gefahrensituation ist nicht ausreichend. Der Gefährdungsvorgang muss seiner Natur nach geeignet sein, einen neuen Gefahrzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufes bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell zu fördern geeignet ist (7 Ob 5/90, SZ 63/38 ua). Die Gefahrerhöhung setzt somit voraus, dass die geänderten Umstände den Versicherungsfall nicht unmittelbar herbeiführen, sondern dass sich die neue Gefahrenlage „auf einem neuen, höheren Niveau stabilisieren und die Grundlage eines neuen, natürlichen Schadensverlaufes bilden kann" (Schauer aaO mwN). Dies wird gleichermaßen auch von der deutschen Judikatur vertreten. So hat etwa der BGH bereits in der Entscheidung vom 18. 10. 1952, BGHZ 7, 311 ausgesprochen, dass Gefährdungsvorgänge nur dann als Gefahrerhöhung angesehen werden könnten, wenn sie einen neuen Zustand erhöhter Gefahr schaffen würden, der seiner Natur nach geeignet sei, von so langer Dauer zu sein, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufes bilden und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell fördern könne. Diese Voraussetzungen erfüllten solche Gefährdungsvorgänge nicht, bei denen von vornherein feststehe, dass sie nur von so kurzer Dauer sein könnten, dass es schon aus zeitlichen Gründen sinnlos wäre, sie dem Versicherer anzuzeigen, um ihm eine Entschließung über die Kündigung des Versicherungsvertrages zu ermöglichen.

Dem hat sich der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen angeschlossen (RIS-Justiz RS0080078). Es kommt allerdings, wie vom Obersten Gerichtshof weiters bereits ausgesprochen wurde, nicht darauf an, dass die neue Gefahrenlage tatsächlich schon längere Zeit bestanden hat, sondern nur darauf, dass sie ex ante darauf ausgelegt war (7 Ob 2205/96g; vgl Schauer aaO).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Meinung des Berufungsgerichtes, in einem besonders krassen Fall einer Überladung - wie hier - sei auch eine einmalige Fahrt als Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VersVG zu qualifizieren, nicht geteilt werden. Wollte man ein besonders fahrlässiges, aber einmaliges Vorgehen allein zur Annahme einer Gefahrerhöhung ausreichen lassen, würde dies den in § 152 VersVG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers unterlaufen, im Haftpflichtversicherungsrecht Versicherungsschutz nur bei (zumindest bedingt) vorsätzlicher Herbeiführung des Haftpflichtfalles durch den Versicherten zu versagen. Eine derartige Anwendung der §§ 23 ff VersVG würde also zu einer Aushöhlung des § 152 VersVG führen (vgl Baumann in BK § 152 Rz 9; aM offenbar Prölss in Prölss/Martin VVG27 § 23 Rn 12, der in der Kfz-Haftpflichtversicherung Gefahrerhöhung im Falle auch nur einer einmaligen „Trunkenheitsfahrt" bejahen will) und damit eine wesentliche Grundlage der Haftpflichtversicherung erschüttern (BGHZ 7, 311 [321]). Von der deutschen Rechtsprechung wurde folgerichtig auch bereits betont, dass Gefahrerhöhung durch Überladung eines Fahrzeuges unter anderem voraussetzt, dass das Fahrzeug wiederholt und regelmäßig überladen gefahren wurde (OLG Hamm VersR 1991, 50 [51]; vgl auch BGH VersR 1967, 493: Im Falle der Überladung eines Mopeds wurde ausgesprochen, entscheidend sei, ob ein Fahrzeug regelmäßig bei sich häufiger bietender Gelegenheit erheblich überladen und in diesem verkehrswidrigen Zustand benutzt werde. Das treffe zu, wenn der Versicherungsnehmer sein Moped gewohnheitsmäßig in erheblich überladenem Zustand benutze). Auch vom Obersten Gerichtshof wurde etwa in der Entscheidung SZ 52/97 bereits darauf hingewiesen, dass eine einmalige Fahrt unter besonders gefährlichen Verhältnissen in der Regel noch nicht dafür ausreiche, eine allgemeine Anhebung der Gefahrenlage anzunehmen. Dabei erfülle aber etwa auch der Neuantritt einer längeren Fahrt mit der generellen Absicht der Weiterbenützung eines nicht verkehrssicheren Fahrzeuges das Erfordernis der gewissen Dauer der Gefahrerhöhung. Ein Vorbringen, wonach der Beklagte nicht nur eine einzige Fahrt mit dem stark überladenen Anhänger geplant oder bereits mehrere solcher Fahrten unternommen hätte, sodass von einem gewohnheitsmäßigen Vorgehen gesprochen werden könnte, hat die dafür als Versicherer behauptungs- und beweispflichtige Klägerin aber nicht erstattet. Sie betont im Rekurs vielmehr selbst, dass sich der Unfall auf einer (einmaligen und relativ kurzen [ca 50 km]) Fahrt, nämlich von H***** nach W***** ereignet habe. Aus dem Einwand der Klägerin, der Beklagte habe doch schon kurz nach Fahrtantritt das Fahrzeug kaum noch lenken und bremsen können und habe die Fahrt dennoch fortgesetzt, lässt sich für deren Prozessstandpunkt nichts gewinnen. Kann doch dem Beklagten bei lebensnaher Betrachtung, selbst wenn er tatsächlich Lenk- oder Bremsschwierigkeiten festgestellt haben sollte, nicht unterstellt werden, den Versicherungsfall (Unfall) deshalb bedingt vorsätzlich (nach der Formel „na, wenn schon") herbeigeführt zu haben, sondern es kann vielmehr nur ein bewußt grob fahrlässiges Vorgehen des Beklagten (Formel „es wird schon nicht") angenommen werden, das - da es nicht auf längere Dauer angelegt war - keine Gefahrerhöhung im dargestellten Sinn bewirkte.

Wegen der Einmaligkeit und relativen Kurzzeitigkeit der durch die Überladung des Anhängers hervorgerufenen Änderung der Gefahrensituation kann demnach eine Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 VersVG nicht angenommen werden. Da schon deshalb eine Regresspflicht des Beklagten zu verneinen ist, muss nicht mehr im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes im Aufhebungsbeschluss untersucht werden, ob dem Beklagten die Überladung bewusst war oder nach den Umständen hätte bewusst sein müssen.

Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher in Stattgebung des Rekurses des Beklagten dahin abzuändern, dass das die Klage abweisende Urteil des Erstgericht wiederherzustellen ist. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 50 Abs 1 und 41 ZPO. Obgleich (auch) die Klägerin eine Beseitigung des aufhebenden Beschlusses des Berufungsgerichts erreicht hat, ist sie letztlich mit ihrem Klagebegehren vollständig unterlegen und daher gegenüber dem Beklagten zur Gänze kostenersatzpflichtig.

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