OGH 6Ob83/15x

OGH6Ob83/15x29.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen A***** C*****, geboren am ***** 1960, *****, über den Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch die Sachwalterin Mag. A***** N*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 17. März 2015, GZ 2 R 67/15s‑62, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 16. Februar 2015, GZ 7 P 201/05w‑59, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00083.15X.0629.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob und inwieweit der Wunsch des Betroffenen, das in seiner Kindheit Erlebte „psychotherapeutisch“ im Wege einer Prozessführung aufzuarbeiten, wodurch seine Genesung gefördert werden könnte, bei der Entscheidung über die Genehmigung der Prozessführung, die letztlich allein dem Wohl des Betroffenen entsprechen soll, ausschlaggebend sein kann.

Rechtliche Beurteilung

1.  Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es eine Ermessensentscheidung, ob im Einzelfall eine Prozessführung im Interesse des Pflegebefohlenen liegt (RIS‑Justiz RS0048207). Maßgebend ist dabei, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde (RIS‑Justiz RS0108029). Dies ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die Erfolgsaussichten gering sind und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Vermögensnachteil des Betroffenen durch die Belastung mit Prozesskosten droht (RIS‑Justiz RS0048156). Die Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Klage stellt demnach eine von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängige und daher grundsätzlich nicht revisible Ermessensentscheidung dar (7 Ob 246/09s iFamZ 2010/149 [ Schauer ]). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (vgl RIS‑Justiz RS0044088).

2.  Die Vorinstanzen haben sich sehr ausführlich mit der vom Betroffenen gewünschten Prozessführung aufgrund der von ihm behaupteten Misshandlungen in den 60iger-Jahren des vorigen Jahrhunderts auseinandergesetzt und aufgrund der mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Klagsabweisung die Prozessführung nicht genehmigt. Selbst die Sachwalterin hat in den Anträgen auf Genehmigung auf die massive Verjährungsproblematik, die schwierige Beweislage des Betroffenen und die möglicherweise fehlende Kausalität hingewiesen. Auch die Ausführungen im Revisionsrekurs vermögen nicht aufzuzeigen, weshalb unter Beachtung der von den Vorinstanzen herangezogenen Umstände die Nichtgenehmigung der Prozessführung durch die Vorinstanzen unvertretbar sein sollte.

3.  Erstmals im Rekurs hat sich der Betroffene „zusammenfassend“ darauf berufen, dass die Prozessführung für ihn von essentieller Bedeutung sei, um das Erlebte psychotherapeutisch aufzuarbeiten; diese sei für ihn notwendig, um sich mit der Sache auseinander zu setzen und letztlich „ ‑ unabhängig vom Prozessausgang ‑ “ damit abschließen zu können. Dieser Standpunkt wird im Revisionsrekurs wiederholt.

Abgesehen davon, dass diese Argumentation gegen § 49 AußStrG verstößt, war sie doch nicht Gegenstand erstinstanzlichen Vorbringens, verkennt der Betroffene den Zweck eines Schadenersatzprozesses: Dieser setzt einen Eingriff des Beklagten in geschützte Interessen des Klägers voraus und zielt auf den Ausgleich des dem beeinträchtigten Kläger entstandenen Schadens (vgl Koziol, Grundfragen des Schadenersatzrechts [2010] 34); eine psychotherapeutische Aufarbeitung ist vom Zweck eines Schadenersatzprozesses hingegen nicht erfasst.

Die Genehmigung einer Prozessführung hat sich am Wohl des Pflegebefohlenen zu orientieren (§ 167 Abs 3, § 275 ABGB). Dabei ist auch zu beachten, dass der Pflegebefohlene für den Fall eines Prozessverlusts einem ‑ unter Umständen erheblichen ‑ Prozesskostenrisiko ausgesetzt ist. Das Rekursgericht hat in diesem Zusammenhang bereits auf zutreffende zweitinstanzliche Rechtsprechung (LG Wels EFSlg 113.054 [2005]; jüngst LG Linz 15 R 372/14b) verwiesen, wonach eine Prozessführung bei Fehlen der sonstigen Voraussetzungen auch dann nicht genehmigt werden darf, wenn dem Betroffenen aufgrund seiner Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse bei Prozessverlust gar nichts weggenommen werden könnte; maßgeblich sei die Möglichkeit des Entstehens einer Kostenersatzforderung des Prozessgegners und damit einer Verbindlichkeit des Betroffenen. Angesichts des drohenden Prozessverlusts entspräche deshalb die Genehmigung der vom Betroffenen angestrebten Klage ‑ und sei es auch nur in einem der zahlreichen Eventualbegehren ‑ nicht dessen zu beachtendem Wohl.

Im Übrigen kann auch noch darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der völligen Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Betroffenen die Prozessführung wohl auch die Bewilligung der Verfahrenshilfe voraussetzte, deren Gewährung aber zwingend ‑ auch zum Schutz der Allgemeinheit vor mit dem Prozesszweck nicht zu vereinbarenden Belastungen (allgemein dazu M. Bydlinski in Fasching/Konecny 2 II/1 Vor § 63 Rz 4) ‑ daran gebunden ist, dass die Prozessführung nicht aussichtslos ist (vgl § 63 Abs 1 ZPO).

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