OGH 7Ob246/09s

OGH7Ob246/09s16.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der I***** H*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch die Sachwalterin Dr. S***** S*****, diese vertreten durch Schubert & Schaffler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. November 2009, GZ 43 R 736/09t-92, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtshandlungen einer betroffenen Person - wie hier die beabsichtigte Klagsführung - sind nur dann sachwalterschaftsgerichtlich zu genehmigen, wenn sie in deren Interesse liegen und deren Wohl entsprechen (vgl RIS-Justiz RS0048207). Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch besteht, sondern vielmehr unter Einbeziehung aller Eventualitäten lediglich das Prozessrisiko abzuwägen (RIS-Justiz RS0108029). Eine abschließende Beurteilung der Tat- und Rechtsfrage ist dabei nicht vorgesehen (1 Ob 6/08a ua). Zu prüfen ist, ob die konkret zu beurteilende Klage mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (vgl 7 Ob 53/07f ua; RIS-Justiz RS0048142). Maßgebend ist, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde (RIS-Justiz RS0108029). Dies ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die Erfolgsaussichten gering sind und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Vermögensnachteil des Betroffenen durch die Belastung mit Prozesskosten droht (RIS-Justiz RS0048156). Die Frage der Genehmigungsfähigkeit einer Klage stellt demnach eine von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängige und daher grundsätzlich nicht revisible Ermessensentscheidung dar (vgl 5 Ob 2/08t; RIS-Justiz RS0048207). Eine erhebliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn dem Rekursgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (vgl RIS-Justiz RS0044088). Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu:

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Erfolgsaussichten der von der Betroffenen beabsichtigten Klage seien nur sehr gering, weshalb wegen des hohen Prozesskostenrisikos die Klage nicht gerichtlich genehmigt werden könne, ist zumindest vertretbar. Die Betroffene will nach dem von ihr vorgelegten Klagsentwurf den Anwalt Dr. W***** K*****, der sie von 2000 bis 2007 rechtsfreundlich vertreten hat, mit einer Schadenersatzforderung von 283.759,66 EUR und einem künftige Schäden aus fehlerhafter Vertretung betreffenden Feststellungsbegehren in Anspruch nehmen. Der Anwalt habe am 23. 9. 2003 die Ausfolgung diverser Vermögenswerte (insbesondere ein Wertpapierbon und diverse Sparbücher) an sie als ihr Anwalt nicht verhindert. Sie habe dem sie behandelnden Facharzt für Neurologie Dr. B***** den Großteil dieser Vermögenswerte übergeben. Der Wertpapierbon sei 2005 realisiert und der Betroffenen ein Guthaben von 283.759,66 EUR ausbezahlt worden. Was mit den Inhabersparbüchern geschehen sei, sei ungeklärt. Nun seien von der Sachwalterin keine Vermögenswerte mehr aufgefunden worden. Dr. K***** hätte die Ausfolgung der Vermögenswerte an die Betroffene als deren Anwalt verhindern müssen, weil er gewusst habe, dass sie schon seit Jahren geisteskrank und daher nicht geschäftsfähig gewesen sei.

Nach den Ausführungen der Vorinstanzen ist zwar richtig, dass der Genannte im Jahr 2000 als Anwalt der Betroffenen deren Besachwaltung in Betracht gezogen hat. Ein von ihm deshalb eingeholtes psychiatrisches Gutachten kam aber zum Ergebnis, dass die Betroffene geschäfts- und testierfähig sei. Deshalb haben die Vorinstanzen die Behauptung, Dr. K***** hätte davon ausgehen müssen, dass die Betroffene (schon damals) geschäftsunfähig gewesen sei, für kaum beweisbar erachtet. Daran könne auch der Umstand, dass bei der Betroffenen im Jahr 2003 vor Ausfolgung der Vermögenswerte eine Psychose festgestellt worden sei, nichts ändern. Bei der Beurteilung, ob dem Anwalt Dr. K***** ein Fehlverhalten vorwerfbar sei, sei auch zu bedenken, dass die selbstschädigende Handlung, nämlich die Realisierung des Wertpapierbons erst nahezu zwei Jahre später gesetzt worden und offen sei, ob die Beklagte den Geldbetrag nicht ohnehin anderweitig veranlagt habe. Ob allfällige schädigende Handlungen des Primararztes, dem die Sparbücher übergeben worden seien, Dr. K***** vorwerfbar seien, sei ebenfalls fraglich.

Diesen Überlegungen der Vorinstanzen hält die Revisionsrekurswerberin in Zulassungsbeschwerde und in der Mängel- und Rechtsrüge im Wesentlichen lediglich entgegen, dass eine Person mit einer Psychose nicht selbständig handeln könne, sondern ihr Anwalt für sie einzuschreiten habe. Dr. K***** habe dafür zu haften, dass er die ihn als Rechtsanwalt treffenden „Aufklärungs- und Verhütungspflichten" verletzt habe. Damit können aber die Argumente der Vorinstanzen nicht widerlegt werden. Dass es keine oberstgerichtliche Judikatur zu einem vergleichbaren Fall gibt, vermag ebenfalls die Zulässigkeit ihres außerordentlichen Rechtsmittels nicht zu begründen (vgl RIS-Justiz RS0107773 und RS0102181). Zweifellos kann ein Rechtsanwalt, der erkannt hat oder erkennen hätte müssen, dass sein Mandant geschäftsunfähig ist und entsprechende Vorkehrungen unterlässt, insbesondere „Aufklärungs- und Verhütungspflichten" nicht wahrnimmt, dem Mandanten schadenersatzpflichtig werden. Eine ausreichende Erfolgsaussicht einer solchen Klage besteht allerdings nur dann, wenn das Erkennen oder vorwerfbare Nichterkennen der Geschäftsunfähigkeit durch den Anwalt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nachweisbar ist und auch ein Schaden entsteht, der mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf das Verhalten des Anwalts (und nicht etwa auf das Einschreiten eines Dritten) zurückgeführt werden kann. Beides wird im vorliegenden Einzelfall von den Vorinstanzen bezweifelt, ohne dass darin eine erhebliche, vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung erkannt werden kann. Vielmehr ist die Ansicht der Vorinstanzen, es sei nicht wahrscheinlich, dass Dr. K***** für einen allfälligen Schaden der Betroffenen haftbar gemacht werden könne, unter den festgestellten Umständen richtig, jedenfalls aber vertretbar.

Mangels einer Verkennung der Rechtslage, die ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erforderte, ist das demnach unzulässige außerordentliche Rechtsmittel zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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