OGH 1Ob103/14z

OGH1Ob103/14z22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****versicherung *****, vertreten durch die Dr. Bernhard Hundegger Rechtsanwalt GmbH, Villach, gegen die beklagte Partei M***** B*****, vertreten durch Dr. Wolf Günter Auer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 14.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. März 2014, GZ 7 R 60/13t‑22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. September 2013, GZ 22 Cg 126/12i‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00103.14Z.0122.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 908,64 EUR (darin enthalten 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

F***** H***** (im Folgenden: Käufer) erwarb am 28. 4. 2010 im Einzelunternehmen des Beklagten ein Elektrofahrrad des Herstellers *****, Type Easy ***** Electric 26'' 7‑G (im Folgenden: E‑Bike), samt Akku *****, 36 V, 6,6 Ah und dazugehörigem Ladegerät, wobei der Verkauf durch den Vater des Beklagten erfolgte. Dem Käufer wurde dazu eine Rechnung ausgestellt, auf der sein Name und seine Anschrift ersichtlich sind. Ein Durchschlag dieser Rechnung verblieb im Unternehmen des Beklagten und war dort verfügbar. Darüber hinaus wurden die Daten des Käufers auf der Garantie‑ und Servicekarte vermerkt, die von diesem aber mitgenommen wurde. Ausgenommen auf der Rechnung wurden zu diesem Zeitpunkt die persönlichen Daten von Kunden im Unternehmen des Beklagten nicht archiviert. Mittlerweile werden Kunden, die Elektrofahrräder erwerben, vermerkt.

Bereits vor Erwerb des E‑Bikes war der Käufer dem Vater des Beklagten namentlich bekannt, weil er bis in das Jahr 2009 regelmäßig, ca alle 14 Tage, im Geschäft des Beklagten beruflich zu tun hatte. In diesem Zusammenhang hinterlegte der Käufer auch seine private Telefonnummer im Geschäft des Beklagten.

Anfang Juni 2011 ließ der Käufer im Unternehmen des Beklagten ein Service am E‑Bike durchführen. Im Zuge dieses Services wurde der Akku nicht durch einen neuen ersetzt.

Im Juli 2011 erhielt der Beklagte ein Schreiben des Generalimporteurs betreffend eine Rückrufaktion von Akku und Ladegerät mit folgendem Inhalt:

Diese Rückrufaktion betrifft den Akku mit 6,6 Ah (7,8 Ah, 11 Ah und 13 Ah sind nicht betroffen) sowie das dazugehörige Ladegerät der Bike-Modelle ***** City ***** und ***** Easy *****. Bei den 6,6 Ah Akkus dieser beiden Modelle treten teilweise Qualitätsprobleme auf. Der Akku kann beim Laden nach einer Tiefentladung (zB mehrmonatiges Lagern ohne Aufladung) Feuer fangen. Der Verkauf dieses Produktes wurde gestoppt. Sollten Sie ein ***** Electric-Bike der beiden obengenannten Modelle besitzen, bitten wir Sie, das Rad nur noch ohne Akku zu verwenden. Nehmen sie bei Aufleuchten der rot blinkenden Leuchtdiode im Lademodus keine Aufladung des Akkus mehr vor (Feuergefahr)! Sollten Sie ein E-Bike-Modell ***** City ***** oder ***** Easy ***** besitzen, bringen Sie bitten den Akku und das Ladegerät zu jenem Fachhändler, wo Sie das E-Bike gekauft haben. Die Akkus werden schnellstmöglich überprüft. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Fachhändler. Wir entschuldigen uns für etwaige bei Ihnen entstandene Unannehmlichkeiten!

Der Beklagte las dieses Schreiben und positionierte es als Aushang in seiner Geschäftsauslage links und rechts des Eingangs. Mit dem Käufer des E‑Bikes nahm er nach Kenntnis der Rückrufaktion keinen Kontakt auf. Er nahm an, dass im Zuge des Services Anfang Juni 2011 der Akku und das Ladegerät getauscht worden seien, sodass sich nunmehr ein 7,8‑Ah‑Akku im Fahrrad befinde.

Der Käufer lagerte das Fahrrad in seinem Kellerabteil, in dem sich unter anderem Benzin für den Rasenmäher, eine kleine Gasflasche und eine mittels Gas betriebene Lötlampe befanden. Am 28. 12. 2011 schloss er das Ladegerät an den Akku seines E‑Bikes an, wodurch es zu einem Brand kam, durch den ein beträchtlicher Schaden am Kellerabteil des Käufers und den daran angrenzenden Kellerabteilen entstand. Unter anderem wurden Gegenstände im Kellerabteil Nr 8 beschädigt, das der Wohnung des Versicherungsnehmers der Klägerin zugeordnet ist. Die Klägerin hat aus diesem Versicherungsfall 14.000 EUR an ihren Versicherungsnehmer geleistet.

Unter Berufung auf § 67 VersVG begehrte die Klägerin 14.000 EUR sA an Schadenersatz im Wesentlichen mit dem Vorbringen, der beim Verkauf des E‑Bikes mitgelieferte Akku sei weder im Zuge des Jahresservices 2011 noch davor oder danach vom Beklagten getauscht worden, obwohl vom Hersteller des Akkus und Ladegeräts eine Rückrufaktion gestartet worden sei und der Beklagte, dem der Käufer namentlich bekannt gewesen sei, davon Kenntnis gehabt habe. Die Rückrufaktion sei deshalb erfolgt, weil Qualitätsprobleme dahin aufgetreten seien, dass beim Laden die Gefahr eines Brandes bestanden habe. Der Beklagte habe daher gegen ihn treffende Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetz (PSG 2004) vor, das als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zu werten sei, sowie gegen vertragliche Schutzpflichten zugunsten Dritter.

Der Beklagte wendete ein, dass das am Brandort aufgefundene Ladegerät nicht vom Rückruf betroffen gewesen sei. Im Zuge des Jahresservices 2011, also noch vor der Rückrufaktion, sei der Akku mit dem Ladegerät ausgetauscht worden, wobei Grund des Austausches die vom Käufer bemängelte zu geringe Kapazität des ursprünglich mit dem Fahrrad ausgelieferten Akkupacks gewesen sei. Er habe die Fahrräder der Marke ***** vom Generalimporteur bezogen und keinen Auftrag erhalten, die angeführten Akkus zurückzuholen. Die Information der Kunden über den Rückruf sei durch Aushang des entsprechenden Schreibens in seinem Geschäft erfolgt, weswegen er auch nicht gegen seine Pflichten als Händler nach § 7 Abs 3 PSG 2004 verstoßen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, die Rückrufpflicht nach § 7 Abs 2 PSG richte sich nicht an den Beklagten als Händler, sondern an die Hersteller und Importeure. Aus § 7 Abs 3 PSG sei eine Verpflichtung des Beklagten als Händler zur Kontaktaufnahme mit dem Käufer nach Kenntnis der Rückrufaktion nicht abzuleiten. Eine allfällige nicht erfolgte Weitergabe vorhandener Daten an den Hersteller zum Zwecke des Rückrufs sei weder konkret behauptet worden, noch hätten sich dafür entsprechende Hinweise ergeben. Jedenfalls würde es eine Überspannung der Sorgfaltspflichten bedeuten, wollte man von einem Fahrradhändler verlangen, über sämtliche verkaufte Akkus Aufzeichnungen zu führen. Dem Beklagten sei auch nicht zumutbar gewesen, sämtliche Rechnungen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr durchzusehen, um Käufer von entsprechenden Fahrrädern ausfindig zu machen. Auch sei der Beklagte davon ausgegangen, der gegenständliche Akku sei ausgetauscht worden, weswegen die Gefahr eines Brandes für ihn nicht erkennbar gewesen sei. Eine Verpflichtung des Beklagten, den Käufer von sich aus zu kontaktieren, habe nicht bestanden. Damit habe der Beklagte für den Schaden auch nicht nach dem Ingerenzprinzip einzustehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte eine Haftung des Beklagten nach dem Produktsicherheitsgesetz, weil die umfassende Verpflichtung, nur sichere Produkte in Verkehr zu bringen (§ 6 PSG 2004), primär Hersteller und Importeure treffe. Gegenüber Händlern seien geringere Anforderungen festgelegt. Diese dürften Produkte, von deren Gefährlichkeit sie wüssten oder bei Erfüllung der üblichen Sorgfaltspflichten wissen müssten, nicht vertreiben. Zwar seien Händler auch zur Mitwirkung an Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Rückruf gefährlicher Produkte insoweit verpflichtet, als sie die Hersteller und Importeure im Falle eines notwendigen Rückrufs von gefährlichen Produkten zu unterstützen hätten, indem sie diesen für weitere Maßnahmen Namen und Adressen jener Kunden bekannt zu geben hätten, an die sie das Produkt verkauft hätten. Dass der Hersteller oder Importeur des gegenständlichen E‑Bikes bzw des Akkus sich an den Beklagten zur Erlangung von Kundendaten gewandt hätte, sei von der Klägerin nicht behauptet worden.

Der Klägerin sei zwar zuzugestehen, dass der Irrtum des Beklagten, am E‑Bike des Käufers sei bereits ein Akkutausch vorgenommen worden, keinen Ausschluss einer Haftung gegenüber seinem Kunden begründen könne. Selbstverständlich wäre der Beklagte im Rahmen vertraglicher Nebenpflichten verpflichtet gewesen, sich zu vergewissern, ob der gefährliche Akku tatsächlich ausgetauscht worden sei. Für die Klägerin sei daraus aber nichts gewonnen, weil der Kaufvertrag keine Schutz‑ und Sorgfaltspflichten zugunsten des Versicherungsnehmers der Klägerin entfaltet habe.

Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht sei eine vom Sicherungspflichtigen geschaffene oder ihm zurechenbare Gefahrenquelle. Die Verpflichtung zur Beseitigung der Gefahrenquelle und damit zu positivem Tun folge aus der vorhergehenden Verursachung der Gefahrensituation. Mangels Schaffung oder Duldung einer besonderen Gefahrenquelle in seiner Sphäre habe für den Beklagten keine Verpflichtung bestanden, über den Aushang des den Rückruf betreffenden Schreibens hinaus weitere Maßnahmen zu ergreifen. Damit bestehe auch keine deliktische Haftung des Beklagten.

Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil ‑ soweit überschaubar ‑ höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 7 Abs 3 PSG 2004 nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus diesem Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zu den den Beklagten als Händler nach § 7 Abs 3 PSG 2004 treffenden Pflichten macht die Klägerin zusammengefasst geltend, diese verlangten bei richtlinienkonformer Interpretation ein aktives Tun des Händlers, und leitet daraus für den vorliegenden Fall ab, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Käufer des E‑Bikes aktiv und rasch von der Rückrufaktion zu verständigen, um die mit deren Grund verbundene erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit abzuwenden.

Mit diesen Ausführungen zielt die Klägerin auf eine ‑ auch zivilrechtlich wirkende ‑ Verpflichtung des Beklagten ab, nicht nur den Hersteller, sondern auch seinen Kunden von der Gefährlichkeit eines Produkts zu warnen. Insoweit sei die Bekanntmachung des Rückrufs durch Aushang im Geschäftslokal des Beklagten nicht ausreichend gewesen.

2.1 Mit dem Produktsicherheitsgesetz (PSG) 2004 wurde die Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. 12. 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (PS‑RL) umgesetzt. Nach deren viertem Erwägungsgrund soll die Gemeinschaft zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher leisten. Zur Verwirklichung dieses Ziels bedürfe es unter anderem der Festlegung einer allgemeinen Produktsicherheitsanforderung mit Bestimmungen über allgemeine Verpflichtungen der Hersteller und Händler.

2.2 Der zweite Abschnitt des PSG 2004 regelt die Pflichten für „In‑Verkehr‑Bringer/innen“, die ein wesentliches Instrument darstellen, um die Zielsetzung des Gesetzes zu erreichen. § 3 Z 7 PSG 2004 zählt die Händler zu den In‑Verkehr‑Bringern, deren Pflichten in § 7 Abs 3 und 4 PSG 2004 geregelt sind. § 7 Abs 3 PSG 2004 hat folgenden Wortlaut:

„Händler/innen haben mit der gebotenen Umsicht zur Einhaltung der anwendbaren Sicherheitsanforderungen beizutragen, indem sie insbesondere keine Produkte liefern, von denen sie wissen oder auf Grund der ihnen bei zumutbarer Sorgfalt zugänglichen Informationen wissen müssten, dass sie diesen Anforderungen nicht genügen. Im Rahmen ihrer jeweiligen Geschäftstätigkeit haben sie außerdem an der Überwachung der Sicherheit der in Verkehr gebrachten Produkte mitzuwirken, insbesondere durch Weitergabe von Hinweisen auf eine von den Produkten ausgehende Gefährdung, durch Aufbewahren und Bereitstellen der zur Rückverfolgung von Produkten erforderlichen Dokumentation und durch Mitarbeit an Maßnahmen der Hersteller/innen und zuständigen Behörden zur Vermeidung der Gefahren. Sie haben im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eine wirksame Zusammenarbeit mit anderen In-Verkehr-Bringern/In-Verkehr-Bringerinnen, Verbrauchern/Verbraucherinnen und Behörden zu ermöglichen.“

2.3 Der Beklagte war auf Grund des Schreibens des Generalimporteurs in Kenntnis über die Gefährlichkeit des mit dem Rad ausgelieferten Akkus. Seine grundsätzliche Mitwirkungspflicht an der Rückrufaktion des Generalimporteurs folgte unzweifelhaft aus § 7 Abs 3 PSG 2004. Ob sich daraus allerdings auch eine Verpflichtung zur persönlichen Verständigung seines Kunden mit Schutzwirkung für die Allgemeinheit ableiten lässt, wie die Klägerin meint, muss im vorliegenden Fall nicht näher geprüft werden:

2.4 Die Klägerin beruft sich mit ihrer Argumentation auf eine Schutzgesetzverletzung. Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS‑Justiz RS0027710). Der Schutzzweck einer Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (RIS‑Justiz RS0008775).

2.5 Das Produktsicherheitsgesetz ergänzt das Produkthaftungsgesetz (PHG) und bildet zusammen mit diesem die nationale Ausformung eines umfassend konzipierten „Europäischen Produktqualitätsrechts“, das für den gesamten Binnenmarkt sicherstellen soll, dass einerseits Schäden durch fehlerhafte bzw unsichere Produkte verhindert würden bzw, wenn sie nicht verhindert werden konnten, auf einen an der Herstellung oder zumindest Distribution Beteiligten abgewälzt werden können (Posch in Schwimann, ABGB³ VII Einleitung PHG Rz 7). Entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl die Richtlinie 1985/374/EWG des Rates vom 25. 7. 1985 über die Angleichung der Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte idgF) bezweckt das PHG auch den Ersatz von Schäden an vom fehlerhaften Produkt verschiedenen körperlichen Sachen (§ 1 Abs 1 PHG). Demgegenüber zielt das PSG 2004 auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Verbrauchern ab (Erläut RV 512 BlgNR 22. GP  4). Daher dürfen Hersteller und Importeure nur sichere Produkte in den Verkehr bringen (§ 6 Abs 1 PSG 2004). Ein Produkt ist gemäß § 4 Abs 1 PSG 2004 sicher, wenn es bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung keine oder nur geringe, mit seiner Verwendung zu vereinbarende und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Personen vertretbare Gefahren birgt. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen Art 2 lit b PS‑RL, worin ebenfalls darauf abgestellt wird, dass ein Produkt dann sicher ist, wenn davon keine oder nur geringe Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit von Personen ausgehen. Sicherheit von Personen meint deren körperliche Unversehrtheit (vgl auch ErläutRV aaO). Die Bestimmungen des PSG 2004 bezwecken damit ‑ jedenfalls für den hier anzuwendenden Bereich ‑ im Unterschied zum PHG nicht die Wiedergutmachung von Sachschäden, sondern die Vermeidung von jeglicher körperlicher Beeinträchtigung von Personen bei der Produktbenutzung. Eigentums‑ und Vermögensschäden sind vom Schutzbereich des PSG 2004 daher nicht erfasst (zur vergleichbaren deutschen Rechtslage: Spindler in BeckOK, BGB § 823 Rz 522; ähnlich Wagner in Münchener Kommentar zum BGB § 823 Rz 696; Klindt, GPSG § 4 Rn 8).

2.7 § 7 Abs 3 PSG 2004 steht im Zusammenhang mit den Pflichten der Hersteller und Importeure nach § 6 und § 7 Abs 2 PSG 2004, nur sichere Produkte in Verkehr zu bringen und angemessene Maßnahmen zu treffen, damit sie imstande sind, etwaige von den Produkten ausgehende Gefahren zu erkennen und zu deren Vermeidung zweckmäßige Vorkehrungen zu treffen. Auch wenn man diese Bestimmung als Schutzgesetz gemäß § 1311 ABGB beurteilen und diese Wirkung auch auf Dritte, die das gefährliche Produkt nicht verwenden (vergleichbar der Haftung nach dem PHG [„innocent bystander“]; vgl dazu Posch aaO § 1 PHG Rz 34), erstrecken wollte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen. Diese Norm dient nicht der Verhütung von Sachschäden ihres Versicherungsnehmers. Der sachliche Schutzbereich bliebe auf die Verletzung der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit beschränkt.

2.8 § 7 Abs 4 PSG legt den In‑Verkehr‑Bringern, wenn sie anhand der ihnen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder wissen müssen, dass ein Produkt, das sie in Verkehr gebracht haben, für Verbraucher eine Gefahr darstellt, allgemein die Verpflichtung auf, unverzüglich eine der zuständigen Behörden zu informieren.

Die Klägerin beruft sich erstmals im Revisionsverfahren auf die Verletzung eine den Beklagten als Händler treffenden Informationspflicht gegenüber den zuständigen Behörden gemäß § 7 Abs 4 PSG. Insoweit liegt eine unzulässige Neuerung vor, auf die nicht einzugehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0037612 [T3]).

2.9 Da der vorliegende Fall keine Zweifel im Zusammenhang mit Fragen aus dem Unionsrecht aufkommen lässt, erübrigt sich ein Verfahren gemäß Art 267 AEUV (vgl RIS‑Justiz RS0082949)

3.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass Schutz‑ und Sorgfaltspflichten zwischen ehemaligen Vertragsparteien bestehen können, auch wenn im Zeitpunkt der schädigenden Handlung oder Unterlassung die Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag bereits vollständig erloschen sind (vgl 7 Ob 524/90 = JBl 1991, 387; 2 Ob 193/04b = JBl 2005, 256 [ Rummel ]; 2 Ob 213/05w = ZVR 2006/42, 175; RIS‑Justiz RS0019248). Auch in der Lehre besteht breiter Konsens darüber, dass auch noch nach Erlöschung der Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag Schutzpflichten bestehen können (vgl dazu Schopper , Nachvertragliche Pflichten des Beraters, NZ 2009/28, 97 [98 ff] mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstands). Ausdrücklich wird die Verpflichtung des Händlers bejaht, seinen Kunden zu warnen, wenn er von der Gefährlichkeit eines Produkts Kenntnis erlangt ( Pilz , ecolex 2001/168 [Glosse zu 2 Ob 309/99a]; Koziol , Delikt, Verletzung von Schuldverhältnissen und Zwischenbereich, JBl 1994, 209 [211] zur Verpflichtung des KFZ‑Händlers).

3.2 Der Käufer hatte das beim Beklagten erworbene E‑Fahrrad im Juni 2011 bei diesem zum Service gegeben und stand daher auch noch nach Abschluss der vertraglichen Hauptleistung in einem (nach‑)vertraglichen Kontakt zu diesem. Bei dieser Sachlage kann es ‑ wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat ‑ nicht zweifelhaft sein, dass der Beklagte seinem Kunden gegenüber auch noch nach Abwicklung des Kaufvertrags zur Sorgfalt verpflichtet war. Ob der Beklagte in diesem Sinn eine Vertragspflicht seinem Kunden gegenüber verletzte, weil er ihn von der Gefährlichkeit des mit dem Fahrrad ausgelieferten Akkus nicht ausreichend warnte, wie das Berufungsgericht offenbar meint, kann hier jedoch dahinstehen.

3.3 Nachvertragliche Schutz‑ und Sorgfaltspflichten können zwar auch gegenüber Dritten bestehen, die aus dem Vertrag nicht unmittelbar berechtigt sind (vgl Pilz aaO). Voraussetzung dafür ist aber, dass sie der vertraglichen Leistung nahe stehen. Schutz‑ und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis bestehen gegenüber bestimmten dritten Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet wären und der Interessenssphäre eines Vertragspartners angehören (2 Ob 70/12a = immolex 2013, 179 [NeugebauerHerl] mwN; vgl RIS‑Justiz RS0037785; Karner in KBB 4 § 1295 ABGB Rz 19). Der Kreis der geschützten Personen, denen statt deliktsrechtlichen auch vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche zugebilligt werden, ist dabei eng zu ziehen (RIS‑Justiz RS0022814). Dass der Versicherungsnehmer der Klägerin von den Schutzwirkungen des Vertrags zwischen dem Beklagten und seinem Kunden nicht erfasst war, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt. Dem hält die Klägerin in ihrer Revision auch nichts Stichhältiges entgegen.

4.1 Die Gefährdung absolut geschützter Rechte, darunter des Eigentumsrechts (RIS‑Justiz RS0010350) ist grundsätzlich verboten (RIS‑Justiz RS0022946). Daraus werden Sorgfalts‑ und Verkehrssicherungspflichten abgeleitet (7 Ob 24/02h mwN). Verkehrssicherungspflichten treffen denjenigen, der die Gefahr erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen kann, also jenen, der die Gefahr beherrscht. Wer demnach eine Gefahrenquelle schafft oder in seiner Sphäre bestehen lässt, muss die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden (Ingerenzprinzip; RIS‑Justiz RS0023251; RS0022778; RS0023719). Gleiches gilt für den, der eine Gefahrenquelle übernimmt (vgl Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1294 Rz 64).

4.2 Die Verpflichtung zur Beseitigung der Gefahrenquelle und damit zum positiven Tun folgt aus der vorhergehenden Verursachung der Gefahrensituation. Eine gleiche Verpflichtung trifft auch denjenigen, in dessen Sphäre gefährliche Zustände bestehen. Hier folgt die Verpflichtung zur Beseitigung aus der Zusammengehörigkeit von Verantwortung und Bestimmungsgewalt (10 Ob 55/11b; 7 Ob 171/11i). Ausgangspunkt für die Verantwortlichkeit nach dem Ingerenzprinzip ist damit die Gefahrenzuständigkeit im Sinne einer zumindest faktischen Verfügungsmöglichkeit über die Gefahrenquelle (vgl Reischauer aaO Rz 67).

4.3 Im vorliegenden Fall ist zwar davon auszugehen, dass dem Beklagten als Fachmann auf Grund der Rückrufaktion des Generalimporteurs die mit den schadhaften Akkus verbundene Gefahrenlage bekannt sein musste. Er hat die in der Gefährlichkeit des Produkts gelegene Gefahrenquelle aber nicht geschaffen oder in seiner Sphäre belassen und damit keine verpflichtende Vorhandlung gesetzt, die eine Rechtspflicht zum Handeln begründet hätte (vgl Harrer in Schwimann , ABGB³ § 1295 Rz 44; Reischauer aaO § 1294 Rz 68). Ebenso wenig hat der Beklagte einen gefährlichen Zustand in seiner Sphäre bestehen lassen. Das lässt die Klägerin außer Acht, wenn sie meint, die Beurteilung der deliktischen Haftung des Beklagten habe über die Intensität der Gefahr sowie den Kreis der möglichen betroffenen Personen zu erfolgen. Das Erkennen bzw die Erkennbarkeit der Gefahr ist zwar Voraussetzung für das Entstehen einer Handlungspflicht (vgl Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1294 Rz 36 mwN). Die Widerrechtlichkeit einer Unterlassung setzt eben eine besondere Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, voraus (vgl 8 Ob 227/66 = SZ 39/170 ua, RIS‑Justiz RS0022458; Reischauer aaO Rz 3 mwN). Der Beklagte hat kein vorausgehendes eigenes Verhalten gesetzt, das ihn neben allfälligen vertraglichen Verpflichtungen schon im Interesse der Allgemeinheit, wie die Klägerin offensichtlich meint, zur persönlichen Verständigung ihres Kunden von der Rückrufaktion verpflichtet hätte. Damit haben die Vorinstanzen eine Haftung des Beklagten für die von der Klägerin geltend gemachten Sachschäden ihres Versicherungsnehmers zutreffend verneint.

5. Der Revision der Klägerin ist daher ein Erfolg zu versagen.

6. Die Kostenentscheidung beruht in allen drei Instanzen auf §§ 41, 50 ZPO. Der Ansatz nach TP 3C RATG beträgt 503,60 EUR.

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