OGH 8Ob19/15z

OGH8Ob19/15z25.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Andreas Hertl, Rechtsanwalt in Salzburg, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. S***** GmbH, *****, vertreten durch die Kopp‑Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und 2. B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. M***** und 2. G*****, beide vertreten durch Dr. Hellmut Prankl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 5.800 EUR sA, über die Rekurse der klagenden Partei und der ersten Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 30. Oktober 2014, GZ 53 R 228/14g-30, mit dem über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 1. August 2014, GZ 2 C 1110/12h‑24, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 895,49 EUR (darin 149,25 EUR USt), der ersten Nebenintervenientin die mit 410,83 EUR (darin 68,47 EUR USt), der zweiten Nebenintervenientin die mit 895,49 EUR (darin 149,25 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie der klagenden Partei die mit 512,63 EUR (darin 85,44 EUR USt) und der ersten Nebenintervenientin die mit 1.295,86 EUR (darin 102,48 EUR USt und 681 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens, jeweils binnen 14 Tagen, zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin errichtete als Bauträgerin eine Reihenhausanlage. Die erste Nebenintervenientin war bei diesem Bauvorhaben im Auftrag der Klägerin als Generalunternehmerin und die zweite Nebenintervenientin als Bauaufsicht tätig. Die Beklagten kauften am 5. März 2010 ein Reihenhaus in dieser Anlage von der Klägerin. Zur Sicherung allfälliger Gewährleistungsansprüche erhielten sie von der Klägerin eine Haftrücklassgarantie in Form einer Bankgarantie über einen Betrag von 5.800 EUR (= 2 % des Kaufpreises).

Über die zum Reihenhaus gehörende Gartenfläche sprachen die Parteien beim Abschluss des Kaufvertrags nicht. Die zum Kaufvertrag gehörende Ausstattungsbeschreibung sieht vor, dass die Grünflächen „ mit vom Bauplatz abgezogenem, zwischengelagertem Humus und Mutterboden in ca. 20 cm Dicke “ gestaltet sind, auf der eine Spielplatzrasenmischung gesät ist. „ Die weitere Gestaltung, auch Bodenverbesserung, Zufuhr von (gesiebtem) Humus, Düngung und Pflege der Grünflächen durch notwendige Schnitte bis zur vollständigen Durchwurzelung der Grasnarbe ist durch den Käufer zu erbringen “ (Punkt IV.15 des Kaufvertrags). Vor dem Aushub der Baugrube wurde die oberste Schicht des vorhandenen Bodens abgezogen und abseits der Baugrube gelagert. Nach den Bauarbeiten wurde das Bodenmaterial von Steinen gesäubert und wieder auf dem nicht verbauten Teil des Grundstücks aufgebracht. Darüber wurde eine zusätzliche Humusschicht aufgetragen und darauf eine Spielplatzrasenmischung gesät. Der bestehende Boden der Gartenfläche wurde im Zuge der Bauarbeiten nicht verändert, insbesondere wurde kein Austausch des vorhandenen Bodenuntergrundes vorgenommen und auch keine Drainage eingebaut.

Die Klägerin übergab den Beklagten am 14. April 2010 das Reihenhaus samt Garten. Noch bevor die Beklagten in das Haus einzogen und der Rasensamen angewachsen war, wurden die Gartenflächen der Reihenhausanlage durch einen Starkregen großteils überflutet. Der zum Haus der Beklagten gehörende Garten konnte das ‑ insbesondere auch von der angrenzenden Wiese, auf der ein geplanter Entwässerungsgraben damals noch nicht fertiggestellt war ‑ herüber fließende Oberflächenwasser nicht aufnehmen und stand unter Wasser. Nach diesem Ereignis gab die Klägerin eine Sanierung des Gartens der Beklagten in Auftrag, die bis Juli 2010 fertig gestellt wurde. Es kann nicht festgestellt werden, „dass der Zustand der sanierten Gartenfläche nicht der vertraglich vereinbarten Bau- und Ausstattungsbeschreibung ‑ 20 cm dicke, vom Bauplatz abgezogene Schicht aus durchgefrästem, von Steinen gereinigtem Humus mit einer Spielplatzrasenmischung gesät ‑ entsprach.“ Nach Abschluss der Arbeiten gestalteten die Beklagten ihren Garten, indem sie ein Blumenbeet anlegten, eine Hecke pflanzten und Steinplatten verlegten. Nicht festgestellt werden kann, ob und gegebenenfalls wie stark der Boden der Gartenfläche hierdurch verdichtet wurde.

Da die Beklagten mit der Sickerfähigkeit des Gartens nicht zufrieden waren, forderten sie die Klägerin mehrfach dazu auf, die Fläche vollständig zu drainagieren, was die Klägerin insbesondere mit Hinweis auf den Vertragsinhalt ablehnte. Im Spätsommer 2011 ließen die Beklagten durch ein anderes Unternehmen einen Bodenaustausch (Aushub des lehmhaltigen Bodens bis in eine Tiefe von etwa 92 cm, Entsorgung des Materials, Auffüllen mit Kiesschüttung, Drainagevlies und Humusschicht sowie Verlegen eines Fertigrollrasens) durchführen, wofür sie 10.069,80 EUR zahlten. Ob der vorher vorhandene Bodenaufbau gänzlich wasserundurchlässig war, kann nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob durch Zeitablauf eine vollständige Durchwurzelung der Grasnarbe des Gartens entstanden wäre oder nicht. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob der Boden der Gartenfläche diesfalls normale Niederschlagsmengen aufgenommen hätte oder nicht.

Die Beklagten nahmen im September 2011 die Bankgarantie in Anspruch und die Bank buchte den Betrag am selben Tag vom Konto der Klägerin ab.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten 5.800 EUR. Die Inanspruchnahme der Bankgarantie sei unberechtigt erfolgt. Die Klägerin habe das Reihenhaus samt Garten frei von Mängeln errichtet und den Beklagten übergeben. Die zum Reihenhaus gehörende Gartenfläche sei ebenfalls vertragsgemäß hergestellt worden und die Beklagten seien vertraglich zu weiteren Bodenverbesserungsmaßnahmen selbst verpflichtet. Außerdem habe die von den Beklagten in Auftrag gegebene Gartengestaltung den Boden verdichtet.

Die Nebenintervenientinnen unterstützten dieses Vorbringen. Die für die Überflutung des Gartens ursächlichen Regenfälle seien außergewöhnlich und die Grünfläche damals noch nicht ausreichend bewachsen gewesen.

Die Beklagten wenden ‑ soweit im derzeitigen Verfahrensstadium noch relevant ‑ ein, die Gartenfläche sei mangelhaft errichtet worden; der Garten müsse von der Klägerin sickerfähig gemacht werden. Die mangelnde Sickerfähigkeit sei nicht auf die Nutzung oder Arbeiten im Garten durch die Beklagten zurückzuführen.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt. Die Klägerin habe den Beklagten die zum Reihenhaus gehörende Gartenfläche so übergeben wie in der Ausstattungsbeschreibung dargestellt. Der Beweis, dass die Klägerin dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wäre, sei den dafür beweispflichtigen Beklagten nicht geglückt. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Veränderung des vorhandenen Bodenaufbaus sei der vertraglichen Vereinbarung nicht zu entnehmen, vielmehr hätten sich die Beklagten selbst zur allfälligen Bodenverbesserung verpflichtet. Die Klägerin sei daher berechtigt, von den Beklagten die Rückzahlung der unberechtigt in Anspruch genommenen Bankgarantie zu verlangen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge und hob das angefochtene Urteil auf. Für die Behauptung, eine Garantie sei zu Unrecht abgerufen worden, sei der Kläger beweispflichtig. Auch bei einem Rückgriff auf das Grundverhältnis lasse sich diese Beweislastverteilung rechtfertigen, weil der Erwerber gegenüber dem Bauträger abgesichert werden solle. Es sei eine Tatsachenfrage, ob ein Garten nach einem Regenereignis nach ein bis eineinhalb Tagen wieder benützbar sein müsse. Die in der Ausstattungsbeschreibung enthaltene Definition sei „nach der Verkehrsauffassung eine schlüssige Zusage, dass mit dieser Gestaltung der Grünfläche den Erfordernissen der Wasseraufnahme des Bodens ausreichend Rechnung getragen“ werde. Der Käufer eines Reihenhauses müsse grundsätzlich keine Kenntnisse über die unterschiedliche Sickerfähigkeit von Böden haben. Die Feststellungen reichten aufgrund der dargelegten Beweislastverteilung für eine abschließende Beurteilung des Kondiktionsanspruchs nicht aus. Diese Rechtsauffassung zur Beweislast sei mit den Parteien zu erörtern und der Klägerin Gelegenheit zu geben, weitere Beweisanträge zu stellen. Auch für eine ‑ ebenfalls behauptete ‑ Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Beklagten sei die Klägerin beweispflichtig.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass zur Beweislastverteilung bei unberechtigter Inanspruchnahme einer Bankgarantie nur eine höchstgerichtliche Entscheidung auffindbar sei. Es könne fraglich sein, ob der Gesetzgeber mit dem erweiterten Schutz des Erwerbers gegenüber dem Bauträger auch eine Beweislastumkehr herbeiführen habe wollen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Beschluss des Berufungsgerichts von der Klägerin und der ersten Nebenintervenientin erhobenen Rekurse sind zulässig, weil die Entscheidung einer Korrektur bedarf. Sie sind auch berechtigt .

1. Der Haftrücklass (das vertragliche Recht des Bestellers bzw Käufers, einen Teil des Werklohns bzw Kaufpreises zurückzubehalten) oder die Haftrücklassgarantie (mit dem Zweck, den Begünstigten so zu stellen, als ob er die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte) sollen insbesondere die Gewährleistungsansprüche sichern und damit auch den Anspruch des Bestellers (Käufers) auf Verbesserung des mangelhaften Werks (RIS‑Justiz RS0018098). Sinn einer Bankgarantie, die an Stelle eines sonst vereinbarten Haftrücklasses gegeben wird, ist nicht nur, dem Begünstigten eine Sicherheit zu geben. Vielmehr soll der Begünstigte so gestellt werden, als ob er (im gegebenen Zusammenhang) die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte (RIS‑Justiz RS0017002; zuletzt 6 Ob 35/15p; vgl auch RS0018130).

Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner wegen Mängeln des Valutaverhältnisses auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen (RIS‑Justiz RS0106545 ua). Im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Begünstigtem kommt es also grundsätzlich für die Frage der Berechtigung der Leistungskondiktion darauf an, ob dem Begünstigten bei Abruf der Garantie und Zahlung durch den Garanten aus dem Valutaverhältnis der entsprechende Anspruch zustand oder nicht (5 Ob 103/11z).

Mit der Haftrücklassabrede wird lediglich die Fälligkeit dieses Teils des vom Werkbesteller geschuldeten Werklohnanspruchs hinausgeschoben. Auch die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie hat darauf keinen Einfluss, denn der Werkunternehmer, der als Garantiebesteller vom Werkbesteller (Garantiebegünstigten) die Rückzahlung der zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung begehrt, macht damit im Ergebnis nichts anderes geltend als den (restlichen) Werklohn ( M. Bydlinski , Unberechtigte Inanspruchnahme einer Haftrücklassgarantie und Analogie im Verjährungsrecht, FS Bydlinski (2002) 1 ff [13]). Der Parteiwille ist lediglich darauf gerichtet, dass die Haftrücklassgarantie den Haftrücklass ersetzen, sonst aber keine Veränderung der Rechtspositionen herbeiführen soll ( Madl , Glosse zu 5 Ob 103/11z, ÖBA 2011/1753). Die vom Unternehmer bestellte Haftrücklassgarantie gibt dem Besteller die Möglichkeit, einen Teil des bereits vollständig gezahlten Werklohns zurückzuerlangen und damit den bei einer reinen Haftrücklassvereinbarung bestehenden Zustand herzustellen; soweit der Besteller von dieser Möglichkeit unberechtigt Gebrauch macht, lebt der Werklohnanspruch daher gleichsam wieder auf ( M. Bydlinski , aaO 17).

2. Nach dem Abruf der Garantie sind die Parteien so gestellt, als hätten die Beklagten diesen Teil des Kaufpreises (oder Werklohns) noch nicht bezahlt und die Klägerin diesen Betrag (noch) nicht erhalten. Es stellt sich daher die Frage, ob die Beklagten berechtigt sind, den als Haftrücklass vereinbarten, durch eine Bankgarantie sichergestellten Betrag gegenüber der ‑ die (restliche) Kaufpreiszahlung fordernden ‑ Klägerin zurückzubehalten.

Die grundsätzliche Fälligkeit des (restlichen) Kaufpreises (bzw Werklohns) war laut unstrittigem Vertragsinhalt bereits mit der Übergabe des Hauses eingetreten. Für die ‑ von den Beklagten erhobene -Behauptung, der zum Reihenhaus gehörende Garten sei nicht vertragskonform hergestellt worden, sind die Beklagten beweispflichtig (RIS‑Justiz RS0037797; RS0106638; RS0109832; RS0039936 [T5]). Für eine Beweislastumkehr zu Lasten der den (Rest‑Kauf‑)Preis fordernden Klägerin besteht ‑ entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ‑ keine Veranlassung.

§ 4 Abs 4 BTVG, der den Bauträger verpflichtet, dem Erwerber einen Haftrücklass von zumindest 2 % des Preises einzuräumen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Bestimmung enthält keine Regelung über die Beweislast. Sie soll das Risiko des Erwerbers, der im Bauträgergeschäft typischerweise vorauszahlungspflichtig ist, reduzieren und seine Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche absichern (RV 432 BlgNR XXIII. GP 7). Mangels einer speziellen Regelung über die Beweislast ändert sie daher nichts daran, dass jede Partei die jeweils für ihren Rechtsstandpunkt erforderlichen Tatsachen beweisen muss (RIS‑Justiz RS0106638 ua).

Den Beklagten ist der Beweis, dass ihnen die Klägerin die Gartenfläche nicht in der im Vertrag festgelegten Ausstattung übergeben habe, nicht gelungen. Ihr Standpunkt, unabhängig von der vertraglich vereinbarten Ausstattung dürfe ein Gartenboden nicht für die Gartennutzung völlig ungeeignet sein, was er aber wäre, wenn der Boden wasserundurchlässig wäre, vermag daran nichts zu ändern, weil ihnen auch der Beweis, dass der zunächst vorhandene Untergrund wasserundurchlässig war, nicht gelungen ist.

3. Die Rechtssache erweist sich damit als ‑ im Sinne der erstgerichtlichen Entscheidung ‑ spruchreif, weshalb in der Sache selbst zu entscheiden und das erstgerichtliche Urteil einschließlich der in der Berufung unbeanstandeten Kostenentscheidung wiederherzustellen war.

Auf die in den Rekursen behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist daher nicht mehr einzugehen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- sowie des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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