OGH 15Os151/14s

OGH15Os151/14s14.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dr. Tiefenthaler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anatoli A***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 26. September 2014, GZ 9 Hv 67/14a‑62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00151.14S.0114.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anatoli A***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB (1./) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst wiedergegeben) am 28. April 2014 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich rund 12 kg Heroin Reinsubstanzmenge sowie näher bezeichnete Mengen von Acetylcodein und Monoacetylmorphin,

1./ sohin in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge in N***** von Ungarn nach Österreich eingeführt und versucht, es in S***** aus Österreich nach Deutschland auszuführen;

2./ sohin in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, von N***** bis in die Nähe von S***** besessen und befördert.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der Beschwerdebehauptung zuwider (Z 3 iVm § 271 StPO) wurde das Hauptverhandlungsprotokoll im bei den Hv-Akten befindlichen (allein maßgeblichen) Original vom Vorsitzenden und der Schriftführerin unterfertigt (ON 61 S 59). Im Übrigen würde auch das Fehlen einer entsprechenden Unterschrift auf dem Hauptverhandlungsprotokoll keine Nichtigkeit begründen (RIS‑Justiz RS0098665 [T8]; Danek, WK-StPO § 271 Rz 4, 5).

Aus der in der Hauptverhandlung nach dem Vortrag der Anklageschrift (ON 47) und der Gegenäußerung der Verteidigung dazu (§ 244 StPO) erfolgten mündlichen Modifikation der Anklage hinsichtlich einer minimalen, nicht subsumtionsrelevanten Erhöhung der jeweiligen Suchtgiftmengen (ON 61 S 6) resultiert entgegen dem weiteren Einwand kein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften (Z 3 iVm § 221 Abs 2 erster Satz StPO; vgl RIS‑Justiz RS0097981).

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert mit ihrer Kritik am Unterbleiben einer Entscheidung des Erstgerichts über (vor Beginn der Hauptverhandlung) in einem Schriftsatz eingebrachte Beweisanträge (ON 57) schon an der formellen Voraussetzung eines in der Hauptverhandlung mündlich gestellten Antrags (§ 238 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0099250 [T14 und T16]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 310 f), woran die Verlesung des Schriftsatzes durch den Vorsitzenden nichts ändert.

Welche (entscheidende Tatsachen betreffende) Feststellungen das Erstgericht zum Kaufvertrag über den vom Angeklagten für die inkriminierte Schmuggelfahrt benutzten LKW treffen hätte müssen oder weshalb der mit dem erwähnten Schriftsatz vorgelegte und in der Hauptverhandlung verlesene Kaufvertrag einer besonderen Erörterung in den Entscheidungsgründen bedurft hätte (Z 5 zweiter Fall; teils auch Z 9 lit a), macht die Beschwerde nicht klar. Mit der Frage, ob der Angeklagte im Tatzeitpunkt überhaupt Kenntnis von dem präparierten Versteck im LKW und der darin verborgenen Suchtgiftmenge gehabt hatte, haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt (US 5 ff) und dabei auch mit nachvollziehbarer Begründung ausgeschlossen, dass ihm der LKW schon beim Ankauf zum Zweck eines ohne sein Wissen geplanten Suchtgifttransports untergeschoben worden war (US 9).

Der Vorwurf einer Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der beweiswürdigenden Erwägungen zu Widersprüchen in den Aussagen des Angeklagten orientiert sich prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370) nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 8), weil sich die angesprochene Urteilspassage, wonach der Angeklagte „es“ in der Hauptverhandlung „diametral“ dargestellt habe, im Kontext eindeutig auf den Umstand bezieht, dass der Angeklagte vor der Polizei von einer von vornherein beabsichtigten Nächtigung in einem ganz konkreten Hotel in B***** sprach (ON 2 S 45), in der Hauptverhandlung demgegenüber davon, er hätte bei Bedarf allenfalls (US 8: „gegebenenfalls“) spontan in irgendeinem Hotel übernachten wollen (ON 61 S 13 f).

Im Sinn des gesetzlichen Auftrags zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) bedurften im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Beweiskraft des Protokolls über die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung (US 6 f) auch nicht sämtliche Details der Angaben der Dolmetscherin Mag. Galena G***** zum Verhalten und zum Inhalt der Aussage des Angeklagten bei diesem Verhör einer besonderen Erörterung (Z 5 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0098377).

Weshalb im Zusammenhang mit der Ortung von Widersprüchen in den Aussagen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen wäre, dass der ermittelnde Beamte Manfred M***** nicht näher anzugeben vermochte, „wie die 'Naviauswertung' funktioniert“, macht die Beschwerde nicht klar, zumal dieser Zeuge nach eigenen Angaben an der erst nach der Vernehmung des Angeklagten durchgeführten kriminaltechnischen Auswertung der historischen Standortdaten des sichergestellten Navigationsgeräts, die Indizien für (vom Angeklagten zunächst bestrittene) frühere Aufenthalte desselben in R***** hervorbrachte (ON 2 S 55; ON 45 S 117 ff), nicht beteiligt war (ON 61 S 46, 55). Dass bei der Verhaftung des Angeklagten eine Adresse in R***** als Zielort eingegeben war, sahen die Tatrichter im Übrigen nicht bloß durch Depositionen des genannten Ermittlers, sondern auch durch jene des Angeklagten vor der Polizei (ON 2 S 55) gestützt (US 7). Seine Erklärung dazu, er habe bloß zwecks Ankaufs eines Gebrauchtwagens nach B***** in Deutschland fahren wollen, fanden die Tatrichter mit logisch nachvollziehbarer und empirisch einwandfreier Begründung nicht überzeugend (US 9 f).

Dem Beschwerdevorbringen zuwider wurde der Umstand, dass der Angeklagte als Verursacher von DNA‑Spuren im Bereich des präparierten Suchtgiftverstecks auszuschließen war, vom Erstgericht gewürdigt, ihm aber ‑ mit mängelfreier Begründung ‑ keine entlastende Bedeutung beigemessen (US 12). Im Hinblick auf die dazu angestellten Erwägungen zur Möglichkeit arbeitsteiligen Vorgehens musste auch nicht gesondert darauf eingegangen werden, dass die Fingerabdrücke auf der Holmabdeckung gleichfalls nicht vom Beschwerdeführer stammten.

Welche Relevanz es für die Schuld- oder Subsumtionsfrage haben sollte, ob der Angeklagte selbst zur Präparierung des Holms des LKW-Rahmens fähig war oder wer die Montage konkret vorgenommen hatte, erklärt das Rechtsmittel nicht.

Mit der Behauptung, die Adaption des LKW sei dem kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen zufolge „vor rund zwei Jahren“ erfolgt, unterstellt der Rechtsmittelwerber der genannten Expertise einen aktenwidrigen Inhalt, denn das Gutachten schließt einen Umbau des LKW erst nach dessen Ankauf im März 2014 gar nicht aus (ON 61 S 37 ff). Schon deshalb musste von den Tatrichtern nicht eigens auf die Einschätzung des Sachverständigen eingegangen werden, dass der Einbau des Verstecks noch keine zwei Jahre zurückliegen könne.

Weiteren Beschwerdeeinwänden zuwider hat sich das Schöffengericht mit den Angaben des Zeugen Yordan Ge***** hinreichend auseinandergesetzt (US 7 ff). Zu allen Details dieser (die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung stützenden) Aussage mussten die Tatrichter mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe nicht Stellung nehmen, zumal sie diesem Zeugen unter Hinweis auf dennoch verbleibende Widersprüche zu den Depositionen des Angeklagten vor der Polizei, auf den in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck und die fehlende Überzeugungskraft seiner (teils als widersprüchlich gewerteten) Erklärungen die Glaubwürdigkeit absprachen (RIS‑Justiz RS0106642). Im Übrigen war nach Ansicht des Schöffengerichts aus der Bestätigung des längeren Verbleibs des LKW auf einem bestimmten Parkplatz schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die damit angesprochene Möglichkeit des „Unterschiebens“ von Suchgift in den präparierten LKW auch andernorts bestand (US 8).

Gleichfalls wurde die Zeugenaussage des Dr. Daniel B***** (des Lebensgefährten der Schwester des Angeklagten) in ihrer Gesamtheit gewürdigt, sein positiver Leumund für den Angeklagten, seine Angaben zur Gebrauchtwagensituation in B***** und zu Gerüchten über häufige Fälle der Unterschiebung von Suchtgift jedoch nicht für geeignet empfunden, den Beschwerdeführer konkret zu entlasten (US 9).

Im LKW des Angeklagten sichergestellten Ausdrucken von Internet-Gebrauchtwagenplattformen kommt mangels objektiven Hinweises auf tatsächlich intendierte oder betriebene Kaufgeschäfte kein erörterungsbedürftiger Beweiswert zu.

Der von mehreren Zeugen geschilderte Umstand, dass der Angeklagte bei und nach seiner Betretung einen „völlig gelassenen und unbeeindruckten Eindruck“ machte, wurde vom Erstgericht keineswegs übergangen, allerdings als Zeichen von hoher Professionalität und nicht (wie im Rechtsmittel gewünscht) als Beweis für das Fehlen eines Vorsatzes gesehen (US 12).

Dass (grenzüberschreitender) Suchtgifthandel in der Variante der Ein- und Ausfuhr (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG; 1./) den mit Beziehung auf dasselbe Suchtgift (mit Überlassungsvorsatz) begangenen Besitz und Transport im Inland (§ 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG; 2./) ‑ entgegen ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0111410) ‑ zufolge Scheinkonkurrenz verdrängen soll, behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bloß, ohne dies methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116565; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588 mwN). Dies gilt auch für die bloße Bezugnahme auf Begriffe wie „Fortsetzungszusammenhang“, „Vortat-Nachtat-Verhältnis“, „materielle Subsidiarität“ oder „tatbestandliche Handlungseinheit“.

Kritik an der Bejahung (auch) versuchter Ausfuhr von Suchtgift (1./) lässt die Annahme der Verwirklichung bloß einer strafbaren Handlung bereits durch die Einfuhr dieses Suchtgifts unberührt.

Im Übrigen entbehrt auch die Behauptung (Z 9 lit a) einer Ableitung aus dem Gesetz auf einem Autobahnparkplatz rund 10 km (wenige Fahrminuten) vor der Grenze (US 3 f und 13 f) sei die „tatbestandliche Ausführungsnähe“ der Ausfuhr von Suchtgift noch nicht erreicht, zumal die Beschwerde nicht angibt, weshalb - gemessen an den Urteilsannahmen zum konkreten Tatplan (US 3 f, 10, 13) - bei einer bloßen Fahrpause unweit der Grenze die entscheidende örtliche und zeitliche Nähe zum tatbestandsmäßigen Unrecht fehlen und die entscheidende subjektive Hemmstufe zur Tatbegehung noch nicht überschritten sein soll (vgl RIS-Justiz RS0089825, RS0089871, RS0090029, RS0089887).

Mit der Reklamierung eines absolut untauglichen Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) legt der Nichtigkeitswerber (nominell Z 9 lit b; der Sache nach Z 9 lit a; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 634 f) auch nicht dar, weshalb die Versuchstauglichkeit an der (hier zufolge nicht eingeplanter Kontrolltätigkeit der Polizei) misslungenen Versuchshandlung, nicht aber am Tatplan des Täters zu prüfen (vgl RIS‑Justiz RS0089957, RS0090080, RS0115363) und daher der Umstand der Festnahme des Angeklagten und der Sicherstellung des Suchtgifts in die Tauglichkeitsprüfung einzubeziehen sein soll.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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